940 Geschichte Europas
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Fort mir der 5. Kolonne! Raus mit den deutschen Nazis" hieß es Anfang Juni 1945 auf öffentlichen Kundgebungen der Schweizer Sozialdemokraten und Kommunisten (PdA) in Arbon und Kreuzlingen. Massiv wurden die Thurgauer Behörden wegen ihrer Langsamkeit bei der Ausweisung deutscher Nationalsozialisten kritisiert. Das Thurgauer Kantonsparlament forderte die Kantonsregierung auf, streng durchzugreifen. Es befasste sich zudem mit der Forderung, wie man deutsche Wehrmachtssoldaten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, an der Rückkehr in die Schweiz hindern könnte. In den Ausweisungen sah man hier wie auch in der übrigen Schweiz die Chance, das heikle Thema „Nationalsozialismus und Schweiz" rasch zu bewältigen und abzuschließen. Bestraft wurden auch aktive Schweizer Nationalsozialisten, die sich für den Anschluss der Schweiz an Deutschland ausgesprochen hatten. Wenn sie sich nach Deutschland abgesetzt hatten, wurden sie ausgebürgert.
Das »humanitäre Wirken« der neutralen Schweiz begann schon wenige Wochen
nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Am 24. September 1914 nahm das zivile
»Schweizerische Bureau für die Heimschaffung internierter Zivilpersonen« seine Tätigkeit
auf. »Zunächst vereinzelt oder in kleineren Gruppen trafen die Zivilinternierten an
der Schweizergrenze ein, die Deutschen und Österreicher aus Frankreich in Genf, die
Franzosen aus Österreich in Rorschach und aus Deutschland in Singen-Schaffhausen.«3
Bis Mitte März 1915 wurden über 20’000 »vom Feind bisher zurückgehaltene Franzosen,
Deutsche, Österreicher und Ungarn durch die Schweiz in ihre Heimat« zurücktransportiert.
Für die nach Westen vorrückenden deutschen Armeen bildete die belgische und
französische Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten eine Gefahr. Sie war ihnen
u. a. wegen Ernährungsschwierigkeiten lästig; diese Menschen mussten abgeschoben,
evakuiert werden. Ihren Transport organisierten militärische Dienste der Schweiz. Bis
Kriegsende wurden rund 500’000 evakuierte Personen durch die Schweiz transportiert. Zur Hilfe für die Zivilbevölkerung kamen Heimtransporte von französischem und
deutschem Sanitätspersonal sowie Hilfsmassnahmen für Kriegsgefangene und Kriegsverletzte.
In der Schweiz lebten 1914 etwa 220.000 Deutsche, etwas weniger als heute, 1918
waren es 70.000 weniger, 1945 waren es noch 65.000, heute sind es 280.000. Die Schweiz
vor 1914 war durch ein Netz von Niederlassungsabkommen gegenüber Ausländern freizügiger als die heutige Schweiz der bilateralen Verträge. Diese Deutschen ergriffen 1914
Partei, wollten nicht abseits stehen. Bereits am 2. August rief das Deutsche Generalkonsulat in Zürich alle gedienten und beurlaubten Militärpersonen auf, möglichst rasch
nach Deutschland auszureisen und sich dort beim nächsten Bezirkskommando zu
melden.
Rettungshafen Ostschweiz
(2007)
In St. Margrethen, dem Dorf in der nordöstlichen Ecke der Schweiz, stand einst
eine Brücke. Sie führte über den Alten Rhein und verband die Schweiz mit Österreich,
war Nadelöhr wie Eingangspforte. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs rettete die alte Brücke, die längst durch eine modernere ersetzt ist, Zehntausenden Menschen
das Leben, auf ihr spielten sich Vorgänge von weltpolitischer Bedeutung ab. Im Rahmen
der 2005 erschienenen Studie »Flüchtiges Glück« über die Flüchtlinge im Grenzkanton
St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus konnten die außergewöhnlichen Vorgänge
zusammengefügt und in Beziehung gesetzt werden. Im Folgenden werden einzelne Aspekte in vertiefter Form behandelt. Im Gegensatz zu den Geschehnissen vor Ausbruch
des Zweiten Weltkriegs, als der St. Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger, der Bregenzer Vizekonsul Ernest Prodolliet, die orthodoxe St. Galler Jüdin Recha Sternbuch und
unzählige weitere Helfer Tausenden von jüdischen Flüchtlingen das Leben retteten, sind
die Vorgänge der letzten Kriegsmonate an den Landesgrenzen um den Bodensee erst
in Teilen bekannt. Im Wesentlichen handelt es sich um mehrere KZ-Transporte, die ihr
Ende im Kanton St. Gallen hatten, um den Verhandlungspoker, der zur Rettung jüdischer KZ-Häftlinge führte, sowie um den Flüchtlingsstrom aus dem versinkenden Dritten Reich in den letzten 20 Kriegstagen.
Wärme in der Weihnachtszeit
(2014)
Eine aktuelle Karte Mitteleuropas, welche in einheitlicher Farbe die Staaten zeigt, welche Mitglied der EU sind, und eine historische Karte, welche die in den Ersten Weltkrieg verwickelten Länder ebenfalls kenntlich macht, zeigen das gleiche Bild: Mitten drin ein weißer Fleck: die Schweiz. Es wäre nun natürlich eine verfehlte Annahme, dass während den gut vier Kriegsjahren in der Schweiz alles seinen normalen Gang genommen hätte. Sie konnte sich zwar aus der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts heraushalten, aber sie war vom Großen Krieg doch in vielfacher Hinsicht betroffen. Der Beitrag analysiert die Belastungen (inklusive harten Rationierungen und Anbauschlacht) vor denen die Alpenrepublik stand.
Museen am Oberrhein organisieren 2014 das europaweit wohl größte grenzüberschreitende Netz von Ausstellungen zum Ersten Weltkrieg. Das Dreiländermuseum Lörrach zeigt eine Überblicksausstellung zum Ersten Weltkrieg in Baden, dem Elsass und der Nordwestschweiz. Der folgende Beitrag hält die wesentlichen Inhalte der Überblicksausstellung fest und beschreibt die Jahre 1914 bis 1918 am Oberrhein im grenzüberschreitenden Vergleich. Zugleich berichtet er über die Entstehung und Idee der 35 miteinander verbundenen Ausstellungen des Netzwerks Museen.