943 Geschichte Deutschlands
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Ein Blick auf die Gemarkungsgrenzen zeigt, dass der Ort Rohrbach sehr wahrscheinlich wie auch Mühlbach und Sulzfeld als eine frühmittelalterliche Ausbausiedlung von Eppingen entstanden ist. Seinen Name hat der Ort durch seine Lage an einem mit Rohr, also mit Schilf, bewachsenen Bach erhalten. Zur Unterscheidung von anderen Orten gleichen Namens kamen sowohl die Zusatzbezeichnung „bei Eppingen“ als auch „am Gießhübel“ auf. In einer Grenzbeschreibung, die das Stift Odenheim 1727 anfertigen ließ, ist vor und nach der Gießhübelmühle nicht die Elsenz eingezeichnet, sondern ein „Gihsübelgraben“ bzw. „Gihsübelgrabenbach“, und die Äcker gegenüber der Straße nach Rohrbach in Richtung Eppingen werden als „Gihsübeläcker“ bezeichnet. Es scheint so, als wäre in diesem Bereich „Gieshübelgraben“ eine andere Bezeichnung für die Elsenz. Die Bezeichnung könnte sich entweder auf eine kanalisierte Elsenz als Mühlkanal oder auf einen frühmittelalterlichen Bestrafungsort durch Untertauchen beziehen.
Mit der Entstehung des Großherzogtums Baden entstand auch die Evangelische Landeskirche, die mit der Markgrafschaft Baden-Durlach als Kern weitere lutherische Territorien und mit der Kurpfalz ein reformiertes Kirchenwesen einbezog. Sie alle konnten auf unterschiedliche Traditionen zurückblicken, so dass neben vielen anderen Aufgaben die Schaffung einer gesamten evangelischen Kirchengeschichte unumgänglich war, um der neugeschaffenen Landeskirche eine ihr zukommende Beschreibung und auch Legitimierung zu bieten. Bildete Burkhard Gotthelf Struves Kirchengeschichte der Kurpfalz eine zuverlässige Stütze, sah dies für die meisten anderen Territorien und vor allem für die Reichsritterschaft ungleich schlechter aus. Es währte denn auch mehr als vier Jahrzehnte, bis Karl Friedrich Vierordt (1790–1864), Direktor des Karlsruher Lyzeums,
diese Herausforderung annahm und mit seinem auch heute noch beeindruckenden zweibändigen Werk zum Abschluss brachte.
Im vorletzten James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“, dem zweiten mit Daniel Craig als 007, sucht James Bond, Rache für den Tod seiner Freundin Vesper zu nehmen. Dabei muss er eine Geheimorganisation namens „Quantum“ ausschalten; aus der Rache erhofft sich Bond ein Quäntchen Trost – „A Quantum of Solice“. Am Ende, als Quantum vernichtet ist und Bond verletzlicher denn je aus seinem Auftrag hervorgeht, wirft er das Andenken an Vesper, ein Silberkettchen, das er stets bei sich trug, in den Schnee. Mit dieser Geste verabschiedet er auch die Rache: Er ist frei geworden. Der wahre Trost in dieser Geschichte liegt nicht im Ausschalten von Quantum (bloß ein weiterer Sieg des englischen Geheimdienstes über einen weiteren Feind), sondern im Wegwerfen der Ketten des persönlichen Rachefeldzuges. Dieser Sieg ist weitaus größer. Um es mit Johnny Cash zu sagen: „I´m free from the Chain Gang now“. Über eine solche innere Freiheit von Rache, Hass und dem Elend des Menschen spricht auch der Heidelberger Katechismus. Auch er ist ein Bekenntnis zur Freiheit. Üblicherweise unterscheidet man zwischen dem Bekenntnis eines Einzelnen (ein Krimineller „bekennt“ sich zu seiner Tat, berühmte Menschen nennen ihre Autobiografien zuweilen „Bekenntnisse“) und dem Bekenntnis einer Kirche, in dem der
Glaube ausformuliert ist, wie z.B. dem Apostolischen oder Nizänischen Glaubensbekenntnis. Der Heidelberger Katechismus fällt auf den ersten Blick in die zweite Kategorie. Der 450. Geburtstag ist Anlass, einen zweiten Blick zu riskieren: Könnten wir in diesem historischen kirchlichen Dokument nicht auch ein Quantum Trost durch das persönliche Bekenntnis zur Freiheit finden? Schafft der Heidelberger Katechismus vielleicht genau die Verbindung zwischen dem gemeinschaftlichen Bekennen einer kirchlichen Tradition und dem Bekenntnis eines Einzelnen? Dann wäre das Jubiläum dieses Dokumentes auch ein Anlass für unseren eigenen Jubel aus Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns befreit.
Die kirchenpolitische Neuorientierung unter Friedrich III. (1515; reg. 1559–1576), deren Gipfel die Einführung des Catechismus Oder Christliche(n) Vnderrricht(s) / wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wird bildet, wurzelte bereits in den reformatorischen Maßnahmen Kurfürst Ottheinrichs von der Pfalz (1556–1559). Es war dem Kurfürsten nicht gelungen, mittels der lutherischen Kirchenordnung von 1556 die religiöse Lage zu befrieden, was auch durch eine unglückliche Berufungspolitik verursacht war. Bereits unter Ottheinrich wurden – in eher reformiertem Geiste – die Bilder in den Kirchen zurückgedrängt. Hauptstreitpunkt der Heidelberger Theologen war freilich die Lehre vom Abendmahl, die zum handgreiflich ausgetragenen Streit zwischen Wilhelm Klebitz und Tilman Heshus und schließlich zur Entlassung beider führte. Ottheinrichs Nachfolger Friedrich III. erhoffte weitere Klärung durch ein Gutachten Melanchthons, dass dieser wenige Wochen vor seinem Tode im November 1559 erstattet hat und das Friedrich noch 1560 drucken ließ. Melanchthon war sich über die kirchenpolitische Brisanz durchaus im Klaren, wenn er sagte: Es ist nicht schwer, aber gefährlich, darauf eine Antwort zu
geben.
Jakob Ernst Leutwein, Pfarrer in Unterschüpf (1730-1763), überliefert in seiner spätestens 1755 abgeschlossenen „Schüpfer Kirchenhistorie“ das während einer Reise geführte Gespräch. Seinem Begleiter erzählte der Chronist, dass an der Spitze der
Geistlichkeit der 1632 erloschenen Herren von Rosenberg ein Superintendent gestanden hatte. Der Gesprächspartner kommentierte, es wäre aliquid inauditi, also völlig ausgeschlossen, dass adelige Herren einen Superintendenten hätten, ja es fehle ihnen dazu auch das Recht. In beiden Haltungen drückt sich unmissverständlich das Besondere dieser reichsritterschaftlichen Superintendentur aus – hier Leutweins Bewunderung für diese außergewöhnliche Einrichtung; dort der andere, die Existenz einer solchen Einrichtung bestreitend, damit ex negativo das Außergewöhnliche, ja Singuläre der Superintendentur in einer Adelsherrschaft betonend. Was hat es mit diesem Amt auf sich? Die Reformation bildete, wie allgemein bekannt, einen (nicht nur) religiösen Fundamentalprozess. Weit weniger ist im landläufigen Bewusstsein verankert, dass sich daran u.a. eine ganze Reihe rechtlicher Probleme anschloss.
Am 4. April 1556 machte Kurfürst Ottheinrich, soeben mit dem Ableben seines Vorgängers und Onkels Kurfürst Friedrich II. in die pfälzische Kurwürde eingerückt, durch einen zu Alzey gezeichneten Erlass die Reformation lutherischer Prägung für
die Kurpfalz verbindlich. Wenig später, am 1. Juni desselben Jahres, schloss sich die Markgrafschaft Baden-Pforzheim, die spätere Markgrafschaft Baden-Durlach, durch einen entsprechenden Erlass von Markgraf Karl II. an. Damit war die reformatorische Entwicklung im deutschen Südwesten gewissermaßen vervollständigt und zu einem ersten vorläufigen Abschluss gebracht. Grundlage reformatorischer Maßnahmen in beiden Territorien war die von dem Stuttgarter Propst Johannes Brenz erarbeitete württembergische Kirchenordnung des Jahres 1553, die Herzog Christoph im Jahr
1555 mit einer Anzahl weiterer reformatorischer Gesetzestexte für den Gebrauch seines kurfürstlichen Nachbarn, des damals noch regierenden Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, hatte zusammenstellen lassen, ein Corpus, das den Kern der späteren
Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 bildet.
Trotz der Abgeschiedenheit des Tales Harmersbach sind auch hier die Auswirkungen der Reformation zu spüren gewesen.
Wegen der dürftigen Quellenlage, unter anderem verursacht durch den großen Stadtbrand in der benachbarten Reichsstadt
Zell a. H. 1543, und wegen der Vernichtung zahlreicher Unterlagen in Stadt und Tal durch Feuer, das marodierende Soldaten
1643 während des Dreißigjährigen Krieges gelegt hatten, kann man die Versuche religiöser Umbrüche nur ansatzweise rekonstruieren.
Das Verlangen nach einer Reform der Kirche war schon vor 1517 zu verspüren.
Luthers 95 Thesen bildeten dann den Auslöser der nun folgenden Reformationsbewegung.
Wesentliche Voraussetzungen der Reformation sind in den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts zu suchen, die die Kirche ebenso betrafen, wie
das politische Leben und die Bildung. Überhaupt kann das 15. Jahrhundert als
Zeit der Reformen bezeichnet werden. Das heißt, dass der Reformbegriff bereits
geläufig war und es lediglich auf einer Übereinkunft der Historiker beruht, dass
wir einerseits von den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts reden, andererseits aber von der Reformation des 16. Jahrhunderts. Grundlegend für beide
Begriffe ist das lateinische Wort »reformatio«, das so viel wie Wiederherstellung
oder Erneuerung bedeutet.
Schon zu Beginn der 1520er-Jahre stießen die Ideen der Reformation in einzelnen Gemeinden
des heutigen Neckar-Odenwald-Kreises auf offene Ohren. Begünstigt durch die Möglichkeiten
des Buchdrucks, fanden die Schrift en Martin Luthers unter belesenen Geistlichen, beim
ritterschaftlichen Adel und städtischen Bürgertum ein lebhaftes Interesse. Eine Signalwirkung
war zweifellos der Heidelberger Disputation (1518) zuzuschreiben. Das entschlossene Auftreten
des Wittenberger Reformators, der hier erstmals seine neu entdeckte Rechtfertigungslehre
entfaltete, wurde für eine Reihe junger Theologen, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz
und Erhard Schnepf, zum Initialerlebnis.
In den Jahren vor dem Bauernkrieg 1525 lag die Gemeinde Menzingen in einem erbitterten
Streit mit ihrem Ortsherrn, dem Kraichgauer Ritter Philipp von Mentzingen. Dieser Konflikt um das »alte Herkommen«, also die überlieferten Rechte der Bauern, eskalierte 1524/25.
Nähere Einblicke verdanken wir einem Prozess, den die Gemeinde vor dem hessischen Lehenshof
in Marburg angestrengt hatte und dessen umfangreiche Akten, trotz einer Teilpublikation
durch Günther Franz, bis heute nicht vollständig ausgewertet sind. Auch dieser Beitrag kann
nur wenige Aspekte näher beleuchten, so die Offenheit der Gemeinde Menzingen gegenüber
der lutherischen Lehre – noch bevor Philipps Söhne Erasmus und Peter von Mentzingen die
Reformation 1525 eingeführt haben.
500 Jahre Reformation
(2017)
Im Jahr 2017 wird in vielfacher Hinsicht dem
500. Jahrestag der Reformation gedacht. Martin
Luther, Philipp Melanchthon und einige ihrer
Zeitgenossen werden keine geringe Aufmerksamkeit
erfahren. Doch sie waren nicht die Ersten.
Hier sollen zu Beginn der Böhme Jan Hus und
auch die damals schon im Piemont ansässigen
Waldenser genannt werden. In ihren theologischen
Forderungen und ihrer Kritik an den Verhältnissen
in der damaligen römischen Kirche gab es eine
Reihe von Parallelen.
Im Spannungsfeld der Konfessionen –
Dorfvögte in Mönchweiler und Schwenningen
im 16. Jahrhundert
(2017)
Im 16. Jahrhundert war die hiesige Landschaft politisch zersplittert. Weite
Bereiche des Landes gehörten dem Haus Fürstenberg als Landgrafen in der Baar.
Die Stadt Villingen mit ihren Dependenz-Orten im Brigachtal war österreichisch,
ebenso Bräunlingen und die Herrschaft Triberg. Württembergisch waren Hornberg, Schwenningen und Tuningen, dazu Buchenberg, Weiler, Erdmannsweiler
und Burgberg. Zum Kloster St. Georgen gehörten St. Georgen mit dem oberen
Brigachtal sowie Oberkirnach und Mönchweiler. Die rechtliche Stellung des
Klosters selbst war ungeklärt. Der Abt vertrat den Standpunkt, dass sein Kloster
unmittelbar dem Heiligen Römischen Reich unterstand, zahlte aber jedes Jahr
50 Gulden Landessteuer an Württemberg. Der Herzog von Württemberg, der
auch Kastenvogt (der weltliche Schutzherr) des Klosters war, war natürlich anderer Meinung. Für ihn gehörte das Kloster zu seinem Herzogtum.
Aufbruch in eine neue Zeit
(2018)
2017 feierten die evangelischen Kirchen am 31. Oktober den Tag, an dem nach der Überlieferung vor 500 Jahren der Mönch und Doktor der Theologie Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg 95 Thesen angeschlagen hat, über das Thema
„Buße". Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde der Kirchen der Reformation. Die 500ste Wiederkehr dieses Tages ist über den Raum der Kirche hinaus von so großer Bedeutung, dass er im Jubiläumsjahr ein staatlicher Feiertag war, und dass die Vorbereitungen für dieses Jubiläum schon vor einigen Jahren begonnen hatten.
Im Jahr 2017 feierte die Evangelische Kirchengemeinde die 500. Wiederkehr des Jahres, in dem Martin Luther durch seinen Protest gegen Missstände in der Kirche den Lauf der Geschichte beeinflusste. Gedenkfeiern sind immer mit einem bestimmten Jahr, einem Namen und einem Ereignis verbunden. Das Jahr 1517 war die Initialzündung für einen Prozess, der bis in die heutige Zeit reicht. Von ebenso großer Bedeutung wie das Ereignis selbst, ist die Person, deren Name mit dem Ereignis verbunden ist. Um dieser Person zu gedenken, ist in der Regel das Geburtsjahr Anlass für eine Rückbesinnung. Auch künftige Ereignisse, die zwangsläufig auf das Jahr 1517 folgen mussten, können von so großer Bedeutung sein, dass sie es wert sind, ihrer zu gedenken.
Es ist meistens Zufall, wenn sich Angaben darüber finden, wann in den einzelnen Orten die Reformation eingeführt wurde. Aber bereits 1522 und noch mehr 1523 beklagte sich das Domkapitel allenthalben über Zehntverweigerungen, die zwar mit der neuen Lehre nichts zu tun hatten, aber doch ein Zeichen dafür sind, wie viele Menschen sich bereits innerlich von der alten Kirche getrennt hatten. Wie die Verhältnisse in dieser Hinsicht in jenen Jahren in Wössingen waren, ist nicht bekannt. Wir wissen, dass die Wössinger sich am Bauernkrieg beteiligt hatten, denn der Markgraf hat 1527 von ihnen „der burischen aufrurhalben 200 fl begehrt." Das Domkapitel wollte dies verhindern und nahm die Wössinger wieder in Gnaden auf, hat ihnen also ihre Beteiligung am Bauernkrieg verziehen.
„Drei Töchter kann man verheiraten, die anderen sollen ins Kloster gehen", wird Otto I. von Mosbach (reg. 1410-1461) zitiert – konnte doch mehrfache Ausgabe standesgemäßer Mitgift die Stammfamilie gefährden. Die Aufnahme in ein Kloster war ehrenhaft für Person und Familie – Verhandlungssache – und ohnehin stand jede ledige Frau in der Munt des Familienpräses. Dass sich Frauen ins Kloster gesehnt hätten, weil sie dort, und nur dort, die Kulturtechniken lesen, schreiben, rechnen lernen konnten, ist ein Postulat, das für die Frauenklöster der Region jedenfalls nicht bezeugt ist.
In den badischen Markgrafschaften verlief die Reformation sehr zögerlich und in stetem Auf und Ab. In den oberrheinischen Territorien trafen lutherische, calvinistische und gegenreformatorische Ideen aufeinander und konnten sich je nach regierendem Markgraf unterschiedlich stark behaupten. Erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 war die Konfessionalisierung abgeschlossen: Baden-Durlach mit den Gebieten der unteren und der oberen Markgrafschaft war hinfort
evangelisch, die Markgrafschaft Baden-Baden katholisch.
Im Gedenkjahr der Reformation wird der Blick auf jene Außenseiter der reformatorischen Bewegung gelenkt, die in jener Zeit als Wiedertäufer verfolgt wurden. Neben der Darstellung ihrer Lehren und Hauptvertreter in Süddeutschland und der Stellungnahmen der führenden Reformatoren wie Melanchthon und Brenz zu ihnen, wird ihre Präsenz im Kraichgau und insbesondere in Bretten dargestellt. Stand am Anfang ein hartes Urteil mit seinen Folgen, so haben sich in der Gegenwart die protestantischen Kirchen und die Täufer, heute Mennoniten genannt, einander in wesentlichen Fragen angenähert.