943 Geschichte Deutschlands
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Zu den bedeutendsten Entdeckungen in der frühmittelalterlichen Alamannia zählt
zweifellos das Kammergrab, das im März 1966 beim Bau eines Wohnhauses auf der
„Gierhalde“ in Hüfingen zum Vorschein kam. Mit diesem Fund wurde zum ersten
Mal die bedeutende Rolle des römischen Kastellorts „Brigobannis“ in der Merowingerzeit erkennbar. Schlagartig rückte er die politischen Kräfte in unser Blickfeld, die den Gang der Geschichte auf der Baar, im Quellgebiet der Donau und an
der Kreuzung wichtiger Fernstraßen im Frühen Mittelalter bestimmt haben. Die spätere Entdeckung des großen merowingerzeitlichen Ortsgräberfeldes im Gewann „Auf Hohen“ mit seinen mehr als zwanzig Adelsgräbern hat dann
diesen ersten Hinweis eindrucksvoll bestätigt.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts erscheinen im Breisgau die Grafen von Freiburg,
auf der Baar die Grafen von Fürstenberg. Die neuen Häuser gingen auf die Brüder
Konrad und Heinrich zurück, die das rechtsrheinische Erbe ihrer Vorfahren unter
sich aufgeteilt hatten. Konrad hatte das Zähringer Erbe im Breisgau, Heinrich den
Besitz im mittleren Schwarzwald und die Gebiete östlich davon auf der mittleren
Schwäbischen Alb erhalten. Konrad von Freiburg trug einen Zähringer Namen;
Heinrich – seit 1250 Landgraf in der Baar – nannte sich „von Fürstenberg“ und war
Heinrich von Neuffen nachbenannt, dem Großvater von Mutterseite her. Beide
Namen beendeten die bei ihren agnatischen Vorfahren seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts bestehende Sitte, den Leitnamen „Egino“ zu verwenden; später haben ihn
die Grafen von Freiburg und die Fürstenberger in der Form „Egon“ wieder aufgegriffen.
Auf Messers Schneide
(2012)
1940 und 1941 hätte das Blumberger Bergwerk eigentlich wachsen und gedeihen
sollen. Tatsächlich aber musste Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz Krisenmanagement betreiben. Absatzprobleme und Fachkräftemangel kennzeichneten die
Lage. Schuld daran hatte der im Herbst 1939 begonnene Krieg. Die grenznahen
Saarhütten lagen bis zum Sommer 1940 still und fielen als Erzabnehmer aus. Die
Ruhrwerke arbeiteten zwar noch, weigerten sich aber, größere Mengen aus Blumberg zu beziehen. Als die Saarhütten nach dem Frankreichfeldzug ihre Produktion
wieder aufnehmen konnten, hatten sie Zugriff auf die lothringischen und luxemburgischen Minettegruben. Deren Erze konnten sie wirtschaftlicher, das heißt mit
deutlich geringerem Kokseinsatz, verhütten als das Blumberger Erz. An ihm besaßen
die Saarhütten fortan keinerlei Interesse mehr. Zwar waren sie der Doggererz AG
(DAG) gegenüber bindende Abnahmeverpflichtungen eingegangen, doch lauerten
sie seit Juli 1940 nur auf eine Gelegenheit, den unwirtschaftlichen Erzabbau zu drosseln oder ganz einzustellen. Nur das Reichswirtschaftsministerium (RWM), das
50 % des Aktienkapitals vertrat, glaubte noch an eine Zukunft des Unternehmens.
Es bestärkte den Vorstand darin, den Betrieb trotz der ungünstigen Situation
konsequent fortzusetzen und auszubauen.
Wären das im Walde bei Hammereisenbach stehen gelassene Schlittenhaus und ein
im karpatischen Stil verziertes Waldarbeiterhaus nicht gewesen, wäre man nicht auf
jene Volks- und Berufsgruppe gestoßen, die in der regionalen Geschichte zum Zweiten Weltkrieg bis heute keine Erwähnung gefunden hat und über deren Schicksal
nur wenig in Erfahrung zu bringen ist. Die Rede ist von den ungarischen Waldarbeitern, besser gesagt den ethnischen Ungarn aus den Karpaten des heutigen Rumänien, welche Ende 1942 und nochmals 1943 angeworben wurden und im
badischen Schwarzwald vorwiegend auf dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises zum Einsatz kamen.
900 Jahre Baden?
(2012)
Eigentlich hat es sich ja längst herumgesprochen: Das 900jährige Jubiläum, das in diesem Jahr mit einer großen Ausstellung des Badischen Landesmuseums und üppigem Rahmenprogramm begangen wird, ist kein Landes- sondern ein dynastisches Jubiläum. Nicht das Land und schon gar nicht sein Name werden in diesen Tagen 900 Jahre alt, vielmehr trat vor 900 Jahren die Dynastie, die dieses Land bis 1918 regierte, zum ersten Mal unter dem Namen Baden in Erscheinung – einem Namen, der in Wirklichkeit sehr viel älter ist.
Wer immer sich mit "badischer Geschichte" befasst, der wird für sich selbst und für seine Leser klären müssen, welchen Raum er zu beschreiben gedenkt. Zahlreiche Autoren haben
diese Aufgabe auf recht verschiedene Weise gelöst. Vor allem waren es historische Jubiläen, die den Anlass dafür boten, sich mit "Baden" zu beschäftigen, so wie dies in den Jahren 2002 und 2006 der Fall war, als man der 200. Wiederkehr der Schaffung des Kurfürstentums und des Großherzogtums Baden gedachte – wie übrigens auch des Nachbarlandes Württemberg, das wie Baden zum Kurstaat und danach zum Königreich erhoben wurde. Zum ersten Großherzog wurde der
bisherige Markgraf Karl Friedrich von Baden, dessen 200. Todestag im Jahr 2011 wiederum den Anlass zu einem Jubiläum bot, das den Gründer des modernen Baden feierte. Diese Daten markieren denn auch den tiefgreifendsten Einschnitt, den es in der neuzeitlichen Geschichte des deutschen Südwestens und auf der Landkarte der deutschen Länder gegeben hat. Erst seit diesem Zeitpunkt gibt es das
Land Baden in jenen von nun an festliegenden Grenzen, die alle politischen Veränderungen bis zum 2. Weltkrieg überdauert haben,
Die Wiederherstellung Badens und die Bildung eines Südweststaats sind Projekte der Besatzungszeit. Sie nahmen Gestalt an, als die Westmächte im 1948 "ihren" Ministerpräsidenten die Aufgabe stellten, die für Besatzungszwecke
zusammengeschusterten Ländchen in Länder zu verwandeln, die geeignet wären, dem geplanten Weststaat, also der späteren Bundesrepublik, ein nützlicher Unterbau zu sein. Weil sie dabei Rufer in der Wüste waren, regten sie an, eine entsprechende nachholende Möglichkeit im Grundgesetz vorzusehen. Daraus wurde Art. 29 GG. Ein weiteres Fenster öffneten württembergische Vertreter im Parlamentarischen Rat: Artikel 118 GG sollte – unabhängig von Art. 29 GG und unter der Voraussetzung, dass die Hohen Kommissare es erlaubten – zu einer vorgezogenen, auf den Südwesten beschränkten Neugliederung führen können.
Aus Anlass und für die Dauer der Sonderausstellung hat das Schloss sein Gesicht verändert: Vor dem Haupteingang erhebt sich ein haushohes Gerüst aus Eisenstangen, das mit bunter Kunststoff -Folie bespannt ist. Darauf sieht man die gelbliche Schlossfassade in hellem Grau abgebildet, also sozusagen kopiert. In der Mitte zeigt diese Installation eine riesengroße rote Kuckucksuhr mit einer Öffnung aus der ein roter Teppich herausleckt. Der ist für den Ankömmling ausgerollt und leitet ihn zum Eingang, wenn er nicht gerade vom Wind hochgewirbelt wird. Zum Glück ist das Schlossportal aber auch noch über die Rampen rechts und links erreichbar.
In einem Rückblick auf seine Anfangszeit als Justizminister der provisorischen Regierung, die in Folge der Revolution 1918 in Baden in die politische Verantwortung gelangt war, schreibt der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Marum: "Als ich Minister geworden war, hatte ich den Eindruck, daß meine Ministerherrlichkeit nicht länger als 24 Stunden dauere. Ich habe das Gefühl gehabt, daß wir auf außerordentlich schwankendem Boden uns bewegten." Diese Einschätzung der eigenen Situation nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 im Deutschen Reich und in Baden war nicht unbegründet. Denn die am 10. November 1918 im Karlsruher Rathaus von einem sogenannten Wohlfahrtsausschuss und dem Karlsruher Soldatenrat zusammengestellte elfköpfige neue badische Regierung saß zunächst einmal zwischen allen Stühlen.
Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
Zu den traditionellen konstitutiven Elementen einer badischen Identität wie gemeinsamen sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen
oder konfessionellen Erfahrungen und vor allem der Zugehörigkeit zu einem hierarchisch gegliederten Personenverband mit der Herrscherfamilie an der Spitze, kam im 19. Jahrhundert die rechtliche und weitgehend auch politische Egalisierung der Badener auf der
Grundlage einer modernen Verfassungsordnung hinzu. Welche Bedeutung die Zeitgenossen diesem neuen konstitutiven Element
badischer Identität zumaßen, lässt sich anhand der Feiern aufzeigen, die zu den Jubiläen der badischen Verfassung von 1818 veranstaltet
wurden: zunächst in einem zeituntypisch kurzen Erinnerungszyklus von 25 Jahren sowie nach 50 und 100 Jahren jeweils in besonderen
politischen Krisenkonstellationen, in denen der Fortbestand der Verfassung in hohem Maße gefährdet erscheinen konnte.
Frühsommer 1945: Deutschland lag in Trümmern. Das "Dritte Reich", das für sich beansprucht hatte, für alle Zeiten die Geschicke Deutschlands und der "ganzen Welt" zu bestimmen, war in einem Inferno von Tod und Unrecht in sich zusammengebrochen. Nun stand als zentrale Frage im Raum: Wie konnte nach diesem Krieg, den man in Deutschland als "totalen" Krieg bezeichnet hatte, ein Frieden aussehen? War dieses Deutsche Reich, war dieses deutsche Volk überhaupt friedensfähig, hatte es nach Auschwitz noch das Recht, einen Platz in der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen einzunehmen? Gleich nach Kriegsende begannen die Alliierten mit dem Wiederaufbau Deutschlands, der mit der Entfernung von Nazi-Strukturen einherging.
Der Bodenseeraum zählte nicht zu den Stammgebieten des markgräflichen Hauses Baden. Erst durch die "napoleonische Flurbereinigung" der Jahre 1802 bis 1806 gelangte Baden zunächst durch die Säkularisierung in den Besitz der Reichsklöster Salem und Petershausen. Erst seit 1806 erstreckte sich das neu geschaffene Großherzogtum Baden bis an den mittleren Bodensee. Die Ausstellung im Schloss Salem thematisiert zum einen die Eingliederung des Bodenseeraumes in den neuen badischen Staat, zum anderen die Hinwendung von Mitgliedern
des Hauses Baden zur Bodenseeregion.
Rede des Direktors des Badischen Landesmuseums zur Eröffnung der Landesausstellung am 16. 6. 2012
(2012)
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Generalbundesanwalt, sehr geehrter Prinz Bernhard, sehr geehrte Familie von Baden,
meine Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass das Badische Landesmuseum mit Ihnen heute das 900jährige Jubiläum Badens feiern darf. Das Badische Landesmuseum ist zwar vielleicht – trotz unserer 350 000 Sammlungsobjekten – nicht das größte unter den Museen Baden-Württembergs, wenn auch letztes Jahr wieder das bestbesuchte trotz der damaligen Baumaßnahmen im und vor dem Schloss; es ist aber gewiss das internationalste. Durch unsere
Antikensammlung und das Engagement für die orientalisch-islamischen Kulturen kooperieren wir mit Museen in Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei, Tunesien und jetzt insbesondere Algerien und produzieren entsprechende Ausstellungen. Deswegen vernachlässigen wir aber keineswegs die Kernaufgaben im Bereich der badischen bzw. oberrheinischen Geschichte, Kunst und Kultur. Das zeigt der heutige Tag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
eine alte Redensart lautet: "Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!« In diesem Jahr feiern wir nicht nur den 60. Geburtstag Baden- Württembergs, sondern auch 900 Jahre Baden. Ich bin gerne in die alte badische Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe gekommen, um mit Ihnen die Jubiläumsausstellung "Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes" zu eröffnen. Eine Ausstellung, die uns breit und facettenreich, mit vielen Geschichten und Objekten zeigt, was Baden geprägt hat und ausmacht. Die zentrale Frage lautet: Wie wurden wir, was wir sind?
Sehr geehrter Markgraf von Baden, sehr geehrte Markgräfin von Baden, sehr geehrte Markgräfliche Familie, meine Damen und Herren!
I. "Baden … - … Württemberg" – unser Land trägt zwei große Namen. Der erste ist seit 900 Jahren Ihr Name, Königliche Hoheit, Markgraf Max! Und er ist ein wirklich großer Name. Das sage ich als Vertreter der Ersten Staatsgewalt eines republikanischen Staatswesens. Und ich hoffe, Sie und Ihre Familie empfinden meine Feststellung so, wie sie gemeint ist: als politische Ehrbezeugung!
Die Bürgerversammlung am 27. Februar 1848 im Aulasaal des alten Jesuitengymnasiums in Mannheim war das "erstes Ereignis der deutschen Revolution" (P. Blastenbrei). Nach der Nachricht der Abdankung und Flucht des "Bürgerkönigs" Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 24.02.1848, reagierte Mannheim "als erste badische und damit auch erste deutsche Stadt" (P. Blastenbei) auf die Ereignisse in Paris. Am Sonntag, den 27. Februar nahmen auf Einladung von Struve und Hoff über 2500 Personen an einer Volksversammlung im Aulasaal teil. Dort wurden die vier "Märzforderungen" beschlossen: Volksabstimmung mit freier Wahl der Offiziere, Pressefreiheit, Schwurgerichte nach dem Muster Englands und Herstellung eines deutschen Parlaments.
Jeder Rekrut braucht eine Grundausbildung, um zum Soldaten zu werden. Jeder Truppenteil muss üben, um seinen Auftrag erfüllen zu können. In der Mitte des 18. Jahrhunderts – die erste neue Kaserne in Ludwigsburg war gerade erst im Bau – fand
die Grundausbildung der Soldaten vermutlich in der Nähe der Unterkünfte und das
Exerzieren der Truppe auf öffentlichen Plätzen statt. Die Ausbildung größerer Verbände wurde in Feldlagern durchgeführt. Nach einer Ludwigsburger Chronik hat
die württembergische Armee regelmäßig Feldlager in der Nähe von Oßweil bezogen.
Genannt werden dafür die Jahre von 1753 an.
Es sind nur wenige Einzelheiten darüber bekannt, wie die Ausbildung in den Feldlagern gegliedert war, aber es gab immer mehrere Manöver unterschiedlichsten
Schwierigkeitsgrades, und gegen Ende fand eine große Parade, eine Grand Revue oder
General-Revue, statt, die auch zivile Zuschauer anzog. Ab dem Siebenjährigen Krieg,
genauer: von 1757 an, ist auch bekannt, welche Regimenter bzw. wie viele Soldaten
beteiligt waren und wie lange die Truppen im Feldlager zusammengezogen waren,
bis sie zum Feldzug aufbrachen.
Das Herzogtum Württemberg hatte im Jahr 1752 mit Frankreich einen Subsidienvertrag zur Stellung von 6000 Soldaten in fünf Infanterieregimentern auf sechs Jahre
abgeschlossen und ihn dann bis Ende 1758 verlängert. Ihm hatte sich ein Vertrag auf
nur ein Jahr, aber unter Verdoppelung der Truppenstärke, angeschlossen und schließlich noch ein ebenfalls einjähriger Vertrag mit dem Kaiser.
Hunger, Krieg und Pestilenz
(2012)
Einst hielten die Pfälzer Kurfürsten zu Heidelberg einen Löwen. Doch dann kam der
Winter des Jahres 1607 mit derart grimmiger Kälte, dass der Bodensee vollkommen
mit Eis bedeckt war. Und das stolze Wappentier im Heidelberger Schlossgraben ist
damals jämmerlich erfroren – obgleich es doch »einen schönen Pelz« gehabt hatte.
In eben jenem Jahr 1607 zog auch eine Pestwelle über Württemberg hinweg und
schlug dabei in ungewöhnlicher Heftigkeit zu. Allein in Stuttgart, wo sie volle fünf
Jahre grassiert, tötet sie 2261 Menschen. Das Schlimme an der Geschichte aber ist,
dass solche Katastrophen sich um diese Zeit häufen, und fast immer gehen ihnen
Hungerjahre voraus, verursacht durch Missernten und Teuerung. Diese wiederum
haben ihre Ursache in verregneten, kühlen Sommern.
Freilich, viele Angaben scheinen seltsam widersprüchlich zu sein. Denn immer
wieder folgen auch Jahre mit günstiger Witterung und reichen Erträgen. Während
die 1570er-Jahre mit Ausfällen bei Getreide und Wein beginnen, folgen in den 1580er-Jahren mehrere gute Ernten. 1584 soll es Wein in solchem Überfluss gegeben haben,
dass die Waiblinger Maurer den Mörtel damit anrührten. 1590 indes erfroren in
Neckarrems um Georgi die Reben, während der nachfolgende heiße Sommer fast die
Rems austrocknete. Allzu gern heben solche Nachrichten auf Witterungsanomalien
ab, da diese in der Regel zu existenziellen Krisen führten. Schließlich war die Agrargesellschaft der Vormoderne den Launen der Natur auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Man schätzt das damalige Verhältnis von Aussaat und Ertrag auf eins zu
fünf, so dass es dem Landbewohner kaum möglich war, Vorräte für Mangelernten zu
sammeln.