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Zwei Jahre vor dem berühmt gewordenen Kirchentag in Wittenberg erschien 1846 in den Fliegenden Blättern aus dem Rauhen Hause zu Horn bei Hamburg ein Artikel über die Innere Mission in Baden, in dem – wahrscheinlich – Johann Hinrich Wichern schrieb: Baden steht zwischen Württemberg, den Cantonen Basel und Zürich und dem Elsaß eigenthümlich isolirt da, in Beziehung auf die freie Association zu praktisch christlichen Zwecken in unmittelbarster Nähe. Während in den genannten, Baden umgebenden, Ländern Vereine und Anstalten christlicher Liebe aller Art blühen und zunehmen, kommt aus Baden uns kaum eine Kunde von verwandten Unternehmungen zu. Diese Klage über mangelnden missionarischen und diakonischen Einsatz dürfte kaum mit dem Hinweis auf Wicherns defizitäre Kenntnisse zu entkräften sein, galt er doch als überaus gut informierter Fachmann, wie die in der genannten Zeitschrift abgedruckte Auflistung badischer Werke der Inneren Mission zeigt. Die badischen Entwicklungen der Inneren Mission und der „Diakonie“ verfolgte Wichern spätestens seit den frühen 1830er Jahren. Seit dieser Zeit pflegte er auch direkte Kontakte zu Badenern.
Friedrich Wernz wurde am 17. April 1917 in der Mitte des Dorfes geboren. Handschuhsheim war - obwohl seit 1903 ein Heidelberger Stadteil - von der Landwirtschaft geprägt. Die Herkunft prägte Friedrich Wernz' soziale Grundeinstellung.
Die Arbeit auf dem Hof und im Feld legte die Grundlage für sein Naturverständnis. ,,Im Nachhinein erkenne ich", berichtete er später, ,,dieser Geist war für mich genauso prägend wie Schule und Studium"'. Als 5-jähriger hatte er 1922 die Gründung
des Obst- und Gartenbauvereins Heidelberg-Handschuhsheim erlebt. Mit diesem Verein blieb er sein ganzes Leben lang verbunden.
Formal sind die lutherische und die reformierte Traditionslinie des Protestantismus in der unierten Evangelischen Landeskirche in Baden gleichrangig. Gerne und oft wird auf Martin Luther rekurriert. Kommt aber Johannes Calvin ins Spiel, neigt man rasch zur Distanzierung oder verbittet sich eine Identifizierung. Als jüngst im Calvin-Jahr 2009 die Pfarrstelle der einzigen Johannes-Calvin-Gemeinde in Deutschland, die in Mannheim-Friedrichsfeld besteht, ausgeschrieben wurde, sah man sich offenbar veranlasst, Missverständnissen vorzubeugen: [D]er Name [weist] nur [!] auf die Gründung des Ortes durch vertriebene Hugenotten im Jahre 1683 hin und bedeutet keine besondere, reformierte Prägung. Eine entsprechende Erklärung war bislang noch in keiner Ausschreibung der zahlreichen Luthergemeinden in badischen Landen zu lesen gewesen. „Luther“ steht also für das gemeine evangelische Kirchentum, „Calvin“ für eine Sonderform, so scheint doch gefolgert werden zu können. Das
„reformierte Erbe“ wird aktuell wenig dokumentiert; so finden sich im Schlagwortregister der Homepage der badischen Landeskirche wohl die Aufrufe „lutherische Kirche“ und „unierte Kirche“, nicht jedoch „reformierte Kirche“.
Das Rittergut Altwiesloch hat in seiner Geschichte zahlreiche Besitzwechsel erlebt.
Seit dem Auftreten der so genannten nippenburgischen Erben am Ende des 16.
Jahrhunderts war das Gut, das zuvor immer nur in einer Hand war, unter vier Besitzern
aufgeteilt. Aber sieht man einmal von Schwarz Reinhard von Sickingen ab,
der Altwiesloch als nicht eingelöstes pfalzgräfliches Pfand an sich brachte, waren
bis hin zu den nippenburgischen Erben alle adeligen Herrschaften in Altwiesloch
auf dem Erbweg zu ihrem Besitz gekommen. Das änderte sich zu Beginn des 17.
Jahrhunderts, als Philipp Albrecht Fock von Wallstadt und später sein Nachfolger
Hans Carl von Merlau durch Kauf an Anteile in Altwiesloch kamen.
Am 2. April 1860 wurde Eugen Balzer in Bad Ems als Sohn eines preußischen
Beamten geboren. Er studierte Medizin in Marburg, Berlin, Straßburg und Freiburg;
in Marburg leistete er seinen Militärdienst und in Freiburg war er Mitglied des farbentragenden akademischen Turnvereins „Albertia". Die fachärztliche Ausbildung
machte er in der Augenheilkunde und war als Assistenzarzt einige Zeit in der Universitätsaugenklinik tätig.
Vor gut 150 Jahren ist das Oeuvre eines Malers zusammengestellt worden, das in
der Folgezeit nicht mehr grundlegend erweitert wurde. Somit musste die anfangs
gefasste Beurteilung des künstlerischen Wesens, seine Einordnung in die Malerei der
Zeit, auch durch die wenigen später hinzugekommenen Werke nicht mehr
grundsätzlich in Frage geteilt und gar geändert werden – sieht man einmal von
untauglichen Versuchen des Kunsthandels ab. Der Anfang dieses Oeuvre ist in das
letzte Lebensjahrzehnt von Albrecht Dürer zu legen, der 1528 verstorben ist. Seine
Kulmination findet in der darauffolgenden Dekade statt.
Ein hübsches 12-zeiliges Gedichtautograph
Ferdinand Freiligraths auf einem
Albumblatt gelangte unlängst über den
österreichischen Autographenhandel in die
Lippische Landesbibliothek in Detmold, die
in ihrem Literaturarchiv eine der umfangreichsten
Sammlungen zu diesem im Jahre
1810 in der lippischen Residenz geborenen
Dichter bewahrt. Das Blatt trägt am Schluss
in der markanten ausgeschriebenen Hand
des Lyrikers eine dreizeilige Widmung, seine
Unterschrift sowie Ort und Datum. Da das
Gedicht keinen Titel aufweist, liegt die
Zuordnung nicht unmittelbar auf der Hand.
Bei näherem Hinsehen handelt es sich
jedoch um die Übersetzung zweier Strophen
des 18-strophigen Gedichts „Epistle to
William Simson“, das der schottische Dichter
Robert Burns (1759–1796) im Mai 1785
verfasst hat. Schon als junger Mann von
diesem fasziniert, hatte Freiligrath die
Epistel übersetzt und ihr den unverfänglichen
Titel „An einen Freund“ gegeben.
Bevor einiges zum Entstehungsumfeld
dieser poetischen Reminiszenz zu sagen ist,
folgen zunächst die Verse:
Von Hexen und Heiligen
(2009)
Von Hexen und Heiligen soll die Rede sein - von Frauen, die in Schillers Leben und Werk von großer Bedeutung sind. Sein ideales Frauenbild entspricht dem des 18. Jahrhunderts, so, wie er es in der "Glocke" anschaulich schildert. Man könnte sich vorstellen, dass heute noch so mancher Herr der Schöpfung diesen Frauentyp wieder zurückwünscht. Ganz entscheidend für die Erziehung und Entwicklung des von Geburt an sensiblen und kränklichen Knaben ist seine Mutter, eine rechtschaffene, fromme Frau, von früh bis spät auf den Beinen, nimmermüde. Ihr sind der Haushalt und die Erziehung der Kinder anvertraut, da der Vater aus beruflichen Gründen meistens abwesend ist. Sie hat im Hause das Sagen, ihre Arbeit ist die einer Dienerin.
Zu 300 Jahren Ludwigsburger Stadtgeschichte gehören auch die Geschichten ihrer Kirchen. Konfessionen und Religionen gestalten das Leben in einer Stadt wesentlich mit, da Kultus und Kultur zusammenwirken. Dass sie als Kirchen hier gleich zu
Beginn im Plural genannt werden, ist zwar aus heutiger Sicht selbstverständlich, keineswegs jedoch aus den Anfängen der Ludwigsburger Geschichte. Als Schloss und Stadt Ludwigsburg heranwuchsen, war das Herzogtum Württemberg ein evangelisches Gemeinwesen lutherischer Prägung. Dies hatte die Reformation seit 1534 so entwickelt und wurde in der Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 und dem Landtagsabschied von 1565 festgeschrieben, gültig als das Grundgesetz des evangelischen Württemberg bis zum Königreich 1806 und prägend weit darüber hinaus. So hatten seit der Reformation alle Landesbeamten in sämtlichen Dienstbereichen die so genannte Konkordienformel, die in Tübingen entstandene Bekenntniseinigung der Lutheraner, bei Dienstantritt zu unterzeichnen. Eine Trennung von Staat und Kirche gab es nicht, Bürgergemeinde und Kirchengemeinde waren eines, die Kirchenleitung eine herzogliche Behörde und der Herzog das Oberhaupt seiner Landeskirche, die damit die Form einer Staatskirche besaß. Dazu kam, dass Württemberg seit dem Tübinger Vertrag von 1514 eine ständische Verfassung hatte, was den Vertretern der Landstände, zu denen die Ehrbarkeit, die Städte und die Vorsteher der großen Klöster gehörten, eine große Machtstellung in der Landespolitik einräumte. Auch nach der Reformation waren unter den insgesamt 83 Mitgliedern des württembergischen Landtags 14 evangelische Prälaten als Leiter der Klosterschulen. Somit hatte die Landeskirche auf diesem Weg starken Einfluss auf die Landespolitik, notfalls auch gegen den Herzog, obwohl dieser Kirchenoberhaupt war! Ob diese Machtposition dem Auftrag der Kirche Jesu Christi, die das Evangelium frei und unabhängig auszurichten hat, dienlich war, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
Zwischen der Verleihung Villingens als Reichslehen an die Grafen von Fürstenberg (1283) und dem Übergang der Stadt an die habsburgisch-österreichischen Herzöge (1326) liegt die fürstenbergische Zeit des Baarortes. Zwar hatten die Fürstenberger schon seit den 1250er-Jahren (bedeutenden)
Einfluss auf Villingen gehabt, doch erst 1283 war – zusammen mit der Übernahme der Baargrafschaft – ihre Herrschaft allgemein anerkannt. Das Nachfolgende will einführen in die Geschichte der
Fürstenberger Grafenfamilie und in die fürstenbergische Zeit Villingens.
Vater der schnellen Beine
(2009)
Im Alter von vierzehn Jahren verfolgte ich bei Nachbarn - wir hatten noch kein Fernsehgerät - fasziniert das erste große Fernsehereignis meiner Kindheit - die Olympiade in Rom 1960. Noch heute, nach fast fünfzig Jahren, spüre ich die Spannung vor dem 100-m-Endlauf der Herren. Im Starterfeld unser Armin Hary. Mit einem Blitzstart fällt Armin Hary in den
Startschuss hinein - Fehlstart! Armin will das Risiko einer Disqualifikation vermeiden und startet beim zweiten Versuch betont langsam und gewinnt trotzdem in einem furiosen Lauf mit 10,2 Sekunden die Goldmedaille. Wer stand hinter diesem Erfolg? Es war Helmut Häfele. Sein Markenzeichen war die Trillerpfeife. Helmut Häfele schrieb in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts deutsche Leichtathletik-Geschichte und war bis zuletzt erfolgreich als Sprinttrainer beim SCL-Heel Baden-Baden aktiv.
Die Listen des 24-jährigen Laufwunders aus Steinach sind beachtlich lang, auf denen seine Erfolge, Siege und Rekorde im Treppenlaufen, Rückwärtslaufen und Berglauf aufgeführt sind, zumal diese erst mit dem Jahre 2002 beginnen. Damals gewann Thomas Dold erstmals eine Bronzemedaille in der deutschen Junioren-Berglauf-Mannschaft in Innsbruck und sicherte sich den zweiten Platz in der A-Jugend beim Frankfurter Marathonlauf mit 3:01:56 Stunden. Dabei fing sein junges Leben ganz unspektakulär am 10. September 1984 im Wolfacher Kreiskrankenhaus an. Mit seinen Eltern und zwei älteren Schwestern wuchs er im Elternhaus in der Kraftzig, nördlich unterhalb des Steinacher Hausbergs Kreuzbühl gelegen, in Steinach auf. Seine Grundschulzeit verbrachte er in der Georg-Schöner-Schule Steinach, bevor er auf die Realschule des Heinrich-Hansjakob-Bildungszentrums in Haslach wechselte, dort mit der Mittleren Reife abschloss und am Wirtschaftsgymnasium der Kaufmännischen Schulen in Hausach sein Abitur machte.
Seewangen
(2009)
Der Riederner Pfarrer Johann Nepomuk Bickel hat im Jahr 1749 eine Zählung der in den acht Ortschaften der von ihm pastorierten Pfarrei ansässigen Mitglieder der Kirchengemeinde vorgenommen und das Ergebnis dieser Zählung schriftlich festgehalten: Er selbst war einer der vier Regularkanoniker der 1638 dem thurgauischen Augustinerchorherrenstift Kreuzlingen inkorporierten Propstei Riedern, denen die Seelsorge in dem schon 1697 als „amplissima parochia“1 bezeichneten Kirchspiel oblag, das sich vom Riedersteg im Schlüchttal bis auf den Rötenberg hinauf erstreckte und mit 1400 Seelen ebenso volkreich wie ausgedehnt war. Der eine halbe Wegstunde von der Riederner Pfarr- und Propsteikirche Sankt Leodegar entfernt gelegene Filialort Seewangen, bestehend aus zehn Häusern und der 1720 erbauten Peter-und-Paul-Kapelle2, hatte am weiteren Wachstum der Kirchengemeinde so gut wie keinen Anteil. Von den 1538 Seelen, die sie im Jahr 1809 zählte3, wohnten 71, nur drei mehr als sechzig Jahre zuvor, in Seewangen.
Schöne Tage in Bretten
(2009)
Historische Staatsgrenzen zwischen deutschen Ländern bereiteten ihren Bürgern
oft bedrückende Erfahrungen, ihre Uberwindung glückliche Augenblicke. Das
wissen wir nicht erst als Zeitgenossen von Mauerbau und Wiedervereinigung.
Deutsche Kleinstaaterei gegen Ende des 18. Jahrhunderts machte beispielsweise
auch Friedrich Schiller, dessen 250ster Geburtstag heuer gefeiert wird, das Leben
schwer „Die Grenze", berichtet Andreas Streicher in seinen posthum erschienenen
Mitteilungen über Schillers Flucht aus Stuttgart, wurde „mit einer Freude betreten,
als ob rückwärts alles Lästige geblieben wäre und das ersehnte Eldorado bald erreicht
sein würde". Angenehme Gegenden und das muntere Wesen und Treiben
der rüstigen Bewohner beflügelten offenbar den jungen Dichter. Die unmittelbar
bevorstehende Ankunft im „freundlichen" Bretten verwandelte sein „bisher etwas
düsteres Gemüt zur gefälligsten Heiterkeit".
Schöne Tage in Bretten
(2009)
Historische Staatsgrenzen zwischen deutschen
Ländern bereiteten ihren Bürgern oft
bedrückende Erfahrungen, ihre Überwindung
glückliche Augenblicke. Das wissen wir nicht
erst als Zeitgenossen von „Mauerbau“ und
„Wiedervereinigung“. Deutsche Kleinstaaterei
gegen Ende des 18. Jahrhunderts machte beispielsweise
auch Friedrich Schiller, dessen
250ster Geburtstag heuer gefeiert wird, das
Leben schwer (Abb. 1). „Die Grenze“, berichtet
Andreas Streicher in seinen (posthum erschienenen)
Mitteilungen über „Schillers Flucht“
aus Stuttgart, wurde „mit einer Freude betreten,
als ob rückwärts alles Lästige geblieben
wäre und das ersehnte Eldorado bald erreicht
sein würde“. Angenehme Gegenden und das
muntere Wesen und Treiben der rüstigen
Bewohner beflügelten offenbar den jungen
Dichter. Die unmittelbar bevorstehende Ankunft
im „freundlichen“ Bretten verwandelte
sein „bisher etwas düsteres Gemüt“ zur „gefälligsten
Heiterkeit“.
Ringen um Erfolg
(2009)
Ringen ist ohne Zweifel eine der ältesten Kampfsportarten. Ausgehend von den klassischen Mittelmeer- und früheuropäischen Bauernkulturen des Nordens, genossen erfolgreiche Kämpfer hohes Ansehen, dienten sie doch als geschickte Krieger und Taktiker zu Leitbildern für die Jugend. Ringen war bereits im Jahre 708 vor unserer Zeitrechnung olympische Disziplin. Von den alten Ägyptern, Griechen - Platon und Pythagoras waren aktive Ringkämpfer - bis zu den Römern und sogar den Rittern im
Mittelalter wurde Ringen betrieben.
Doris Ebert war von 1986 bis 1994 Mitglied
des Beirats im Heimatverein
Kraichgau. Von 1994 bis heute bekleidete
sie das Amt eines der drei stellvertretenden
Vorsitzenden und war in dieser
Funktion insbesondere für den nordöstlichen
Teil des Kraichgaus zuständig.
Seit 1991 leistete sie als Mitglied des Redaktionsstabs
bei der Herausgabe des
alle zwei Jahre erscheinenden Kraichgau-
Jahrbuchs, der Sonderveröffentlichungen
und der Kleinen Reihe eine
umfangreiche Arbeit. Seit 2001 leitet sie
den Redaktionsstab mit großer Umsicht.
Talheim ist - herrschaftsgeschichtlich betrachtet - eine der interessantesten Gemeinden
im ganzen Landkreis Heilbronn. Vom Mittelalter bis zum Ende des Alten
Reiches war es Kondominat beziehungsweise Ganerbschaft. Das heißt, für die
Herrschaft im Dorf waren mehrere, zeitweise ein halbes Dutzend Herren zuständig.
Auch Gemmingen, Heinsheim und Jagsthausen, desgleichen Neipperg und
Schwaigern, waren zeitweise Ganerbschaften; aber anders als Talheim blieben die
zuletzt genannten Orte ganz überwiegend im Besitz verschiedener Zweige derselben
herrschaftlichen Familie. In Talheim hingegen waren - ähnlich wie in Widdern,
wo man die einzelnen Anteile schließlich nach 512teln bemaß!
- bereits im Mittelalter
ganz unterschiedliche Herrschaftsträger beteiligt, anfangs allein solche ritteradliger
Herkunft, seit 1499 in wachsendem Umfang der Deutsche Orden.
Oskar Wiegert
(2009)
In fast allen Veröffentlichungen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Offenburg, zuletzt in Martin Ruchs Publikation über das Novemberpogrom in Offenburg, fällt der Name Oskar Wiegert als fanatischer und skrupelloser Nazitäter. Im Rahmen der Untersuchung der Entnazifizierung der Stadtverwaltung Offenburg fand der Autor weitere Archivdokumente, die bisher noch nicht ausgewertet wurden und interessante Aufschlüsse über seine Nachkriegsbiografie bringen. Zu Beginn der fünfziger Jahre lässt sich in der Bundesrepublik eine Abkehr von der im vorigen Beitrag beschriebenen Entnazifizierungspolitik feststellen. Schritt für Schritt setzte sich ein Nazi-Begriff durch, ,,der auf Rabauken und Sadisten passte, aber die partei-organisatorisch nicht recht greifbaren Unterstützer in herausragenden Positionen - Wirtschaftsmanager, Richter, Bürokraten, Professoren - ausfilterten." Dieses Milieu hatte sich nicht mit den kleinen Pöstchen abgegeben, wie Kassenverwalter, Zellenleiter, Blockwart etc. Einfach zu belangen waren die Raufbolde, Querulanten. Sie besaßen teilweise Hemmungen, den plebejischen NS-Verbänden mehr als nominell beizutreten und hatten ihren Einsatz auf viel effizientere Weise bewiesen, nur blieb davon im formalen Raster der Entnazifizierung nicht viel hängen. Letztendlich existierte in den fünfziger Jahren ein „gewisses Solidaritätsgefühl zwischen Nazis und Nicht-Nazis." In vielen Gemeinden gab es oftmals eher eine Sympathie für den verteufelten Nazi als für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitarbeiter der Spruchkammern, die im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung sich dem System widersetzt hatten, waren bereits gegen eine Wand des Schweigens gestoßen. Sie waren der Bevölkerungsmehrheit oft fremd, suspekt und lästig.
Im ersten Band des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte hat Prälat Gerd Schmoll als Zeitzeuge berichtet, wie er Krieg und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt hat. Wie schon oft stellte sich mir die Frage: Wie habe eigentlich ich dies alles erlebt, 1929 in Mannheim geboren und dort aufgewachsen, zuerst als Kind, dann als Mädchen, und noch später als Heranwachsende, als Frau? Wie vermag ich heute in der Rückschau dies zu sehen? Ich bin viereinhalb Jahre älter als Gerd Schmoll und habe fast immer in Mannheim gelebt und auch gearbeitet, wobei allerdings die nicht einmal zwei Jahre, die ich aus Kriegsgründen in St. Blasien verbringen musste, von nachhaltiger Bedeutung für mich waren. Viereinhalb Jahre Altersunterschied kommen für die Zeit des „Dritten Reiches“ und der Nachkriegszeit geradezu einem Generationen-Unterschied gleich. So will ich es wagen, will einiges von meinem Erleben oder Erspüren versuchen zu benennen.