943 Geschichte Deutschlands
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- Freiburg im Breisgau (159) (entfernen)
Eine Folge von Papstflucht und Herzogsächtung: Freiburg wird 1415 für zwölf Jahre Reichsstadt
(2017)
Am 1. September 1413 bestätigte der in Chur weilende König Sigismund der Stadt Freiburg im
Breisgau auf deren Bitten alle ihre Freiheiten, Rechte, guten Gewohnheiten, Briefe und Privilegien, die sie von römischen Kaisern und Königen empfangen hatte. Am selben Tag tat er dies auch
für die seit 1330 an Habsburg verpfändeten Reichsstädte Breisach, Neuenburg, Schaffhausen und
Rheinfelden. Die Annäherung zwischen König Sigismund und der habsburgischen Territorialstadt Freiburg erfolgte rund anderthalb Jahre vor der spektakulären Flucht Papst Johannesʼ XXIII.
und Herzog Friedrichs IV. von Österreich aus Konstanz im März 1415, mit deren Auswirkungen
auf den Oberrhein sich das im Juni 2015 vom Alemannischen Institut veranstaltete Kolloquium
beschäftigte. Der angesprochene Kontakt verdient Beachtung im Vorfeld von Freiburgs zwölfjähriger Zeit als Reichsstadt infolge der Ächtung des Habsburgers: Wenn Sigismund damals
Freiburg und den an Habsburg verpfändeten Reichsstädten seine Gunst erwies, motiviert durch
die territorialpolitisch und familiär bedingten heftigen Spannungen zwischen ihm und dem mächtigen Landesfürsten Herzog Friedrich IV. im Süden des Reiches, so baute er damit symbolisches
Kapital auf, das ihm wenig später Nutzen brachte.
Zu Beginn möchte ich Sie auf eine Zeitreise mitnehmen. Wir können dazu in diesem Raum bleiben, denn das Geschehen, an das ich nun erinnere, hat aller Wahrscheinlichkeit nach genau in diesem Saal, in der Aula der Universität, auf jeden Fall aber in diesem Gebäude stattgefunden. Auch wenn Sie also sitzen bleiben dürfen, müssen Sie doch gedanklich 78 Jahre zurückgehen, genauer in das Sommersemester 1933. Die Fachschaft der Theologischen Fakultät hat zu einem Vortrag eingeladen. Der Hörsaal, in dem der Vortrag stattfindet, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur Studierende und Professoren der Theologischen Fakultät sind in großer Zahl erschienen, auch Hörer anderer Fakultäten und etliche Menschen aus der Stadt Freiburg sind gekommen.
Am 27. November 1944 starben bei einem Luftangriff auf die Stadt Freiburg etwa 2.800 Menschen. Zu den Todesopfern zählte auch die Besatzung eines Bombers der Alliierten: sechs junge
Soldaten im Dienst der britischen Royal Air Force (RAF) und einer der Royal Australian Air
Force (RAAF). Bei dieser Maschine, deren Wrackteile in Freiburg gefunden wurden, handelte
es sich um eine Lancaster I, Serien-Nr. NG200, Kennung AS-V, die zur 166 Squadron der
RAF gehörte. Die Maschine war mit einem H2S-Bodenradar mit gekoppeltem Air Position
Indicator ausgestattet. Mithilfe dieser Gerätekombination waren präzise Bombenabwürfe
ohne Bodensicht möglich. Ein Warngerät, der sogenannte Fishpond, sicherte die Maschine vor
Jägerangriffen. Im Bombenraum befanden sich eine HC-Bombe zu 4.000 lbs und fünf SAP-Bomben amerikanischer Bauform zu je 1.000 lbs sowie fünf GP-Bomben und zwei MC-Bomben zu je 500 lbs. Somit betrug die gesamte Bombenfracht 12.500 lbs, etwa 6,25 Tonnen. Hinzu
kamen noch größere Vorräte an Munition (Kaliber 7,7 mm) im Innenraum des Flugzeugs für
die insgesamt zehn Maschinengewehre des Heck-, Mitteoben- und Frontstandes. Das Flugzeug
war im Oktober 1944 in Dienst gestellt worden und hatte erst 29 Flugstunden geleistet. Aufgrund dessen kann man davon ausgehen, dass der Bomber in technisch gutem Zustand war, als
er am 27. November 1944 in Kirmington, Mittelengland, um 16.00 Uhr Ortszeit zum Angriff
auf Freiburg startete und gegen 20.05 Uhr über der Stadt abstürzte.
Der folgende Text ist zuerst in dem Band »Freiburg im Nationalsozialismus«, herausgegeben von Peter Kalchthaler und Tilmann von Stockhausen erschienen. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Rombach-Verlags, Freiburg und des Autors.
Im Herbst 1933 fand im Colombischlössle auf Initiative von NS-Oberbürgermeister Franz Kerber eine »Freiburger Bauausstellung« statt. Der seit 1925 agierende Chef des Hochbauamtes, Joseph Schlippe, hielt zu diesem Anlass eine programmatische Rede zur »hiesigen Baugesinnung in der gegenwärtigen Hoch-Zeit der geistigen Erneuerung und Wiederbesinnung Deutschlands« und gab über die Weimarer Moderne ein vernichtendes Urteil ab: Anderwärts hat man sowohl seitens der freien Architekten wie auch seitens der Bauverwaltungen in den verflossenen 14 Jahren nur allzu willig jeder modischen Sensation nachgegeben und den ganzen Hexensabath mitgemacht, der vom wilden Expressionismus und ›Glasscherbenstil‹ über die Hochhausseuche eines mißverstandenen Amerikanismus zu der öden ›Neusachlichkeit‹ geführt hat.« Nicht aber hier, wo »keiner der Freiburger Architekten etwaige baubolschewistische Sünden schamhaft zu verstecken nötig hatte.
Das Deutsche Reich kapitulierte am 8. Mai 1945 erst, als fast ganz Deutschland durch alliierte Truppen besetzt worden war und Adolf Hitler sich zuvor durch Selbstmord der Verantwortung entzogen hatte. Allerdings war der totale Kriegseinsatz der meisten Deutschen schon seit Monaten längst zum Teufel, wie der Freiburger Oberbürgermeister Kerber in einer internen Besprechung Anfang 1945 ausführte. Am Beispiel Freiburgs lässt sich nach der Zerstörung weiter Teile der Innenstadt durch den britischen Luftangrif vom 27. November 1944 zeigen, wie es dem NS-System immer weniger gelang, die Menschen von der eigenen Politik zu überzeugen. Zwar kam es zu keinem aktiven Widerstand und einige wenige glaubten immer noch an die
angekündigten Wunderwaffen, aber die meisten Menschen versuchten nur noch, das eigene Leben zu retten. Durch die gute archivalische Überlieferung lässt sich zeigen, wie die Stadtverwaltung immer weniger in der Lage war, ein geordnetes Leben aufrecht zu erhalten und die Menschen zu schützen und zu versorgen. Immerhin blieben der Stadt sinnlose Kämpfe beim
Einmarsch der Franzosen weitgehend erspart.
Das Kriegsende in Freiburg
(2005)
Geld: auf seine drei klassischen Funktionen als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher sind wir dringend angewiesen. Es garantiert uns die Erreichbarkeit von Gütern und Dienstleistungen aller Art und jederzeit. Es sorgt dafür, dass wir messen, abschätzen und (be)werten können. Es gibt uns, ob in Sparguthaben, Wertpapieren oder Immobilien angelegt, das Gefühl von Sicherheit. Geldwertstabilität ist der quantifizierte Ausdruck von Zukunftsfähigkeit. Das Geldgefühl der Deutschen verbindet sich ebenso mit Phasen nachhaltiger Prosperität wie tiefster Verunsicherung. Der „inflationserfahrene“ (Herbert Rittmann) deutsche Mensch will „gutes“ Geld in seinen Händen halten, dem er sein Vertrauen schenken kann und aus dem er seine Motivation zu sparen schöpft. Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut, befand schon 1929 der Ökonom Joseph A. Schumpeter – und konstatierte im Hinblick auf die große Inflation die desorganisierende Wirkung der Währungszerrüttung auf den Volkscharakter, die Moral und auf alle Verästelungen
des Kulturlebens.
Als am Morgen des 6. März 1933 am Freiburger Rathaus die Hakenkreuzflagge gehisst wurde,
bedeutete dies ein Fanal: Von jetzt an hatte die NSDAP mit ihren braunen Helfershelfern in der
SA und anderen Organisationen das Sagen, und zwar nicht nur in Berlin, wo tags zuvor die
Reichstagswahl zwar nicht ganz so überzeugend wie erwartet, so doch reichlich „braun" ausgefallen war, sondern auch in Freiburg, wo die NSDAP mit 35,8% zur stärksten Partei avancierte. Obwohl hier noch nicht wirklich installiert, hissten die Nazis trotz des durch den noch
amtierenden demokratisch gewählten Zentrums-Oberbürgermeister Karl Bender ausgesprochenen Verbots die Hakenkreuzfahne auf dem Balkon des Rathauses, also am zentralen Ort
kommunaler Machtausübung.
Ein Akt der Verzweiflung
(2000)
Die von langer Hand und unter strikter Geheimhaltung vorbereitete Deportation von 350 jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus Freiburg nach Gurs schlug sich im Tagebuch der Polizeidirektion, das für den 22. Oktober 1940 auch den Besuch der Sicherheitsdienste (SD) von Mülhausen und Freiburg vermerkt, in einer siebenzeiligen Notiz nieder: ,,Dienstag, 22. Oktober und Mittwoch, 23. Oktober 1940: An beiden Tagen wurden die jüdischen Familien abtransportiert. Hierbleiben durften nur diejenigen Juden, bei denen entweder der Mann oder die Frau arischer Abstammung sind. Weiter blieben auch die Mischlinge hier. Zwei Juden haben Selbstmord verübt; eine Jüdin hat sich die Pulsadern durchschnitten und starb in der Klinik, ein Jude hat sich erhängt. Der Abtransport ging in aller Ordnung vor sich."
Auf Schritt und Tritt sieht man sich in Freiburg an die Geschichte erinnert. Das ist wörtlich zu
verstehen. Man tritt auf Kanaldeckel, die das Bild eines Siegels der Stadt schmückt; man stutzt
angesichts von ,Stolpersteinen', die an Verfolgte des NS-Regimes erinnern. Freiburg steht zu
seiner Geschichte - dort mit Stolz, da nur mit Scham und Trauer. Wer nach baulichen Zeugen
der Vergangenheit fragt, hält mit dem Stadtplan, den Berent Schwineköper vor Jahrzehnten
erarbeitet hat, einen zuverlässigen Führer in Händen.[1] Aus der Fülle darin verzeichneter und anderer Erinnerungsmale soll eine Auswahl präsentiert werden.
Das Münster ist ein Ort, an dem Erinnerungen in vielerlei Gestalt sichtbar werden: in der
Architektur, in Skulpturen, Bild- und Glasmalereien, in Wappen, Epitaphien und weiteren Inschriften, in Sonnen- und Räderuhren, in liturgischen Geräten und vielem anderen. Im Münster
wollen Menschen Gottes Wort vernehmen und zu ihm beten; damit verweist es auf Wurzeln der
weltgeschichtlich einzigartigen Erinnerungskultur, die das Abendland, die von Rom geprägte
lateinische Christenheit, ausgebildet hat. Aus diesem Boden ist auch das Verlangen nach sichtbaren Zeichen der Erinnerung gewachsen, wie sie im Folgenden vorgestellt werden.