943 Geschichte Deutschlands
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"Räterepublik Mannheim"
(2000)
Das politische System des Kaiserreichs war den Belastungen des 1. Weltkrieges nicht mehr gewachsen, als der Glaube des deutschen Volkes an einen Sieg ins Wanken geriet. Nach dem militärischen Offenbarungseid der Obersten Heeresleitung Ende September 1918, daß der Krieg für Deutschland verloren und ein sofortiger Abschluß eines Waffenstillstandes erforderlich sei, wurde die Reichsregierung parlamentarisiert. Die Forderungen nach der Abdankung Kaiser Wilhelms II. wurden trotz weiteren Verfassungsreformen Ende Oktober lauter. Als am 28. Oktober die vor Wilhelmshaven liegende Hochseeflotte erneut auslaufen sollte, verweigerten die Matrosen ihren Gehorsam, da es sich nach ihrer Ansicht hierbei um eine „Todesfahrt“ handelte. Dieser passive Widerstand griff auf die Soldaten und Arbeiter über, und die Aufstandsbewegung breitete sich von Kiel über Hamburg, Hannover, Frankfurt bis nach Berlin aus. Überall auf den Straßen bildeten sich spontan Arbeiter- und Soldatenräte. Sie waren von der Dauer und dem Verlauf des Krieges ermattet, sehnten sich nach Frieden und ihre Hauptstoßrichtung war primär gegen die militärischen Kommandobehörden, erst in zweiter Linie gegen die Bürokratie gerichtet.
Der folgende Beitrag entstand im Rahmen eines Forschungspraktikums im Stadtarchiv über die in Offenburg stationierten SS-Baubrigaden. Auf das Thema wurde ich durch einen Besuch im Museum des früheren Konzentrationslagers Natzweiler aufmerksam. In einer Karte des Museums war Offenburg als „Camp annexe" (Nebenlager) verzeichnet. Bei einer Recherche in diese Richtung stieß ich im Staatsarchiv Freiburg auf einen Bericht der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, demzufolge es in Offenburg kein Neben- oder Außenlager des KZ-Natzweiler gab und auch unklar sei, was sich stattdessen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in der im Bericht genannten Ihlenfeldkaserne befunden habe. Bei der weiteren Materialsuche entdeckte ich die Dissertation von Bernd Boll mit dem Titel „Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit in Offenburg 1939 bis 1945". In diesem Buch ist auch von KZ-Häftlingen die Rede, welche in Offenburg für die Reparatur der Gleisanlagen und die Entschärfung von Blindgängern eingesetzt wurden. Diese Reparaturarbeiten wurden in Folge der Luftangriffe auf die Gleisanlagen nötig, um den militärischen Nachschub an die Westfront aufrechterhalten zu können. Bernd Boll bezeichnet diese Baubrigaden als rollende Konzentrationslager. Sie wurden mit KZ-Häftlingen der Stammlager Sachsenhausen, Flossenbürg und Buchenwald ausgestattet. Bis zum Ende des Krieges waren in Offenburg die 8., 9. und 10. SS-Baubrigade sowie ein Bauzug des Konzentrationslagers Flossenbürg stationiert.
"Los von Karlsruhe!"
(2014)
Ende 1949 ließ die Bürger-Kommission des Karlsruher Stadtteils Knielingen ein Flugblatt drucken und verbreiten, in dem sie die Ausgemeindung Knielingens von Karlsruhe forderte. Mit Argumenten, die sich bei näherer Betrachtung nahezu allesamt als unzutreffend herausstellten, versuchte sie die Knielinger Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine Loslösung Knielingens von Karlsruhe ihnen mehr Vorteile einbringen würde als ein Verbleib in der Fächerstadt. Der Aufsatz gibt zum einen den Inhalt des Flugblattes bzw. die Argumente der Knielinger Bürger-Kommission für die Ausgemeindung wieder und zeigt zum anderen die Antwort bzw. Reaktion der Karlsruher Stadtverwaltung, die die Vorwürfe sachlich entkräften konnte, sodass der Ausgemeindungsversuch über ein Strohfeuer nicht hinauskam.
Welche Auswirkungen hat die große Politik auf das Alltagsleben? Das zeigen am besten die Tageszeitungen mit ihrem Nebeneinander von lokalen und nationalen Ereignissen. Alltagsgeschichte gehört inzwischen längst zu den anerkannten Forschungsrichtungen der Historiker, und auch in Offenburg spiegeln die Zeitungsberichte die Geschichte einer turbulenten Zeit. Als am 18. November 1918 rückkehrende Soldaten der 301. Felddivision in das beflaggte Offenburg einmarschieren, werden sie als „moralische Sieger" des Ersten Weltkriegs begrüßt. ,,Leider nicht als physische Sieger", spiegelt ein Pressebericht im „Offenburger Tageblatt" die Stimmung der Bevölkerung wider. Wenn auch im vierten Kriegsjahr die Sehnsucht nach Frieden vorherrscht, legt sich das völlig unerwartete Waffenstillstandsgesuch von deutscher Seite wie ein drückender Alp auf die Gemüter. Ein solches Ende des „furchtbarsten aller Kriege" hatte keiner erwartet, und in die Freude über die heimkehrenden Soldaten mischt sich die Enttäuschung über die Niederlage. Gleichwohl bemüht sich die Stadt um einen „liebevollen Empfang" ist am 19. November im „Offenburger Tageblatt" nachzulesen.
Herzog Ulrich von Württemberg wurde 1503 mit 16 Jahren für mündig erklärt. Zunächst war er ein recht erfolgreicher Regent, denn im Bayerischen Erbfolgekrieg von
1504 konnte er sein Land im Westen, Norden und Osten wesentlich vergrößern. In
Marbach war man darüber besonders glücklich, denn Stadt und Amt wurden aus der
seit 1463 währenden Lehensabhängigkeit von der Pfalz gelöst.
Seine Hochzeit mit Sabina von Bayern feierte Ulrich unter anderem am 3. Mai 1511
mit einem glanzvollen Pferderennen in Marbach. Aufgrund des Erfolges wurde die
Veranstaltung 1512 wiederholt.
Herzog Ulrich war jedoch ein selbstherrlicher Regent, der bald seine enge Bindung an
den Kaiser und den Schwäbischen Bund vernachlässigte. Seine verschwenderische und
maßlose Hofhaltung brachte ihn in finanzielle Schwierigkeiten, die er auf Kosten der
Untertanen zu bekämpfen versuchte. Eine ungerechte Verbraucherabgabe sowie die Veränderung von Maß und Gewicht blieben nicht ohne Folge, zumal viele Bauern und Weingärtner nicht mehr nur das verarmte und unmündige Proletariat auf dem Lande waren,
sondern in vielen Bereichen mehr Mitspracherecht forderten. Die aufgeheizte Stimmung
entlud sich zuerst im Remstal. Von dort erfasste der Aufruhr des »Armen Konrad« im
Frühjahr 1514 in kürzester Zeit das ganze Land, so auch Marbach und Umgebung.
Im Rahmen des vom Dreiländermuseum in Lörrach initiierten "Netzwerks Museen" erinnert das Historische Museum der Pfalz in Speyer ab dem 29. Mai 2014 mit einem "Historischen Schlaglicht" innerhalb seiner Dauerausstellung an die 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges. Thema und Titel sind "1914–1918. Die Pfalz im Ersten Weltkrieg". Vielerlei historische Anknüpfungspunkte werden wiederentdeckt, die verschollen oder zumindest verschüttet waren. Zu diesen historischen Anknüpfungspunkten gehört die "Pfälzische Kriegssammlung", die während des Ersten Weltkrieges im Historischen Museum der Pfalz zusammengetragen wurde.
„Heidelbergs Verbundenheit mit der Saar“ – so titelte das Heidelberger Volksblatt am 7. Januar 1935. Anlass war die feierliche Enthüllung eines „Saarmahnmals“ an der Südwestecke des Rathauses am Vortag durch Oberbürgermeister Carl Neinhaus. Das „Saar-Bekenntnis“ der Stadt Heidelberg erfolgte nur wenige Tage vor dem 13. Januar, an dem die Saarländer in einer Volksabstimmung für die Eingliederung des 1920 geschaffenen Saargebiets in das „Dritte Reich“ stimmten. Das Saargebiet und sein zukünftiges Schicksal waren zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Öffentlichkeit gleichsam allgegenwärtig. Dies war nicht zuletzt auf eine intensive prodeutsche Propaganda verschiedener Protagonisten zurückzuführen. Versuche, durch Kommunikation und diverse Methoden der Öffentlichkeitsarbeit das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich zu fördern, wurden aber nicht nur im direkten Vorfeld der Abstimmung von 1935, sondern bereits unmittelbar seit Schaffung des Saargebiets durch den Versailler Friedensvertrag unternommen. Zielgruppe dieser Propaganda waren dabei nicht nur die Saarländer selbst, sondern auch die Bevölkerung im unbesetzten Deutschland, die
über die Verhältnisse an der Saar „aufgeklärt“ und zum Einsatz für die Rückgliederung des Saargebiets mobilisiert werden sollte.
Am 25. Juli 1998 wurde im Urenwald bei Haslach im Kinzigtal die „Gedenkstätte Vulkan" eingeweiht. Mehr als 53 Jahre nach Kriegsende entstand endlich in dem Gebiet, in welchem Häftlinge aus 19 Ländern von September 1944 bis April 1945 ihre Gesundheit einbüßten oder gar ihr Leben ließen, eine Stätte, die an jene schrecklichen Ereignisse erinnert.
„Article by a young middle class woman, university graduate, married to a half-Aryan. In this article she takes a friendly but critical attitude toward the American Military Government which is both literate and symptomatic of the position of many middlen class university educated elements in Heidelberg.” Mit diesem Kommentar übersandte am 27. Juli 1945 J. Rothman, in Heidelberg stationierter Offizier des 6871st District Information Services Control Command (DISCC), das für Informationskontrolle, Medien und Kulturpolitik verantwortlich war, ein ungewöhnlich ausführliches, 22-seitiges Schreiben einer 28-jährigen Heidelbergerin an seine vorgesetzte Militärbehörde in Wiesbaden.
"Bis zu einem frohen Wiedersehen"·telegrafiert Max Egon II. Fürst zu Fürstenberg am 4. November 1908 von Donaueschingen aus dem österreichischen Grafen Rudolf Colloredo-Mannsfeld jun. und rät ihm, die "Kugelbüchse für jeden Fall"
mitzubringen, um so für die Treibjagden mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. im Unterhölzer Wald und am Amtenhauser Berg gerüstet zu sein.
Als am 6. September 1950 die 32 Abgeordneten des Sinsheimer Kreistages den Bürgermeister von Mühlacker, Dr. Paul Herrmann, im zweiten Wahlgang mit 17 zu 15 Stimmen zum neuen Landrat wählten,2 glaubten nur wenige Kreiseinwohner, dass der 36-jährige Volkswirt, der sich überraschend gegen die favorisierten Mitbewerber Carl Dornes und den amtierenden kommissarischen Landrat Walther Reidel durchgesetzt hatte, dem Landkreis Sinsheim die nächsten 22 Jahre ununterbrochen vorstehen sollte. Diese Vermutung wird indirekt durch eine - freilich nicht repräsentative - Meinungsumfrage in der Elsenzstadt bestätigt, die die „Rhein-Neckar-Zeitung fünf Tage nach der Wahl Herrmanns veröffentlichte. Wenngleich einige der Befragten hofften, dass es mit dem neuen Landrat nun endlich aufwärts gehe, so überwog jedoch bei der Mehrzahl große Skepsis.
Wer sich näher mit dem Konstanzer Reichstag beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es sich dabei nicht nur um ein stadtgeschichtliches Ereignis handelt. Eine solche Auffassung würde der Bedeutung dessen, was 1507 in Konstanz geschah, nicht in
jeder Hinsicht gerecht. Waren es doch immerhin, wie man damals sagte, »König und
Reich«, die sich in den Mauern der alten Reichs- und Bischofsstadt am Bodensee versammelten.
Es handelte sich also um einen geschichtlichen Vorgang, der Konstanz noch
einmal für kurze Zeit zu einem Zentrum deutscher und europäischer Politik werden
ließ. Ähnlich wie das große Konzil, das von 1414 bis 1418 im Konstanzer Münster tagte, kann mithin auch der Reichstag von 1507 nicht nur als eine Angelegenheit lokal- und stadtgeschichdichen Interesses behandelt werden. Er hatte vielmehr reichsgeschichdiche und damit auch europäische Bedeutung. Es ging jetzt allerdings nicht
mehr wie zu Anfang des 15. Jahrhunderts um kirchlich-religiöse, sondern um politische
Fragen, die das Reich und seine künftige politische Existenz in Europa unmittelbar betrafen.
Das Fürstlich Fürsten bergische Archiv in Donaueschingen ist eine bedeutende Quelle zur Geschichte des Kinzigtales, da
Teile dieser Landschaft einst zum Fürstenbergischen Hause gehört hatten. So finden sich in Donaueschingen viele amtliche Dokumente, Archivalien und Urkunden, die - vor allem, was die ältere Geschichte betrifft - sorgfältig ediert in Urkundenbüchern und Findbüchern erschlossen sind. Doch nicht alles ist publiziert und so kann man gelegentlich Zufallsfunde machen, wie die im Folgenden vorgestellte Korrespondenz des Fürsten Friedrich Rudolph von Fürstenberg mit seinem Amtmann in Haslach, Simon Fink. Das Besondere an diesen Schreiben: Sie sind partiell in Geheimschrift geschrieben, die der Empfänger Fink entschlüsseln musste. Das tat er, indem er den entsprechenden Buchstaben unter die Chiffre geschrieben hat, sodass man sich auch als heutiger Leser keine große Mühe mit dem Entziffern machen muss. Der derart entschlüsselte Satz lässt sich problemlos lesen, der Geheimcode des Fürsten ist geknackt.
In den meisten Chroniken und Abhandlungen zur Orts- und Regionalgeschichte Brettens ist über das Schicksal der Stadt und seiner Bürgerinnen und Bürger während des sog. Dreißigjährigen Krieges in der Zeit zwischen 1618 und 1648 nicht viel zu lesen. So heißt es z.B. in G. Ginter's „Chronik von Bretten“ aus dem Jahr 1967 recht lapidar: „Besondere Einzelheiten über Geschehnisse in Bretten während des Krieges sind uns nicht überliefert. Es darf wohl gesagt werden, daß im ganzen gesehen die Stadt erträglich durch die Wirren dieses längsten aller Kriege kam.“ Wenn auch die historische Quellenlage aus
dieser Zeit in Bezug auf Bretten alles andere als befriedigend ist, so weiß man heute doch: Ganz so erträglich war es leider nicht. Es mag stimmen, dass das damals kurpfälzische, protestantisch-reformierte Bretten (bzw. „Breteheim“) in der ersten Hälfte dieses Krieges und im Schnitt deutlich weniger gelitten hat als die meisten anderen Städte und Dörfer der rechtsrheinischen Pfalz und des Kraichgaus, aber insgesamt hat auch die Melanchthonstadt bluten und leiden müssen.
Otto Ehrlich (1909–1971) schloss sein Medizinstudium in Heidelberg im Dezember 1936 mit dem Staatsexamen ab. Bald darauf reichte er seine Dissertation ein und bestand die Doktorprüfung, doch der Erhalt des „Diploms“ war zu diesem Zeitpunkt keine Selbstverständlichkeit mehr. Ehrlich musste vielfältige Anstrengungen unternehmen und bürokratische Hürden überwinden, „um das Doktordiplom zu erhalten, da dies für mich für meine Auswanderung von lebenswichtiger Bedeutung ist“. Seine Bemühungen spiegeln sich in umfangreicher Korrespondenz und führten letztlich zum Ziel. Exemplarisch zeigen die von uns bearbeiteten Dokumente die sich verstärkenden Einschränkungen für jüdische Promovierende, die detaillierte bürokratische Regulierung und die verschiedenen Stellen, die mit dem Anliegen zu befassen waren – diese reichten von der Ebene der Universität mit Dekanat und Rektorat über das Badische Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe bis zum Reichserziehungsministerium. Bürokratische Spielräume auf lokaler Ebene scheint es aufgrund
der direkten Kontrolle durch das Reichsministerium im Einzelfall kaum gegeben zu haben. Dennoch stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Vorgaben an der Heidelberger Medizinischen Fakultät. Welchen Einfluss hatten die beteiligten Ministerien und die verschiedenen Ebenen der Universitätsverwaltung? Handelten sie streng nach Vorschrift? Versuchten sie, eigene Handlungsimpulse umzusetzen, entweder
um den Betroffenen zu helfen oder um die Aushändigung des Doktordiploms zu verhindern? Wir gehen den genannten Fragen an zwei Beispielen nach. Zunächst stellen wir kurz die Entwicklung der Gesetzeslage dar, um dann die „Fallgeschichten“ von Otto Ehrlich und Lore Hirsch einordnen zu können.
Ereignisse im „Makrokosmos“ der großen politischen Abläufe finden ihren Niederschlag im Geschehen des „Mikrokosmos“ der kleinsten Zelle des Staates, der Kommune, wo sie zumeist unregistriert, teils vergessen in den Ecken und Speichern gebündelt lagern, aus denen man sie nur trickreich und bei der Administration insistierend herausluxieren kann. So geschehen hier und dies ist die Voraussetzung zu einer „späten Nachlese“ als Ergänzung bzw. unter Zugrundelegung einer bereits an anderer Stelle unter Verwendung anderen Archivmaterials von außerhalb erfolgten Mitteilung zur „48er“ Revolution im Amtsbezirk Triberg.
Vor Ort lagern in Triberg über die Ereignisse der „48er“ VII Faszikel handschriftlicher, vorwiegend diskontinuierlicher inkohärenter, fragmentarischer Dokumente, die deshalb ähnlich einem Puzzlespiel zum näheren Verständnis der Ereignisse zusammengesetzt werden mußten.
Bei den Großdeportationen der südwestdeutschen jüdischen Bevölkerung durch die NS-Gauleiter Adolf Wagner und Josef Bürckel vom 22. Oktober 1940 handelte es sich um terminlich koordinierte, aber separate Abschiebungs-Aktionen. Dies zeigt sich deutlich auch an der unterschiedlichen Durchführung der Transporte. Gemeinsam hatten sie das Ziel Südfrankreich, worüber in Mannheim sogar offiziell und schon am frühen Morgen durch den Gestapo-Chef informiert wurde. Auch der Gestapo-Referent „für Judensachen“ Philipp Haas gab in Karlsruhe diese Auskunft und fügte, vielleicht zur eigenen Beruhigung, hinzu, „die Fahrt gehe nach dem Süden, in ein warmes Land“. Dass die Massenvertreibung rücksichtslos und zynisch auf das jüdische Fest „Sukkot“ gelegt wurde, könnte Anlass geben, dahinter eine besonders bösartige Schikane des Antisemitismus
zu vermuten. Als Erklärung bietet sich aber auch der Umstand an, dass die Kinder schulfrei hatten und nicht aufsehenerregend aus den Schulen abgeholt zu werden brauchten.
"Concordatslärm" in Baden
(2002)
Nichts versetzt leichter in die Stimmungen und in das allgemeine Milieu einer Zeit als ihre Zeitungen ... Sie zeigen mehr als jede andere Quelle, was die Zeitgenossen beschäftigt und vor allem interessiert hat. Gilt eine solche Aussage heute nur mehr bedingt, so trifft sie für das 19. Jahrhundert uneingeschränkt zu. Die immense Bedeutung, welche man den Blättern von ihren bescheidensten Anfängen an beimaß, läßt sich leicht an den staatlichen Zensurbestimmungen ablesen, wie sie zeitgleich mit dem Erscheinen der ersten periodischen Druckerzeugnisse nachweisbar sind und erst im Gefolge der Revolution von 1848/49 allmählich abgebaut werden. Allein durch Zeitungen und Zeitschriften sind damals gesellschaftliche Gruppen und Institutionen in der Lage, sowohl ihre Parteigänger als auch die immer zahlreichere politisch interessierte Öffentlichkeit zeitnah zu informieren sowie zielgerichtet und bewußtseinsbildend zu beeinflussen. Folglich erweist sich deren Analyse gerade in bewegten Zeiten als überaus aufschlußreich.
»Nach 50 Jahren trägt die Gemeinde Schöckingen heute noch einen rein bäuerlichen
Charakter mit seinen Vorzügen und Nachteilen. Konservativ zäh am Alten hängend,
schwerfällig, aber gründlich und zuverlässig, sehr vorsichtig allem Neuen gegenüber.« So
beschreibt der Pfarrer im Ruhestand Nathanael Ludwig Heinrich Rösler im Jahre 1935
seine ehemalige Kirchengemeinde, der er von 1926 bis 1934 als Pfarrer gedient hatte.
Schöckingen, Ditzingens kleinster Stadtteil, bis zum 30. Juni 1972 ein kleines, aber
selbständiges Dorf im Strohgäu, feiert in diesem Jahr sein 1200-Jahr-Jubiläum. Anlass
für die Festlichkeiten ist die erste Erwähnung des Ortsnamens in einer Schenkungsurkunde des Klosters Lorsch. In dieser Urkunde ist festgehalten, dass am 4. Juni 814,
also im Todesjahr Karls des Großen, ein gewisser Gunthart und seine Gemahlin Adelspirn dem heiligen Nazarius Güter und Leibeigene im Glemsgau geschenkt haben.
Dabei taucht auch der Name »Skeckinga« auf.
Diese erste Nennung kommt recht spät und gibt wie die Schenkung selbst einige Rätsel
auf. Schenkungen aus dem Glemsgau waren schon fast 50 Jahre zuvor in größerer Zahl
an das fränkische Reichskloster gegangen. Schöckingen blieb lange außen vor. Waren
die Grundherren zu geizig oder nicht fromm genug? Wir werden es nicht erfahren. Sowenig wie wir über die Schenker Gunthart und Adelspirn erfahren werden. Waren sie
fränkische Grundbesitzer, die ihre einst heidnischen alamannischen Untertanen an das
Kloster gaben? Oder waren sie alamannische Grundbesitzer, die sich der fränkischen
Oberherrschaft andienen wollten oder gar mussten? Oder nichts davon?