943 Geschichte Deutschlands
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Am 17. Mai 1945, wenige Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht (08.05.1945), forderte Erzbischof Gröber die Pfarrseelsorger der Erzdiözese auf, Ereignisse in der Pfarrei vor, während und nach der Besetzung sowie etwaige Schäden an kirchlichen Gebäuden zu schildern und über die allgemeine Lage zu berichten. Mit den Stichworten „Plünderungen, Vergewaltigungen, andere Schwierigkeiten“ war den in die Pflicht Genommenen große Freiheit eingeräumt; sogar zu einem Tabuthema durften, sollten sie sich äußern! Das Erzbischöfliche Ordinariat hat die Anordnung mehrfach wiederholt. Bis Ende 1947 sind mehr als tausend Berichte eingegangen, viele schon im Sommer 1945. Das ist bemerkenswert, weil der Briefverkehr nur langsam wieder in Gang kam – wegen kriegsbedingter Zerstörungen und Anordnungen der Besatzungsmächte (der Nordteil der Erzdiözese gehörte zur amerikanischen, der Südteil mit Hohenzollern zur französischen Besatzungszone). Man war erfinderisch bei der Übermittlung von Nachrichten.
Der Pfarrer der Johannisgemeinde Weinheim, Karl Achtnich (1890 bis 1969), stand, wie viele Gemeindepfarrer, während des Zweiten Weltkriegs mit vielen ehemaligen Konfirmanden und Jugendkreismitgliedern, die als Soldaten im Krieg waren, in brieflicher Verbindung. Die Gemeindejugend, die „Sonnenjugend“, die „Sonnenmädchen“ (so genannt, weil die Gemeindejugend sich im Gemeindehaus „Zur Sonne“ traf) pflegten den Soldaten zu Weihnachten Päckchen ihrer Gemeinde zu schicken. Aus heutiger Sicht ist manches von dem Geschriebenen unbegreiflich. Nicht nur die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein, nicht nur das klare Feindbild, nicht nur das selbstverständliche Gott-mit-uns; was Vaterlandspflicht und Soldatenethos damals bedeutet haben, verstehen wir heute nicht mehr. Gerade deshalb sind die Dokumente wichtig, weil sie helfen, die geistigen Gefangenschaften jener Zeit zu ahnen und wach zu sein für Verführbarkeit und unbewusste Gefangenschaften auch heute. Zugleich sind sie bewegende Zeugnisse persönlicher Frömmigkeit.