940 Geschichte Europas
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Tagebücher „dienen der Niederschrift von Alltagsbegebenheiten und Erfahrungen, Empfindungen und Gedanken etc., die mit der Person des Tagebuchführenden in einem […] Zusammenhang stehen.“ Die Aufzeichnungen folgen einem chronologischen Fortgang, auch wenn nicht notwendiger Weise Kalenderdaten angegeben werden. Die einzelnen Eintragungen erfolgen i.d.R. schubweise und lassen sich daher deutlich voneinander unterscheiden. Typisch für Tagebücher ist ihre „offene Form“, d.h. sie sind prinzipiell nicht abgeschlossen oder können jederzeit wieder aufleben. Ein Bezug einer Eintragung zu früheren Eintragungen muss nicht bestehen. Die aktuellen und konkreten Aufzeichnungen werden oft durch Reflexionen über die beschriebenen Ereignisse ergänzt. Tagebücher weisen typischerweise einen unsystematischen oder fragmentarischen Charakter auf. Doch können durch nachträgliche Überarbeitungen im Zuge einer Reinschrift für eine Öffentlichkeit Bearbeitungen erfolgen, die den ursprünglichen Inhalt erheblich verändern können, wenn etwa späteres Wissen in Urteile und die Darstellung von Zusammenhängen einfließt. Im Folgenden sollen zwei Tagebücher vorgestellt werden, die von Frauen verfasst wurden, die beide in einem – wenn auch sehr unterschiedlichen – Bezug zur Evangelischen Landeskirche in Baden standen. Diese Tagebücher drängen gewissermaßen die Frage auf, welche Relevanz die Tagebucheintragungen für das Verständnis der Rolle von Frauen in der Landeskirche haben. Das erste Tagebuch stammt von der Karlsruher Künstlerin Clara Faisst und umfasst die Jahre des Ersten Weltkrieges. Das zweite Tagebuch verfasste Gertrud Hammann in der Zeit ihres Aufenthaltes in Gurs im Jahre 1940. Beide Tagebücher befinden sich in den Beständen des Landeskirchlichen Archivs.
Den Organisatoren der Tagung war es ein wichtiges Anliegen, die Teilnehmenden auch mit Quellen zu unterschiedlichen Themen aus dem Umfeld des Ersten Weltkrieges zu konfrontieren. Angeboten wurden Workshops zur Seelsorge (Gesine v. Kloeden), zu Predigten (Gottfried Gerner-Wolfhard), Frauen im Krieg (Sabine Liebig), Chronistik (Johannes Ehmann) und Autobiografisches (Gerhard Schwinge). Kurzbeschreibungen der Inhalte und Ergebnisse einiger dieser Arbeitsgruppen sollen einen Eindruck von der intensiven Arbeitsatmosphäre der Tagung vermitteln.
Trotz des zeitlichen Abstandes von 100 Jahren ist die Geschichte der badischen Landeskirche während des Ersten Weltkrieges noch ein weithin unerforschtes Gebiet. Allein die Darstellungen von Udo Wennemuth zu Mannheim und jüngst zu Karlsruhe, Gerhard Schwinges in alten richtungspolitischen Mustern verhafteter Aufsatz zu badischen Pfarrern im Krieg und ein Ausstellungskatalog bilden die Ausnahme. Ich werde daher im Folgenden Vieles eher als Anregung für weitere Forschungen
denn als fertiges Ergebnis vorstellen und mich nach einigen Informationen zur Situation der Landeskirche im Jahr 1914 mit den Folgen des Krieges für die Institution Landeskirche befassen und dann einen Blick auf die Ebene der Gemeinden richten.
Einzig bedingt durch die Forschungslage werden hier die Städte und nicht die Dörfer in den Blick geraten.
Seit den Arbeiten von Wilhelm Pressel und Heinrich Missalla auf deutscher Seite, und von Laurent Gambarotto auf französischer Seite, ist die Predigt des Ersten Weltkrieges nicht mehr Objekt einer gründlichen Untersuchung gewesen. Dies gilt auch für Elsass-Lothringen, auch wenn ich diesem Thema einige begrenzte Aufsätze gewidmet habe. So behandelt das Standardwerk von Jean-Noël und Francis Grandhomme, Les Alsaciens-Lorrains dans la Grande Guerre (Straßburg 2013) nicht die Predigt. Diese Lücke ist umso bedauerlicher als die Bibliothèque Nationale Universitaire von Straßburg ca. 60 gedruckte Predigten des Ersten Weltkrieges besitzt, darunter 40, die vor kurzem dank des Programms „Europeana“ digitalisiert worden sind. Diese Predigten – sowie manche andere, die man an der „Médiathèque protestante“ (Thomasstift) finden kann – sind von Pressel nicht berücksichtigt worden. Diese Predigten sind vorwiegend deutsche Predigten, was sich aus zwei Gründen leicht erklären lässt: erstens war die deutsche Sprache schon vor 1870 die religiöse Sprache der meisten Protestanten in Elsass-Lothringen, auch wenn in einigen Gemeinden – z.B. bei den Reformierten in Mulhouse (Mühlhausen) – die französische Sprache immer gepflegt wurde; zweitens durfte man mit Beginn des Krieges die französische Sprache in der Öffentlichkeit nicht mehr gebrauchen; aus diesem Grund wurde der Pfarrer Karl-Theodor Gerold, Kollege von Albert Schweitzer, der sein Vikar war, seines Amtes in Straßburg-Sankt-Nikolaus enthoben. Auch der Präsident der lutherischen Kirche, der Altdeutsche Friedrich Curtius, legte – vergebens – dagegen bei den Behörden Protest ein.
200 Jahre Beresina
(2012)
In den Publikationen und Ausstellungen zum Jubiläum 900 Jahre Baden kommt die Erinnerung an die Schlacht an der Beresina vom November 1812, in der badische Truppen eine wichtige Rolle spielten, nur am Rande vor. Dabei steht die Entstehung Badens in engem Zusammenhang mit jenen Vorgängen: Die Teilnahme von badischen Rheinbund-Truppen in Napoleons Kriegen 1806 gegen Preußen und Russland, 1808 in Spanien, 1809 gegen Österreich und dann 1812 gegen Russland waren eine Folge, ja ein Preis für Karl Friedrichs Aufstieg zum Großherzog und die Konstruktion Badens in heutiger Größe. Dass Baden dann nach dem Untergang seines Protektors Napoleon nicht wieder zerschlagen wurde, verdankt es andererseits dem Einfluss des Siegers von 1812, Zar Alexander I. Die Historie jener Jahre, die Zusammenhänge, Gründe und Folgen, auch die engen Beziehungen des badischen Hofes zu Frankreich und nach St. Petersburg sind vielfach dargestellt worden, eingänglich z. B. von H. L. Zollner. Um und nach 1912, zum 100. Jahrestag, erschienen Gesamtbetrachtungen
und es wurden Erinnerungen und Tagebücher von Teilnehmern in ganz Deutschland herausgebracht. Inzwischen ist der „Zug ins Verderben“ von 1812 ferne Geschichte, überdeckt von neuen Kriegen gegen Russland, darunter Hitlers verblendetem „Unternehmen Barbarossa“, das allein für die 3 Millionen deutscher Soldaten so grausam und opferreich verlief wie Napoleons Angriff der Großen Armee von 650.000 Mann, und in einer noch umfassenderen Katastrophe endete.
Napoléon und das Völkerrecht
(2004)
Der Geist der Kritik beherrschte schon lange die französische Gesellschaft, 1789 kulminieren alle Forderungen nach Veränderung in den Schlagworten Gleichheit und Freiheit. Die ersten evolutionären Entwicklungen bringen freilich keine Stabilität, es kommt konsequent zur totalen Umwälzung; der „salut public", das „öffentliche Wohl" wird mit der Guillotine erzwungen, der „Wohlfahrtsausschuss" bekennt sich zum „Schrecken" - terreur - als Regierungsinstrument; bis am 19. Thermidor (28. Juli 1795) der Diktator Maximilian Robespierre selbst hingerichtet wird, das „Direktorium" innenpolitisch
eine Beruhigung erwirkt. Gleichzeitig beginnt freilich der Angriff französischer Truppen auf italienische, Schweizer, badisch-vorderösterreichische Gebiete, auf Belgien am 15. August. Die eroberten Gebiete lassen die alte Theorie von den „natürlichen Grenzen" zur Realität werden. Der Name eines Eroberers wird dabei immer lauter genannt: Napoleon Bonaparte, 1769 in Ajaccio/Korsika geboren.
Fort mir der 5. Kolonne! Raus mit den deutschen Nazis" hieß es Anfang Juni 1945 auf öffentlichen Kundgebungen der Schweizer Sozialdemokraten und Kommunisten (PdA) in Arbon und Kreuzlingen. Massiv wurden die Thurgauer Behörden wegen ihrer Langsamkeit bei der Ausweisung deutscher Nationalsozialisten kritisiert. Das Thurgauer Kantonsparlament forderte die Kantonsregierung auf, streng durchzugreifen. Es befasste sich zudem mit der Forderung, wie man deutsche Wehrmachtssoldaten, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten, an der Rückkehr in die Schweiz hindern könnte. In den Ausweisungen sah man hier wie auch in der übrigen Schweiz die Chance, das heikle Thema „Nationalsozialismus und Schweiz" rasch zu bewältigen und abzuschließen. Bestraft wurden auch aktive Schweizer Nationalsozialisten, die sich für den Anschluss der Schweiz an Deutschland ausgesprochen hatten. Wenn sie sich nach Deutschland abgesetzt hatten, wurden sie ausgebürgert.
Der 12. Oktober 1944 war ein sonniger Herbsttag und gleichzeitig der Tag,
an dem sich viele Leute aus unserem
Ort schweren Herzens entschlossen,
unser geliebtes Tscheb zu verlassen.
Überall herrschte Ratlosigkeit wegen
des Vormarsches der russischen Armee. Wir Mädchen (Anna 13 Jahre,
Veronika 10 Jahre) waren zwar auch
von der großen Unruhe erfasst worden,
konnten jedoch die Sorgen und die
Trauer unserer Mutter Anna Stefan und
unserer Großeltern Theresia und Johann Zindl nicht nachvollziehen. Die Situation überstieg unser kindliches Vorstellungsvermögen, sodass wir das
ganze Ausmaß der von den Erwachsenen zu treffenden Entscheidungen gar
nicht erfassen konnten.
Geköpft, gehängt, verbrannt und ertränkt wurde in früheren Zeiten auch in der
Reichsstadt und Republik St. Gallen. Dabei war die Justiz in Stift und Stadt St. Gallen
vergleichsweise human. So kann beispielsweise in der Stadt nicht von Hexenwahn gesprochen werden. Während der schlimmsten »Hexen- und Teufelszeit« im 17. Jahrhundert fanden hier rund 30 eigentliche Zauberei- und Hexenprozesse statt; in »nur« 13 Fällen wurde die Todesstrafe verhängt. Zwischen 1465 und 1595 wurden in St. Gallen etwa
zehn Männer und vor allem Frauen durch Ertränken hingerichtet – eine Todesstrafe, die
in der Regel bei Kindesmord vollzogen wurde.
Bei vielen Völkern war der Kindesmord »ein vielgebrauchtes und wahrscheinlich
notwendiges Mittel, um einem unerwünschten Wachsen der Volkszahl oder einer relativen Überbevölkerung zu Zeiten plötzlich einbrechender Hungersnot« vorzubeugen. [1]
Die
Lex Frisionum, das Gesetz der Friesen, gestand der Mutter noch das Recht zu, »ihre Kinder gleich nach der Geburt zu töten«. Später konnte dann nur noch der Vater »die Tötung
eines neugeborenen Kindes« verfügen. [2]
Das »humanitäre Wirken« der neutralen Schweiz begann schon wenige Wochen
nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Am 24. September 1914 nahm das zivile
»Schweizerische Bureau für die Heimschaffung internierter Zivilpersonen« seine Tätigkeit
auf. »Zunächst vereinzelt oder in kleineren Gruppen trafen die Zivilinternierten an
der Schweizergrenze ein, die Deutschen und Österreicher aus Frankreich in Genf, die
Franzosen aus Österreich in Rorschach und aus Deutschland in Singen-Schaffhausen.«3
Bis Mitte März 1915 wurden über 20’000 »vom Feind bisher zurückgehaltene Franzosen,
Deutsche, Österreicher und Ungarn durch die Schweiz in ihre Heimat« zurücktransportiert.
Für die nach Westen vorrückenden deutschen Armeen bildete die belgische und
französische Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten eine Gefahr. Sie war ihnen
u. a. wegen Ernährungsschwierigkeiten lästig; diese Menschen mussten abgeschoben,
evakuiert werden. Ihren Transport organisierten militärische Dienste der Schweiz. Bis
Kriegsende wurden rund 500’000 evakuierte Personen durch die Schweiz transportiert. Zur Hilfe für die Zivilbevölkerung kamen Heimtransporte von französischem und
deutschem Sanitätspersonal sowie Hilfsmassnahmen für Kriegsgefangene und Kriegsverletzte.