943 Geschichte Deutschlands
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„Wisse ein jeder: Vergessen ist niemand, vergessen ist nichts." So lautet die Inschrift auf dem Mahnmal für die „Opfer der Gewalt 1933-1945", welches auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Schwenningen am Neckar sich befindet, der in düsteren Tagen der Stadtgeschichte „Horst-Wessel-Platz" hieß. Vergessen sei auch nicht Karl Schäfer, der vorbildliche Schwenninger Sozialdemokrat, der dem Nationalsozialismus widerstand - nicht in Gedanken nur, in Taten auch. Von ihm ist zu erzählen, der das Dritte Reich in Deutschland selbst bekämpfte, vieles wagte und - vieles verlor. Die Ruhe. Die Geborgenheit der Familie. Das Leben zuletzt. Nicht die Überzeugung, nicht die Gesinnung, nicht die Standhaftigkeit.
Die Zivilkommissare von 1849 in der Baar – Repräsentanten der Revolutionsregierung in Baden vor Ort
(2001)
Die Zivilkommissare waren ab Repräsentanten und Vertrauensmänner der Revolutionsregierung zwischen Mitte Mai bis Ende Juni 1849 in allen Bezirksämtern Badens vertreten. Sie sollten dafür sorgen, dass die Staatsbeamten die Verordnungen und Gesetze aus Karlsruhe in ihren Amtsbezirken durchführten. Zu den zentralen Aufgabenfeldern zählten einerseits die Kontrolle der zivilen Bürokratie, andererseits der Aufbau der Volkswehren in den Gemeinden. Ihre Arbeit diente dem Zweck, die republikanischen Errungenschaften im Land zu konsolidieren. Die Politik der demokratischen Erneuerung sollte mit ihrer Hilfe über Karlsruhe hinaus bis in die untere Ebene der Staatsverwaltung transportiert werden. Zivilkommissare sollten somit die Revolution in Baden vor Ort umsetzen.
Wenn wir von Baden und Württemberg sprechen,
so haben wir meist die beiden Länder vor Augen,
wie sie sich im 19. und 20. Jahrhundert darstellten:
Das schlanke Baden, das sich den Rhein entlang
vom Bodensee bis an den Main erstreckte und
das etwas massigere Württemberg, das von Oberschwaben bis zum Taubergrund reichte. Diese beiden Länder haben denselben Vater: Napoleon.
Nach seinen Siegen über das habsburgisch geführte
Deutsche Reich ging er daran, Deutschland nach
seinen Bedürfnissen umzugestalten. Die Beseitigung des territorialen Flickenteppichs im deutschen Südwesten erwies sich als sehr dauerhaft. Die
Markgrafschaft Baden vervierfachte ihr Territorium und wurde zum Großherzogtum Baden. Das
Herzogtum Württemberg verdoppelte seine Fläche
und wurde zum Königreich. Die von den beiden Fürstenhäusern neu dazu erworbenen Gebiete
waren oft keineswegs glücklich über ihre neue
Zugehörigkeit.
Der Verfasser des Beitrags ist Schweizer und in Zürich
als Historiker tätig, gleichzeitig aber über seine in
Pfajfenweiler geborene und in Villingen aufgewachsene Mutter Roswitha Sieber-Kunz (1934-1986), die
1953 in die Schweiz auswanderte, Villingen eng verbunden. Umgekehrt will es die Ironie der Geschichte,
dass sein direkter Vorjahre Kaspar Kunz (1645-
1711) im Jahr 1680 aus Gossau im Zürcher Oberland in den Schwarzwald (Schenkenzell) auswanderte und zum katholischen Glauben konvertierte.
Der zweite Teil des Beitrags „ Vom Franziskaner
Mönch zum Buchdrucker, vom Villinger zum
Züricher: Balthasar Maler (um 1485?-1585) und
seine Familie" wird aus Platzgründen im Jahresheft
2004-2005 abgedruckt.
Zu den herausragenden Figuren der Villinger
Lokalhistorie und der Regionalgeschichte des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises muss der Sankt
Georgener Benediktinerabt Georg II. Gaisser
gezählt werden. Dieser Rang gebührt ihm nicht in
erster Linie wegen seines ordenspolitischen
Engagements während des Dreißigjährigen Krieges
oder wegen seiner Bemühungen um eine Reform
des von ihm geleiteten Klosters, sondern aufgrund
der Tagebücher, deren Anfertigung er 1621 begann
und erst knapp vor seinem Tod 1655 abbrach. Es
handelt sich dabei in einer an Selbstzeugnissen eher
armen Epoche um eine außergewöhnlich umfangreiche und aussagekräftige, über die Grenzen
Südwestdeutschlands hinaus bedeutsame autobiographische Quelle, die auf Tausenden von Seiten
vorwiegend in lateinischer, gelegentlich auch in
deutscher Sprache die Wahrnehmung, Deutung
und Bewältigung der Konflikte des Konfessionellen
Zeitalters durch einen katholischen Geistlichen
dokumentiert.'
Bei der Vorbereitung zum 200jährigcn Jubiläum des "Baarvereins" fand der Verfasser im Vereinsarchiv ein Handschreiben der Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg vom 20. Oktober 1806, welches an die neu gegründete "Gesellschaft vaterländischer Freunde der Geschichte und Naturgeschichte an den Quellen der Donau" gerichtet und mit einem kostbaren Geschenk verbunden war. Die Gesellschaft wurde 1842 in "Verein für Geschichte und Naturgeschichte" umbenannt und 1870 mit dem Zusatz "der Baar" versehen. Das Dokument verdient es, aus den grauen Archivkästen ans Licht der Öffentlichkeit gehoben zu werden.
Im Jahre 2002 gedachte lmmendingen der 900-jährigen Grundsteinlegung des ehemaligen Klosters St. Sebastian in der badischen Baar. Am 25. Februar 1803 beschloss der Reichsdeputationshauptschluss, dass die Reichsabteien und auch die kleinen Klöster säkularisiert werden. Der Sonderfrieden von Basel eröffnete bereits die geheimen Bestimmungen über die Entscheidung der Fürsten Deutschlands, die Napoleon in seinen Eroberungszügen unterstützten. Im Frieden von Luneville 1801 wurden sie konkretisiert. Frankreich drängte an den Rhein.
Im Badischen, zwischen lmmendingen und Möhringen, also kurz vor Erreichen der württembergischen Grenze, versinkt das Wasser der Donau. Deshalb hieß es anno 1950/51 - im Rahmen der Diskussion um die Gründung des Landes Baden-Württemberg - , ja selbst die Donau wehre sich gegen den Zusammenschluss von Baden und Württemberg zum Südweststaat. Eine andere gängige Version der Erklärung dieses Naturschauspiels lautet wie folgt: Vor Scham versinke die Donau, kurz bevor sie badisches Gebiet verlässt, in unterirdischen Hohlräumen, um ja nicht in württembergisches Gebiet fließen zu müssen.
Stattdessen trete sie wieder im badischen Aach, als Aachquell, zutage.
Rückblick und Ausblick
(2005)
Schaut man auf die Tätigkeit des „Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar" in den vergangenen 200 Jahren zurück und vergleicht sie mit den Zielen, die einst ein Schreckenstein, ein Engelberg, ein Laßberg aufgestellt hatten, so ergibt sich ein differenziertes Bild, das sowohl Wandel als auch Beständigkeit beinhaltet.
Mit der "Konstituzionsakte" von 1805 hatte sich die "Gesellschaft der Freunde des Geschichte und Naturgeschichte an den Quellen der Donau" unter den Schutz des Hauses Fürstenberg gestellt. Fürst Joachim Egon, der Landesadministrator und Vormund des minderjährigen Fürsten Karl Egon II. hatte ihn in prachtvoller Urkunde huldvollst bestätigt und gewährt. Dem jungen Verein wurde sogar aus der fürstlichen Schatulle für wenige Jahre ein Budget in Höhe von 300 Gulden ausgesetzt – freilich nicht ganz uneigennützig.
Es ist kein Geheimnis. dass sich etwa seit Mitte der 1970er Jahre innerhalb von Vorstand und Beirat des Baarvereins ein Spannungsfeld aufgebaut hatte, das eine gewisse Unruhe in den Verein brachte. Gespeist wurde es aus einer Mischung von Missverständnissen, Befürchtungen, Eitelkeiten und den gegensätzlichen Temperamenten ausgeprägter Persönlichkeiten. In dem überdies politisch allgemein aufgeladenen Klima der Siebziger Jahre war es fast unvermeidlich. dass bislang nicht gewohnte öffentliche Stellungnahmen des Vereinsvorstandes zu strittigen Fragen lrritationen bei Mitgliedern auslösten. Die Notwendigkeit zu raschem Handeln stand dabei in Konkurrenz zum Anspruch nach demokratischer Beteiligung der Basis. So entwickelten sich diffuse Befürchtungen, der Baarverein könnte politisiert und für irgendwelche Zwecke instrumentalisiert werden: das eine oder andere Vereinmitglied sah gar die Identität des Baarvereins in Gefahr.
Der 2. Weltkrieg war mit dem Waffenstillstand vom 8. Mai 1945 offiziell zuende gegangen. Die Alliierten hielten das frühere "Großdeutsche Reich" besetzt. Die Regierungsgewalt übernahmen deren Oberbefehlshaber in den Besatzungszonen; in der französischen Zone des alten Landes Baden und im späteren Land Württemberg-Hohenzollern war das der französische General Koenig. Der Berliner "Vier Mächte-Erklärung" folgend, wurden im Juni 1945 der alliierte Kontrollrat gebildet und deutsche Verwaltungsbehörden eingesetzt. Bis September 1945 wurde für Baden bestimmt, dass die Besatzungsgrenzen auch Verwaltungsgrenzen sind; damit sah sich das Land in zwei Teile zerschnitten. Die französische Militärregierung nahm ihren Sitz in Freiburg, und dort entstand auch die (süd)badische zivile Landesverwaltung mit Ministerien nach französischem Muster. Leo Wohleb, ehemals Lehrer am Donaueschinger Gymnasium und Bruder des uns bereits bekannten J .L. Wohleb. wurde im Dezember 1946 von den Franzosen als Staatspräsident eingesetzt und 1947 parlamentarisch bestätigt. Schon im März 1946 war ein Obergericht gebildet und Karl Siegfried Bader, inzwischen Universitätsprofessor, zum Generalstaatsanwalt berufen worden (WEINACHT & SAUER 1979: 207 ff).
In einem "kurzen Rückblick auf den Weg des Vereins"" konnte der Verfasser nur über "spärlich fließende Quellen" während des Dritten Reiches berichten (Reichelt 1970: 14 f). Seit Beginn der systematischen Durchsicht und vorläufigen Inventarisierung des Vereinsarchivs (2000-2003) und seiner Überführung in die Geschäftsstelle des Vereins wurden aber aufschlussreiche Akten der Jahre 1932-1945 gesichtet. so dasss nun erstmals ein genaueres Bild dieser Zeit rekonstruiert werden kann.
Der moderne Verein
(2005)
Die unter Fürst Karl Egon III. (seit 1854) eingeleitete und von seinem Domänendirektor Prestinari konsequent durchgesetzte Restrukturierung und Modernisierung der Standesherrschaft Fürstenberg umfasste nicht nur die wirtschaftliche Konsolidierung und eine verbesserte Verwaltungsstruktur. Auch der kulturelle Schwerpunkt, der bei Karl Egon II. noch bei Theater, Oper und Musik gelegen hatte, erfuhr einen grundlegenden Akzentwechsel. Aus dem 'Musenhof' wurde durch den Ausbau und die Aufwertung von Archiv, Bibliothek und Sammlungen ein hochgeschätztes Zentrum wissenschaftlicher Forschung. Zugleich wurden die lnstitute für Kunst und Wissenschaft für die Benutzung durch die Öffentlichkeit freigegeben und förmlich zur „öffentlichen Bildungsanstalt" erklärt.
Im vorigen Kapitel ist bereit!. angeklungen, dass die Geschichte in der ersten Phase der Vereinsexistenz fast völlig vernachlässigt wurde. Trotz der schon durch die Begriffsreihenfolge (Gesellschaft der Freunde der Geschichte und Naturgeschichte) suggerierten Vorzugsstellung spielte sie in der Realität nur eine marginale Rolle. Was waren die Gründe hierfür? Eine der Ursachen war sicherlich das Fehlen geeigneter Fachkräfte, zumal im ländlichen Raum. Dieser Mangel geht jedoch auf ein generelles Problem dieser Zeit zurück, nämlich dass eine Geschichtswissenschaft im modernen Sinne noch gar nicht existierte. Für quellenkritisches Arbeiten, für das Heranziehen sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Befunde sowie für ein umfassenderes Verständnis von Geschichte war die Zeit noch nicht reif.
Über 10 000 aus südwestdeutschen Heil- und Pflegeanstalten in grauen Bussen transportierte
Menschen wurden 1940 in der »Vernichtungsanstalt« Grafeneck im Rahmen des »Euthanasie-
Programms« des NS-Regimes getötet. Viele davon auch aus der Region Neckar-Odenwald. An
das Schicksal dieser Opfer einer mörderischen Politik zu erinnern, ihre Lebensgeschichten zu
ermitteln und festzuhalten und ihrer somit würdig zu gedenken, haben sich Arbeitsgruppen
in Buchen und Mosbach vorgenommen. Sie leisten damit ebenso wie der Verband der Odenwälder
Museen mit seiner ersten Buchpublikation Beiträge zu einer Gedenkkultur, die zunehmend
aufholt, was jahrzehntelang versäumt wurde.
Der »Hohe Odenwald«
(2019)
Der folgende Beitrag befasst sich mit der Gegenwart und Vergangenheit einer Landschaft des
Odenwaldes, die heute »Hoher Odenwald« heißt, früher den etwas frostigen Namen »Winterhauch« trug. Das Gebiet umfasst die Gesamtgemeinde Waldbrunn im Neckar-Odenwald-Kreis. Auf dem Gemeindegebiet erhebt sich der Katzenbuckel, mit 626 m ü. NN die höchste Erhebung des gesamten Odenwaldes. Trotz der einstigen Abgelegenheit kann die Region mit
einer reichhaltigen Geschichte aufwarten. Davon soll nachfolgend die Rede sein.
Das Bauland hat in seiner Geschichte immer wieder Bauernunruhen erlebt. So war die Region
sowohl im Bauernkrieg als auch bei den Unruhen zu Beginn der 1848er-Revolution eine Hochburg.
Aber auch später erwies sich die Region als rebellisch. Ausdrückliche Bezugnahmen auf
den Bauernkrieg gab es auch im 20. Jahrhundert, besonders bei Protesten nach dem Ersten
Weltkrieg und im Zuge der Auseinandersetzung um die Daimler-Benz-Teststrecke in Boxberg.
Schon zu Beginn der 1520er-Jahre stießen die Ideen der Reformation in einzelnen Gemeinden
des heutigen Neckar-Odenwald-Kreises auf offene Ohren. Begünstigt durch die Möglichkeiten
des Buchdrucks, fanden die Schrift en Martin Luthers unter belesenen Geistlichen, beim
ritterschaftlichen Adel und städtischen Bürgertum ein lebhaftes Interesse. Eine Signalwirkung
war zweifellos der Heidelberger Disputation (1518) zuzuschreiben. Das entschlossene Auftreten
des Wittenberger Reformators, der hier erstmals seine neu entdeckte Rechtfertigungslehre
entfaltete, wurde für eine Reihe junger Theologen, darunter Martin Bucer, Johannes Brenz
und Erhard Schnepf, zum Initialerlebnis.