940 Geschichte Europas
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Ernst S. stammte aus dem Toggenburg und lebte seit 1938 mit seinen Eltern in Arbon, wo er bei der Firma Saurer eine Lehre als Dreher anfing. Sein Vater war Verwalter des Altersheims (Bürgerheim), vorher Aufseher in einer Strafanstalt. Mit dem Vater gab es wegen dessen strenger Erziehung immer wieder Streit, manchmal Schläge, es ging um das Geld, um das Nachhausekommen. Gelegentlich übernachtete er bei seinem Freund Max. Am Pfingstmontag 1941 erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. Anstatt mit den Eltern spazierenzugehen, schrie der 18jährige: „Ich habe jetzt genug, ich wollte lieber dem Teufel zugehen“ und verließ aus Angst vor Prügeln fluchtartig das Haus. Nach einer anderen Version schrie er: „Lieber will ich sterben als unter deiner Zucht bleiben“, worauf sein Vater gesagt haben soll: „So stirb doch!“
Kriegsende in Konstanz
(2000)
Gestützt auf sein Tagebuch, das er als Konstanzer Schüler zumeist auf lateinisch führte und mit Zeitungsausschnitten u. a. von Wehrmachtsberichten versah, sowie auf seine Erfahrungen im 3. Reich und in der Nachkriegszeit, schrieb Manfred Hanloser um 1985 seine Erinnerungen. Im Zusammenhang mit meinem Artikel über seine Fotos von der kampflosen Einnahme seiner Geburtsstadt erklärte er sich bereit, einen Auszug aus seinen persönlichen Notizen erstmals zu veröffentlichen. (Werner Klipfel)
Knapp zwei Monate nach dem Ausbruch der Französischen Revolution am 14. Juli 1789 wurde Anfang September 1789 in Rothweil ein Flugblatt mit folgendem Inhalt gefunden: „Wollgedachte Nachtbarschaft, es wirf Eich zu wisen gethan, dass den 9ten Herbstmonat dieses Jahrs Statt Freiburg mit den Bauren wirf belägeret werten ... wir wollen die vorige alte Rechten wieter haben sowohl geistlich als weltlichen Dingen.“ Diese Ankündigung macht deutlich, dass die Wirren der Französischen
Revolution auch über den Rhein in das vorderösterreichische Rothweil drangen. Das Flugblatt, das einer Bauernfeder entsprang und durch den Vogt zu Achkarren an die Landesherrschaft weitergeleitet wurde, empfand man in Freiburg jedoch nicht als allzu bedrohlich. Nichtsdestotrotz wurden daraufhin die Patrouillen verstärkt. Im Jahr 1790 tauchten in Gottenheim, Umkirch und Endingen weitere Flugblätter dieser Art auf. Allen war gemeinsam, dass sich in ihnen die Unzufriedenheit der Bauern artikulierte. Doch reichte dies nicht aus, um die Bevölkerung gegen die Herrschaft zu mobilisieren.
Im April 1933 - mit Aufkommen des Frontismus in der Schweiz, also des Pendants zum deutschen Nationalsozialismus - vollzog die in Stein am Rhein (Kanton Schaffhausen) erscheinende Zeitung >Grenzbote< einen Wandel vom unbedeutenden Lokalblatt zum frontistischen Parteiblatt. Sie wurde in der Folge von der Erneuerungsbewegung Neue Front Schaffhausen (NeF), die sich kurz zuvor formiert hatte, immer mehr instrumentalisiert und ging, nachdem die bisherigen Eigentümer zuerst noch geblieben waren, später sogar ganz in deren Besitz über. Mit der Erneuerungsbewegung war der >Grenzbote< in der Folge eng verknüpft, sowohl personell als auch in punkto finanzieller Ressourcen. Um gekehrt war aber auch die Fronten-Zeitung ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Erneuerungsbewegung, der sie als Mitteilungs- und Kampforgan diente und deren Aufkommen und Niedergang sie, in einer Art Symbiose, gewissermassen zyklisch nachvollzog. Als einzige rechtsextremistische Zeitung der Schweiz wurde der >Grenzbote< - anders auch als die >Front<, das spätere Partnerblatt - während des Zweiten Weltkrieges ohne Unterbruch herausgegeben und erst im Sommer 1943, zusammen mit den letzten verbliebenen frontistischen Gruppierungen, endgültig verboten. In vorliegender Arbeit soll nun aber vor allem die erste Zeit des >Grenzboten< als Frontenblatt, also jene in Stein am Rhein, und dann die Zeit in Schaffhausen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges etwas näher betrachtet werden.
Bereits seit längerem lässt sich im Bereich der Forschungen zur Revolution von 1848/49 als ein »signifikantes Merkmal« eine »ausgeprägte Orientierung auf die Regionen und Städte« beobachten. Trotzdem weist die »Revolutionsgeographie« nach wie vor viele weiße Flecken auf, sodass auch im Jubiläumsjahr 1998 mehrfach fast programmatisch die Forderung nach weiteren regional- und lokalhistorischen Untersuchungen erhoben wurde. Im vorliegenden Aufsatz sollen Voraussetzungen, Erscheinungsformen und Nachwirkungen der Revolution von 1848/49 sowie die Reaktion der Bevölkerung auf die damaligen Ereignisse in der Vorarlberger Gemeinde Lustenau untersucht werden. Wir wollen dabei versuchen, »Geschichte nicht nur als Vorgeschichte des Heute, sondern auch als Nachgeschichte des Vorgestern zu begreifen« und den für die Zeitgenossen bestimmenden »Erkenntnishorizont« in unserer Betrachtung zu berücksichtigen, um so der gerade in Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49 häufig zum Tragen kommenden Neigung der Historiker »zu rückwärtsgewandten Prophezeiungen« zu begegnen. Eines sei daher vorausgeschickt: Freilich kann hier weder ein »Modell« noch ein »typisches« Fallbeispiel der Revolution von 1848/49 vorgestellt werden.
Vor gut 650 Jahren
(2000)
„Gegen eine Welt von Feinden kann sich keiner wehren.“ Galt dies im April 1944 für Hannah Arendt als Erklärung, warum die jüdische Untergrundarbeit erst dann einsetzte, als die nicht-jüdische Zivilbevölkerung mehrheitlich ihre feindliche Haltung aufgab, so kann diese nüchterne Erkenntnis auch das Fazit für die Verfolgungen der Jahre 1348/49 bilden. Die sog. Pestpogrome überstand im gesamten westlichen Teil des Deutschen Reiches nur die jüdische Gemeinde von Regensburg. Für Berthold Rosenthal waren sie 1927 der „Höhepunkt der Leiden Israels“. Nach den Pogromen bildeten sich nur noch in einem Teil der früheren Städte die Gemeinden neu, ihre vormalige Größe wurde nirgendwo erreicht. Hatte man vor 1349 den Juden und Jüdinnen gelegentlich Bürgerrechte und bleibendes Wohnrecht zugestanden, so konnten sie danach nur noch zeitlich befristete „Schutzbriefe“ erhalten. „Judenpolitik“ wurde Sache der Städte, was die Vertreibungen aus ihnen hundert Jahre später möglich machte. Wie war es zu „der Welt ihrer Feinde“ gekommen?
Es waren hauptsächlich drei Gründe, die mich bewogen, neben der Fülle bislang publizierter Bild- und Textdokumente zum französischen Deportations- und Internierungslager Gurs nach weiteren Belegen zu suchen: Zum einen die Vorbereitung auf eine fünftägige Gedenkstätten-Gruppenreise im Herbst 2000, die mich über Orleans und Oradour-sur-Glane (b. Limoges) nach Gurs, ca. 13 km nordwestlich von Oloron-Ste. Marie an der Route D 936, ins Departement Pyrenees-Atlantiques und von dort via Noe (b. Toulouse) in das gleichermaßen berüchtigte ehemalige Lager Les Milles östlich von Aix-en-Provence und schließlich nach Carpentras geführt hat. Zusammengenommen anläßlich des sechzigsten Jahrestages der Deportation von sechseinhalbtausend badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940. Zum anderen war es meine Vermutung oder eher Zuversicht, aufgrund positiver Erfahrungen bei der Beschaffung von westalliierten Aufklärerfotos zur Totalbombardierung meiner Heimatstadt Halberstadt im nordöstlichen Harzvorland am 8. April 1945 sowie zum fünf Kilometer weiter südlich gelegenen, am 11. April von US-Truppen befreiten KZ Langenstein-Zwieberge, daß solche Senkrechtluftaufnahmen aus zumeist 6 bis 9 Kilometer Höhe auch für Orte außerhalb der reichsdeutschen Grenzen, also für die von der Wehrmacht besetzten Gebiete existieren müßten. Fotodokumente jedenfalls, die das von den ehemals
Internierten so intensiv erinnerte kilometerweite Ausmaß des hier interessierenden südwest-französischen Lagers Gurs besonders deutlich werden ließen. Drittens lag mir daran, mit Hilfe der mutmaßlich zu beschaffenden Luftbilder die bislang publizierten lediglichen Lagerskizzen bzw. -pläne nebst zugehörigen Erläuterungen zu verifizieren, sie authentisch belegt zu
ergänzen und die Fotodokumente anhand eigener Erkenntnisse während der Gedenkstättenbesichtigung - soweit es die Zeit unserer Gruppe dort zuließ -, sachlich weitgehend korrekt zu beschriften.
Das Elsaß und die Elsässer
(2001)
Wie vor Generationen ist auch heute noch das Elsaß eine bemerkenswerte Natur- und Kulturlandschaft, der man seiner Ursprünglichkeit halber ein höchstes Lob zollen muß. Johann Wolfgang Goethe hat die Elsässer in seinem Jahrhundert schon als „Bewohner eines Paradieses" tituliert, wobei er mit seiner Bewunderung an alte, von der römischen Antike herrührende Bezeichnungen anknüpfte. Hat er doch ein ganzes Jahr im Elsaß zugebracht und dabei Land und Leute kennen gelernt. Im Mittelpunkt eines größeren Interesses steht das Elsaß heute nicht mehr, wenngleich die Auswahl Straßburgs als Europastadt das Land heraushebt. Auch die Spannungen um den Besitz dieses Landstrichs sind heute behoben, aber doch hat sich sein Schicksal der letzten Jahrhunderte in das Bewußtsein der Menschen beispielhaft eingegraben. Gerade dieses Schicksal der letzten Jahrhunderte hat Frederic Hoffet, der aus dem Elsaß stammt und seine Menschen kennt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (1951) einer psychoanalytischen Deutung unterzogen, die im Elsaß selbst und darüber hinaus Aufsehen erregt hat.
Daß der Rhein eigentlich keine Trennungslinie ist, zeigte am Oberlauf schon immer die Praxis. Wir sehen dies hier am Beispiel der Grafschaft Hanau-Lichtenberg: Das heute noch sogenannte Hanauerland umfaßt die Landschaften um das rechtsrheinische Kehl und das linksrheinische Buchsweiler und Lichtenberg, nordwestlich der Stadt Hagenau. Dieses Land
am Oberrhein gehörte seit 1480 zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Der linksrheinische Teil kam 1763 an Hessen-Darmstadt, die rechtsrheinischen Ländereien an Baden. Im elsässischen Hanauerland waren auch die Herren von Gayling begütert, insbesondere im Gebiet Pfaffenhofen-Niedermodern, Berstett, Zutzendorf etc ... , wo mehrere kleinere Schlösser in ihrem Besitz waren. Die Gemeinde Niedermodern hat auch noch heute das Gaylingsche Wappen in ihrem Siegel. Heute hat die
Familie von Gayling ihren Wohnsitz im Schloß Ebnet bei Freiburg, nachdem sie ihre elsässische Heimat in den Wirren der französischen Revolution 1793 verlassen mußte.
Im Sommer 1944 näherten sich amerikanische und französische Truppen vom Westen her dem Elsaß, das damals als Reichsgebiet galt und zusammen mit Baden einen Gau bildete. Am 28. August ließ daher das Badische Innenministerium einen Runderlaß an die Landräte über den Bau einer „Schutzstellung West". Es sollten Hitlerjungen im Alter von 14 bis 18 Jahren eingesetzt werden, nicht länger als zwei bis drei Wochen. Zur Beaufsichtigung, Unterstützung und Betreuung der Jugendlichen werden HJ-Führer, politische Leiter, Lehrer und Gesundheitspersonal zum Einsatz gebracht ... Die Errichtung der Schutzstellung West wird zunächst öffentlich nicht erörtert; eine propagandistische Auswertung ähnlich wie in Ostpreußen ist zunächst nicht vorgesehen. In der Umgebung der Baustellen konnte die gesamte Bevölkerung herangezogen werden. Trotz der Geheimhaltungsvorschrift wurde wenige Tage später ein öffentlicher Aufruf publiziert. In ihm ist der Kreis der Betroffenen stark erweitert. Es werden nun alle männlichen Personen von 14 und 65 Jahren und alle weiblichen Personen von 16 bis 50 zur Herstellung einer Vogesenstellung und der Verteidigungsbereitschaft des Westwaldes einberufen. Dieser Aufruf stammt von der Gauleitung. Das Kompetenzgerangel beginnt also schon im Vorfeld, ein Rundbrief des Innenministers und ein Aufruf des Gauleiters stehen sich gegenüber.
Ab Ende des Jahres 1939, praktisch mit Kriegsausbruch, waren >Grenzbote< und >Front< - letztere allerdings mit einem zwischenzeitlichen Unterbruch von sieben Monaten - die einzigen verbliebenen Presseorgane der rechtsextremen Nationalen Front (NF), die weiterhin regelmäßig erschienen. Zusehends hatten sich die in der Grenzstadt Schaffhausen produzierten Zeitungen, zusätzlich zum ökonomischen Überlebenskampf, nun auch mit der staatlichen Pressezensur, der Abteilung für Presse und Funkspruch (APF) und deren Lektoren, auseinanderzusetzen. Allerdings wurden >Grenzbote< und >Front< erst erstaunlich spät, im Sommer 1943, endgültig verboten, und zwar - ohne Erwähnung inhaltlicher Verfehlungen, nota bene - gemeinsam mit den letzten verbliebenen frontistischen Gruppierungen.
Der Schweizerkrieg, wie er von Seiten der Deutschen, oder der Schwabenkrieg,
wie er von Seiten der Schweizer genannt wird, war eine blutige Auseinandersetzung zwischen König Maximilian sowie Adels-, Fürsten- und Städtebünden einerseits und der Eidgenossenschaft mit ihren Verbündeten andererseits. Die erste
Jahreshälfte 1499 war von Kämpfen entlang der heutigen Nord- und Ostgrenze
der Schweiz bestimmt. Die Schweizer siegten in vielen kleinen Scharmützeln und
vor allem in den entscheidenden Schlachten an der Calven im Mai und von Dörnach im Juli. Dennoch dauerte es noch einige Monate, bis im September 1499 in
Basel offiziell Frieden geschlossen wurde. Durch diesen Vertrag schied die Eidgenossenschaft faktisch aus dem Reich aus2.
Der Verlauf des Krieges an seinen verschiedenen Schauplätzen war komplex
und ist schwer durchschaubar, deshalb fehlt es bis heute an einer gültigen Gesamtdarstellung. Das weitgespannte Kriegsgebiet zerfiel 1499 in mehrere Regionen, in
denen Aktion und Reaktion unmittelbar aufeinander folgten, während strategische, regionsübergreifende Pläne immer wieder im Ansatz steckenblieben oder
scheiterten. Am Westufer des Bodensees und am Oberrhein gab es einerseits die
Kriegsregion Hegau und östlicher Klettgau sowie den Bereich Konstanz-Reichenau/Thurgau. Die Schweizer waren im Thurgau überwiegend defensiv eingestellt
und versuchten, durch ihr Militärlager im Schwaderloh Konstanz und die von
dort aus operierenden Truppen des Schwäbischen Bundes zu neutralisieren. Dagegen agierten die Eidgenossen im Hegau und Klettgau offensiv bei der Verteidigung des zugewandten Ortes Schaffhausen und seiner Umgebung, während sich
die Hegauer Adligen auf verschiedene kleinere Einfälle in das Schweizer Gebiet
beschränken mussten.
Im 15. Buch seiner nur teilweise erhaltenen aber als Quelle für die spätantike Geschichte des Imperium Romanum überaus bedeutenden res gestae hat der aus Antiocheia am Orontes stammende römische Historiker Ammianus Marcellinus einen sowohl für die provinzialrömische Geschichte als auch für die landeskundliche Forschung gewichtigen und viel behandelten Exkurs über Alpenrhein und Bodensee hinterlassen. Dieser ist in den Kontext eines nur bei Amman überlieferten Feldzuges eingebettet, den Constantius II (337-361) und einer seiner Feldherrn namens Arbetio im Jahre 355 gegen die lentiensischen Alamannen im östlichen Bodenseegebiet führten. Da dieser Feldzug die Straße von Como über die Bündner Pässe entlang des Alpenrheintals Richtung Bregenz als Hauptmarschroute benutzte, war der Exkurs wohl gewählt und eng mit der Haupthandlung verknüpft. Gegenstand der Darstellung sind sowohl der Alpenrhein von seinen Ursprüngen als auch der Bodensee, wobei gleichzeitig kurze Bemerkungen zu Landschaftsbild und Klima geboten werden.
Es wird erzählt, dass ein Lustenauer 1919, als die von Ferdinand Riedmann initiierte Vorarlberger Anschlussbewegung an die Schweiz ihren Höhepunkt erreichte, gefragt wurde, zu welchem Staat er denn künftig am liebsten gehören würde, zur Schweiz, zu Österreich oder gar zu Deutschland; er soll geantwortet haben: »As ischt mör gliech, hoptsach an ar Gränz«. Mit dieser Anekdote wird - unausgesprochen - angedeutet, dass die Lustenauer ihre Grenzlage vor allem wegen der Möglichkeit des Schmuggelns zu schätzen wissen. Interessanterweise hörte man denselben Ausspruch in abgewandelter Form vor ein paar Jahren in Zusammenhang mit Österreichs Beitritt zur EU wieder, als manch einer scherzhaft meinte, die Hauptsache sei doch, dass weiterhin eine Grenze, nun sogar eine EU-Außengrenze, bleibe, und mithin weiterhin die Möglichkeit bestehe, dem Schmuggel zu frönen. Ziel dieses Beitrages ist es, den historischen Wurzeln der Orientierung und des Grenzempfindens der Lustenauer nachzuspüren, die vielleicht dafür mitverantwortlich sind, dass in der Vergangenheit das Schmuggeln und die
Schmuggler in dieser Gemeinde einen Stellenwert erlangen konnten, der es berechtigt erscheinen lässt, in diesem Zusammenhang von »sozialem Rebellentum« zu sprechen. Abschließend soll auch die Frage gestellt werden, welche Identitäten sich daraus ergeben konnten.
Vorbemerkung: Aus Anlass des 60. Jahrestages der Deportation Bruchsaler Juden in das südfranzösische Lager Gurs 1940
haben sich in den Monaten September bis November 2000 an der Bruchsaler Balthasar-Neumann-Schule II 22 Schüler des Berufskollegs Fachhochschulreife (JBKFH) im Alter von 22 bis 28 Jahren mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Stadtarchiv Bruchsal wurden Akten und Dokumente zu diesem Thema eingesehen. Im Rahmen der vorliegenden Sozialstudie sollten die Fragen herausgearbeitet werden: wer waren diese Menschen,
die man deportierte, welcher Schicht entstanden sie, lassen sich Veränderungen der Sozialstruktur im Bruchsal der 1930er Jahre erkennen?
Es gibt in der Geschichte der Stadt Bruchsal Daten von einschneidender Bedeutung. Der 13. März 1676 und der 9. August 1689 zählen dazu, vor allem aber der 1. März 1945. Die Ereignisse des ausgehenden 17. Jahrhunderts sind nur spärlich dokumentiert. Von der Zerstörung der Stadt 1676 wird berichtet, es seien „in der Stadt nicht mehr als sechzehn geringe
Gebäu" und „noch etliche 20 schlechte Häuser" erhalten geblieben. Die erneute Verwüstung Bruchsals durch französische Truppen 1689 hinterließ schließlich einen rauchenden Trümmerhaufen, so dass „auch nicht ein Obdach für einen Vogel, geschweige denn für einen Menschen" übrig geblieben war. Wie die damaligen Bewohner Bruchsals diese Heimsuchungen
erlebt, wie sie sie durchlitten haben, wie und wann sie mit dem Wiederaufbau begonnen haben, kann man nur erahnen. Es sind weder ausführliche Berichte noch bildliche Darstellungen überliefert. Nach der Zerstörung Bruchsals gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war es dagegen möglich, im Lauf der Jahre anhand zahlreicher Berichte von Zeitzeugen, aufgrund vereinzelter Fotografien und Pläne und mit Hilfe erhalten gebliebener amtlicher Dokumente die Geschichte des Schicksalstages der Stadt im 20. Jahrhundert umfassend zu rekonstruieren und zu dokumentieren.
Schloss Bruchsal
(2002)
In den ersten Kriegsjahren blieb die Stadt Bruchsal weitgehend von Fliegerangriffen verschont. Erst 1944/45 wurde der Luftkrieg für die Bruchsaler zu einer immer häufigeren Bedrohung. Beim vierten Bombardement des Jahres 1945, in der Nacht des 2. Februar, war erstmals auch die Bruchsaler Schlossanlage betroffen. Bei einem nur 30-minütigen Angriff wurde gegen 23 Uhr der Turm der Schlosskirche durch Brandbomben getroffen. Die Feuerwehr musste wegen der Gefahr durch herabstürzende Teile des brennenden Turmhelms auf Löschversuche verzichten und beschränkte sich auf die Sicherung der angrenzenden Gebäude. Nach dem Luftangriff blieb von dem wohl schönsten Kirchturm im südwestdeutschen Raum nur die ausgebrannte Hülle erhalten. An den Fassaden wiesen die Zeiger der stehen gebliebenen Turmuhr als Menetekel für den verlorenen Krieg auf fünf nach zwölf.
Bischof Burkhard von Basel, das Kloster St. Alban und ihre Beziehungen zu Lörrach und Umgebung
(2002)
Die Urahnen der Grafen von Straßburg waren die Herren von Fenis. In diese Familie gehört auch Bischof Burkhard von Basel. Er nannte sich zeitweilig auch „Burkhard von Hasenburg", weil er einige Zeit dort gelebt hatte. Der Lausanner Bischof Kuno war sein Bruder. Der Vater der beiden ist Graf Ulrich von Fenis. Bischof Burkhard, dessen verwandtschaftliche Beziehungen tief in den burgundischen Raum in die Gegend des Neuenburger Sees hineinreichten, war zuvor Kämmerer des Mainzer Erzbischofs. In den Urkunden des Klosters St. Alban in Basel erscheint zweimal ein Mangold von Fenis, ein jüngerer Bruder von Burkhard. Er wurde der Vater der ersten beiden Grafen von Neuenburg, deren Nachfahren zusammen mit Philipp, dem letzten Markgrafen von Hachberg-Sausenberg und Herrn von Rötteln, in der Schlosskirche bestattet und in einem lebensgroßen Denkmal verewigt sind. Das Herz Markgraf Philipps wurde bekanntlich 1503 in der Röttler Kirche in der Gruft Rudolfs III. beigesetzt.
Kriegsereignisse in Ludwigsburgs Partnerstadt Jevpatorija/Krim während des Zweiten Weltkriegs
(2003)
Im Oktober 1994 reiste ich für eine Woche im städtischen Auftrag in Ludwigsburgs
ukrainische Partnerstadt Jevpatorija auf der Krim, um Informationen und Quellen
über die deutsche Besetzung der Stadt im Zweiten Weltkrieg zusammenzutragen.
Zwar gab es in Ludwigsburg bereits einige Hinweise, wonach während der deutschen
Besatzungszeit Einwohner Jevpatorijas erschossen wurden, doch waren diese Angaben zu vage, um sich ein konkretes Bild über die damaligen Geschehnisse machen
zu können. Aussagekräftige Unterlagen fanden sich schließlich im Stadtarchiv Jevpatorija und im Staatsarchiv in Simferopol. Die ermittelten Informationen flossen,
nachdem sie übersetzt worden waren, in eine vom Stadtarchiv Ludwigsburg konzipierte und im Mai 1995 im Ludwigsburger Kulturzentrum gezeigte Ausstellung zum
Kriegsende 1945 ein, die auch aufJevpatorija Bezug nahm. Zudem leitete ich die von
der Krim mitgebrachten Dokumente, darunter eine »Anklageschrift« einer sowjetischen Untersuchungskommission, weiter an die Ludwigsburger »Zentrale Stelle der
Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Gewaltverbrechen«. Dies führte
dazu, dass ein Ermittlungsverfahren u. a. gegen ehemalige Angehörige der deutschen
Sicherheitspolizei und Wehrmacht wegen Tötungsverbrechen während der deutschen
BesetzungJevpatorijas in den Jahren 1941 bis 1944 eingeleitet wurde. Allerdings stellte man später das von der Staatsanwaltschaft München übernommene Verfahren
wegen Mangels an Beweisen wieder ein.
Das Chräsrecht
(2003)
Als während des 13. und 14. Jahrhunderts das Kloster St. Gallen an Bedeutung
einbüsste, herunterkam und verarmte, war es gezwungen, unter anderem seine
Einkünfte aus Gaiserwald zu verpfänden. Damals erwarben Bürger der Stadt
St. Gallen, die durch das Leinwandgewerbe und den Fernhandel reich geworden
waren, eine Liegenschaft nach der andern. Unter dem Titel »neuere Dienst- und
Edelleute« schrieb Ildefons von Arx, es seien nach der Reformation »an die Stelle
des nach und nach hinwelkenden Adels« andere Geschlechter getreten, die zum
Teil seine Zwinge, Lehen, Schlösser und Stellen einnahmen. Für Stift und Stadt
St. Gallen waren die Wälder in der Umgebung aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Es ist deshalb verständlich, dass die Stadt St. Gallen, die über kein Um- oder
Hinterland verfügte, schon früh in ihrer näheren Umgebung - besonders auch in
Gaiserwald - Wälder erwarb.