920 Biografien, Genealogie, Insignien
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Melanchthon 2010
(2011)
Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren – so hieß das Motto für das Melanchthonjubiläum 1997, ein kraftvoller Satz aus Melanchthons Rede Über die notwendige Verbindung der Schulen mit dem Amt des Evangeliums, der es seit dem
Jubiläum zum 500. Geburtstag zu einer erstaunlichen Verbreitung gebracht hat. 1997 wurde das Motto in einer Auflage von vier Millionen auf dem Revers der Jubiläumsmünze (in Kurzform: Zum Gespräch geboren) ganz handfest unter das Volk gebracht. Auch 2010 behielt dieses Motto in Gottesdiensten, Veranstaltungen, Zeitungsartikeln, Publikationen etc. seine Aussagekraft. So begann der Rundfunkgottesdienst des Deutschlandfunks in der Konstantin-Basilika in Trier zur Eröffnung des Melanchthonjahres am Reformationstag 2010 mit einer Dialogansprache: Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren. So hat Philipp Melanchthon das gesagt, immer wieder. Das war sein Lebensmotto. Dass der Wahlspruch Melanchthons nach Römer 8, 31 vielmehr lautet: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein, gerät zunehmend in Vergessenheit und scheint offenkundig in der zunehmend säkularisierten Welt immer weniger „anschlussfähig“ zu sein, so dass die Einladung, die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Gespräch sich immer mehr zur Signatur Melanchthons ausprägen. 1997 entfaltete sich das Jubiläum in vier thematischen Facetten, nämlich ‚Bildung‘, ‚Ökumene‘, ‚Politik‘ und ‚Europa‘. Mit der Überschrift des Jahres 2010 Reformation und Bildung wurde der Fokus eingeengt, zugleich aber auch die Möglichkeit eröffnet, das Melanchthonjahr 2010 in die Lutherdekade zu integrieren und mit einem historischen und zugleich aktuellen Proprium zu profilieren.
Meine Höri
(2000)
Was bedeutet Ihnen die Höri? Das werde ich immer wieder gefragt. Man nimmt an, wer hier lebt und malt, muß es wissen. Und verweist auf die vielen Maler, die vor Jahrzehnten hier wohnten, eine Litanei inzwischen bekannter Namen, die da genannt werden. In der Welt draußen gepriesene Namen, die auf diese kleine Landschaft einen Glanz werfen. In ihrer Kunst ist die Höri Bild geworden. Und darauf kann man stolz sein. Der Blick auf ihre Besonderheit und Schönheit ist geöffnet, am klarsten, wie ich meine, durch die Bilder des Malers Adolf Dietrich, der drüben in Berlingen schaffte: Er ist der Eigenart von Untersee und Höri wie kaum einer gerecht geworden. Man weiß auch um die Schriftsteller, die die Höri literarisch gemacht haben. Es trifft zu, was Erhart (nicht Erich) Kästner kühn formuliert hat: „Immer muß erst der Dichter kommen und sehen. Wirklich sind nur die bedichteten Dinge.“ Da erst wird das gewöhnlich Übersehene zum Besonderen. Das stimmt so für Hermann Hesse und Ludwig Finckh, für den philosophischen Ernst Bacmeister, für Klaus Nonnenmann, für Werner Dürrson, hier vor allem auch für Jacob Picard aus Wangen, dem bisher einzigen literarisch bedeutenden Schriftsteller, der auf der Höri geboren ist.
Mit Einwilligung von Studiendirektor a. D. Franz Ruf konnte ich im März 2010 die „Lebenserinnerungen“ seines Vaters, die dieser im Alter von 74 Jahren aufgezeichnet hatte, herausgeben. Damit wurde ein einmaliges zeitgeschichtliches Dokument, das zuvor nur im Familienbesitz war, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und vor dem Vergessen bewahrt. Die „Lebenserinnerungen“ von Edmund Ruf (29. August 1895-26. März 1986) geben einen Einblick in das noch landwirtschaftlich geprägte Leben in Ettenheim zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vermitteln einen Eindruck von den persönlichen Erlebnissen des Autors im Ersten Weltkrieg mit Verwundung, Lazarett und Beinamputation und einem nicht enden wollendem Leidensweg bis ins hohe Alter, zeigen die Schikanen auf, die er im „Dritten Reich“ wegen seiner ablehnenden Haltung zum NS-Regime erdulden musste, lassen die Nöte des Nachkriegs-Bürgermeisters (1. Oktober 1946 - 12. Dezember 1955) erkennen, dem die Bevölkerung die Maßnahmen persönlich anlastete, welche von der französischen Besatzungsmacht angeordnet waren, jedoch von ihm durchgeführt werden mussten, und schließlich berichtet diese nur in kleiner Auflage erschienene Schrift über die mutige und vorausschauende Entscheidung, die zum Bau des neuen Krankenhauses auf dem Meierberg führte. Aus all diesen Ereignissen, die vor allem in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts stattfanden, soll mit dieser Veröffentlichung die persönliche Erfahrung von Edmund Ruf im Ersten Weltkrieg einem größeren Kreis zugänglich gemacht werden.
Mehr Licht für Ludwigsburg
(2015)
Sie werden fragen, war Louis Bührer nicht der erste Kassier der Oberamtssparkasse
Ludwigsburg, nach dem auch der Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse benannt ist?
Was hat er mit der Gasversorgung von Ludwigsburg zu tun? Die Antwort ist einfach,
aber nur wenig bekannt. Es stimmt, Louis Bührer war der erste Kassier der 1852
gegründeten Oberamtssparkasse. Aber er war noch mehr, nämlich ein engagierter
Bürger, der seine Position als Stadtrat konsequent ausnutzte und sich dann überall
aktiv einbrachte, wenn es galt, anstehende Probleme zu lösen oder Verbesserungen
für die Bürger der Stadt in die Tat umzusetzen. Sei es, dass er sich für die Ärmsten
in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen engagierte, dass er die Kassierstelle der neuen
Sparkasse übernahm oder dass er sich für die Errichtung eines städtischen Wasserwerks, vor allem aber eines städtischen Gaswerks einsetzte.
Louis Bührer griff einen in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Wunsch
der Bevölkerung nach einer besseren und komfortableren Beleuchtung von Wohnungen, Häusern und Straßen auf. Als praktikable Beleuchtungsmittel standen den
Menschen in dieser Zeit neben rußenden Talgkerzen nur Öllampen zur Verfügung, in
denen mit Hilfe eines Dochtes tierische und pflanzliche Öle, vor allem aber Mineralöle
wie Petroleum verbrannt wurden. Insbesondere die billigen Talgkerzen lieferten kein
gleichmäßiges Licht, weil der Docht nicht richtig verbrannte. Er musste mit einer
speziellen Lichtputzschere immer wieder nachgeschnitten werden, was äußerst lästig war
und Goethe zu einem Stoßseufzer in Form eines Zweizeilers veranlasste: »Wüsste nicht,
was sie Besseres erfinden könnten, als wenn die Lichter ohne Putzen brennten«.
Dieser biografische Beitrag befasst sich mit einem Offizier, der in Freiburg u.a. als Kommandant
der Einwohnerwehr, langjähriger Stadtverordneter, Vorsitzender der Kolonialgesellschaft,
Präsident der Museumsgesellschaft und Gauführer des Badischen Kriegerbundes tätig war. Er
beteiligte sich an der Gleichschaltung des Gemeinderats und führte nicht nur Kriegervereine
und Kolonialbewegung dem Nationalsozialismus zu, sondern etablierte umgekehrt auch den
,,Kolonialgedanken" im NS-Staat. Die Entnazifizierungsverfahren gegen den SS-Standartenführer
zeigen beispielhaft auf, wie dennoch später das Bild des völlig unpolitischen Offiziers
gemalt wurde.
Maximilian Otto Konrad Alfred Knecht wurde am 6. April 1874 in Basel (Schweiz) geboren.
Seine Eltern waren Otto Knecht, Oberleutnant im 4. Badischen Infanterie-Regiment Nr.
112 in Hueningen im Elsass, und Marie Knecht, geborene Buri. In Mühlhausen bestand er 1892
das Abitur. Anschließend trat er seinen Militärdienst in Halle an der Saale als „dreijährig Freiwilliger"
bei einem Füsilier-Regiment an. Mittlerweile Berufssoldat, wurde er im Januar 1903
zum Oberleutnant befördert.[1]
Maxim Gorki im Schwarzwald
(2013)
Am 12. Dezember 1887 sah Alexej Maximowitsch Peschkow keinen Sinn mehr darin, sein
Leben fortzusetzen und schoss sich in die Brust. Die Kugel traf jedoch nicht das Herz, der 19-Jährige überlebte. Der Lungenverletzung gab man später die Schuld an der Tuberkulose, die
sich erstmals 1896 bemerkbar machte. Alexejs Mutter hatte unter der gleichen Krankheit gelitten und war daran mit 35 Jahren gestorben. Nach einer Kindheit unter widrigsten Verhältnissen
(eindringlich geschildert im ersten seiner autobiografischen Romane) wurde Alexej Gelegenheitsarbeiter, er kam in Kontakt mit illegalen Studentenkreisen und wanderte mit den „Barfüßigen" durch Russland. Seine erste Erzählung schrieb er unter dem Pseudonym „Maxim Gorki" (,,der Bittere") und behielt diesen Namen für die Zukunft. Als Journalist konnte er endlich
vom Schreiben leben, seine Erzählungen wurden bald ein großer Publikumserfolg, zur Sensation geriet 1902 in Moskau die Premiere seines Bühnenstücks „Nachtasyl".
Am 14. Juni 1920 starb Max Weber, Professor für Gesellschaftslehre, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie an der Universität München, im Alter von nur 56 Jahren. Schon die Nachricht in der Frankfurter Zeitung gab der allgemeinen Bestürzung Ausdruck, und auch alle späteren Nachrufe beklagten die Schwere des Verlusts, den Wissenschaft und Öffentlichkeit erlitten hatten. Das wissenschaftliche Werk des Toten wurde gewürdigt und gleichzeitig sein tiefes, unaufhebbares Anderssein respektiert.
Die „Wacht am Rhein“ ist die Dichtung eines gebildeten jungen Mannes, der in
seinen politischen Vorstellungen – nicht ohne Widersprüche – von den Ideen des
Vormärz geprägt war. Als 1840 in Frankreich Forderungen nach einer Eroberung
des Rheinufers als einer natürlichen Grenze aufkamen, verfasste er einen Text,
der nach seinem frühen Tod eine ungeheure Konjunktur erlebte und – inzwischen
Lied geworden – im Kaiserreich gleichsam zur inoffiziellen Nationalhymne der
Deutschen aufstieg. Die „Wacht am Rhein“ zog sich wie ein roter Faden durch
den Krieg von 1870/71 und auch durch den schrecklichen Ersten Weltkrieg, und
ihre ersten Töne waren während der ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs die
Erkennungsmelodie der Sondermeldungen des Wehrmachtsberichtes. Der Dichter jener Zeilen, Max Schneckenburger, stammte aus unserer Region, nämlich
aus Talheim. Er ist heute, ebenso wie sein einst allbekannter Text, weitgehend
vergessen.
Metzgers Weg zur Friedensarbeit begann 1908 im Alter von 21 Jahren, als er in die „Deutsche Friedensgesellschaft“ eintrat. In der allgemeinen Kriegsbegeisterung meldete sich Metzger zu Beginn des Ersten Weltkrieges sogleich als Kriegsfreiwilliger, weil er diesen Krieg als „gerechten“ bewertete. Bis Sommer 1916 finden sich positive Beurteilungen des Krieges bis hin zu den „Segnungen“ des Krieges. Bei einer „Kaiserfeier“ am 22. August 1916 in Graz hielt er die Festrede zu „Kaiser und Vaterland“. Es ist deshalb Franz Posset zuzustimmen, wenn er feststellt: „Von einem Pazifismus Metzgers in jener Zeit zu sprechen, wäre verfehlt.“ Ausgesprochen pazifistische Gedanken lesen wir bei Metzger in der zweiten Hälfte des Jahres 1916, z.B. „Der Weltkrieg: Bankerott oder Triumph des Christentums?“ Es stellt sich deshalb die Frage: Was hat bei Metzger zu diesem Gesinnungswandel beigetragen? Welche Erfahrungen, Begegnungen, Einflüsse oder Überlegungen führten dazu, dass er zu einer neuen und theologisch begründeten pazifistischen Einstellung gefunden hat?
Matthäus Hermann exhumiert seinen 1941 in Russland gefallenen Sohn und überführt ihn nach Schiltach
(2020)
Als vielleicht einmalige, persönliche Selbstausführung eines kleinen und unbekannten Menschen während des Kriegs 1939/45 bezeichnete der in Radolfzell lebende Bahnbeamte Matthäus Hermann (1896–1969) eine 1941 getätigte Aktion: Die Heimüberführung des Leichnams seines beim sog. „Russlandfeldzug“ gefallenen Sohnes Ernst. Von einigen Berufskollegen gebeten beschrieb er sie 1963 in einer 17-seitigen Abhandlung unter dem Titel Ein dunkler Ausschnitt aus meinem Leben!. Zugehörige Fotos sind leider nicht erhalten, sodass die Ereignisse in Russland durch Aufnahmen bebildert sind, die der aus Schiltach stammende Franz Bächle (1913–2000) als Wehrmachtssoldat dort 1942 gemacht hat.
Matthäus Greuter arbeitete zunächst in seiner Heimatstadt Straßburg, danach in Lyon und Avignon und schließlich in Rom als Kupferstecher und Verleger. Greuters Kupferstiche wurden von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt, Kardinäle, Päpste und Fürsten zählten zu seinen Auftraggebern. Zahlreiche Kunsthistoriker bezeichneten ihn als einen der besten Kupferstecher seiner Zeit und beklagten stets, dass er dennoch wenig bekannt und sein Werk kaum erforscht sei. Diese Situation hat sich insbesondere dank der Beiträge von Robert Zijlma, Maria Barbara Guerrieri Borsoi und Peter J. Bell erheblich verbessert. Dennoch ist der Name Greuter bis heute verhältnismäßig wenig bekannt und zahlreiche Stiche seines umfangreichen und vielseitigen Werkes sind unpubliziert.
Verlag und Herausgeber der Reihe The New Hollstein German entschieden sich daher für eine umfassende Bearbeitung des Werkes dieses Künstlers, die in den nächsten Jahren erscheinen wird.
Im Dorf- und Uhrenmuseum in Gütenbach befindet sich eine Flötenspieluhr mit der Signatur „Mathias Siedle“. Die Uhr hat 48
Pfeifen, zwei Zugregister und ein 24-Stundenwerk; auf einer Walze sind acht Melodien gespeichert. Das Besondere an dieser Flötenspieluhr ist die Reinheit des Klangs, ein warmer und weicher Ton, die exakte Präsentation der Stücke ohne Nebengeräusche, eine „mechanisch und musikalisch gute Spieluhr […]“.
Martin Wallner †
(2018)
Am 25. Januar 2018 ist im hohen Alter von 98 Jahren Martin Wallner verstorben. Mit ihm ist nicht nur der älteste Mitarbeiter aus der Gemeinschaft derjenigen von uns gegangen, die im vergangenen Jahrhundert den Grundstein zum Werk über „Die Schmetterlinge Baden-Württembergs“ gelegt haben, sondern zugleich auch der letzte Vertreter ehrenamtlich tätiger Faunisten aus damaliger Zeit, die ihr Wissen über die Verbreitung der Arten dieser Tiergruppe in unserem Land zur wissenschaftlichen Auswertung kostenlos zur Verfügung stellten. Damit meine ich den mit autodidaktisch erworbenen, umfassenden Kenntnissen ausgestatteten, akribisch arbeitenden Naturbeobachter. Er gehörte von Anfang an zur Entomologischen Arbeitsgemeinschaft im Naturwissenschaftlichen Verein Karlsruhe e.V., die am 24. Mai 1967 im Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe (den ehemaligen Landessammlungen) ins Leben gerufen wurde.
Martin Butzer/Bucer wurde als Sohn eines wenig begüterten Küfers am Martinstag des Jahres 1491, also am 11. November, in Schlettstadt geboren. Schlettstadt (frz. Selestat), zwischen Colmar und Straßburg gelegen, war damals eine Reichsstadt, die im ausgehenden 15. Jahrhundert etwa 4000 Einwohner zählte, die von Handwerk, Weinbau und Landwirtschaft lebten. Das Haus der Familie befindet sich am westlichen Rande der Stadt, ganz am Rand, da, wo einst die ärmeren Handwerker wohnten. Das Haus steht übrigens noch unverändert, ist aber recht baufällig und
steht leider nicht unter besonderem Schutz.
Martin
(2005)
Vor mehr als hundert Jahren wurde das Martins-Brauchtum im Rheinland neu belebt.
Heute gehören die Lichterzüge zu Martini wie vor langen Zeiten die Dienstwechsel
und Pachtzahlungen. Lebendiges Gedenken? Oder ist Martins Leben nicht
doch hinter der Tat - der Mantelteilung - verschwunden, wie Roman Mensing
meint?
Hier soll jedoch kein Lebensbild Martins, sondern nur sein entscheidender Impetus
beschrieben, dazu die bildliche Umsetzung angesprochen werden.
Die wesentlichen Lebensdaten finden sich bei Gregor von Tours (540-594): Geburt
316 oder 317 im pannonischen Sabaria (Szombathely/Ungarn) als Sohn eines römischen
Tribuns aus Pavia. Folgerichtig der Name Martinus: zum Mars gehörend.
Als Zehnjähriger nähert Martin sich gegen den Willen des Vaters als Katechumene
(Taufanwärter) dem Christentum, soll - als Fünfzehnjähriger - aber doch den von
einem Offizierssohn selbstverständlich erwarteten Militärdienst akzeptiert haben,
der auch als gesetzliche Pflicht berichtet wird. Die Elitetruppe der Alae scholares,
der er bald angehört, war zuständig für Wach- und Kontrolldienste. In der Osternacht
339 soll er getauft worden sein.
Marliese Echner-Klingmann
(2018)
Das Licht dieser Welt erblickte sie im Januar 1937, ihr Vater fiel noch 1945, Eschelbronn - der Bauernhof ihrer Großeltern und das Heim ihrer eigenen Familie - war ihr Lebensraum. Erst vor wenigen Jahren zog sie sich in eine auswärtige Wohngemeinschaft zurück. Ihre Berufsausbildung zur Bürokauffrau ließ nicht vermuten, dass sie „solche" Spuren hinterlassen würde. Was zeichnete sie aus? Scharfe Beobachtung, Sensibilität, soziales Bewusstsein, Sarkasmus, Humor - und ein besonderes Gefühl für Sprache: Mundart wie Hochdeutsch gleichermaßen.
Vieles erinnert heute in Mittelbaden, vor allem Rastatt, an diesen großen badischen Landesherren. In Rastatt gibt es die Ludwig-Wilhelm-Straße, es gibt das altehrwürdige Ludwig-Wilhelm-Gymnasium, in Baden-Baden befindet sich das Markgraf-Ludwig-Gymnasium, und auch an anderen Orten mag es Bildungseinrichtungen gegeben haben und geben, die ebenso benannt wurden.
Aber nicht nur Orte der Bildung wurden nach dem Türkenlouis benannt, auch für Orte der Einkehr, wie so manche Gastwirtschaft, musste der werbewirksame Name des Markgrafen herhalten.
Wer immer sich mit "badischer Geschichte" befasst, der wird für sich selbst und für seine Leser klären müssen, welchen Raum er zu beschreiben gedenkt. Zahlreiche Autoren haben
diese Aufgabe auf recht verschiedene Weise gelöst. Vor allem waren es historische Jubiläen, die den Anlass dafür boten, sich mit "Baden" zu beschäftigen, so wie dies in den Jahren 2002 und 2006 der Fall war, als man der 200. Wiederkehr der Schaffung des Kurfürstentums und des Großherzogtums Baden gedachte – wie übrigens auch des Nachbarlandes Württemberg, das wie Baden zum Kurstaat und danach zum Königreich erhoben wurde. Zum ersten Großherzog wurde der
bisherige Markgraf Karl Friedrich von Baden, dessen 200. Todestag im Jahr 2011 wiederum den Anlass zu einem Jubiläum bot, das den Gründer des modernen Baden feierte. Diese Daten markieren denn auch den tiefgreifendsten Einschnitt, den es in der neuzeitlichen Geschichte des deutschen Südwestens und auf der Landkarte der deutschen Länder gegeben hat. Erst seit diesem Zeitpunkt gibt es das
Land Baden in jenen von nun an festliegenden Grenzen, die alle politischen Veränderungen bis zum 2. Weltkrieg überdauert haben,
Prächtig sollte sie ausfallen, die für den September 1890 in Emmendingen geplante Säkularfeier zum Stadtjubiläum. Hatte doch 1590, drei Jahrhunderte zuvor, der badische Markgraf Jacob III. den damaligen Marktflecken zur Stadt erhoben. Von der Ankündigung des Festes im „Hochberger Boten“ am 26. Juli bis zum einstimmig gefassten Stadtratsbeschluss vom 21. August 1890, „das projektierte Jubiläumsfest nicht abzuhalten“, verging kein Monat. In dieser kurzen Zeitspanne war am 2. August 1890 im Emmendinger Gasthaus Engel eine allgemeine Volksversammlung einberufen worden, die von ca. 30 Personen besucht wurde. „Daraus schloß man, daß das Interesse für eine solche Feier in hiesiger Stadt kein großes sei und sowohl mit Rücksicht darauf als ,weil manche Herren doch nicht gewillt seien, den katholisch gewordenen Markgrafen zu verherrlichen‘ — wie der Herr Bürgermeister Roll in dieser Versammlung öffentlich sagte — ließ man den früheren Beschluß bezüglich des Festzuges und der Feier überhaupt fallen. Man sieht daraus, mit welchem Vorurtheil die Leute erfüllt sind — gegen alles, was katholisch ist. O Toleranz!“ Dieser bislang nicht veröffentlichte Eintrag in der Emmendinger Pfarrchronik wirft ein bezeichnendes Licht auf die interkonfessionellen Spannungen, die nach Abklingen des badischen Kirchen- und Kulturkampfes vielfach an altbadisch-evangelischen Orten weiterhin bestanden. Durch die von Napoleon geförderte Bildung „Großbadens“ war im deutschen Südwesten ein neues politisch-gesellschaftliches Konstrukt entstanden.
Mitten in den Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs ereilte Carl Wilhelm eine folgenschwere Nachricht: Sein Vater, Markgraf
Friedrich Magnus, war am 25. Juni 1709 im Exil in Basel gestorben. Von heute auf morgen sah sich der 30-jährige Erbprinz gezwungen, das Schlachtfeld zu verlassen und die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Völlig unerfahren in diesem Metier, war er zunächst vollständig auf die Ratschläge des Hofpersonals angewiesen, für eigenständige Ideen und Entscheidungen in wichtigen Fragen war wenig Spielraum. Carl Wilhelm musste sich notwendigerweise nach einem im Staats- und Verwaltungswesen bewanderten und erprobten Regierungsbeamten umsehen. Dem jungen Fürsten blieb jedoch eine
mühsame Suche erspart. Er erinnerte sich an Johann Georg Förderer, Edler von Richtenfels, der seit 1707 als Commissionsrat und Bergwerksdirektor in Diensten des Grafen Anton Günther von Schwartzburg in Arnstadt stand und schon seit über zwei Jahren alles daran setzte, an den baden-durlachischen Hof zu kommen.