920 Biografien, Genealogie, Insignien
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Von kräftiger Statur, energisch, klug, charmant und höchst attraktiv soll er gewesen sein:
Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach. Mit der Gründung der Residenz Carols’ Ruhe 1715
schrieb der Markgraf eine wahre Erfolgsgeschichte. Heute ist Karlsruhe mit rund 300 000
Einwohnern nach Stuttgart die zweitgrößte Stadt des Landes Baden-Württemberg. Aus Anlass
des 300-jährigen Stadtjubiläums würdigte das Badische Landesmuseum Karlsruhe in
seiner Großen Landesausstellung Karl Wilhelm 1679–1738 erstmals Leben und Wirken des
legendären Stadtgründers und konnte hierfür kostbare, sehr persönliche, nie zuvor öffentlich
gezeigte Exponate in die ehemals markgräfliche Residenz zurückholen. Aus dem Zusammenspiel
von barocker Rauminszenierung und neuen Vermittlungsformaten gelang eine lebendige,
informative Ausstellung, die nicht nur den Karlsruhern in Erinnerung bleiben wird.
Bekannt geworden ist Alex Möller als erster sozialdemokratischer Bundesfinanzminister, doch
schon vor seinem Wechsel als Abgeordneter nach Bonn im Jahr 1961 gehörte Möller für eineinhalb
Jahrzehnte zu den prägenden Persönlichkeiten der südwestdeutschen Landespolitik.
Die vorliegende Studie zeigt auf, wie sich Möller im Stuttgarter Landtag für die Belange des
badischen Landesteiles eingesetzt hat, aber auch zum wortgewaltigen Verfechter der Interessen
von Opfern des Nationalsozialismus wurde.
Wagnerverehrung in Mannheim
(2015)
Die Empfangsabende bei Wagner waren immer sehr schön & glanzvoll, aber
der letzte Abend vor meiner Abreise, wo ich ganz allein mit meiner Frau bei ihm war, war der schönste. [Er] wollte nicht, daß ich schon jetzt Bayreuth verlasse, schenkte mir zum Abschied eine große Photographie von sich, auf welche er schrieb: O Freund Heckel! Es war doch gut1 Mit diesen fast wehmütigen Worten kommentierte Emil Heckel seinen Abschied von Bayreuth im Jahr 1876. Fast zwei Monate hatte er in der oberfränkischen Kleinstadt zugebracht. Es war das Jahr der ersten Bayreuther Festspiele. Und selbstverständlich hatte Emil Heckel als Vorsitzender des Mannheimer Wagnervereins und Verwaltungsrat
der Bayreuther Festspiele die Premieren von Richard Wagners „Ring
des Nibelungen“ verfolgt. Zwischen dem Mannheimer Musikalienhändler und dem Komponisten hatte sich ein persönliches Band entwickelt. Von welcher Beschaffenheit dieses war, wo es in dem breiten Spektrum zwischen blind-emotionaler Verehrung und Freundschaft auf Augenhöhe anzusiedeln ist, bleibt zu klären.
Bildwerk und Betrachter
(2015)
Ausstellungen regen zum Nachdenken an – über das, was wir sehen, darüber, wie wir etwas wahrnehmen, und über die Frage, warum uns ein Bild etwas sagt oder nicht. Indem Bilder Anlass geben, über das bloße Hinschauen und Mögen/Nichtmögen hinaus nachzudenken darüber, was wir von Kunstwerken erwarten oder erhoffen, entsteht aus vereinzelten Zuschauern mit je privaten Vorlieben und Prägungen ein Publikum, das sich über seine Wahrnehmungen verständigen, streiten, austauschen kann. Der folgende Text besteht aus zwei Teilen, die unabhängig voneinander als Einführungsvorträge zu zwei Ausstellungen („Transkriptionen in Farbe“, Landratsamt Tuttlingen, 19. September 2013 und „Auf den zweiten Blick“, Diakonissen-Mutterhaus Hebron in Marburg, 19. Oktober 2014) entstanden sind, die sich aber ergänzen, insofern unterschiedliche Aspekte des Messnerschen Werks wie der Dynamik des Betrachtens thematisiert werden.
»Wenn ich mich frage, was Menschen Ihrer Art an und in meiner bisherigen Produktion gefunden haben, so muß ich mir antworten, es ist das ethische Element darin«. Näher kennengelernt hatte Thomas Mann dieses »ethische Element«, das er in einem Brief an Adolf von Grolman erwähnte, in der Zeit zwischen 1916 und 1918. Adolf von Grolman studierte an der Münchner Universität und besuchte den damals schon prominenten Autor von »Buddenbrooks« insgesamt neun Mal
in der Poschingerstraße. »Mit Thomas Mann stehe ich geradezu freundschaftlich«, berichtete er am 24. Juli 1917 seiner Mutter. So viel Zeit opferte Thomas Mann bekanntlich nur, wenn für ihn dabei etwas heraussprang. Offensichtlich
lieferte ihm Adolf von Grolman in der Zeit, als er seine »Betrachtungen eines Unpolitischen« schrieb, wertvolles Material.
»Menschen, die ihm nützen und etwas zutragen konnten, oder die ganz einfach interessante Figuren waren, hatten sehr viel größere Chancen, bis zu ihm durchzudringen, als andere, die ihrerseits etwas von ihm wollten und auch sonst nicht viel zu
bieten hatten«.
In der Karlsruher Waldstadt zu Hause, aus dem Nachbarort Neuburgweier stammend, mit einem riesigen Werk im Land und darüber hinaus vertreten, war Professor Emil Wachter (1921–2012) eine prägende Künstlerpersönlichkeit von nationaler Bedeutung mit badischen Temperament. Man hatte ihn den »deutschen Chagall« genannt und das »Auge von Karlsruhe«. Dies bezeichnet die ganze Bandbreite seines künstlerischen Wirkens. Mit den Augen sehen und erkennen, mit Herz und Verstand deren Signale steuern und mit den Händen geschehen lassen, was sich in mir tut. So etwa formulierte Emil Wachter den Prozess seines künstlerischen Wirkens. Und so hat er auch sein Karlsruhe gesehen, dass er seine »Herzkammer« nennt, gelegen im badischen »Lichtsaal«.
Als der junge, eben promovierte Studienreferendar von Friedrich Metz eingeladen wurde,
am 26. Juni 1952 im Alemannischen Institut
Freiburg einen Vortrag zur Thematik seiner
Dissertation zu halten, ahnte er nicht, welche
Bedeutung dieses Institut noch für sein Leben
als Wissenschaftler spielen würde, ja, dass
er drei Jahrzehnte später selbst den Vorsitz
dieses Instituts übernehmen sollte. Prof. Dr.
Wolf-Dieter Sick, am 31. Mai 1925 im niederösterreichischen Neunkirchen geboren, hatte
nach dem Zweiten Weltkrieg das Studium
von Geographie, Geschichte und Romanistik
in Tübingen aufgenommen und bereits nach
zehn Semestern 1951 mit einer von Karlheinz
Schröder betreuten Dissertation über die Vereinödung im nördlichen Bodenseebecken abgeschlossen. Das kurz danach abgelegte Staatsexamen bereitete den Weg zum Schuldienst vor,
zu dem 1953/54 auch die Tätigkeit als Assistant d’allemand in Paris gehörte.
Am 4. Oktober 2014 verstarb in Freiburg im
Alter von 74 Jahren Prof. Dr. Dieter Mertens,
seit 1991 Ordinarius für mittelalterliche Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg. Zuvor hatte er von 1984 bis 1991
den Lehrstuhl für mittlere und neuere Geschichte mit Schwerpunkt Landesgeschichte
und Historische Hilfswissenschaften an der
Universität Tübingen inne, verbunden mit der
Leitung des Instituts für geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften. In dieser seiner Tübinger Zeit übernahm
Mertens 1989 die Leitung der Außenstelle
Tübingen des Alemannischen Instituts, dem
er seit 1979 als Mitglied und seit 1987 als
Mitglied des Beirats angehörte, und wurde
zugleich stellvertretender Vorsitzender des
Instituts, eine Funktion, die er nach seinem
Wechsel an die Universität Freiburg bis 1995
beibehielt.
Am 23. Januar 1846 greift im südrussischen Nowotscherkassk (Stadt nordöstlich von Rostow
am Don, Donkosakengebiet) ein erboster Johannes Wittwer zu Feder und Papier, um sich sowohl
mit Nachdruck beim in Sankt Petersburg residierenden Schweizer Honorargeneralkonsul Johann
Bohnenblust (1785–1859, Konsul 1837–1847) über seinen früheren Arbeitgeber, Generalleutnant
Vasilij Dmitrievič Ilovajskij (1785–1860), zu beschweren als auch – und zwar in der gleichen
Angelegenheit – bei der diplomatischen Vertretung der Schweiz um tatkräftige Unterstützung
nachzusuchen. Im Rahmen eines mehrere Seiten umfassenden, ausführlich gehaltenen Briefes
an seinen aus Aarburg (südlich von Olten, Kanton Aargau) stammenden, in der einschlägigen
Literatur wohl zu Unrecht als einstigen Zögling des Erziehers und Sozialreformers Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) erwogenen Landsmann bringt der sich selbst als unterthänigster
Diener bezeichnende Verfasser des Schreibens in dezidierter Form seinen tiefen Unmut über die
– zumindest aus seiner persönlichen Perspektive – geradezu betrügerischen Machenschaften und
das lügenhafte Gebaren seines früheren Dienstherrn zum Ausdruck. Allerdings: Im Mittelpunkt
des kurze Zeit später (am 13./1. Februar 1846) in der damaligen Hauptstadt des Zarenreiches
eingetroffenen Briefes stehen nicht etwa Vorwürfe, die einen Arbeitskonflikt zwischen Johannes
Wittwer und Ilovajskij betreffen, sondern das angebliche Unrecht, das Wittwers Gattin Maria
vonseiten des hohen russischen Offiziers widerfahren zu sein scheint.
Sie war fromm, sie war tätig und sie war mächtig. Großherzogin Luise von Baden, Prinzessin von Preußen war eine der herausragenden Persönlichkeiten der badischen Landesgeschichte im „langen“ 19. Jahrhundert. Ihre exzeptionelle Bedeutung ist von mehreren Faktoren gefördert worden. Beispielsweise ist ihre preußische Herkunft als Tochter des ersten deutschen Kaiserpaares Augusta und Wilhelm I. von Hohenzollern zu nennen. Mit ihrer Alleinstellung als einzige Kaisertochter, spätere Kaiserschwester und nicht zuletzt als agnatische Tante des letzten Kaisers Wilhelm II., war die familiäre Verbundenheit und Vertrautheit zwischen dem badischen und preußischen Hof gewährleistet. Gerade in den Anfangsjahren ihrer Ehe, nur sieben Jahre nachdem von Luises Vater in Baden die Revolution von 1848/49 blutig niedergeschlagenen worden war, förderte die familiäre Nähe das bilaterale Verhältnis der Herrscherhäuser zueinander. Schließlich war es die Aufgabe der jungen Landesfürstin, andere Töne aus Preußen als die von Kanonen mitzubringen. So verwundert es nicht, dass es Großherzog Friedrich I. von Baden, Schwiegersohn des preußischen Königs, war, der 1871 am Ende des Deutsch-Französischen Krieges im Versailler Schloss den legendären Toast „Es lebe unser Kaiser Wilhelm“ als Konsensformel für die deutsche Kaiserproklamation ausrief.
Der Reformator im Bild
(2015)
Vor dem Hintergrund des 500. Geburtstages Lucas Cranachs d. J. hat die EKD für das Jahr 2015 der Lutherdekade das Thema „Reformation – Bild und Bibel“ gewählt. Tatsächlich ist das Werk dieses Malers, anders als dasjenige seines Vaters Lucas Cranachs d. Ä., bisher noch nicht Gegenstand systematischer kunsthistorischer Forschungen gewesen. Aus Anlass des Jubiläums widmen sich Ausstellungen, begleitende Veröffentlichungen und Symposien dem Œuvre des Künstlers. Porträts bilden neben zahlreichen Epitaphgemälden den thematischen Schwerpunkt seines Schaffens. Er vervielfältigte weiterhin die sogenannten authentischen, weil nach unmittelbarer Anschauung angefertigten Tafelbildnisse Luthers, Melanchthons und anderer Wittenberger Reformatoren, die bereits zu Lebzeiten des Vaters in Serienproduktion gegangen waren, und entwickelte neue marktgängige Formate. Diese Bildnisse gaben der Reformation ein Gesicht. Im Rahmen des Ausstellungs-Projektes „Reformatoren im Bildnis“, das ab Februar 2014 mit einer Laufzeit von drei Jahren an der Europäischen Melanchthon-Akademie Bretten angesiedelt ist, werden von der Verfasserin Bildnisse von der Hand dieses und anderer Künstler auf visuelle Strategien hin untersucht, die sich in der bildlichen Inszenierung der Reformatoren entfalten. Denn diese werden stets – auch in den sogenannten authentischen Porträts, die dem heutigen Betrachter eine mimetische Abschilderung nahelegen – in einer bestimmten Absicht ins Bild gesetzt, die als Reformationspropaganda bezeichnen werden kann. An dieser Stelle kann nicht ausführlich auf die Theorie des Bildnisses im 16. Jahrhundert eingegangen werden, doch sei so viel erwähnt: Die Konterfeis der Protagonisten der Reformation sind ausgestattet mit bildrhetorischem Überzeugungspotential. Das Bild sucht den Betrachter mit bildeigenen Mitteln nicht nur von der lebendigen Präsenz der Dargestellten im Bild zu überzeugen, sondern zugleich auch von der Sache, die diese vertreten, und zwar mithilfe einer angewandten Rhetorik, die seit der Antike zu Findung von Argumenten für eine überzeugende Darstellung diente.
Am 25. Oktober 2014 nahm eine große Gemeinde in der Peterskirche, der Heidelberger Universitätskirche seit 1896, Abschied von Walther Eisinger. Im Alter von 86 Jahren war der Heidelberger Professor für Religionspädagogik, Dozent am Predigerseminar und langjähriger Vorsitzende des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden, ein Lehrer und väterlicher Begleiter für viele, gestorben. Neben der tiefen Trauer herrschte eine große Dankbarkeit, die die Familie und Weggefährten erfüllte.
Korbinian Brodmann wurde am 17. November 1868 in
Liggersdorf, einer heutigen Teilgemeinde von Hohenfels bei
Stockach, geboren. Er starb allzu früh am 22. August 1918 in
München als angesehener Arzt und Wissenschaftler. In die
Geschichte der Medizin ist er eingegangen als Pionier der
Hirnforschung und Begründer der vergleichenden Zytoarchitektonik der Großhirnrinde. Für ihn hat seine Heimatgemeinde Hohenfels-Liggersdorf, zusammen mit dem Bürgerverein
»Hohenfels hat Zukunft«, im Dachgeschoss des Rathauses ein
kleines Museum geschaffen, das im Jahre 2009 zum 100-jährigen Jubiläum des Erscheinens seines Hauptwerkes »Vergleichende Lokalisationslehre der Großhirnrinde« eröffnet werden konnte und auf anschauliche Weise Brodmanns Leben und Forschungsleistungen
darstellt.
Es gibt verschiedene Wege, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Einer davon ist der Zugang über Biographien. Ob ich die Vergangenheit geistesgeschichtlich oder sozialgeschichtlich deute, ob ich nach Verfassungen, Gesetzen oder Bekenntnissen frage, immer ist der Mensch der Agierende und der Reagierende, Täter und Opfer. Er ist Träger neuer Ideen und Verteidiger der alten. Er findet Verhältnisse von seinen Vorfahren vor und gestaltet neu für seine Nachkommen, er ist Kind seiner Zeit und gleichzeitig prägt er seine Zeit. Was ich intellektuell sezieren und unterscheiden kann, fließt zusammen in der Existenz eines Menschen. In einer Biographie muss darum beides zum Ausdruck kommen: was der Mensch vorfindet und was er selbst beiträgt. Nun gibt es einen Faktor, der den Menschen in doppelter Hinsicht prägt, der seine Verhältnisse, die Bedingungen, die er vorfindet, mitbestimmt, und gleichzeitig seine körperlichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten bedingt: die Familie. Neben der „Biographie“ eines Einzelnen ist darum auch die „Oikographie“ einer Familie, eines Geschlechts, von Interesse, vor allem dann, wenn Familien Geschichte geprägt haben. Betrachtet man die Geschichte der badischen Landeskirche, dann sind es bestimmte Namen, die unter den Pfarrern, später auch Pfarrerinnen, immer wieder auftauchen, seit dem 16. Jahrhundert begegnen uns beispielsweise die Familien Fecht, Hitzig, Sachs oder Eisenlohr und bis in die heutige Zeit hinein Bender, Kühlewein oder Schmitthenner. Nicht immer sind Vater und Sohn gleichermaßen bedeutsam in ihrem Beitrag für die Geschichte, nicht immer folgt der Sohn dem Vater in das geistliche Amt, manchmal sind es erst Enkel oder Urenkel, und nicht immer übernimmt der Nachkomme automatisch die theologische Position seiner Vorfahren, oft muss er sich nicht nur mit dem theologischen Erbe seiner Zeit, sondern mit dem theologischen Erbe der Väter auseinandersetzen, um eine eigene Position zu finden. Und dennoch findet man immer wieder auch das Familientypische.
Eine Familie, die unsere badische Kirche und Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert geprägt hat, ist die Familie Frommel. Zahlreiche Theologen, Künstler und andere Gelehrte hat sie hervorgebracht. Der vorliegende Aufsatz porträtiert den ersten Pfarrer der Familie, Johann Christoph Frommel (1724-1784), und macht durch kurze Lebensskizzen einiger seiner Nachkommen beispielhaft deutlich, wie stark Pfarrfamilien vom 18. bis 20. Jahrhundert kulturprägend und –tragend waren.
Im späten 16. Jahrhundert beobachteten kurpfälzische Visitatoren und Pfarrer mit höchstem Befremden die Durchsetzung der calvinistischen Landesreligion mit „Praktiken“, die sie nicht anders denn als paganen Ursprungs bewerteten und die sie längst ausgerottet geglaubt hatten. Dazu hat Bernard Vogler das Folgende bemerkt: „Diese Praktiken einer mündlichen Gesellschaft hinterlassen nur schriftliche Zeugnisse, wenn die Obrigkeit zufällige Vorkommen auch registriert [….]. Es ist wahrscheinlich aufgrund dieser Situation, daß die verurteilten Praktiken eine gewisse Wichtigkeit bewahren und daß die überlieferten Quellen nur einen kleinen Teil des Eisbergs erfassen. Deshalb steht die Arbeit des Historikers in diesem Bereich auf wackligen Füßen, denn das Problem bleibt offen, inwieweit unsere historischen Zeugnisse zentrale oder marginale Begebenheiten beschreiben“. Vogler spricht hier Erscheinungen an, die sowohl in der Erforschung des Untertanenwiderstands nach dem Bauernkrieg als auch in der Reformationsforschung nur wenig Beachtung gefunden haben. Zurecht hat er dies mit der Zufälligkeit und damit Seltenheit der Überlieferung solcher „Praktiken“ erklärt. Um es vorauszuschicken: Die vorliegende Studie thematisiert die Auflehnung von Untertanen des Dorfes Eberstadt (Stadt Buchen, Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg) im Jahre 1593 gegen den Ortsherrn Hans Rüdt von Bödigheim und
Collenberg. Anders jedoch als die ‚klassischen‘ Ursachen wie Konflikte um die Fronen – solche hatte die Herrschaft der Rüdt in den Siebzigerjahren erlebt – , die Erhebung der Schatzung u. ä. speiste sich hier die Widersetzlichkeit von Untertanen nicht zuletzt aus dem Verbot von Vorstellungen und Bräuchen, die sich in den Augen des Dorfherrn und seines Pfarrers als paganes und vermeintlich altkirchliches Erbe nicht mit dem Luthertum vereinbaren ließen und die eine frappierende Ähnlichkeit mit den von Vogler beschriebenen pfälzischen „Praktiken“ aufweisen.
J. B. Kißling schreibt in seiner Geschichte des Kulturkampfes: „In der Schulfrage dachte der badische Liberalismus bereits im Jahre 1831 daran, die Schule von der Kirche zu ‚emanzipieren‘, der Antrag fand aber nur in der Zweiten Kammer eine
Majorität.“ Die Regierung habe an der „durch Geistliche geübten Schulaufsicht“ festgehalten. Die freie Schule war ein altes Ideal der Liberalen, während Erzbischof und Regierung am traditionellen Ideal des vertrauensvollen Zusammenwirkens von
Staat und Kirche festhielten. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten „zu einer Aktivierung des Katholizismus“ war der Freiburger Staatswissenschaftler Prof. Franz Joseph Buß. Er wandte sich „gegen Staatskirchentum und alle liberalen und nationalkirchlichen Tendenzen“. Zuerst in Baden entstanden seit 1844 katholische Vereine, 1846 gab es hier die erste „Massenpetition“ gegen die „Deutschkatholiken“, es entstand der „Ultramontanismus als antiliberale Massen-Opposition.
Ebenfalls 1846 hat der Heidelberger Professor der Rechte und Abgeordnete der Zweiten Kammer C.J.A. Mittermaier
„die Lösung der Schule von der Geistlichkeit und der Kirche“ erneut gefordert. „Die Bewegung des Jahres 1848 griff auch auf die beiden großen Glaubensgemeinschaften über“, in der Zweiten Kammer wurde die „Kommunalschule, welche für alle Konfessionen gemeinschaftlich und dem Einfluß der Kirche entzogen sein sollte“ gefordert.
„Baden trifft Rom“
(2015)
Einer der sicherlich spannendsten Abschnitte in den Amtszeiten badischer Landesbischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Jahre 1991 bis 1997, als der badische Landesbischof Klaus Engelhardt gleichzeitig den Vorsitz des Rates der EKD innehatte. In der Zeit unmittelbar nach der staatlichen und kirchlichen Wiedervereinigung (3. Oktober 1990 beziehungsweise 28. Juni 1991) bedurfte die Tätigkeit des EKD-Ratsvorsitzenden besonderer Sensibilität, die Klaus Engelhardt nach Ansicht von Georg Gottfried Gerner-Wolfhard zu einer Art „pontifex, ein[em] Brückenbauer in der Zeit der schwierigen Wiederzusammenführung der östlichen und westlichen EKD-Gliedkirchen“ werden ließ. Als Brückenbauer verstand Landesbischof Engelhardt auch sein Engagement in und für die Ökumene, zu dessen Höhepunkten sicherlich die Begegnung mit Papst Johannes Paul II. bei dessen Deutschland-Besuch am 22. Juni 1996 in Paderborn gehörte. Klaus Engelhardt war der bisher einzige badische Landesbischof, der auch EKD-Ratsvorsitzender war. In der württembergischen Nachbarkirche hatten bereits zwei Bischöfe diese wichtigste repräsentative Aufgabe im deutschen Protestantismus innegehabt: Theophil Wurm in den unmittelbaren Nachkriegsjahren 1945 bis 1949 und Helmut Claß in der Zeit von 1973 bis 1979.
Das Hus-Museum in Konstanz
(2015)
»Europa zu Gast« lautet das Motto des Konziljubiläums in Konstanz, das von 2014
bis 2018 das Kulturprogramm der Stadt bestimmt. Zum 600. Mal jährt sich das Konstanzer Konzil, das einen Höhepunkt der regionalen Geschichte darstellt. Die Feierlichkeiten
und Veranstaltungen ranken sich um die an die Geschichte angepassten Themenjahre.
2015 ist das »Jahr der Gerechtigkeit« und dem böhmischen Theologen und Reformator
Jan Hus [1]
gewidmet, der am 6. Juli 1415 in Konstanz zum Tod auf dem Scheiterhaufen
verurteilt und hingerichtet wurde. [2] Aus diesem Anlass wurde 2014 am Todestag des Reformators das in den 1980er Jahren entstandene und jetzt umgestaltete Hus-Museum in
Konstanz neu eröffnet. Nur ausgesprochen wenige Exponate wurden dafür übernommen. Das Konzept hat sich grundlegend geändert und so spiegelt die Geschichte des
Hus-Museums sowohl die ambivalente Rezeption der Figur Hus wieder als auch aktuelle
Diskurse um die Ausstellbarkeit von Geschichte. Diese Museumsanalyse befasst sich mit
der Ausstellungsinszenierung des Hus-Museums vor seiner Umstrukturierung, bevor sie
diese mit der aktuellen Darstellung in Bezug setzt. Die Problematiken und Schwierigkeiten, denen das Museum sich für die Thematisierung der Causa Hus stellen musste, sind
einerseits spezifisch für diesen Ort, andererseits transportieren sie Fragen und Aufgaben
für die Vermittlung von Geschichte allgemein.
Das badische Generallandesarchiv in Karlsruhe verwahrt neun spätmittelalterliche Papierhandschriften aus der Abtei Reichenau. [1] Sie verzeichnen auf insgesamt über
5000 Seiten tausende Verleihungen von Reichenauer Gütern zu Lehen und verwandte
Geschäfte aus der Zeit von etwa 1330 bis 1519. Diese neun Reichenauer Lehenbücher bilden das größte zusammenhängende Quellenkorpus der Abtei Reichenau. Sie sind schon
mehrfach zur Erforschung der spätmittelalterlichen Reichenau herangezogen worden,
aber aufgrund der Masse der darin niedergeschriebenen Angaben nicht einmal ansatzweise systematisch ausgeschöpft. Darum lassen sich aus ihnen noch überraschende Erkenntnisse gewinnen, mitunter auch solche, die über die engere Besitz- und Herrschaftsgeschichte der Abtei Reichenau hinausweisen, wie das folgende kleine Beispiel aus der
Zeit des Abtes Eberhard von Brandis (1342–1379) beweist: [2]
Im 1758 eröffneten Schlosstheater feiert der Bühnenvorhang von Innocente Colomba
den strahlenden Gott Apoll auf einer Wolke im Reigen der Musen. Es ist eine
Allegorie auf den kunstsinnigen Herrscher, der den Ludwigsburger Hof in der Mitte
des 18. Jahrhunderts zu einem der glänzendsten in Europa machte und Künstler wie
Niccolò Jommelli oder den Ballett-Compositeur Jean-Jacques Noverre, wie auch berühmte Sänger und Tänzer – insbesondere junge Tänzerinnen, wie die Anekdoten
um des Herzogs blaue Schuhe zu erzählen wissen – unter seiner strahlenden, geldraubenden Schirmherrschaft versammelte. Man könnte das Bild auch anders deuten:
Melpomene, die singende Muse der Tragödie, Terpsichore, die Tanzende, Thalia, die
festliche Muse der Komödie, Euterpe, die Lyrische, Erato, die Amouröse, Polyhymnia
und Kalliope, die Musen der Dichtung und Philosophie, als vielgestaltige Inspiration
des schöpferischen Genies von Niccolò Jommelli, das während seiner Jahre am
württembergischen Hof zur höchsten Vollendung gelangte und ihn zu einem »Solitär
am Musenhof des Herzogs Carl Eugen« machte.
Seit dem späten 17. Jahrhundert verbreitete sich die neue Frömmigkeitsbewegung
des Pietismus in den protestantischen Territorien des Deutschen Reiches. Dazu
parallel lief eine radikale Strömung, die von der Überzeugung getragen war,
dass wahres Christentum nur außerhalb der verfassten Kirche möglich sei. Diese
Richtung wird in der historischen Forschung unter dem Begriff »radikaler
Pietismus« gefasst, während man im Herzogtum Württemberg allgemein vom
Separatismus sprach. Im Rahmen dieses Aufsatzes soll der radikale Pietismus
unter einer verengten Perspektive dargestellt werden, nämlich mit der Fokussierung auf Ludwigsburg und seine Umgebung. Obwohl es sich von der personellen
Stärke der Bewegung her gesehen nie um mehr als eine Randerscheinung handelte,
hat der radikale Pietismus in der württembergischen Kirchen- und Geistesgeschichte
tiefe Spuren hinterlassen. Die im Zentrum des Landes gelegene zeitweilige Residenzstadt Ludwigsburg konnte davon ebensowenig unberührt bleiben wie das
Umland.
Georg Kerner
(2015)
»Ich lebe vollkommen im Jetzt – nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der
Zukunft.« – »Ich tue gern Dinge, die mir Angst machen.« – »Ich besitze ein beinahe
unkontrollierbar nervöses Wesen.«
»Die 8 Monate, die ich jetzo in [der] Toskana bin, sind die unruhigsten meines revolutionären Lebens – denn ich liege Tag und Nacht auf der Straße, und meine Reisen in
den letzten 2 Monaten sind ein wahrer und harter Winterfeldzug – dabei bin ich nur
krank, sobald einige Tage von Ruhe eintreten und befinde mich sogleich wiederum besser,
wenn es wieder zu Pferd geht. […] allein, lieber Gott, ich werde so bleiben, und das
Schicksal hat mich dazu verdammt, auf dem nämlichen Punkt mich herumzudrehen.«
Die ersten drei Zitate stammen von dem australischen Filmschauspieler Heath Ledger,
der 2008 mit 28 Jahren an einem Medikamentenmix gestorben ist. Das letzte Zitat
steht in einem Brief, den Georg Kerner 1799 an Louise Scholl, die Schwester seiner
ehemaligen Braut Auguste Breyer, geschrieben hat.
Diese Gegenüberstellung soll gleich zu Beginn die Ruhelosigkeit Georg Kerners
– und damit seine Modernität – aufzeigen. Er sei, meinte ein Freund, »einem Kometen
zu vergleichen, der eine Welt von elektrischem Feuer in sich trug«. Bei Kerner ging
es immer ums Ganze, ging es um Leben oder Tod. Sein Leben lang suchte er die
Gefahr – und dafür war er in die richtige Zeit geboren.
Mehr Licht für Ludwigsburg
(2015)
Sie werden fragen, war Louis Bührer nicht der erste Kassier der Oberamtssparkasse
Ludwigsburg, nach dem auch der Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse benannt ist?
Was hat er mit der Gasversorgung von Ludwigsburg zu tun? Die Antwort ist einfach,
aber nur wenig bekannt. Es stimmt, Louis Bührer war der erste Kassier der 1852
gegründeten Oberamtssparkasse. Aber er war noch mehr, nämlich ein engagierter
Bürger, der seine Position als Stadtrat konsequent ausnutzte und sich dann überall
aktiv einbrachte, wenn es galt, anstehende Probleme zu lösen oder Verbesserungen
für die Bürger der Stadt in die Tat umzusetzen. Sei es, dass er sich für die Ärmsten
in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen engagierte, dass er die Kassierstelle der neuen
Sparkasse übernahm oder dass er sich für die Errichtung eines städtischen Wasserwerks, vor allem aber eines städtischen Gaswerks einsetzte.
Louis Bührer griff einen in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Wunsch
der Bevölkerung nach einer besseren und komfortableren Beleuchtung von Wohnungen, Häusern und Straßen auf. Als praktikable Beleuchtungsmittel standen den
Menschen in dieser Zeit neben rußenden Talgkerzen nur Öllampen zur Verfügung, in
denen mit Hilfe eines Dochtes tierische und pflanzliche Öle, vor allem aber Mineralöle
wie Petroleum verbrannt wurden. Insbesondere die billigen Talgkerzen lieferten kein
gleichmäßiges Licht, weil der Docht nicht richtig verbrannte. Er musste mit einer
speziellen Lichtputzschere immer wieder nachgeschnitten werden, was äußerst lästig war
und Goethe zu einem Stoßseufzer in Form eines Zweizeilers veranlasste: »Wüsste nicht,
was sie Besseres erfinden könnten, als wenn die Lichter ohne Putzen brennten«.
Die sich später nach der Limpurg bei Schwäbisch Hall nennende Familie übte an den
Höfen der Stauferkönige das Schenkenamt aus. In manchem ihrer Wappen ist daher
ein Trinkgefäß zu sehen. Nach dem Ende der Stauferzeit gelang es den Schenken, die
dem Grafenstand angehörten, eine kleine Herrschaft aufzubauen. Es entwickelten
sich zahlreiche Haupt- und Nebenlinien mit mehr oder weniger stattlichen Burgen
im Limpurger Land. Noch heute ist das Limpurger Land bekannt als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes zwischen Kocher und Bühler; im Osten grenzt es an das
Ellwanger Gebiet, im Norden an Schwäbisch Hall und im Süden an die Lein. Als die
Familie 1690 mit Schenk Wilhelm Heinrich von der Gaildorfer Linie und 1713 mit
Schenk Vollrat von der Obersontheimer Linie ausstarb, gab es insgesamt zehn Erbtöchter. In einem komplizierten Erbgang ging das Limpurgische Erbe verschiedene
Wege. Hier ist lediglich von Interesse, dass Graf Christian Wilhelm Karl von Pückler
1737 eine Enkelin des letzten Schenken Vollrat heiratete, nämlich Gräfin Karoline
Christiane von Löwenstein-Wertheim, Tochter des Grafen Heinrich Friedrich von
Löwenstein-Wertheim (1682–1721) und der Amöna Sophie Friederike Gräfin von
Limpurg (1684–1746).
Niccolò Jommelli (1714-1774)
(2015)
Am 10. August 1753 langte in der württembergischen Residenzstadt Ludwigsburg
eine Kutsche an, der ein etwas korpulenter, 38 Jahre alter Italiener entstieg. Dieser hatte
zusammen mit einem Bediensteten soeben eine mehrwöchige Reise durch Mittel- und Oberitalien, über die Alpen und durch Süddeutschland hinter sich gebracht,
denn der Mann kam aus Rom: Es war der Komponist Niccolò Jommelli. Vermutlich
quartierte er sich zunächst in einem Gasthof ein und machte dann am württembergischen Hof Herzog Carl Eugen seine Aufwartung, der ihn mit besonderer Freude
empfing und sogleich in seine Dienste nahm. Acht Tage später, am 18. August 1753,
erging folgendes Dekret an das Oberhofmarschallamt: »Demnach Unsers gnädigsten
Fürsten und Herrns hochfürstliche Durchlaucht den auf einige Zeit aus Rom gekommenen Capellmeister Jommelli neben freyem Logis in Stuttgardt und Ludwigsburg
ein Species Ducaten zur täglichen Diät vor seine Persohn und vor deßen bey sich habenden Bedienten täglich 30 Kreuzer Costgeldt vom 10. August an gnädigst reguliret
haben, alß wirdt ein solches fürstlichem Oberhoffmarschallenamt nachrichtlich
hiemit in Gnaden ohnverhalten.« Herzog Carl Eugen sorgte also umgehend für
seinen Gast.
Natürlich gab es zur Reise Jommellis an den württembergischen Hof eine Vorgeschichte: Herzog Carl Eugen hatte zwischen Februar und Juni 1753 eine Italienreise
unternommen. Bei einem Aufenthalt in Rom hatte er Niccolò Jommelli kennengelernt. Dieser stand damals in Diensten des Vatikans und war als Vizekapellmeister an
der Peterskirche tätig. Die herausgehobene Stellung Jommellis macht deutlich, dass
er zu jener Zeit bereits ein arrivierter Künstler war.
Louis Bührer hat viel in seinem Leben bewirkt, aber nur wenig Greifbares zu seinem
Leben hinterlassen. Ein persönlicher Nachlass existiert nicht. Erhalten sind lediglich
die amtlichen Nachlassakten von ihm und seiner Frau, Protokolle und amtliche
Schriftstücke aus seiner Tätigkeit als Stadtrat sowie unzählige größere und kleinere
Artikel und Notizen in der Lokalpresse, die mit ihm in direktem oder indirektem
Zusammenhang stehen. Als Silberarbeiter schaltete er keine regelmäßigen Geschäftsanzeigen in der örtlichen Presse, die wenigen Privatanzeigen beschränkten sich hauptsächlich auf die Vermietung von Wohnungen in seinem Haus. Bleibt Louis Bührer
als Mensch weitgehend im Hintergrund, so tritt er umso deutlicher als vielseitig
engagierter Bürger von Ludwigsburg vor unsere Augen.
Wilhelm Ludwig Bührer wurde am 22. Dezember 1803 als zehntes von zwölf
Kindern des Nagelschmieds und Zunft-Obermeisters Christian Friedrich Bührer sr.
in Ludwigsburg geboren. Er besuchte zur selben Zeit wie Eduard Mörike die örtliche
Lateinschule, wurde 1817 konfirmiert und erlernte danach in Esslingen den Beruf
eines Silberarbeiters. Die Neigung zu künstlerischen Berufen lag in der Familie. Sein
älterer, am 1. Dezember 1800 geborener Bruder Christian Friedrich jr. wurde Kupferschmied und gründete 1829 in Ludwigsburg eine Werkstätte für Kupferwaren, die später
in der Firma Hünersdorff aufging. Wilhelm Ludwig Bührer arbeitete nach seiner
Ausbildung als Silberarbeiter in Tuttlingen, München und Paris, wo er vermutlich
auch seinen Rufnamen Ludwig in Louis änderte. Am 22. Juli 1829 heiratete er die
am 20. November 1805 in Paris geborene Léonide Antoinette Mortieau und ließ sich
danach beruflich in Brüssel nieder. Die Ehe blieb kinderlos.
Ursula Haider
(2015)
In der Klosterkirche von St. Ursula zu Villingen
befindet sich auf der rechten Seite des Altarraumes
die letzte Ruhestätte der Reformäbtissin Ursula
Haider. Es ist ein bedeutender Ort, der zum Nachdenken
herausfordert. Leider ist die Erinnerung in
Villingen an diese außergewöhnliche Frau nicht
mehr so lebendig, wie es noch vor Jahrzehnten
und Jahrhunderten der Fall war. Dabei bewirkte
die erste Äbtissin des Villinger Klarissenklosters
durch ihr Charisma, ihre Visionen und tiefe Frömmigkeit,
dass das Klarissenkloster in Villingen zu
einem Zentrum mystisch-religiösen Lebens wurde.
Ein Epitaph ist eine Gedächtnisplatte für
einen Toten, aber vom Grab getrennt. Wie der Eintrag
im Totenbuch der Münsterpfarrei in Villingen
belegt, ist am 26. Januar 1810 morgens zwischen
drei und vier Uhr gestorben und am 28. Januar nachmittags um 14.00 Uhr von Pfarrrektor
Wittum beerdigt worden, der Hochwürdige und
Hochgeborene Herr Anselm Schababerle, 49igster
und letzter Abt des aufgelösten Benediktinerstifts
St. Georgen. Wann das Epitaph in der
Kirche aufgestellt wurde, ist unbekannt.
Amtmann Hieronymus Bold
(2015)
Den wenigsten Villingern ist der Bezug zu dem
halbrunden Wappenschild mit der Jahreszahl 1582
in der Schulgasse, links von der Benediktinerkirche,
bekannt. Dieses war schon vor dem Neubau
des Münsterzentrums am Haus Nr. 15 angebracht.
Im Jahre 1970 wurde die ganze Häuserzeile (Nr.
11/13/15/17) abgebrochen.
Das Wappen ist das des Hieronymus Bold d. J.
und seiner Frau Luzia, geb. Kegel. Er war, wie
schon sein gleichnamiger Vater, Amtmann des
Benediktiner-Klosters von St. Georgen.
Am 31. Aug. 1967 wurde im Südkurier ein ausführlicher
Bericht über „Das kleine Wappenschild
in der Schulgasse” unter „heimatliche Kostbarkeiten
am Rande der Villinger Stadtgeschichte”
veröffentlicht.
Die bedeutende Familie Bold wohnte in der
Schulgasse Haus 15, es war das niederste dieser 4
Häuser. Das halbrunde Wappenschild war damals
über der Haustüre eingemauert.
Am 28. Juli 2014 verstarb unser langjähriger
geschäftsführender Vorsitzender Prof. Dr.
Hans Ulrich Nuber nach kurzer, schwerer
Krankheit – spes contra spem. Im April hatte
er sich bei der Mitgliederversammlung – in
verantwortungsvoller Vorausschau auf die
schwierige Zeit der Behandlung in der Klinik – von den vielfältigen Pflichten der geschäftsführenden Vorstandschaft entbinden
lassen, sich aber voll Vertrauen in die Zukunft
zum stellvertretenden Vorsitzenden wählen
lassen. Dem Institut auf diese Weise eng verbunden zu sein und es mit seinem Rat zu unterstützen, ohne jedoch regelmäßige Pflichten zu haben, das war ihm leider nicht mehr
vergönnt. In der knappen ihm geschenkten
Zeit hat er maßgeblich seine Nachfolge vorbereitet und dabei für eine mehr naturwissenschaftliche Ausrichtung Sorge getragen.
Am 8. August 2012 starb Prof. Dr. Sönke Lorenz, der viele Jahre im Vorstand des Alemannischen Instituts gewirkt hat, insbesondere in
seiner Funktion als Leiter der Außenstelle
Tübingen. Das Institut ist ihm für sein wissenschaftliches Engagement und die jahrelange ehrenamtliche Arbeit zu tiefem Dank
verpflichtet. Wir alle betrauern zutiefst seinen
Tod.
Obgleich seine Krankheit seit vielen Jahren sein Leben überschattete, hatte er diese
Beeinträchtigung doch immer wieder mit
bewundernswerter Energie überwunden und
sich mit aller Kraft in den vielfältigen Dienst
der Landesgeschichte gestellt, um die einmal
übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen.
Im Juni 1940 geht bei dem „Herrn Obmann der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Heidelberg“ das vom 11. Juni 1940 datierende Schreiben des Oberbürgermeisters Dr. Otto Gönnenwein in Schwenningen am Neckar ein, mit dem dieser um „Zulassung zur Habilitation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät“ nachsucht. Dem Gesuch sind beigefügt ein ausführlicher Lebenslauf, ein vorläufiges Zeugnis der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen über die Erlangung der juristischen Doktorwürde, der wissenschaftliche Aufsatz „Das Normenprüfungsrecht der Verwaltungsbeamten und die Grenzen der Gehorsamspflicht“ sowie als Habilitationsschrift das Buch „Das Stapel- und Niederlagsrecht“.
Am 26. September 2013 stieß der Eppelheimer Bildhauer Günter Braun bei Abwasserarbeiten auf seinem Grundstück in der Seestraße 78 auf einen etwa 40 x 40 cm großen, aus Sandstein gemauerten Kanal. Dieser durchquert in ca. 2 m Tiefe vom Eppelheimer Ortskern kommend sein Grundstück und führt von dort hinaus aufs Feld in Richtung Mannheim. Günter Braun legte diesen Kanal auf eine Länge von ca. 2 m frei und schützte ihn durch ein provisorisches Dach. Die hinzugerufenen Experten, der Eppelheimer Heimatforscher Hans Stephan und Dr. Renate Ludwig, Archäologin und Denkmalschützerin im Kurpfälzischen Museum, bestätigten übereinstimmend, dass es sich hier um ein bisher unbekanntes Teilstück der
„Traitteur‘schen Wasserleitung“ handelt. Frau Dr. Ludwig lobte zwar die vorbildlich vorgenommene Freilegung, empfahl aber zugleich, den Fund wieder einzugraben, um ihn so optimal zu konservieren. Letztlich überließ sie es aber Herrn Braun als Grundstückseigner, wie er damit umgehen wolle. Der entschied sich dafür, die Fundstelle offen zu lassen und so zu präparieren, dass sie jederzeit öffentlich einsehbar ist. Dazu hat er inzwischen die Grubenwände befestigt und mit einer Trittleiter versehen, ein wetterfestes Dach darüber gebaut und eine große Schautafel angebracht, in der
anschaulich der geplante Verlauf und die Geschichte der „Traitteur‘schen Wasserleitung“ dargestellt sind.
Um Salomon de Caus, einen Mann mit vielen Talenten und Interessen, ranken sich zahlreiche Legenden. Einige Aspekte seines Schaffens wurden in den Rang von bedeutender Großartigkeit erhoben, andere fielen unter den Tisch. So entstanden schiefe Bilder, die es zurechtzurücken gilt. Beim aufmerksamen Quellenstudium und Lesen seiner hinterlassenen Schriften schiebt sich ein anderes und keineswegs unbedeutenderes Bild in den Vordergrund: das Bild des frühneuzeitlichen Ingenieurs.
Dank an Jochen Goetze
(2015)
Lieber Herr Goetze, anlässlich unserer heutigen Mitgliederversammlung möchten wir uns gerne bei Ihnen für Ihr langjähriges Engagement im Heidelberger Geschichtsverein und insbesondere für Ihre Tätigkeit in der Jahrbuch-Redaktion bedanken. Auch als Autor waren Sie von Anfang an dabei und es gibt kaum ein Jahrbuch, in dem kein Beitrag von Ihnen zu finden ist, aber darauf werde ich später noch eingehen. Zunächst wird es etwas persönlich. Als mich vor ein paar Wochen die Bitte erreichte, Sie mit einer kleinen Laudatio zu ehren, habe ich mich spontan dazu bereit erklärt, da ich mich in gewisser Weise als Ihr Schüler empfinde. Die Erinnerungen an Ihre Lehrveranstaltungen, die ich als Student zu Beginn der 1980er Jahre besucht habe, sind mittlerweile natürlich sehr selektiv. Im Gedächtnis geblieben ist mir insbesondere Ihre Erläuterung eines Siegels und was man aus den darauf abgebildeten Personen und Gegenständen alles erfahren kann, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Rechtsstellung hansischer Kaufleute, sondern auch über mittelalterlichen Schiffsbau und andere Aspekte der materiellen Kultur. In der Rückschau zählen Sie zu den fünf bis sechs Lehrerpersönlichkeiten an Schule und Hochschule, die spezifische Interessen bei mir geweckt und mir Zugänge zu neuen Themenbereichen erschlossen haben.
Ludwig V. und seine Brüder
(2015)
Mit der Revolution von 1525 beginnt die Geschichte der deutschen Demokratie. Bei dem Historiker Peter Blickle, der die Bauernkriegsforschung auf neue Füße stellte, heißt es: „Die vorwaltende mittelalterliche Vorstellung, Herrschaft sei eine angeborene und gottgewollte Fähigkeit des Adels wurde substituiert […] durch die Überlegung, Herrschaft werde durch einen willentlichen Akt des politischen Zusammenschlusses konstituiert.“ Trotz seiner vernichtenden Niederlage hat sich der Aufstand des Gemeinen Mannes, den auch die Zeitgenossen schon verkürzend „Bauernkrieg“ nannten, tief in das deutsche Gedächtnis eingebrannt. Generationen von allgemein und regional Forschenden haben nicht nur Quellen gesichtet und narrative Zusammenhänge geprägt, sondern auch verschiedenartige Deutungen erarbeitet. Von Interesse könnte die Feststellung sein, dass zwei der bedeutendsten Bauernkriegshistoriker in Heidelberg waren: Günther Franz lehrte hier von 1935 bis 1937 Mittlere und Neuere Geschichte; obwohl er
sich nach 1945 von der NS-Ideologie nie lossagte, ist seine Forschungsleistung unbestritten. Max Steinmetz begann sein Studium 1932/33 in Heidelberg als NS-Student und schloss es 1940 in Freiburg mit einer Dissertation über Ludwig V. ab. Erst in sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurde er zum Marxisten und später zum führenden DDR-Historiker des Bauernkriegs. Aber dieses forschungsgeschichtliche Panorama kann hier nicht eröffnet werden. Die Ereignisse des Jahres 1525 für Heidelberg darstellen zu wollen, erschiene ein müßiges Unterfangen. Heidelberg war 1525 keine ‚Zitadelle des Aufruhrs‘ wie 1968, sondern eine Zitadelle der Repression. Auf dem Schloss sammelten sich einige aus ihren Residenzen vertriebene Landesherren, und von hier aus startete der vernichtende Feldzug gegen die Bauernheere im Kraichgau, in Franken und in der Pfalz. In der Residenzstadt selbst blieb es äußerlich ruhig.
Die Brüder Adam (1877–1951) und Hermann Remmele (1880-1939) repräsentierten die beiden Flügel der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Ihr Konflikt wird in diesem Beitrag auf dem Hintergrund unterschiedlicher Organisationserfahrungen im Rhein-Neckar-Raum beschrieben, in dem sie bis 1919 aktiv waren. Die Arbeiterbewegung war hier sehr unterschiedlich ausgeprägt. Einfluss auf die Entwicklung der Brüder hatten möglicherweise auch ihre unterschiedlichen Berufsperspektiven – auf der einen Seite ein sterbendes Gewerbe, das zur Anpassung zwang, und auf der anderen Seite ein
Arbeitsplatz in der Metallindustrie, Träger der hochindustriellen Entwicklung. Beide jedoch machten ihren Weg in politische Führungspositionen.
Die Frauenrechtlerin und Germanistin Dr. Elise Dosenheimer schrieb 1959, kurz vor ihrem Tod in New York, an ihre Nichte: „Was mich betrifft, so geht es mir nicht immer glänzend, trotz des Zimmers für mich allein. Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen, wie ihr wisst, und man wandelt auch nicht ungestraft unter 90 Jahren. Tragik des Alters.“ Mit den Zitaten aus Virginia Woolfs „Ein Zimmer für sich allein“ und Goethes „Wahlverwandschaften“ benennt Elise Dosenheimer die beiden schwersten Kämpfe ihres 90-jährigen Lebens: Sie kämpfte für einen privaten und öffentlichen Raum für Frauen, „ein Zimmer für sich allein“, das sie schließlich in Heidelberg fand; sie wurde als Jüdin von Heidelberg nach Gurs deportiert und floh von dort nach New York, an einen Ort in der Fremde, an dem sie, in Goethes Worten, nicht ungestraft unter Palmen wandelte, weil sie durch ihre Flucht zu einem anderen Menschen geworden war.
Es gibt zwei konkurrierende Thesen zum Lebenslauf des historischen Faust. Eine alte These, die auf Johannes Manlius zurückgeht und dessen berühmten Lehrer Philipp Melanchthon als Zeugen für die Geburt des umstrittenen Magiers in Cundling (d.h. Knittlingen), mit dem Vornamen Johann, angibt. Die andere, entgegengesetzte These erschien erst 1913 mit der Edition von Kilian Leibs Wettertagebuch durch Karl Schottenloher. Mit einer knappen Aufzeichnung in diesem Werk kam zum ersten Mal ans Licht, dass Faust, mit Vornamen Georg, nun als einer von Helmstadt bei Heidelberg identifiziert wurde. Man möchte also wissen: Stammte Faust nicht aus Knittlingen, sondern aus Helmstadt? Hieß er Johann oder Georg? Was bedeutet dieser Unterschied? Der Streit um die Frage der Herkunft schuf jedenfalls Verwirrung und hat zur Folge, dass man nicht mehr glaubt, es könne eine klare Linie von den historischen Anfängen zur Legende und schließlich zum mythischen Faustbuch von 1587 gezeichnet werden.
Gedenkorte, Gedenktafeln oder Gedenksteine im öffentlichen Raum und an Gebäuden bewahren die Erinnerungen an bedeutende Personen oder an Ereignisse im Wandel der Zeiten. In Nonnenweier weist in der Schmidtenstraße ein Gedenkstein darauf hin, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite bis 1938 die ehemalige Synagoge stand. Mit einer Skulptur in der Wittenweierer Straße, direkt am Rathaus wird an die am 22. Oktober 1940 stattgefundene Deportation jüdischer Mitbürger in das südfranzösische Internierungslager Gurs erinnert. Beide Denkmäler halten nicht nur die Erinnerung an das einstige jüdische Leben im Dorf wach. Sie rufen damit auch die Schicksale der ehemaligen jüdischen Mitbürger ins Gedächtnis zurück, die im Dritten Reich deportiert, planmäßig umgebracht, in den Tod getrieben wurden oder in Folge von Misshandlungen starben. Und letztlich zeugen sie vom geschehenen Unrecht, als ab 1933 auch in Nonnenweier Menschen nur deshalb systematisch entrechtet wurden, weil sie der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörten.
Die „Deutsche Revolution“ von 1848/49, in der vor allem Forderungen nach Einheit („ein einiges deutsches Vaterland“) und Freiheit („in einer Verfassung verankerte Grundrechte“) erhoben wurden, nahm ihren Anfang in Baden und setzte sich in weiteren deutschen Bundesstaaten fort. Radikaldemokratische Anhänger einer Republik aus dem Großherzogtum Baden waren Friedrich Hecker (1811-1881) und Gustav Struve (1805-1870). Im April 1848 wollten beide, enttäuscht über die Beschlüsse des demokratisch gewählten Parlaments in Frankfurt a. M., wenigstens in Baden eine Republik durchsetzen; ihr bewaffneter Aufstand von Konstanz aus nach Karlsruhe scheiterte in mehreren Gefechten. Im September 1848 initiierte Gustav Struve einen weiteren Aufstand von Lörrach nach Karlsruhe; der revolutionäre Zug gelangte nur bis Staufen, wo er durch großherzogliche Soldaten zerschlagen wurde. Nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung war Baden vom Mai bis Juni 1849 unter der Führung von Lorenz Brentano vorübergehend eine Republik. Diese Revolutionsherrschaft endete mit der Entscheidungsschlacht am 21. Juni 1849 bei Waghäusel. Bundestruppen unter preußischem Befehl gewannen in diesem und in nachfolgenden Gefechten bei Rastatt die Oberhand. Die etwa 30.000 badischen Revolutionäre waren in der Auseinandersetzung mit den 60.000 gut ausgerüsteten nassauischen, württembergischen und preußischen Soldaten von vorneherein auf verlorenem Posten gewesen.
Mit Einwilligung von Studiendirektor a. D. Franz Ruf konnte ich im März 2010 die „Lebenserinnerungen“ seines Vaters, die dieser im Alter von 74 Jahren aufgezeichnet hatte, herausgeben. Damit wurde ein einmaliges zeitgeschichtliches Dokument, das zuvor nur im Familienbesitz war, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und vor dem Vergessen bewahrt. Die „Lebenserinnerungen“ von Edmund Ruf (29. August 1895-26. März 1986) geben einen Einblick in das noch landwirtschaftlich geprägte Leben in Ettenheim zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vermitteln einen Eindruck von den persönlichen Erlebnissen des Autors im Ersten Weltkrieg mit Verwundung, Lazarett und Beinamputation und einem nicht enden wollendem Leidensweg bis ins hohe Alter, zeigen die Schikanen auf, die er im „Dritten Reich“ wegen seiner ablehnenden Haltung zum NS-Regime erdulden musste, lassen die Nöte des Nachkriegs-Bürgermeisters (1. Oktober 1946 - 12. Dezember 1955) erkennen, dem die Bevölkerung die Maßnahmen persönlich anlastete, welche von der französischen Besatzungsmacht angeordnet waren, jedoch von ihm durchgeführt werden mussten, und schließlich berichtet diese nur in kleiner Auflage erschienene Schrift über die mutige und vorausschauende Entscheidung, die zum Bau des neuen Krankenhauses auf dem Meierberg führte. Aus all diesen Ereignissen, die vor allem in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts stattfanden, soll mit dieser Veröffentlichung die persönliche Erfahrung von Edmund Ruf im Ersten Weltkrieg einem größeren Kreis zugänglich gemacht werden.
In insgesamt 46 erhaltenen Briefen und Postkarten aus der Zeit zwischen 9. September 1916 und 10. April 1918 berichten die Brüder über ihre Zeit erst auf Truppenübungsplätzen und dann von der Front. Ernst ab Mai 1917 und Hermann ab Dezember 1917. Ergreifend der Zusammenhalt der Familie, der sich in regem Briefwechsel zwischen Eltern und Geschwistern mit ihren beiden Soldaten ausdrückt. Zuhause sorgten sich außer den Eltern fünf Geschwister um ihre Brüder an der Front: Greta *1896, Olga (Olle) *1898, Julius *1901, Richard *1904 und Lisbeth *1906. Neben Briefen waren es zahlreiche Päckchen und Pakete mit Zigarren der väterlichen Zigarrenfabrik und Produkten aus der eigenen Landwirtschaft, die den beiden das Leben im Dreck des Heubergs und die Not im Schützengraben am „Chemin des Dames“ etwas erleichterten. Bemerkenswert: Was in diesem Krieg offensichtlich bis zuletzt funktionierte, war die Feldpost.
Ein Polizist ist in der Regel ein Sinnbild für dienstlichen Gehorsam und die Verkörperung der Interessen des Staates. Aber ein Polizist ist keine Maschine, sondern ein Mensch, der durchaus seine eigene Meinung über die Ereignisse hat, mit denen er sich beruflich auseinandersetzen muss. Meistens behält er die Meinung für sich und folgt seinen Befehlen. In ganz seltenen Fällen folgt allerdings ein Polizist seinen eigenen Prinzipien und nicht dem Automatismus des vorgeschriebenen Verhaltens. Einen solchen Fall gab es vor 40 Jahren in Lahr. Und diese Prinzipientreue hatte nachhaltige Folgen - nicht nur für den Polizisten selbst, sondern für sehr, sehr viele Menschen. Das waren auf der einen Seite die Polizeikollegen und auf der anderen Seite die Demonstranten. Sie standen sich 1975 in Wyhl gegenüber, wo der Bau eines Atomkraftwerkes geplant war.
So manches Gebäude in Konstanz und Freiburg erinnert an seine außerordentlich nachhaltigen Regierungszeiten als Oberbürgermeister beider südbadischer Städte. Geboren und aufgewachsen ist Otto Winterer allerdings im Geroldsecker Land. Am 8. Januar 1846 erblickte er in Ettenheim als Sohn des Bäckers Viktor Winterer in der Kirchstraße 5 im Haus der alten Stadtschreiberei das Licht der Welt. „Was für ein treffender Geburtsort für einen späteren Bürgermeister!“ mag man da unwillkürlich denken. Doch ist es wohl kaum die Aura der ehemaligen Funktion seines Geburtshauses als vielmehr die Tradition der Familie, durch die Otto Winterer das Talent und die Leidenschaft zum erfolgreichen Wirken und Verwalten im Dienste eines städtischen Gemeinwohls buchstäblich in die Wiege gelegt bekam. Seine Mutter Rosalie war die Tochter des Ettenheimer Stadtschultheißen Kollofrath und auch sein Vater Viktor, der als Bäcker zugleich im Ettenheimer Stadtrat saß, stammte ebenfalls aus einer Familie von Schultheißen.
Wenn alte Villinger von ihrer Schulzeit erzählen,
kann es sein, sie erinnern sich an ein museumspädagogisches
Erlebnis besonderer Art: dass sie
nämlich beim Besuch des Alten Rathauses zur
Veranschaulichung früherer („peinlicher”) Befragungsmethoden
auf der Streckbank festgebunden
wurden 1. Diese Streckbank stand in der als „Folterkammer”
eingerichteten Arrestzelle von 1731
im 2. Obergeschoss des Alten Rathauses. Sie war
Teil eines Arrangements von Folterwerkzeugen, die
allesamt Georg Fidel Hirt (1821 – 1889) gesammelt
und an die Stadt Villingen verkauft hatte. Er tat
dies bereits vor dem offiziellen Gründungsdatum
der Städtischen Altertümersammlung, 1876. Seine
Sammeltätigkeit war die Urzelle des Villinger
Museums.
Ohne Zweifel gehörte das Schloss Solitude mit seinen weitläufigen Parkanlagen
zu den spektakulären barocken Bauwerken in Deutschland. Obwohl vom Park und
seinen Gebäuden nur noch Spuren übrig geblieben sind, erstaunt es heute noch,
welche gewaltige Anlage hier innerhalb weniger Jahre gebaut worden ist. Herzog Karl
Eugen steht mit seiner geradezu manischen Baulust auch im Vergleich mit seinen
Zeitgenossen als Ausnahmeerscheinung da. Alle paar Jahre fasste er ein neues Bauprojekt ins Auge, so dass er schließlich über eine stattliche Anzahl an repräsentativen
Herrschaftssitzen verfügte. Dazu zählt in erster Linie das Residenzschloss Ludwigsburg mit dem kleineren Jagdschloss Favorite und dem Schlösschen am Eglosheimer
See, das im 19. Jahrhundert den Namen Monrepos erhalten sollte. Daneben entstand auf der Schwäbischen Alb das Jagdschloss Grafeneck, auf dem Einsiedel bei
Tübingen ließ Karl Eugen neben dem alten herzoglichen Jagdschloss ein repräsentatives Gebäude errichten, und in der Nähe von Stuttgart unterhielt er ein kleineres
Schlösschen Floride in dem Bereich, wo sich heute der Stadtteil Fasanenhof befindet.
In diese imposante Reihe der Schlösser fügt sich das Schloss Solitude ein, zu dem
im November 1763 der Grundstein gelegt wurde. In einem weitläufigen Waldgebiet
in der Nähe des Dorfes Gerlingen ließ der Herzog ein Schloss in der Einsamkeit mit
zahlreichen Nebengebäuden und einer weitläufigen Parkanlage erbauen. Die Ähnlichkeit mit dem Seeschloss bei Eglosheim dürfte nicht auf Zufall beruhen. Das Seeschlösschen war seit 1760 unter der Leitung des Architekten Philippe de la Guêpière
gebaut worden. Schon kurz nach Baubeginn verlor Herzog Karl Eugen das Interesse
an dem kleinen Schloss mit seinem rechteckigen See, vermutlich deshalb, weil er nun
auf der Solitude eine wesentlich größere Anlage erbauen ließ. Bei beiden Schlössern
stand die Absicht im Vordergrund, abgelegene Orte abseits der Residenzen zu schaffen,
in die man sich zurückziehen konnte. Das drückt sich bereits im Namen Solitude
aus. Indessen machte Herzog Karl Eugen die Verbindung des Ludwigsburger Residenzschlosses mit dem Jagdschloss auch optisch deutlich, indem er die beiden Schlösser
durch eine schnurgerade Allee miteinander verbinden ließ. Noch heute zeichnet sich
die Solitude-Allee deutlich in der Landschaft ab und ist damit zu einem prägenden
landschaftlichen Element im Mittleren Neckarraum geworden. Fast das gesamte
Ensemble der Alleen im Raum Ludwigsburg blieb erhalten, wodurch die Barockzeit
bis heute im Großraum Ludwigsburg signifikante Spuren hinterlassen hat.
Der Johanniter- oder Malteserorden führt seinen
Ursprung auf das gegen Ende des 6. Jahrhunderts
gegründete Pilgerspital und Hospiz in
Jerusalem zurück. Die Sarazenen zerstörten das
Hospiz mehrmals. Karl der Große stellte diese
wohltätige Einrichtung wieder her. Im Jahre 1048
gelang es italienischen Kaufleuten in der Nähe der
Kirche des Heiligen Grabes Grund und Boden
als Eigentum zu erwerben. Hier bauten sie vorerst
zwei Kapellen und zwei Hospitäler und weihten sie
dem hl. Johannes. In diesen Herbergen erhielten
die Pilger Ruhe, Pflege, ärztlichen Beistand und
Ausrüstung für die Heimkehr ins Vaterland. Viele
fromme Christen zogen es indessen vor, ihr Leben
fortan der Krankenpflege zu weihen und an dem
Orte zu sterben, wo auch Gott gestorben war.
Wir sind hier in Hornberg, und damit am rechten Ort: an einem literarischen. Bruno von Hornberg, der im 13. Jahrhundert auf der Burg über der Stadt saß, hat ihren Namen zusammen mit seinem eigenen in die Literaturgeschichte eingeführt. Und er, der Minnesänger, der vier Lieder hinterließ, hat das, was Minne meinte, auf unvergleichliche Weise in Worte gefasst.
„Aufgestanden ist er, welcher lange schlief / Aufgestanden unten aus Gewölben tief". Mit diesen Worten beginnt das Gedicht „Der Krieg" von Georg Heym (1887-1912). Es entstand nicht etwa 1914, sondern 1910, und macht deutlich, dass der
Erste Weltkrieg lange schon in den Köpfen begonnen hatte, noch bevor der erste Schuss fiel, und dass Schriftsteller einen
großen Anteil daran hatten.
Bei Betreten des Friedhofes von Windschläg stößt der Besucher in der Mitte der Anlage, nahe dem Friedhofskreuz, auf ein bemerkenswertes, markantes Kleindenkmal: ein Bildhäuschen, dass an den im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten Andreas
Kaufmann erinnert. So mancher Betrachter, der nachdenklich die Zeilen der Grabinschrift gelesen hatte, mag sich wohl gefragt haben: wer war diese Person, die auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges ihr Leben verlor und so jung sterben musste?
Carl Friderich Herbort
(2014)
In den Archiven der Städte und Gemeinden unseres Landes zählen die Inventarbücher
zu den interessantesten und aufschlussreichsten Zeugnissen der Vergangenheit, und für
die kulturgeschichtliche Forschung sind sie als authentische Quelle von großer Bedeutung. Grund genug also, anhand umfangreicher Unterlagen – Inventarverzeichnis, Tagebuch, Ladeninventar, Schriftverkehr, Warenlager – zu untersuchen, mit welchen Waren
der Bietigheimer Kaufmann Herbort die Bevölkerung einer Landstadt und deren Umgebung im Herzogtum Württemberg gegen Ende des 18. Jahrhunderts versorgt hat.
Um das Ganze in den geschichtlichen Zusammenhang um 1780 einzuordnen, sind
einige Hinweise hilfreich: In Preußen regierte Friedrich II. der Große, Carl Eugen war
Herzog von Württemberg, Goethe stand seit 1776 im Staatsdienst in Weimar, Schiller
war nach den ersten bestandenen medizinischen Examina aus dem Militärdienst entlassen worden und arbeitete an den »Räubern« und Mozart war Hoforganist des Erzbischofs in Salzburg. Könige, Fürsten und Bischöfe als Feudalherren hielten große
Höfe und bestimmten das gesellschaftliche Leben, zu dem auch eine mit erlesenen,
teils exotischen Lebensmitteln und Gerichten reich gedeckte Tafel gehörte.
,,Granatkommotionsneurosen"
(2014)
Das Heulen der Sirenen, das Dröhnen der Motoren und Panzer, die Explosionen, der Gestank- im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart zeigte ab April 2014 eine Ausstellung, wie der Krieg sich anhörte und anfühlte: wie eine „Fastnacht
der Hölle". Insgesamt 613047 Soldaten mussten in deren Verlauf wegen „Nervenkrankheiten" behandelt werden. ,,Posttraumatische Belastungsstörung" nennt man dieses Krankheitsbild heute. Damals sagte man „Granatkommotionsneurosen" dazu, wenn der Überlebende einer in unmittelbarer Nähe explodierenden Granate aufgrund einer neurologisch-seelischen Folgeerkrankung behandelt werden musste.
Josef Mengele in Freiburg? Folgt man den 2007 veröffentlichten Erinnerungen des Freiburger
Alt-Oberbürgermeisters Dr. Rolf Böhme, so glaubte dieser zunächst noch an einen „Irrtum" oder
gar „schlechten Scherz", als ihn am Samstag, dem 1. Juni 1985 ein Journalist der Washington
Post anrief und ihn unvermittelt auf den seit Jahrzehnten weltweit gesuchten NS-Verbrecher und
als „Todesarzt" von Auschwitz berüchtigten SS-Hauptsturmführer Josef Mengele ansprach: ,,Do
you know Mengele?"' Ob er denn wisse, dass dieser sich „in der Nazizeit in Freiburg aufgehalten
hatte, hier verheiratet gewesen sei und seine Verwandten heute noch hier leben würden"? Böhme
musste dem Journalisten wie sich selbst damals eingestehen, dass er von einem biografischen
Bezug Mengeles zu Freiburg keinerlei Kenntnis gehabt hatte. Einigermaßen konsterniert habe
er dem Journalisten am Telefon noch das Versprechen gegeben, sich über diese Angelegenheit
zu informieren. Bereits am selben Abend hätten sich allerdings bei einem Treffen mit Freiburger
Gemeinderatsmitgliedern eine „altgediente Stadträtin" und einer ihrer Amtskollegen als unerwartet informierte Zeitzeugen erwiesen und inoffiziell bestätigt, was offenbar nicht nur dem
US-Journalisten längst bekannt gewesen war:
Unter den Badischen Hoffotografen, die in dem Band "Gut Licht" (2003) aufgeführt werden, fehlt der Name J. Kraemer. Das mag daher kommen, dass Julius Kraemer weniger durch seine Fotografien als durch seine Lichtdrucke bekannt geworden ist. Seit 1872 betrieb er in Kehl ein "»Atelier spez. für Lichtdruck", die spätere "»Kunstanstalt für Photographie und Lichtdruck J. Kraemer in Kehl a. Rhein". Karl Julius Kraemer, so der Eintrag im Kirchenbuch, wurde am 13. September 1840 in Kehl geboren3. Sein Vater, Franz Karl Kraemer, war Bürger und Handelsmann in Kehl, verheiratet mit Karoline Julia Kraemer, geb. Semerau. Es ist noch unbekannt, wie J. Kraemer zur Fotografie kam.
Die steinreiche Erbtante
(2014)
Welcher Wissenschaftler träumt nicht insgeheim davon, Abenteuer zu erleben wie
die Filmfigur »Dr. Henry Walton Jones, Jr.« – besser bekannt als »Indiana Jones« –
oder auf Spurensuche zu gehen, wie in Gisela Graichens Archäologiereihen »C 14«
und »Schliemanns Erben«? Auch ich verfiel diesem narzisstischen Traum, stellte mir
vor, die Grabstätte einer Frau zu finden, von der es kein gesichertes Portrait gibt, die
sterblichen Überreste zu heben, eine Gesichtsrekonstruktion zu veranlassen – und
den Kameras wird präsentiert: das wahre Antlitz der »Landesverderberin«. Kurzum:
Ich habe zwar den Begräbnisort der Gräfin von Würben gefunden, aber von der
Grabstätte oder gar den sterblichen Überresten ist nichts geblieben. Auch ein
gesichertes Portrait ist bisher nicht aufgetaucht. Dann stellte sich im September
dieses Jahres noch einmal dieses Expeditions-Gefühl ein, als in Schilde die Familiengruft derer von Grävenitz geöffnet wurde.
Die Spur unserer Geschichte führt ins Berlin des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I.
von Preußen. Dort verstarb am 21. Oktober 1744 eine der ungewöhnlichsten Frauen
des 18. Jahrhunderts: Christina Wilhelmina Gräfin von Würben, geb. von Grävenitz
(1685–1744), die als Mätresse Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg in die
Geschichte einging.
Also, Morgens um 4 Uhr ist die Welt in der Nähe
von Mailand wie immer noch in Ordnung. Morgennebel,
Rauchfahnen von glimmenden Wachfeuern,
der Morgenstern funkelt romantisch. Aber
dann: Zong! Dong! Crash! Puff! Peng! Zack! Uups!
Ein rabenschwarzer Tag, der sich blitzartig blutrot
färben soll.
Es muss ein Massaker an diesem denkwürdigen
Montag, 6. Juni 1513 stattgefunden haben wie es
selbst das kriegsgewohnte Oberitalien bis dahin
selten erlebt hat, wo jeder gegen jeden um die Vorherrschaft
kämpft.
Es läuft eigentlich bis dahin bayernmäßig für die 14.000 Franzosen, darunter 3.500 Oberdeutsche
(das sind die Süddeutschen) Landsknechte, „3 ½
tußend lantzkneht”, darunter wiederum ein Villinger
Fähnlein, 80 Mann, „wier hattend fon Fillingen
wol achzig by der schlacht”, ungeduscht und
schlecht ernährt. Alles Kerle, die man auch im
Dunklen riecht. Das weiß-blaue Ballett wird angeführt
von Michael Maler (28) und Remigius Mans
(53). Sie haben sich gegen den Befehl von Kaiser
Maximilian I. und gegen den Willen des Villinger
Rates auf den Musterungsplätzen in Oberdeutschland
in französischen Diensten verdingen lassen.
Das Gymnasium der Villinger Benediktiner wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gegründet und
entwickelte sich nach der Zusammenlegung mit dem Gymnasium der Franziskaner 1774 zu einer Schule mit
Ausstrahlung weit über die Stadt hinaus.
Vieles ist erforscht, manches liegt noch im Dunkeln. Um an die bedeutendste Bildungsstätte des alten Villingen
zu erinnern, sollen in diesem und in folgenden Jahresheften in loser Folge Streiflichter und Momentaufnahmen
aus ihrer Geschichte dargeboten werden.
Der Abt des „Gotteshauses” St. Georgen zu
Villingen stand unter Druck. Ihn beschäftigte
die neue einheitliche Ordnung für die höheren
Schulen, die die staatliche Obrigkeit in Wien
1764 erlassen hatte. Der Villinger Magistrat hatte
ihn am 2. Mai im Auftrag der vorderösterreichischen
Regierung in Freiburg von dieser „Instructio
pro scholis humanioribus” in Kenntnis gesetzt.1
Sie brachte zahlreiche Veränderungen mit sich:
neue Bücher mussten beschafft, der Fächerkanon
erweitert, das Prüfungswesen ausgebaut werden.
Fraglich war, ob er die Schulleitung behalten und
weiterhin Mönche als Professoren würde einsetzen
können.
Die Universitätsbibliothek Tübingen besitzt seit langem eine eigentümliche handgefertigte Ansicht der Festung Hohenasperg aus dem Jahre 1763, die bis jetzt unbekannt
geblieben ist – jedenfalls findet sich in den einschlägigen Veröffentlichungen über
den Hohenasperg kein Hinweis darauf. Die Ansicht war zwar im Katalog der Universitätsbibliothek verzeichnet, bis vor kurzem jedoch noch ohne jeden Hinweis auf
ihren Urheber. Erst eine nähere Betrachtung anlässlich der Restaurierung dieses Werkes ergab, dass sich am Rand der Darstellung die Initialen F.C.F. finden, die es ermöglichen, sie dem gelehrten Pfarrer und Sprachwissenschaftler Friedrich Carl Fulda
(1724–1788) zuzuordnen, der von 1751 bis 1758 Garnisonspfarrer auf der Festung
war.
Fulda hat, abgesehen von einigen gedruckten und nahezu vergessenen Werken,
zahlreiche Manuskripte und Exzerpte vornehmlich aus der Sprach- und Geschichtswissenschaft hinterlassen, darunter die »Darstellung eines genealogischen Stammbaums der Geographie«, eine eindrucksvolle Tafel im Format von 73,5 x 50 cm. Die
Manuskripte gelangten im Sommer 1820 durch seinen Sohn, Professor Friedrich Karl
von Fulda (1774–1847), als Schenkung in den Besitz der Tübinger Universitätsbibliothek. Dieser lehrte an der Universität Tübingen von 1798 bis 1817 Kameralwissenschaft, von 1817 bis 1837 Theorie der Staatswirtschaft.
,,Ein seltsames Fest geht in unserer Stadt anlässlich der Konfirmation vor sich; ein gleiches wird sich nirgend finden. Der
jüngste Kriegsfreiwillige, der Sohn unseres Blechnermeisters Fritz Huber, weilt unter den Konfirmanden. Im tapferen Widerstand gegen den Feind ist der 170er (sic!) Infanterist Huber am Kopf verwundet worden und kam zur Pflege nach der Vaterstadt Offenburg. Mit der Familie und mit der evangelischen Gemeinde nimmt die gesamte Einwohnerschaft herzlichen Anteil an dieser erhebenden Feier, wie sie des Krieges wechselvolles Spiel zu einer geschichtlichen Seltsamkeit erhob. Auf die schreckliche, blutige Feuertaufe nun die friedliche Konfirmation des während der Kriegszeit 14 Jahre alt gewordenen, jugendlichen Kämpfers für's Vaterland. Ein glückliches Leben dem jungen Bürger!" (,,Kriegsbilder aus Offenburg" in D'r alt
Offeburger Nr. 827 vom 21.03.1915). Eine Woche später findet sich, ebenfalls in den Kriegsbildern, die Meldung: ,,Aus der
Volksschule (sie!) rückten folgende jugendlichen Recken zum Schutze des Vaterlandes in den Krieg: Emil Huber, Volksschüler
der Klasse VIIIb, geb. am 7. Oktober 1900, verwundet in Nordfrankreich, hier zur Heilung".
Zwischen St. Gallen und Freiburg im Breisgau gab es im Laufe der Geschichte und gibt es heute noch verschiedenartige und enge Beziehungen. Zuletzt sei an die Ausstellung „Freiburg baroque“ im Augustinermuseum über den Barockkünstler Johann Christian Wentzinger (1710–1797) im Winter 2010/11 erinnert. Diese Ausstellung konnte danach auch in St. Gallen gezeigt werden. Denn Wentzingers Hauptwerk war die Stiftskirche und heutige Kathedrale von St. Gallen. Im Dienste der St. Galler Fürstäbte verdiente Wentzinger so viel Geld, dass er, als er sich zur Ruhe setzte, damit am Münsterplatz in Freiburg ein prächtiges Privatpalais errichten konnte. Die Beziehungen des Gallusklosters zum Breisgau reichen aber sehr viel weiter zurück, bis in die Anfangszeit der Abtei, als es Freiburg noch lange nicht gab: Das Stichwort ist das Weindorf Ebringen vor den Toren der Stadt. In einer der allerfrühesten überlieferten Urkunden erhielt das Kloster St. Gallen zwischen 716 und 721 Weingüter in Ebringen geschenkt („in Eberingen unum iuchum de vinea“), angeblich aus dem Erbgut des Gründerabtes, des heiligen Otmar (719–759). Diese Urkunde ist die älteste Erwähnung von Weinbau im Markgräfler Land und überhaupt die früheste Erwähnung eines breisgauischen Ortes in einer Urkunde. Damit beginnt eine die Jahrhunderte überdauernde Verbindung St. Gallens zu Ebringen. Hier befanden sich der Verwaltungsmittelpunkt des ausgedehnten Güterbesitzes der Abtei im Breisgau und der Sitz einer Propstei; davon zeugen heute noch das herrschaftliche Schloss und die Pfarrkirche St. Gallus. Hier wirkten St. Galler Mönche als geistliche Statthalter und Pfarrer. Hierher wurden auch zeitweilig unbotmäßige Mönche ins Exil geschickt. So geschehen am Ausgang des 18. Jahrhunderts mit mehreren oppositionellen Mönchen. Unter den Strafversetzten befand sich damals nicht nur der künftige – und letzte – St. Galler Fürstabt Pankraz Vorster (1753–1829, Abt 1796–1805), sondern auch Pater Ildefons von Arx (1753–1833). Dieser war im Exil nicht untätig, er verfasste 1792 die erste „Geschichte der Herrschaft Ebringen“. Später wurde er Stiftsbibliothekar von St. Gallen.
Metzgers Weg zur Friedensarbeit begann 1908 im Alter von 21 Jahren, als er in die „Deutsche Friedensgesellschaft“ eintrat. In der allgemeinen Kriegsbegeisterung meldete sich Metzger zu Beginn des Ersten Weltkrieges sogleich als Kriegsfreiwilliger, weil er diesen Krieg als „gerechten“ bewertete. Bis Sommer 1916 finden sich positive Beurteilungen des Krieges bis hin zu den „Segnungen“ des Krieges. Bei einer „Kaiserfeier“ am 22. August 1916 in Graz hielt er die Festrede zu „Kaiser und Vaterland“. Es ist deshalb Franz Posset zuzustimmen, wenn er feststellt: „Von einem Pazifismus Metzgers in jener Zeit zu sprechen, wäre verfehlt.“ Ausgesprochen pazifistische Gedanken lesen wir bei Metzger in der zweiten Hälfte des Jahres 1916, z.B. „Der Weltkrieg: Bankerott oder Triumph des Christentums?“ Es stellt sich deshalb die Frage: Was hat bei Metzger zu diesem Gesinnungswandel beigetragen? Welche Erfahrungen, Begegnungen, Einflüsse oder Überlegungen führten dazu, dass er zu einer neuen und theologisch begründeten pazifistischen Einstellung gefunden hat?
Im umfangreichen Nachlass des Konstanzer Generalvikars und Bistumsverwesers Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1860) befinden sich mehrere Ordensinsignien, darunter zwei ordensähnliche Kreuze, deren Identität erst vor Kurzem erforscht und aufgedeckt werden konnte. Aufgrund detaillierter ikonografischer Untersuchungen kann inzwischen belegt werden, dass es sich hierbei um Kreuze der Domherren des Bistums Konstanz handelt, über deren Existenz bisher nichts bekannt war. Domkapitel sind aus mehreren Geistlichen bestehende Körperschaften, die die feierliche Liturgie an der Kathedralkirche einer Diözese gestalten sowie den Bischof bei der Administration des Bistums unterstützen. Ihre Entstehung reicht bis ins Frankenreich des neunten Jahrhunderts zurück. Schon bald wurden die Kapitel mit besonderen Privilegien ausgestattet, wozu seit dem 12. Jahrhundert eine besondere Chortracht gehörte.
Im November 2012 wurde im Internet eine Heidelberger Dissertation von
1786 angeboten. Wie sich schnell herausstellte, handelte es sich nicht um eine Dissertation, sondern um den Druck einer Promotionsrede aus Anlass des Universitätsjubiläums 1786, die der damalige Dekan der Theologischen Fakultät, reformierte Abteilung, Dominik Theophil Heddäus am Dienstag, dem 7. November gehalten hatte. Das Titelblatt enthält detaillierte Angaben (Q 6*, Abb. 1).
Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Familie von Reichskanzler Hermann Müller. Bei keinem anderen Weimarer Regierungschef ist die Diskrepanz zwischen seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte wie für die Geschichte des deutschen Parlamentarismus und diejenige der deutschen Arbeiterbewegung und der Vernachlässigung durch die historische Forschung so eklatant. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Biographie über den ersten sozialdemokratischen
Außenminister in der deutschen Geschichte, der 1919 den Versailler
Vertrag unterschrieb, den zweimaligen Reichskanzler der Weimarer Republik und den rund zwölf Jahre amtierenden Partei- und Fraktionsvorsitzenden der SPD. Der vorliegende Beitrag soll einen weiteren Baustein zu dieser Biographie liefern. Darüber hinaus spiegeln sich im Schicksal der Familie von Hermann Müller exemplarisch die menschliche Tragödie und die nach 1945 noch jahrzehntelang spürbaren Folgen, die in Deutschland und Europa durch die NS-Diktatur
verursacht wurden.
Die Familie Hochberg war eine bürgerliche Beamtenfamilie der Markgrafschaft Baden im 15. und 16. Jahrhundert; ihre Mitglieder bekleideten die höchsten Ämter, die für Bürgerliche in jener Zeit überhaupt erreichbar waren: als Kanzler und Landschreiber der Markgrafen sowie Inhaber bedeutender geistlicher Ämter. Ihre Geschichte ist bisher freilich niemals umfassend untersucht,
sondern immer nur gestreift worden. Der Umstand, dass verschiedene Familienmitglieder denselben Vornamen trugen – es gibt drei Träger des Namens Johann(es) Hochberg und zwei Träger des Namens Sebastian Hochberg –, führte häufig zu Verwechslungen. Im Nachfolgenden soll erstmals der Versuch unternommen werden, die Geschichte dieser Familie eingehend darzustellen.
Nachruf auf Adolf Laufs
(2014)
Adolf Laufs (18. November 1935 – 3. Januar 2014) stammte aus Tuttlingen und wuchs in einer Arztfamilie auf – wie er in seiner Antrittsrede in der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bemerkte, war seine „Muttersprache … das Alemannische Freiburgs und der Baar“. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg, Berlin und Speyer wurde er 1961 in Freiburg zum Dr. jur. promoviert und hat sich dort 1968 habilitiert; als seinen Lehrer hat er Hans Thieme stets dankbar gewürdigt. Schon ein Jahr nach seiner Habilitation erhielt Laufs einen Ruf auf die ordentliche Professur für Deutsche Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht und Bürgerliches Recht an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Von 1979 bis 1983 amtierte er als 741. Rektor dieser ältesten Universität auf deutschem Boden; den Vorschlag einer Wiederwahl lehnte er aus familiären Rücksichten ab. Nach einem vierjährigen Interludium in Tübingen kehrte er 1988 nach Heidelberg zurück, wo er sich 2001 emeritieren ließ. Die Universität Montpellier I verlieh ihm 1983 die juristische Ehrendoktorwürde.
1976 wählte die Heidelberger Akademie der Wissenschaften Herrn Laufs zu ihrem Mitglied; viele Jahre leitete er die Kommission, die das
von der Akademie herausgegebene Deutsche Rechtswörterbuch wissenschaftlich begleitet. Seit 1972 war er Mitglied der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und gehörte 1976–2001 zu ihrem Vorstand (1985–1995 stellvertretender Vorsitzender).
Mit Fulrad, dessen Testament der Titel entnommen ist, haben sich in der Vergangenheit nicht wenige Historiker befasst. Abt von Saint-Denis, Erzpriester Pippins und Mitglied der Hofkapelle Karls des Großen, gehörte Fulrad zu den höchsten Würdenträgern des Karolingerreichs. Zu bedeutend war sein Einfluss am Hof Pippins III. und in den ersten Regierungsjahren von dessen Söhnen, um nicht versucht zu sein, ihm einen Teil der historischen Entwicklungen zuzuschreiben. Er übernahm die Rolle des Königsmachers in Pippins III. Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhl (749/50) und überbrachte Papst Stephan II. die
„Pippinische Schenkung“ (756/757). Im Dezember 771, nach Karlmanns Ableben, führte er neben Erzbischof Wilchar die Geistlichkeit an, als die Großen des Reiches Karl als König huldigten. Große Beachtung fand das persönliche Vermögen des Abtes von Saint-Denis, das er im Herstaler Testament öffentlich machte, sowie die Schenkung aus dem Kinzheimer Königsforst.
Helmut Kaiser
(2014)
Am 25. September 2012 verstarb das Mitglied des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar Helmut Kaiser in Villingen/
Schwarzwald nach langer schwerer Krankheit im Alter von 77 Jahren. Helmut
Kaiser wurde am 25. Juni 1935 in Villingen geboren und verbrachte dort sein
ganzes Leben. Nach dem Schulabschluss und der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann übernahm er das Schirmfachgeschäft seines Onkels. Später wechselte
er zur Dresdner Bank in Villingen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1994
als Bankkaufmann tätig war.
Arthur Daucourt (1849–1926) ist ein jurassischer Pfarrer, der sich 1905 in Delémont niederlässt, einer Stadt von 6500 Einwohnern. Dieser gelehrte Geistliche führt ein Tagebuch, dem er seine persönlichen Eindrücke anvertraut und in das er Zeitungsartikel einklebt, die seine Aufmerksamkeit erregen. Dieses Tagebuch ermöglicht es, die Persönlichkeit des alten Würdenträgers zu skizzieren. Schon durch seine Herkunft aus der Pruntruter Bourgeoisie ist Arthur Daucourt natürlicherweise frankophil. Daucourt schreit beim Angriff auf Belgien seine Empörung hinaus. Die deutschen Kriegsgräuel, die Beschießung der französischen Städte, der Völkermord an den Armeniern, die österreichisch-ungarischen Ausschreitungen schärfen seine Feindschaft gegen die germanische "Kolossalkultur". Solche Vorkommnisse schockieren den Priester, der noch den Geist der "Achtundvierziger" in sich trägt.
Bisher hatte der Verfasser verschiedene Abgeordnete der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung, die die eigentliche Volksvertretung war, bearbeitet. Nun erscheint eine Abhandlung der Tätigkeit eines Abgeordneten der Ersten Kammer. Diese war bei der parlamentarischen Gesetzgebung beteiligt gewesen. Der Abgeordnete Dr. Richard Rothe war ein evangelischer Theologieprofessor, den der Großherzog für zwei Parlamentsperioden wegen dessen Verdiensten zum Abgeordneten ernannte. Richard Rothe trat nicht häufig ans Pult der Ersten Kammer, er setzte sich vor allem für Fragen der Religion und der Schule ein. Seine nationale Einstellung in diesem Artikel zur beginnenden Reichsgründung 1871 ist bemerkenswert.
Hubert Bollig
(2014)
Tilla und Hubert Bollig sowie Dr. Heinz Ritter gründeten 1931 in Malsch bei Ettlingen das »Waldhaus«, um schwer erziehbare und zurückgebliebene Kinder und Jugendliche aufzunehmen und nach anthroposophischen Richtlinien zu fördern. Mit der Räumung des "Waldhauses" zu Beginn des 2. Weltkriegs begann für die Familie Bollig und den ihnen anvertrauten Kindern eine einjährige Odyssee durch das Allgäu und den Bodenseekreis. Gleichzeitig gelang es H. Bollig durch sein mutiges und geschicktes Vorgehen seine gefährdeten Schützlinge vor der »Euthanasie« der Nazis zu schützen. Nach der endgültigen Schließung des "Waldhauses" 1941 kam Bollig für drei Wochen in Schutzhaft . 1948 konnte das "Waldhaus" wieder eröffnet werden und wuchs zu einer Einrichtung, die heute Arbeitgeber von über 70 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und ein Zuhause für ca. 60 Kinder und Jugendliche ist.
Am Nordfuß des Freiburger Lorettoberges liegt die Villa Mercystraße 2, in der von 1940 bis zu seinem Tode im Jahre 1958 der Dichter Reinhold Schneider zur Miete wohnte. "Auf dem Bergle hinter dem Haus widerstand der bayrische Feldherr Mercy, des Kurfürsten Maximilian letzter General, im Jahre 1644 drei Tage lang den Angriff en Turennes und Condés", schrieb er 1953 in seiner biographischen Skizze "Verhüllter Tag". "Das Haus, in dem ich wohne, ist älter als seine Nachbarn. Vor dem jetzigen Besitzer soll es ein General des 70er Krieges bewohnt haben. Als sein greiser kaiserlicher Herr ihn besuchen wollte, schien es ihm allzu bescheiden – was es gewiß auch war; er verdoppelte es, indem er einen saalartigen Raum anbaute; darüber liegen meine Zimmer. Ich verdanke also mein Gehäuse den Hohenzollern. Der Schreibtisch aus dem Marmorpalais kam einigermaßen an seinen Ort, und ich denke es mir gerne, wie der Alte Kaiser, der meiner Mutter Puppen schenkte, einmal den Gartenweg heraufgeschritten ist. Auch dieser Ring
ist geschlossen. Wie bald wird er zerbrechen!"
Robert Gerwig aus Karlsruhe war nicht nur Bahnbauer, sondern auch Politiker. Als Abgeordneter im Landtag und im Reichstag kümmerte er sich um die wirtschaftliche Entwicklung und setzte sich dafür ein, dass das Reichstagsgebäude in der Form gebaut wurde, die wir kennen. In seinen Tätigkeitsfeldern antwortete er auf Herausforderungen der Zeit und nutzte den vorhandenen Gestaltungsspielraum. Insofern ist er Repräsentant seiner Epoche; in seinem Wirken werden Strukturen, Regeln, Konflikte und Denkweisen – die "politische Kultur" – Badens und des Kaiserreichs beispielhaft erkennbar.
Zu diesem Beitrag betrieb ich keine Archivforschung, sondern stützte mich lediglich auf die Literatur. Dennoch laufe ich nicht Gefahr, allzu Bekanntes für die Leserinnen und Leser zu veröffentlichen. Eine ausgezeichnete Einführung in die Thematik des Frontbuchhandels und gutes Bildmaterial hierzu liefert das Standardwerk "Der Frontbuchhandel 1933–1945" von Hans-Eugen Bühler.
Im Sommer 2014 wird ein Faszikel des Personalakts Wohleb, der zur Hand des Ministerpräsidenten im Staatsministerium aufbewahrt wurde, ans Stuttgarter Staatsarchiv abgegeben. Eine Journalistin schreibt in der Badischen Zeitung einen skandalisierenden Artikel, der ein Gerücht zu bestätigen scheint, das unmittelbar nach Wohlebs jähem Tod in Frankfurt im März 1955 die Runde machte. Dabei wurde die von Ministerpräsident Gebhard Müller angestrengte erfolgreiche Recherche zur Quelle des Gerüchts verkannt. Es gelang Müller nämlich, den Urheber des "Rotlicht-Milieu"-Gerüchts, den Frankfurter OB, zum Widerruf seiner Falschaussagen zu veranlassen. Demnach ist Badens letzter Staatspräsident tatsächlich an Embolie in der Frankfurter Universitätsklinik gestorben und eben nicht, wie erzählt wurde, »in den Armen einer Dirne«. Die irrige Geschichte machte gleichwohl im Sommerloch 2014 von der BZ aus ihren Weg durch viele Blätter des deutschen Südwestens und überregionale Zeitungen (FAZ, Welt, SZ). In Leserbriefen und in einem Artikel in der BZ konnte die Unwahrheit des Gerüchts anhand der Archivalie aus dem Stuttgarter Staatsarchiv nachgewiesen werden.
Alte Friedhöfe seien, so sagt man, zu Stein gewordene Archive und die Grabmale die Archivalien.
Das gilt vor allem für die jüdischen Friedhöfe. Zum einen lässt sich an der Form ihrer Grabsteine,
der Schmuckelemente, der Gestaltung der Inschriften und der verwendeten Materialien ein
Wandel des Traditionellen ablesen. Dieser ist insbesondere durch die zunehmende Emanzipation,
verbunden mit der Übernahme bürgerlicher Stilelemente des nicht-jüdischen Umfelds, eingetreten und soll in den folgenden Kapiteln zum Ausdruck gebracht werden.
Zum anderen bilden die Grabinschriften wichtige und oft die einzigen Dokumente genealogischer Zusammenhänge. Erbliche Zunamen waren vor 1809 bei Juden in Baden noch nicht
die Regel. Männer und Frauen trugen der rituellen Tradition nach die Namen, die ihnen bei
der Beschneidung, beziehungsweise den Mädchen beim „Hollekreisch" gegeben wurden. Bei
Männern und unverheirateten Frauen wurden sie mit dem Vatersnamen (,,bar" = Sohn des, ,,bath"
=Tochter des), bei verheirateten Frauen mit dem des Ehemannes (eschet = Frau des) verbunden.
Diese Kombination wurde dann so auf dem Grabstein angegeben. Einen weiteren Namenszusatz
gab es nur dann, wenn der Verstorbene der Familie der Leviten, also der Tempeldiener (,,ha-Levi"
oder „Segal") oder der Priester (ha-Kohen) des alten Tempels angehörte.
Das nachfolgend abgedruckte, zeitgeschichtliche Gutachten wird zur Dokumentation der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen im Bodenseeraum veröffentlicht. Es wurde am 5. Februar 2014 im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Insel Mainau der Öffentlichkeit übergeben.1 Das Gutachten unter dem
Titel »Lennart Bernadotte (1909–2004) während der Zeit des Nationalsozialismus und
in den unmittelbaren Nachkriegsjahren« wird hier in vollem Umfang abgedruckt. Zur
besseren Anschaulichkeit wurde es um Abbildungen aus dem Gräflich Bernadotte’schen
Familienarchiv und aus anderen Archiven ergänzt.
Bekanntlich wurde 1798 die damalige Schweizer Eidgenossenschaft in die Helvetische Republik und 1803 in einen Staatenbund souveräner Kantone umgewandelt.
Auch die kirchlichen Strukturen, insbesondere diejenigen der katholischen Kirche, erfuhren eine tiefgreifende Veränderung. Im nördlichen Teil des Kantons St.Gallen hatte
die Fürstabtei St.Gallen seit 1613 auf Grund eines Konkordates mit dem Bistum Konstanz ein eigenständiges Jurisdiktionsgebiet geschaffen. Nachdem die Mönche der Abtei
mit Fürstabt Pankraz Vorster 1798 vor den anrückenden Franzosen auf ihre Besitzungen nordöstlich des Bodensees geflohen waren und eine Rückkehr nicht mehr möglich
wurde – von der kurzen Episode von 1799 abgesehen –, übernahm am 22. September
1800 die Diözese Konstanz wieder die volle Jurisdiktion der Pfarreien des nördlichen
Kantonsteils [1]
. In andern Kantonen, welche zum Bistum Konstanz gehörten, kam es in
diesem Zeitraum zu ähnlichen Veränderungen. Sie wurden von einer ganzen Reihe von
Persönlichkeiten getragen, die bereit waren, neue Wege zu gehen. Zu ihnen gehörte der
Luzerner Stadtpfarrer Thaddäus Müller. Er war 1798–1814 konstanzisch-bischöflicher
Kommissar und arbeitete eng mit dem seit 1804 amtierenden Generalvikar Ignaz Heinrich von Wessenberg zusammen [2].
Anders als bei seinem indirekten Nachfolger Gebhard ist es uns auch heute noch
vergönnt, an Konrads Grab vorbeizugehen, in dem sein Kopf nach wie vor liegt. In den
Zeiten der Reformation nach Meersburg in Sicherheit gebracht, konnte ein Partikel des
ersten Heiligen in der Konstanzer Bischofsliste bis heute erhalten bleiben. Aber nicht
nur der Kopf, sondern auch eine Armreliquie wird in der Meersburger Stadtpfarrkirche
verwahrt. Zu verdanken ist dies alles dem Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg (1447–1532), der im Jahre 1526 die Konradsreliquien nach Meersburg brachte. Ab
diesem Zeitpunkt hatte der Kopf eine weite Reise vor sich – weit ab von Meersburg lag er
nun in Prag – und so benötigte es das diplomatische Geschick des damaligen Konstanzer Generalvikars Johannes Pistorius (1546–1608), damit der Kopf am 6. Dezember des
Jahres 1605 nach Konstanz zurück gebracht werden konnte. [2]
An einem kalten Winterabend, es war der 7. Dezember 1815, hielten mehrere Kutschen auf der Konstanzer Markstätte vor dem Hotel »Goldener Adler«. Völlig unterkühlt
entstieg einem dieser Wagen die ehemalige Königin von Holland, Hortense Bonaparte,
geborene de Beauharnais. Sie war die Tochter der Kaiserin Joséphine aus ihrer ersten Ehe
mit Alexandre de Beauharnais (1760–1794) und Adoptivtochter sowie Schwägerin Kaiser
Napoleons I. Begleitet wurde sie einerseits von ihrem jüngsten Sohn, Charles Louis Napoléon, ein Kind von siebeneinhalb Jahren, andererseits von einem Teil ihres Personals.
Fünf Monate zuvor, nämlich am Abend des 7. Juli 1815, hatten sie Paris verlassen müssen
und zwar nach der zweiten Abdankung des Kaisers, dessen Exil nun St. Helena im südlichen Atlantik war. Die anderen Mitglieder seiner Familie hatten sich Italien, England und
sogar die Vereinigten Staaten von Amerika ausgesucht. Seitdem befand sich Hortense
auf einer Odyssee quer durch Europa. Prégny am Genfer See und Aix-les-Bains in Savoyen wurden ihr verwehrt, so versuchte sie ihr Glück in Konstanz.
Am 28. August 2014 verstarb im Alter von fast 85
Jahren Herr Prof. Dr. Gerhardt Jurzitza*. Als Vertriebener aus Oberschlesien fand er nach dem
Krieg in Karlsruhe eine neue Heimat. Angaben
zu seinem Lebenslauf sowie eine Bibliographie seiner wissenschaftlichen Publikationen hat anlässlich seines 70. Geburtstags im Jahr 1999 H.
Heidemann in der Zeitschrift „Odonatologica“ veröffentlicht
Robert Gerwig ist als Erbauer der Schwarzwaldbahn berühmt. Aber es gibt noch
eine andere Seite in seiner Biografie: Der große Ingenieur war sein halbes Leben
lang auch politisch tätig. 1855–1857 und 1863–1873 vertrat er als nationalliberaler Abgeordneter den Wahlkreis Wolfach-Hornberg-Triberg-Furtwangen,
1875–1878 Pforzheim in der Zweiten Kammer des badischen Landtags, neun
Jahre saß er für den badischen Wahlkreis 2, der die Amtsbezirke Triberg, Villingen, Donaueschingen, Bonndorf und Engen umfasste, im Reichstag (1875–1884).
Er hatte also von 1875 bis 1878 sogar ein doppeltes Mandat im Landtag und im
Reichstag inne. In den Reichstag wurde er vier Mal gewählt: 1875, 1877, 1878
und 1881. Sein Wirken im nationalen Parlament und sein Bezug zum Wahlkreis,
die stets im Schatten seiner Bedeutung als Bahnbauer stehen, sollen im Folgenden
anhand der verfügbaren Quellen, vor allem der örtlichen Presse und der Verhandlungsprotokolle des Reichstags, erstmals ins Licht gerückt werden.
Der Erste Weltkrieg stellt auch in der Architekturgeschichte eine Zäsur dar. Die Zeit seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
wurde durch verschiedene Stilrichtungen geprägt, die die Formensprache früherer europäischer Epochen aufgriffen und
zum Teil kombinierten. Mit dem Jugendstil und später der vor allem vom Deutschen Werkbund getragenen Reformarchitektur gab es bereits Ansätze zu einer modernen Baukunst, doch blieben die historisierenden Stile bis 1914 prägend. Das „lange
19. Jahrhundert" dauerte auch in der Architektur bis zum Ersten Weltkrieg, jener Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Nach
1918 konnten die Architekten nicht dort weitermachen, wo sie fünf Jahre zuvor aufgehört hatten. Der als überladen empfundene Stilpluralismus wurde durch eine sachliche Architektursprache ersetzt. Johannes Schroth ist ein hervorragendes Beispiel für eine Architektengeneration, deren Karriere abrupt mit dem Ersten Weltkrieg endete.
Mein Vater Max Jörger wurde am 2. Januar 1894 in Achern geboren. Er hat als junger Mann von November 1914 bis April
1918 sowohl an der Ostfront als auch danach an der Westfront als Sanitätssoldat gedient. Er ist zwei Mal leicht verletzt worden, am 16. März 1915 im heutigen Polen und am 9. Dezember 1916 in der Champagne. Am 27. April 1918 wurde sein linker Oberschenkel in Lothringen durchschossen. Nun war er schwer verwundet und nicht mehr kriegstauglich. Sein linkes
Bein wurde mehrfach operiert. Das Ergebnis aller ärztlichen Bemühungen war ein versteiftes Fuß- und Kniegelenk und ein
um 13 Zentimeter verkürztes Bein. Aber immerhin wurde ihm im Acherner Krankenhaus das linke Bein erhalten und die lange erwogene Amputation erspart.
Robert Gerwig (1820 – 1885) ist in unserer
Gegend bekannt: Von der Bahnhofstraße in Villingen
zweigt die Gerwigstraße ab, in Hausach, St.
Georgen, Furtwangen und Singen gibt es Gerwigschulen,
vom Gerwigfelsen bietet sich der Dreibahnenblick,
2010 feierte das Gerwig-Musical in
Triberg Erfolge. In all diesen Erinnerungen spiegelt
sich sein Ruhm als Erbauer der Schwarzwaldbahn.
Weniger bekannt ist, dass der große Ingenieur
sein halbes Leben lang auch politisch tätig war.
1855 – 1857 und 1863 – 1873 vertrat er als nationalliberaler
Abgeordneter den Wahlkreis Wolfach-
Hornberg-Triberg-Furtwangen, 1875 – 1878 Pforzheim
in der Zweiten Kammer des badischen Landtags,
neun Jahre saß er für den badischen Wahlkreis
2, der die Amtsbezirke Triberg, Villingen,
Donaueschingen, Bonndorf und Engen umfasste,
im Reichstag (1875 – 1884). Dorthin wurde er vier
Mal gewählt, 1875, 1877, 1878 und 1881.
Sozial und couragiert
(2014)
Aus einem Kiosk wurde ein modernes
Restaurant, aus einem italienischen Einwanderer
ein angesehener Bürger der Stadt. Die Geschichte
von Renato Camilli und seiner Familie erzählt
von Mut und Fleiß, von sozialem Engagement,
Zuversicht in die eigenen Kräfte und auch ein
wenig Glück. Renato Camilli ist in Umbrien
geboren, lebt aber seit 52 Jahren in Villingen.
1961 verließ der 15-Jährige zusammen mit seinem
Vater Serafino sein Heimatdorf im Herzen Italiens.
Die Mutter war früh gestorben. Drei seiner Brüder
lebten schon in Deutschland, das seit 1958 wieder
heftig um italienische Arbeitskräfte warb. Renato
Camilli kann ein Stück der Geschichte Villingens
miterzählen – auch nach fünf Jahrzehnten mit
unverkennbar italienischem Akzent – und belegt
damit seine gelungene Integration.
Nachdem im Jahresheft 2012 meine Predigt zur
Beerdigung von Klaus Ringwald abgedruckt war,
könnte man meinen, dass das Informationsbedürfnis
über Leben und Werk des Schonacher Künstlers
befriedigt wäre.
Aber aus der Tatsache, dass wir Villinger die verschiedenen
Werke in den Kirchen und in unserer
Stadt sehr schätzen, entstand der Wunsch, auch
Werke von Klaus Ringwald in unserer weiteren
Heimat kennen zu lernen. Der Wunsch führte
zur Exkursion am 12. Juni 2013. Der vollbesetzte
Reisebus machte den ersten Halt in Kork bei Kehl,
wo die Dorfmitte jetzt von einem mächtigen Stier
geschmückt ist, der sich nach einer Legende – und
von Ringwald meisterhaft in Erz gegossen – in die
eigene Brust stößt.
Eine begnadete Mystikerin
(2014)
Ursula Haider wurde 1413 in Leutkirch geboren
und kam als neunjährige Vollwaise in die Klause
der 1420 verstorbenen Elisabeth von Reute,
einer oberschwäbischen Mystikerin. Obwohl Elisabeth
bereits gestorben war, wurde Ursula Haider
ganz im Sinne der „Guten Beth“ erzogen. Die
Schwestern betrachteten das Leiden des Erlösers
mit großer Intensität unter dem geistlichen Einfluss
ihres Beichtvaters. In dieser Klause wuchs
Ursula Haider heran. Ihre Passionsmystik ist bis
zu einem bestimmten Punkt auf ihre Erziehung
zurückzuführen, obwohl ihre Offenbarungen stark
von Heinrich Seuse OP beeinflusst waren. Sie trat
1431 in das Klarissenkloster in Valduna ein und
wurde mit 36 Jahren zur Äbtissin gewählt. Dieses
Amt übte Ursula Haider 13 Jahre aus, und es
gelang ihr, das Kloster zu einem vorbildlichen Ort
der Frömmigkeit zu gestalten.
Fürstliches Familienidyll
(2014)
Luise von Degenfeld war die erste Angehörige der kurfürstlichen Familie, die dauerhaft im pfalzgräflichen Schloss in Schwetzingen wohnte. Als zweite, unstandesgemäße Ehefrau Kurfürst Karl Ludwigs lebte sie dort ab 1658 mit ihren Kindern und konnte fernab der Heidelberger Hofetikette mit Karl Ludwig ein Familienleben führen, das schon fast bürgerliche Züge annahm. Gerade wegen dieses ungewöhnlichen Ehelebens und vor allem aufgrund der aufsehenerregenden Trennung des Kurfürsten von seiner ersten Frau zugunsten Luises von Degenfeld wurde die Beziehung schon sehr früh Gegenstand romanhaftfiktiver Bearbeitungen in der Literatur sowie Mittelpunkt einer ausgreifenden
Legendenbildung. Im Folgenden soll das Privatleben Karl Ludwigs mit seiner zweiten Ehefrau vor allem aus ihrem umfangreichen Briefwechsel und Briefen anderer Familienmitglieder rekonstruiert werden.
Das Wappenbuch des Konstanzer Bürgers und Ritters Konrad Grünenberg
(†1494) ist eines der bekanntesten Vertreter dieser Quellengattung, und das gleich aus mehreren guten Gründen. Mit über 2000 Wappen gehört es zu den umfangreichsten Wappensammlungen des Mittelalters, und vor allem die Münchener Pergamenthandschrift (von der noch die Rede sein wird) darf mit Recht auch als eines der schönsten erhaltenen Exemplare dieser Gattung gezählt werden. Zugleich ist Grünenbergs Sammlung eng verwandt mit anderen Wappenbüchern, die im späten 15. Jahrhundert im süddeutschen Raum entstanden sind und von denen einige eine besondere Nähe zu Friedrich III. aufweisen; anders als die meisten Wappenbücher ist es zugleich in mehreren Abschriften überliefert. All das rechtfertigt die hohe Aufmerksamkeit, die die Forschung Grünenbergs Wappenbuch gewidmet hat.
Helmut Herwanger †
(2014)
Am 22. September 2014 verstarb nach längerer
schwerer Erkrankung der Botaniker Helmut Herwanger in Ravensburg im Alter von beinahe 74
Jahren. Sein Tod macht uns alle sehr betroffen.
Seine Familie begleiten wir in tiefem Mitgefühl.
Helmut Herwanger kam am 17. Oktober 1940 in
Bergisch-Gladbach zur Welt und wuchs mit vier
weiteren Geschwistern auf. Seine Mutter zog
am Ende des Zweiten Weltkriegs mit den Kindern nach Moosburg am Federsee. Nach seiner
Volksschulzeit besuchte er das Progymnasium
in Bad Buchau sowie weiterführend ab 1954 die
Lehreroberschule in Nagold. Nach seinem Abitur
studierte er in Weingarten im Pädagogischen Institut für das Lehramt an Volksschulen.
In einer Liste werden 81 Wanzen (Heteroptera), von Panzer in dem Werk „Faunae Insectorum Germanicae ...“ mit handkolorierten Kupferstichen abgebildet und beschrieben, mit den lateinischen und deutschen Namen, Erscheinungsjahr und Angaben zur Qualität der Abbildung zusammengestellt. Die heutige Nomenklatur wird ermittelt und vorangestellt. Fehler, Ungenauigkeiten und Fragliches werden diskutiert.
Von 1972 bis 1989 wohnte ich in Heidelberg am Klingenteich. Für mich waren das siebzehn wichtige Jahre. Ich zog ein als Doktorand mit verfallenem Staatsexamen, der nicht vorankam, und mein Privatleben war so unerfreulich wie chaotisch. Am Ende dieser Zeit zog ich mit meiner Frau und unserer Tochter nach Münster, wohin ich auf eine Professur berufen worden war. Ich wohnte in einem ausgebauten ehemaligen Weinberghäuschen über der Serpentine der Klingenteichstraße, wo der Graimbergweg abzweigt. „Das Häusle“ steht auf einer mächtigen Sandsteinmauer hoch über der Straße. Von meinem Schreibtisch hatte ich einen Blick über das enge Tal zu Gärten und Wald gegenüber, und durch das Fenster zur Rechten zum Graimbergweg und über die Stadt in die Ebene. Schwer verständlich, dass dieser besondere Ort für mich anfangs nur Schlafplatz war, aber ich hatte die Wohnung zunächst nur für ein Jahr von einer Kollegin übernommen, ohne zu ahnen, dass daraus ein Lebensabschnitt würde, und mein Lebensmittelpunkt war das Seminar, in dem ich ein Jahr später Assistent wurde.
Im Jahr 2013 feierten „evangelische Kirchen in aller Welt das 450jährige Jubiläum des Heidelberger Katechismus. Der HEIDELBERGER ist wie die Confessio Augustana und Luthers kleiner Katechismus ein wichtiger Lehr- und Bekenntnistext der Reformation“. „Ihn als wichtigsten Heidelberger Exportartikel zu bezeichnen, ist nicht übertrieben.“ Aber er ist ein „inzwischen weniger wahrgenommener Text. So wurde eine Ausstellung veranstaltet, um die Öffentlichkeit „für seine Wirkungsgeschichte zu interessieren.“
Wahrscheinlich im Sommer 1465 schrieb der in Heidelberg weilende Humanist Petrus Antonius de Clapis einen lateinischen Brief an den 16- oder 17-jährigen Pfalzgrafen Philipp. In diesem lobte Petrus den Lehrer des zukünftigen Kurfürsten: „So hat man es nun, in Vertrauen auf das Vorbild des Königs Philipps [von Makedonien], der festlegte, dass seinem Sohn Alexander Sokrates zur Unterweisung in der Wissenschaft zugeordnet sein sollte, gewollt, dass man den hochgelehrtesten Mann Peter Brechtel, der mit einzigartiger Klugheit versehen und im römischen Recht gebildet ist, zu Deinem Lehrer machte, auf dass nach dessem allervortrefflichsten Vorbild an Gewähltheit und höchstem Wissen in den litterae dein Geist, der in deinem adligen Körper hervortritt, noch edler und edelmütiger gemacht werde.“ Abgesehen davon, dass Petrus Antonius Sokrates mit Aristoteles verwechselt, wird in dem Brief des im Umfeld des Heidelberger Hofs wirkenden Italieners der humanistische Anspruch deutlich, Fürsten durch die Unterweisung in den „litterae“, das heißt vor allem in der lateinischen Sprache und Literatur, zu besseren Menschen und Herrschern zu erziehen. Es muss allerdings beachtet werden, dass der Adressat des Schreibens zwar Pfalzgraf Philipp war, es aber fraglich ist, ob der Fürst überhaupt genug Latein beherrschte, um den Brief lesen zu können. Tatsächlich dürfte es dem Humanisten vor allem darum gegangen sein, das Interesse des am Hof gut vernetzten Peter Brechtel zu wecken. Zudem muss die Darstellung des weisen, überaus gelehrten Lehrers, kritisch hinterfragt werden. Die im Umfeld des Heidelberger Hofs während der Regierungszeit von Pfalzgraf Philipps Adoptivvater Friedrich I. „dem Siegreichen“ entstandenen historiographischen Werke, Fürstenspiegel, Gedichte und andere Texte tendieren dazu, fürstliche Bildungsbestrebungen, sei es als Mäzene oder Rezipienten gelehrten Wissens, topisch überhöht darzustellen. Wie Fürsten tatsächlich zu gelehrtem Wissen standen, wird im Fall des Heidelberger Hofs von einer Mauer aus Panegyrik verdeckt. Eine der Möglichkeiten, hinter diese zu schauen, ist, einen Blick auf jene Personen zu werfen, die dieses Wissen an die Fürsten vermittelten. Es handelt sich um die gelehrten Erzieher, die in den zeitgenössischen Quellen meist als Präzeptoren oder Zuchtmeister bezeichnet werden. Ihre Rolle am spätmittelalterlichen Heidelberger Hof steht im Mittelpunkt dieses Beitrags.