943 Geschichte Deutschlands
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Kaum ein anderes Thema hat in den zurückliegenden Jahren in der geschichtswissenschaftlichen Forschung eine größere Bedeutung eingenommen und mehr Einzelstudien hervorgebracht wie das Thema „Zwangsarbeit im Dritten Reich". Durch die medienwirksamen Debatten um die Errichtung (2000) und Tätigkeit der vom Bund und der deutschen Wirtschaft getragenen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" ist dieser bedeutende historische Forschungsgegenstand auch in die breite Öffentlichkeit transportiert worden. Im Folgenden wird versucht, den in diesen Zusammenhängen verhältnismäßig wenig untersuchten Bereich „Zwangsarbeit auf dem Land" im Rahmen einer regionalgeschichtlichen Rundfahrt zu sechs verschiedenen historischen Stätten in der südwestlichen Ortenau zu behandeln und damit eine Projektidee vorzustellen, die sich als geschichtsdidaktischer Ansatz insbesondere an Multiplikator/innen in der Jugend- und Erwachsenenbildung richtet.
Am 29. November 1940 erhielten die Landräte und Polizeidirektoren der entsprechenden badischen Städte, sowie der Polizeipräsident von Mannheim ein Informationsschreiben des „Generalbevollmächtigten für das jüdische Vermögen in Baden“ (abgekürzt G.J.V.) in Karlsruhe, Carl Dornes. Auslöser war die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Lager Gurs. Einen Tag später hatte Gauleiter Robert Wagner in einem Erlass deren Vermögenswerte als dem Land Baden verfallen erklärt. Nun konzentrierte sich die Verwaltung und Verwertung des jüdischen Vermögens – so der Betreff im oben genannten Schreiben – auf die Sicherstellung von Kunstgegenständen in den verlassenen Wohnungen. Um zu vermeiden, dass wertvolle, d. h. museumswürdige Kunstgegenstände und Bibliotheken in öffentliche Versteigerungen gelangten, sollten solche Objekte von fachkundigem Personal der Landeskommissarbezirke Karlsruhe und Mannheim erkannt, aussortiert und gesondert gelagert werden. In Karlsruhe waren der kommissarische Leiter des Badischen Landesmuseums, Ludwig Moser, und ein zunächst namentlich nicht genannter Vertreter der Badischen Landesbibliothek für die Bewertung der Gegenstände vorgesehen. In den Städten Heidelberg, Freiburg und Konstanz
sollten ebenfalls Museumsmitarbeiter diese Aufgabe übernehmen. Für Karlsruhe wurde bestimmt, solcherart ausgesonderte Kunstgegenstände, Sammlungen und Teppiche im Badische Landesmuseum zu deponieren.
Interniert in Kislau
(2019)
Weder die deutsche Öffentlichkeit noch die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich nach Ende des „Dritten Reiches“ mit dem Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt wurden. Noch weniger bekannt ist, dass sich deren Stigmatisierung und Ausgrenzung nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 begrenzte, sondern bereits im Kaiserreich praktiziert wurde und auch in der Bundesrepublik weiter anhielt. Die Betroffenen – insbesondere Menschen ohne festen Wohnsitz – waren noch Jahrzehnte nach Kriegsende mit Ressentiments und Kriminalitätszuschreibungen konfrontiert. Da sie nicht als Opfer „rassischer Verfolgung“ anerkannt wurden, hatten sie keine Ansprüche auf finanzielle Entschädigung für das erlebte Leid. Die Forschung lenkte ihren Blick erstmals und auch nur vereinzelt in den 1980er-Jahren auf das Schicksal der als „asozial“ Stigmatisierten. Dies geschah im Zuge der generellen Entdeckung sogenannter „vergessener Opfer“, die sich nach Kriegsende nicht in Opferverbänden zusammengeschlossen hatten und daher kaum öffentlich wahrgenommen wurden. Mittlerweile sind viele der „vergessenen Opfer“ anerkannt worden, wie die Homosexuellen, Sinti und Roma, Zwangssterilisierte oder sowjetische Zwangsarbeiter, allerdings fehlen bis heute die „Asozialen“. Als „asozial“ abgestempelte Personen wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager eingewiesen – meist versehen mit dem schwarzen oder grünen Winkel – und dort zu Tausenden ermordet, aber auch in reichsweit existierenden Arbeitshäusern interniert. Darunter befand sich ein badisches Arbeitshaus, das auf dem Gelände des Schlosses Kislau bei Mingolsheim (heute Bad Schönborn) untergebracht war.