943 Geschichte Deutschlands
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Dokumenttyp
- Wissenschaftlicher Artikel (805)
- Ausgabe (Heft) zu einer Zeitschrift (744)
- Buch (Monographie) (8)
- Bericht (2)
- Konferenzveröffentlichung (1)
Sprache
- Deutsch (1560)
Schlagworte
- Zeitschrift (743)
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Kennzeichnend für die Markgrafen von Baden erscheint während des gesamten
Mittelalters eine prekäre Zwischenposition am unteren Rand des Fürstenranges.
Diese Problematik bestimmte maßgeblich die Herrschaft sbildung und die Handlungsspielräume
der im Grenzbereich zwischen fürstlichem und nichtfürstlichem
Hochadel angesiedelten Familie. Überblickt man ihre Geschichte von der Formierung
des Geschlechts im 12. Jahrhundert über die Phase der Erbteilungen des
14. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert einschließlich der Herrschaft Markgraf
Christophs I., so erreichten die Badener gegen Ende des Beobachtungszeitraums
– im engen Anschluss an das Königtum – zwar schließlich einen Höhepunkt ihrer
Macht, doch blieb ihre fürstliche Rangstellung letztlich stets prekär. Es ergibt
sich somit ein ausgesprochen dynamisches Bild des Auf und Ab einer Familie im
beständigen Kampf um die Wahrung ihrer fürstlichen Rangstellung.
Zwischen Karlsruhe und Rom
(2013)
Der Kulturkampf, jene im 19. Jahrhundert verbissen geführte Auseinandersetzung um "liberale" Politik und die Trennung von Staat und Kirche, wirkt im kollektiven Bewusstsein der Katholiken bis heute nach. Angesichts der Folgen, die er für die Betroffenen, im Klerus wie im "einfachen Kirchenvolk" hatte – zahlreiche Beispiele sprechen eine deutliche Sprache –, verwundert dies nicht. Doch das Bild, das der Kulturkampf in der Rückschau bietet, ist e benso wenig einheitlich, wie es »die Katholiken« waren, sondern hängt entscheidend vom jeweiligen Blickwinkel ab. Und auch die bleibenden Folgen sind selbst aus kirchlicher Sicht keineswegs ausschließlich negativ.
Das Stolpersteinprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig hat inzwischen über die Grenzen Deutschlands hinaus Verbreitung gefunden. Freiburg war die erste süddeutsche Stadt, in der auf Betreiben der Initiatorin Marlis Meckel diese – vom Rat der Stadt einstimmig beschlossene – ungewöhnliche Form des Gedenkens realisiert wurde. In den mehr als zehn Jahren des Bestehens der Freiburger Stolperstein-Initiative sind 350 Stolpersteine meist vor den ehemaligen Wohnungen der Opfer des NS-Terrors in der Stadt verlegt worden. Angesichts der Monstrosität der NS-Verbrechen werden auch in Zukunft mit der Unterstützung der Bevölkerung und der Medien weitere Verlegungen für die Angehörigen der betreff enden Opfergruppen (neben jüdischen Verfolgten und Ermordeten u. a. auch politische Widerständler, Zeugen Jehovas, Euthanasieopfer Deserteure, Homosexuelle) stattfinden.
900 Jahre Ebnet
(2013)
Die Ersterwähnung von Ebnet im Rotulus Sanpetrinus zu ca. 1113 gibt Gelegenheit, Einblick in die Herrschaftsgeschichte des Raumes in der frühen Zähringerzeit zu gewinnen. Der Ort kann indes auf eine weitaus ältere Vergangenheit zurückblicken, die sich in dem Patrozinium der Ebneter Kirche St. Hilarius und St. Remigius spiegelt, spielten diese beiden Heiligen doch im Fränkischen Reich der Merowingerzeit (6./7. Jh.) eine Rolle. Ebnet war damals wie auch später verkehrsgeographisch wichtig durch seine Lage am Übergang von der Rheinebene zum Schwarzwald. Nach der Ortsherrschaft der Herzöge von Zähringen und der Grafen von Freiburg hatten hier im späteren Mittelalter die Snewlin von Landeck das Sagen und verfügten offenbar über ein festes Haus, das 1493 einem Anhänger des elsässischen Bundschuh zeitweise Asyl gewährte.
"Umschulung"
(2013)
Dieser Text ist in einer französischen Original-Version 2010 unter dem Titel "Umschulung. Témoignages d’instituteurs alsaciens déplacés en pays de Bade (1940–1945)" erschienen. Der Verfasser widmet diese deutsche, gekürzte Version seinen deutschen Freunden und bedankt sich bei seinem Kollegen und Freund Herrn Anton Burkard aus Merzhausen für seine Hilfe bei der Übertragung dieser Fassung ins Deutsche.
Während der deutschen Besatzung Frankreichs wurden elsässische Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland einer sogenannten Umschlung unterzogen. Sie müssen nun nach dem deutschen Lehrplan unterrichten, der ihnen in mehrmonatigen Lehrgängen "beigebracht" wird. Deutsch ist nun Schulsprache und bis 1941 wird auch noch in Sütterlinschrift geschrieben. Es finden auch Lehrgänge für nationalsozialistisches Geschichtsdenken statt. Die mehrmonatigen Aufenthalte bei der Besatzungsmacht sind für viele der jungen Lehrerinnen und Lehrer eine schwere psychische Belastung. Zeitzeugenberichte sind die Grundlage dieses Beitrags.
Wer sich mit dem „Bundschuh" befasste, galt lange Zeit als gut beraten, sich den Arbeiten von
Albert Rosenkranz und Günther Franz anzuvertrauen.[1] Albert Rosenkranz hatte 1927 die vorhandenen Quellen zu den Bundschuh-Verschwörungen von 1493, 1502, 1513 sowie 1517
veröffentlicht und zugleich eine eingehende Schilderung jener vier „Erhebungen des südwestdeutschen Bauernstandes" gegeben. Sechs Jahre später ordnete Günther Franz den Bundschuh
- sich inhaltlich auf das „grundlegende" Werk von Rosenkranz stützend - in den Gang der
bäuerlichen Erhebungen vor dem Bauernkrieg von 1525 ein.
Die wissenschaftliche Tagung in Bruchsal 2002 (Anlass war die 500-jährige Wiederkehr des
Bundschuhs zu Untergrombach) machte erstmals Abstriche am gültigen Bild des Bundschuhs.
Rolf Köhn urteilte über die Arbeit von Rosenkranz: ,,Während seine Quellenausgabe bis heute
maßgeblich blieb, genügt seine Darstellung nicht mehr den Anforderungen der Geschichtswissenschaft."[2] Claudia Ulbrich leitete ihren Beitrag über den Untergrombacher Bundschuh sogar
mit dem Satz ein: "[ ... ] die Quellen lassen eine Rekonstruktion dessen, was sich 1502 in Untergrombach abgespielt hat, nicht zu."[3] Ich selbst habe eine Darstellung des Lehener Bundschuhs
von 1513 gegeben und dabei einige ältere Aussagen infrage gestellt.[4] Im Folgenden
greife ich die Ansätze von 2002 erneut auf und unterziehe den Lehener Bundschuh einer
nochmaligen kritischen Betrachtung. Ich glaube, dass ich die ältere Interpretation in zentralen
Punkten und mit größerer Bestimmtheit als 2002 revidieren kann.
Im vorletzten James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“, dem zweiten mit Daniel Craig als 007, sucht James Bond, Rache für den Tod seiner Freundin Vesper zu nehmen. Dabei muss er eine Geheimorganisation namens „Quantum“ ausschalten; aus der Rache erhofft sich Bond ein Quäntchen Trost – „A Quantum of Solice“. Am Ende, als Quantum vernichtet ist und Bond verletzlicher denn je aus seinem Auftrag hervorgeht, wirft er das Andenken an Vesper, ein Silberkettchen, das er stets bei sich trug, in den Schnee. Mit dieser Geste verabschiedet er auch die Rache: Er ist frei geworden. Der wahre Trost in dieser Geschichte liegt nicht im Ausschalten von Quantum (bloß ein weiterer Sieg des englischen Geheimdienstes über einen weiteren Feind), sondern im Wegwerfen der Ketten des persönlichen Rachefeldzuges. Dieser Sieg ist weitaus größer. Um es mit Johnny Cash zu sagen: „I´m free from the Chain Gang now“. Über eine solche innere Freiheit von Rache, Hass und dem Elend des Menschen spricht auch der Heidelberger Katechismus. Auch er ist ein Bekenntnis zur Freiheit. Üblicherweise unterscheidet man zwischen dem Bekenntnis eines Einzelnen (ein Krimineller „bekennt“ sich zu seiner Tat, berühmte Menschen nennen ihre Autobiografien zuweilen „Bekenntnisse“) und dem Bekenntnis einer Kirche, in dem der
Glaube ausformuliert ist, wie z.B. dem Apostolischen oder Nizänischen Glaubensbekenntnis. Der Heidelberger Katechismus fällt auf den ersten Blick in die zweite Kategorie. Der 450. Geburtstag ist Anlass, einen zweiten Blick zu riskieren: Könnten wir in diesem historischen kirchlichen Dokument nicht auch ein Quantum Trost durch das persönliche Bekenntnis zur Freiheit finden? Schafft der Heidelberger Katechismus vielleicht genau die Verbindung zwischen dem gemeinschaftlichen Bekennen einer kirchlichen Tradition und dem Bekenntnis eines Einzelnen? Dann wäre das Jubiläum dieses Dokumentes auch ein Anlass für unseren eigenen Jubel aus Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns befreit.
Der Beitrag gilt den Grundlagen, die Baden im Lauf des 19. Jahrhundert zu einem wirklichen Musterland im Deutschen Reich werden ließen und öffnet Perspektiven, die auch in unsere Gegenwart hinein reichen: mit den Umrissen des starken Staates, mit einem modernen Beamtenrecht und einer loyalen wie auch aufgeklärten Beamtenschaft , mit einem Rechtssystem, das sich das volle 19. Jahrhundert hindurch bewährte und schließlich mit einer Verfassung aus liberalem Geist, auf deren Grundlage das Land, wenn nicht zur Schule, so doch zu einer Vorschule der Demokratie in Deutschland werden konnte.
Die Wiederentdeckung einer bisher wenig beachteten Urkunde aus dem Jahre 1325 beweist, dass die Stadt Kleingartach von den Herren von Weinsberg oder auf deren Betreiben mit königlicher Billigung vor 1295/99 gegründet wurde. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die ehemalige Stadt im Oberen Leintal durch die Markgrafen von Baden gegründet wurde, die allerdings im Jahr 1332 erstmals nachweisbar im Besitz der Stadt sind. Zudem stoßen wir in dieser Urkunde von 1325 erstmals auf den Namen des Nachbardorfes Niederhofen, was bisher von der heimatgeschichtlichen Forschung nicht berücksichtigt wurde. Seit dem 1. Dezember 1971 ist die ehemalige Stadt Kleingartach nach Eppingen eingemeindet. Die kleine, ländliche Ortschaft ist von ihrer Siedlungsform her betrachtet eine typische spätmittelalterliche Stadtsiedlung, was auch nach der Eingemeindung im Zuge der Gemeindereform Gültigkeit hat. Kleingartach, das man im allgemeinen Sprachgebrauch gerne als „Dorf" bezeichnet, um die ländlichen Züge des Ortes zu beschreiben, ist dennoch ein württembergisches „Städtle" geblieben. Von der Luft aus ist der quadratische Stadtkern noch heute zu erkennen, was Kleingartach von vielen Gemeinden des Zabergäus und Leintals unterscheidet. Reste der Stadtbefestigung sind letzte bauliche Zeugnisse der frühen Stadtgeschichte und verdeutlichen die Privilegien einer mittelalterlichen Stadt, sich durch
Mauern und Türme vom Umland abgrenzen zu dürfen.
Vom 20. Juni bis zum 19. Juli 2013 zeigte die Sparkasse Kraichgau in ihren Brettener
Kundenräumen die Ausstellung ,,' ... war gar kunstlich gemachet', Spuren der
Kunst um 1500". Bemerkenswert aus der Sicht der Heimatforschung im Kraichgau
war die Tatsache, dass die kunsthistorischen Aussagen dieser Schau sich fast durchgängig
auf konkrete Beispiele aus der Region bezogen und damit in gelungener
Weise eine Brücke zwischen Kunst- und Regionalgeschichte schlugen. So gingen
einzelne Aufsätze des umfangreichen und vielfach bebilderten Ausstellungskatalogs
unter anderem auf kunst- und baugeschichtliche Aspekte des Heidelberger
Schlosses, des Firstständerhauses in Zeutern, des Brettener Simmelturms sowie verschiedener
Kraichgauer Klöster und Pfarrkirchen ein.
Beim Durchsehen von Werkverzeichnissen fällt immer wieder ins Auge, dass bestimmte dort
aufgeführte Quellen beispielsweise als „Kriegsverlust“ oder als „verbrannt 1944“, als „seit 1945
verschollen“ oder etwa als „heute in Krakau“ gekennzeichnet sind. Es kommt auch vor, dass man in der
Neuauflage der Musik in Geschichte und Gegenwart oder im New Grove dictionary of music and musicians in den
Werkübersichten zum Schaffen einzelner Komponisten von Quellen erfährt, die sich dann, fragt man bei
der genannten Bibliothek an, als Kriegsverluste herausstellen. Je mehr Werk- und Quellenverzeichnisse
man durcharbeitet, um so mehr verdichtet sich der Eindruck, dass angesichts der hohen Zahl solcher
Einträge doch vielleicht auch der entgegengesetzte Ansatz, und zwar eine Aufarbeitung der
Kriegsverluste selbst, zu beschreiten wäre. Für die deutschen Musiksammlungen wurde bisher kein
Versuch unternommen, deren Kriegsverluste systematisch und auf breiter Basis zu untersuchen, zu sehr
hat sich die Musikwissenschaft seit 1945 mit der Sichtung und Erforschung des Erhaltenen beschäftigt,
als dass sie sich – mit Ausnahme gewisser Spitzenstücke – des Verlorenen angenommen hätte, wie dies
in der Kunstgeschichte schon seit langem der Fall ist. Die vorliegende Arbeit ist der erste Teil einer
grossflächig angelegten Studie, welche die Geschichte der musikalischen Quellensammlungen deutscher
Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg anhand bisher unveröffentlichter Akten beschreibt, die Ursachen für
die Quellenverluste darstellt und später einen Gesamtkatalog der feststellbaren Kriegsverluste an
handschriftlichen und gedruckten Noten bis zum frühen 19. Jahrhundert auf der Grundlage historischer
Inventare liefern wird.
Wären das im Walde bei Hammereisenbach stehen gelassene Schlittenhaus und ein
im karpatischen Stil verziertes Waldarbeiterhaus nicht gewesen, wäre man nicht auf
jene Volks- und Berufsgruppe gestoßen, die in der regionalen Geschichte zum Zweiten Weltkrieg bis heute keine Erwähnung gefunden hat und über deren Schicksal
nur wenig in Erfahrung zu bringen ist. Die Rede ist von den ungarischen Waldarbeitern, besser gesagt den ethnischen Ungarn aus den Karpaten des heutigen Rumänien, welche Ende 1942 und nochmals 1943 angeworben wurden und im
badischen Schwarzwald vorwiegend auf dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises zum Einsatz kamen.
In einem Überblick über den Stand der Erforschung der badischen Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts benennt Udo Wennemuth zahlreiche Desiderate, nicht zuletzt über die eigentlich gut und breit erforschte Zeit des „Dritten Reiches“. Unter anderem führt Wennemuth aus: „Die Arbeit der Kirche im ‚Untergrund‘ ist noch unerforscht. Manches weiß man vom Hörensagen.“ Eine Auswertung von Quellen stünde jedoch aus. Auf Grund der Aktenlage bleibt es schwierig, das real Erlebte zu rekonstruieren – selbst dann, wenn zahlreiche Materialien vorliegen. Ehemalige „Deutsche Christen“ (DC), sofern sie den Krieg überlebten, verwahrten nach 1945 zahlreiche Dokumente und haben diese nicht selten noch zu Lebzeiten vernichtet, um weitere eigene Verstrickungen nicht bekannt werden zu lassen. Auch bei der Bekennenden Kirche (BK) können, so Wennemuth, nicht „[d]ie gesamten internen Prozesse“ beschrieben werden. Hier fehlt oft das Material, das vor 1945 ja außerordentlich belastend gewesen wäre. Die volkskirchliche „Mitte“ dagegen hat ihre Positionen nicht detailliert begründet und eher versucht, sich nicht zu äußern, so dass nur das Archivmaterial des traditionellen kirchlichen Alltags entstand. Manfred Gailus resümiert forschungsgeschichtlich zu Recht: „Eine Sozialgeschichte des Kirchenvolkes im NS-Staat steht sowohl für den Protestantismus als auch für den Katholizismus noch aus.“
Im Jahre 1913 – also noch zu Zeiten der formalen Geltung des landesherrlichen Kirchenregiments in Baden – definierte die RGG (in erster Aufl.) den Begriff „als ein(en) wenig glücklich(en) Ausdruck für die Sonderstellung, die in den deutschen ev. Landeskirchen der Landesherr als Kirchenglied einnimmt. Als Summepiscopus (= Erster oder Oberbischof) ist der Landesherr Träger des *Kirchenregiments […]; über die Ableitung dieses Rechtes vgl. *Episcopalismus […], *Territorialismus, *Kollegialismus. Ueber die Bedeutung und den Wert dieser Stellung des Landesherrn vgl. *Landesherrliches Kirchenregiment […]“ Damit sind bereits zwei Erkenntnisse gewonnen: erstens geht es um die kirchenverfassungsmäßige Sonderstellung des Fürsten in der evangelischen Kirche; und zweitens ist der diese bezeichnende Begriff als „wenig glücklich“. Zwar verrät der
Verfasser (Förster) nicht, warum die Begrifflichkeit ihn unglücklich stimmt, aber vielleicht nahmen wir eben schon beim Hören an seinem Unglück Anteil, wenn wir den ganzen Verweiskatalog auf die staatskirchenrechtlichen Begriffe zur Kenntnis
nahmen, die manchen unter uns im Laufe des zweiten theologischen Examens zum ersten und vielfach auch letzten Mal im Fach Kirchenrecht vor Augen getreten sind. Wie war das noch mit Episkopalismus, Territorialismus und Kollegialismus?
Nun möchte ich Ihnen sogleich diese Sorge nehmen, dass wir in diesem Kurzvortrag den Begriffskatalog abarbeiten könnten. Dazu fehlt uns die Zeit und es soll ja um die badischen Verhältnisse gehen. Zugleich muss uns klar sein, dass Begriff und
Wesen des Summepiskopates nicht isoliert zu entwickeln sind, sondern historische Voraussetzungen und Niederschläge kennen, die anhand ausgewählter Stationen der badischen Kirchengeschichte beschrieben werden sollen.
Die Bürgerversammlung am 27. Februar 1848 im Aulasaal des alten Jesuitengymnasiums in Mannheim war das "erstes Ereignis der deutschen Revolution" (P. Blastenbrei). Nach der Nachricht der Abdankung und Flucht des "Bürgerkönigs" Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 24.02.1848, reagierte Mannheim "als erste badische und damit auch erste deutsche Stadt" (P. Blastenbei) auf die Ereignisse in Paris. Am Sonntag, den 27. Februar nahmen auf Einladung von Struve und Hoff über 2500 Personen an einer Volksversammlung im Aulasaal teil. Dort wurden die vier "Märzforderungen" beschlossen: Volksabstimmung mit freier Wahl der Offiziere, Pressefreiheit, Schwurgerichte nach dem Muster Englands und Herstellung eines deutschen Parlaments.
900 Jahre Baden?
(2012)
Eigentlich hat es sich ja längst herumgesprochen: Das 900jährige Jubiläum, das in diesem Jahr mit einer großen Ausstellung des Badischen Landesmuseums und üppigem Rahmenprogramm begangen wird, ist kein Landes- sondern ein dynastisches Jubiläum. Nicht das Land und schon gar nicht sein Name werden in diesen Tagen 900 Jahre alt, vielmehr trat vor 900 Jahren die Dynastie, die dieses Land bis 1918 regierte, zum ersten Mal unter dem Namen Baden in Erscheinung – einem Namen, der in Wirklichkeit sehr viel älter ist.
Zu den traditionellen konstitutiven Elementen einer badischen Identität wie gemeinsamen sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen
oder konfessionellen Erfahrungen und vor allem der Zugehörigkeit zu einem hierarchisch gegliederten Personenverband mit der Herrscherfamilie an der Spitze, kam im 19. Jahrhundert die rechtliche und weitgehend auch politische Egalisierung der Badener auf der
Grundlage einer modernen Verfassungsordnung hinzu. Welche Bedeutung die Zeitgenossen diesem neuen konstitutiven Element
badischer Identität zumaßen, lässt sich anhand der Feiern aufzeigen, die zu den Jubiläen der badischen Verfassung von 1818 veranstaltet
wurden: zunächst in einem zeituntypisch kurzen Erinnerungszyklus von 25 Jahren sowie nach 50 und 100 Jahren jeweils in besonderen
politischen Krisenkonstellationen, in denen der Fortbestand der Verfassung in hohem Maße gefährdet erscheinen konnte.
Die Wiederherstellung Badens und die Bildung eines Südweststaats sind Projekte der Besatzungszeit. Sie nahmen Gestalt an, als die Westmächte im 1948 "ihren" Ministerpräsidenten die Aufgabe stellten, die für Besatzungszwecke
zusammengeschusterten Ländchen in Länder zu verwandeln, die geeignet wären, dem geplanten Weststaat, also der späteren Bundesrepublik, ein nützlicher Unterbau zu sein. Weil sie dabei Rufer in der Wüste waren, regten sie an, eine entsprechende nachholende Möglichkeit im Grundgesetz vorzusehen. Daraus wurde Art. 29 GG. Ein weiteres Fenster öffneten württembergische Vertreter im Parlamentarischen Rat: Artikel 118 GG sollte – unabhängig von Art. 29 GG und unter der Voraussetzung, dass die Hohen Kommissare es erlaubten – zu einer vorgezogenen, auf den Südwesten beschränkten Neugliederung führen können.
Datiert vom Tag der Apostel Philipp und Jakob, dem 1. Mai des Jahres 1393 stiftete der zu jener Zeit schon betagte Mainzer Erzbischof und Kurfürst Konrad von Weinsberg zur Rettung seines und seiner Vorfahren Seelenheils bei Burg Guttenberg über dem Neckar eine Kapelle zur Ehren Gottes und des heiligen Bekenners und Bischofs Eucharius. Da Guttenberg und das dabei gelegene Dorf (Neckar-) Mühlbach Filial der Pfarrei Heinsheim waren, hatte der Stifter es nicht versäumt, vorab das Einverständnis der zuständigen Kirchenoberen einzuholen, des Dekans und Stiftskapitels von Wimpfen im Tal, der patronorum seu collatorum necnon pastoris prefate parrochialis ecclesie, der Patrone, Leiheherren und Pfarrherren zu Heinsheim. Patronus, collator und pastor ecclesie parrochialis – drei Zentralbegriffe der älteren Kirchenverfassung. In die neue Kapelle stiftete Konrad von Weinsberg ein beneficium perpetuum, das heißt eine Pfründe für einen täglich dort zelebrierenden Kaplan, und dotierte diese mit einem in der unmittelbaren Nachbarschaft der Kapelle noch zu errichtenden Haus sowie mit näher bezeichneten Pfründgütern und -einkünften in umliegenden Dörfern. Außerdem verordnete er dem jeweiligen Kaplan einen Platz am Tisch des Guttenberger Burggesindes und traf detaillierte Verfügungen bezüglich der Pflichten und Rechte der künftigen Pfründinhaber. Die Verleihung der Kaplaneipfründe sollte – wie üblich – für alle Zeiten dem jeweils Erstgeborenen und ältesten Agnaten des Hauses Weinsberg zustehen, dem verus heres proximior et senior masculus. Indes ging das Haus Weinsberg bereits in der nächsten Generation in Konkurs und starb wiederum eine Generation später im Mannesstamm aus. Burg Guttenberg gelangte 1449 samt der dazugehörigen Herrschaft und dem Recht zur Verleihung der Kaplaneipfründe in den Besitz der Kraichgauer Ritteradelsfamilie von Gemmingen.
Das Freiburger Münster bildete einen zentralen Pol in der öffentlich-städtischen Religiosität der
Stadt Freiburg. Religiöse Verbindungen formten vielgestaltige Beziehungsgeflechte in der städtischen
Kultur und umspannten die mittelalterliche Gesellschaft. Auch Universitäten wurden im
Mittelalter als geistliche Institutionen verstanden. Mit den zunehmend urbanen Strukturen profilierte
sich sowohl von städtischer als auch von kirchlicher Seite eine Vielzahl von Gruppierungen
mit eigenen Anspruchshaltungen. Im Brennpunkt des Freiburger Münsters trafen diese
aufeinander und kulminierten, wodurch ihm eine Schlüsselstellung in der kirchlichen Praxis
Freiburgs zukam.
Im Stadtarchiv Freiburg lagert unter der Signatur Cl Militaria 101 , fol. 39r-41v, ein Schriftstück
aus dem Deutschen Bauernkrieg von 1525. Es trägt die Überschrift "Handlung vnd feldartickel,
so furgenomen worden sind vjf montag nach der alten vaßnacht [ 6. März] von allen
hujfen vnd reten, so sich zusammen verpjlicht in dem namen der heilgen vnzerteilten dryvaltigkeit
anno etc xvc xxv [1525]" .
Unschwer erkennt man in der sorgfältig erstellten Handschrift ein zentrales Dokument aus
der Erhebung von 1525 wieder: die in der modernen Geschichtswissenschaft sogenannte
„Memminger Bundesordnung". Diese wurde von den Führern der drei oberschwäbischen
Bauernhaufen am 6. und 7. März in Memmingen als Verfassung der von ihnen gegründeten
„Christlichen Vereinigung" beraten und verabschiedet.' Wenig später wurde sie gedruckt; was
die Bedeutung erkennen lässt, die ihr damals beigemessen wurde. Denn nur zwei bäuerlichen
Programmschriften, den „Zwölf Artikeln" und der „Memminger Bundesordnung", widerfuhr
die Auszeichnung, im Druck bekannt gemacht zu werden. Bei genauerem Hinsehen wird aber
auch deutlich, dass die Freiburger Handschrift keine bloße Abschrift des gedruckten Textes war.
Durch Streichung, Abwandlung und Hinzufügung von Artikeln war sie vielmehr eine eigene,
für sich stehende Fassung der gedruckten „Memminger Bundesordnung" - eine nach ihrem archivalischen
Lagerort sogenannte „Freiburger Bundesordnung".
Im Jahr 2011 feierte die heute zu Offenburg gehörige Gemeinde Bohlsbach das Jubiläum der Ersterwähnung des Ortes
vor 1050 Jahren mit einer Rückschau aus der Gegenwart in die Vergangenheit. Der konkrete Anlass bezog sich auf eine auf
das Jahr 961 datierte Urkunde, doch wie bei jedem Jubiläum war der eigentliche Grund dieser Feier vielmehr das, was im
Lauf der Zeit aus dem Ort geworden ist, seine Entwicklung und das Ergebnis dieser Entwicklung, wie es sich in der Gegenwart widerspiegelt. Dennoch ist die Ersterwähnung eines Ortes immer ein besonderer Punkt in dessen Geschichte. Sie liefert eine Jahreszahl, die sozusagen als Startpunkt angesehen werden kann, von dem eine historische Entwicklung ausgeht, die idealerweise bis in die heutige Zeit anhält. Es handelt sich bei solchen Ersterwähnungen in der Regel nicht um die Mitteilung von unmittelbaren Gründungsvorgängen, etwa dass ein Kloster gegründet oder eine Kirche dort neu errichtet wird, wo zuvor keine bestanden hatte, sondern sie teilen mit, dass sich zu diesem Zeitpunkt „etwas" an diesem Ort befunden hat, zum Beispiel eine Hofstelle oder irgendein Bauwerk. Dieses „etwas" hatte zu diesem Zeitpunkt in der Regel selbst bereits eine Geschichte hinter sich, bestand vielleicht schon seit Jahrzehnten oder noch länger. Mit einer Ersterwähnung in einer Schriftquelle tritt ein Ort also nicht erst in seine materielle Existenz ein, er wird auf diese Weise nur zum ersten Mal für die Geschichtswissenschaft greifbar.
Am Karfreitag 1945 verhaftete eine Volkssturmeinheit unweit von Bad Rippoldsau, das unterhalb des Kniebismassivs liegt,
zwei Flüchtlinge: zwei junge Menschen, welche die Not der Zeit in die Welt hinausgeworfen hatte, wo sie versuchten, ihr
Leben zu retten. Doch sie trafen auf den SS- und SD-Führer, SS-Totenkopfringträger, SS-Ehrendegenträger und „Inhaber des
SS-Julleuchters", den zeitweiligen NSDAP-Ortsgruppenleiter von Wolfach, Karl Hauger, der seines Zeichens - sozusagen
neben seinen unzähligen NS-Parteibeschäftigungen - auch noch Forstamtsleiter des Staatlichen Forstamtes II in Wolfach,
der damals für Bad Rippoldsau zuständigen Forstbehörde, war. Ein Mann, der seine Unterwürfigkeit zu Partei und Staat auch
durch die Tatsache zum Ausdruck brachte, dass er nicht etwa, wie damals noch weithin üblich, im Frack und Zylinder zum
Traualtar schritt: Der Forstmann heiratete 1934 auch nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, in Forstuniform, sondern
in der schwarzen Uniform der SS. Karl Hauger, im Volksmund von manchen noch heute der „kleine Hitler von Wolfach" genannt, war sich selbst nicht zu schade dafür, sich eigenmächtig zum Richter zu erheben und zum Hinrichter zu erniedrigen.
Aufgrund seiner Parteinahme für König Rudolf von Rheinfelden (t 1080) gegen König
Heinrich IV. (t 1105) im sogenannten „Investiturstreit" wurde Herzog Bertold I. von Kärnten
(t 1078) am 4. Juni 1077 nach alemannischem Recht zum Tode verurteilt und all seiner dignitates
(Würden) und beneficia (Lehen) für verlustig erklärt. Unter diesen beneficia befand sich
auch die im Pagus Breisgau gelegene Grafschaft (comitatus situs in pago Brisgowe), die
Heinrich IV. kaum einen Monat später der bischöflichen Kirche von Straßburg für die treuen
Dienste Bischof Werners schenkte. Es ist das erste und letzte Mal, dass wir etwas über die
Grafschaft im Besitz der Straßburger Kirche hören. Der begünstigte Bischof Werner starb bereits
im November desselben Jahres während eines Kriegszugs in Schwaben. Sein Nachfolger
Thiepald (wohl t 1083) wurde nach der Schilderung des gregorianischen Chronisten Berthold
von Reichenau (wohl t 1088) durch marchio Bertold II. (t 1111), den Sohn des abgesetzten
Grafen im Breisgau und Herzogs von Kärnten, geschlagen. Nach der Sankt Galler Überlieferung
unterwarf Bertold II. nach der Einnahme der Burgen Wiesneck und Zimmern den
gesamten Breisgau seiner Herrschaft. Spätestens zu diesem Zeitpunkt vermochte der Straßburger
Bischof seine Grafenrechte nicht mehr durchzusetzen.
Am 15. April 1945 zogen die französischen Streitkräfte in Offenburg ein. Die furchtbare Zeit des Nationalsozialismus war zu
Ende. Und damit dies so bleibe, wurden Soldaten hier stationiert in Kasernen und Wohnungen. Diese militärische Präsenz
der zuletzt 2000 Berufssoldaten und Wehrpflichtigen dauerte bis zum endgültigen Abzug aus Offenburg im Jahr 1992. Verständlich, dass anfangs auf beiden Seiten überwiegend Misstrauen herrschte und Vorsicht geboten schien. Doch nach und nach besserte sich das deutsch-französische Verhältnis, und es gab schließlich gute freundschaftliche Kontakte miteinander. Das bezog sich nicht nur auf die offizielle, sondern auch auf die zwischenmenschliche Ebene, auf die Beziehungen der französischen Soldaten zur weiblichen deutschen Bevölkerung. Auch enge Verbindungen entstanden daraus.
Der Abt als Dorfchronist
(2012)
Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt des Benediktinerklosters St. Peter auf dem
Schwarzwald, hat während seiner langen Regierungszeit gewissenhaft ein Tagebuch geführt,
von dem allerdings nur die Jahrgänge bis 1772 erhalten sind. Auf den überlieferten knapp
4.000 Seiten hält der Abt in flüssigem Latein alltägliche und besondere Vorkommnisse aus dem
Stift St. Peter fest, aber auch bedeutende politische, militärische, kulturelle und andere Ereignisse
aus Freiburg, aus dem Breisgau, aus der Habsburger Monarchie und aus dem übrigen
Weltgeschehen. Sein Tagebuch ist damit eine wichtige zeit- und geistesgeschichtliche Quelle
für die Abtei St. Peter und ihre historische Epoche.
Zu den bedeutendsten Entdeckungen in der frühmittelalterlichen Alamannia zählt
zweifellos das Kammergrab, das im März 1966 beim Bau eines Wohnhauses auf der
„Gierhalde“ in Hüfingen zum Vorschein kam. Mit diesem Fund wurde zum ersten
Mal die bedeutende Rolle des römischen Kastellorts „Brigobannis“ in der Merowingerzeit erkennbar. Schlagartig rückte er die politischen Kräfte in unser Blickfeld, die den Gang der Geschichte auf der Baar, im Quellgebiet der Donau und an
der Kreuzung wichtiger Fernstraßen im Frühen Mittelalter bestimmt haben. Die spätere Entdeckung des großen merowingerzeitlichen Ortsgräberfeldes im Gewann „Auf Hohen“ mit seinen mehr als zwanzig Adelsgräbern hat dann
diesen ersten Hinweis eindrucksvoll bestätigt.
Die Ortenau. - 92 (2012)
(2012)
Die kirchenpolitische Neuorientierung unter Friedrich III. (1515; reg. 1559–1576), deren Gipfel die Einführung des Catechismus Oder Christliche(n) Vnderrricht(s) / wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wird bildet, wurzelte bereits in den reformatorischen Maßnahmen Kurfürst Ottheinrichs von der Pfalz (1556–1559). Es war dem Kurfürsten nicht gelungen, mittels der lutherischen Kirchenordnung von 1556 die religiöse Lage zu befrieden, was auch durch eine unglückliche Berufungspolitik verursacht war. Bereits unter Ottheinrich wurden – in eher reformiertem Geiste – die Bilder in den Kirchen zurückgedrängt. Hauptstreitpunkt der Heidelberger Theologen war freilich die Lehre vom Abendmahl, die zum handgreiflich ausgetragenen Streit zwischen Wilhelm Klebitz und Tilman Heshus und schließlich zur Entlassung beider führte. Ottheinrichs Nachfolger Friedrich III. erhoffte weitere Klärung durch ein Gutachten Melanchthons, dass dieser wenige Wochen vor seinem Tode im November 1559 erstattet hat und das Friedrich noch 1560 drucken ließ. Melanchthon war sich über die kirchenpolitische Brisanz durchaus im Klaren, wenn er sagte: Es ist nicht schwer, aber gefährlich, darauf eine Antwort zu
geben.
Hunger, Krieg und Pestilenz
(2012)
Einst hielten die Pfälzer Kurfürsten zu Heidelberg einen Löwen. Doch dann kam der
Winter des Jahres 1607 mit derart grimmiger Kälte, dass der Bodensee vollkommen
mit Eis bedeckt war. Und das stolze Wappentier im Heidelberger Schlossgraben ist
damals jämmerlich erfroren – obgleich es doch »einen schönen Pelz« gehabt hatte.
In eben jenem Jahr 1607 zog auch eine Pestwelle über Württemberg hinweg und
schlug dabei in ungewöhnlicher Heftigkeit zu. Allein in Stuttgart, wo sie volle fünf
Jahre grassiert, tötet sie 2261 Menschen. Das Schlimme an der Geschichte aber ist,
dass solche Katastrophen sich um diese Zeit häufen, und fast immer gehen ihnen
Hungerjahre voraus, verursacht durch Missernten und Teuerung. Diese wiederum
haben ihre Ursache in verregneten, kühlen Sommern.
Freilich, viele Angaben scheinen seltsam widersprüchlich zu sein. Denn immer
wieder folgen auch Jahre mit günstiger Witterung und reichen Erträgen. Während
die 1570er-Jahre mit Ausfällen bei Getreide und Wein beginnen, folgen in den 1580er-Jahren mehrere gute Ernten. 1584 soll es Wein in solchem Überfluss gegeben haben,
dass die Waiblinger Maurer den Mörtel damit anrührten. 1590 indes erfroren in
Neckarrems um Georgi die Reben, während der nachfolgende heiße Sommer fast die
Rems austrocknete. Allzu gern heben solche Nachrichten auf Witterungsanomalien
ab, da diese in der Regel zu existenziellen Krisen führten. Schließlich war die Agrargesellschaft der Vormoderne den Launen der Natur auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Man schätzt das damalige Verhältnis von Aussaat und Ertrag auf eins zu
fünf, so dass es dem Landbewohner kaum möglich war, Vorräte für Mangelernten zu
sammeln.
Jeder Rekrut braucht eine Grundausbildung, um zum Soldaten zu werden. Jeder Truppenteil muss üben, um seinen Auftrag erfüllen zu können. In der Mitte des 18. Jahrhunderts – die erste neue Kaserne in Ludwigsburg war gerade erst im Bau – fand
die Grundausbildung der Soldaten vermutlich in der Nähe der Unterkünfte und das
Exerzieren der Truppe auf öffentlichen Plätzen statt. Die Ausbildung größerer Verbände wurde in Feldlagern durchgeführt. Nach einer Ludwigsburger Chronik hat
die württembergische Armee regelmäßig Feldlager in der Nähe von Oßweil bezogen.
Genannt werden dafür die Jahre von 1753 an.
Es sind nur wenige Einzelheiten darüber bekannt, wie die Ausbildung in den Feldlagern gegliedert war, aber es gab immer mehrere Manöver unterschiedlichsten
Schwierigkeitsgrades, und gegen Ende fand eine große Parade, eine Grand Revue oder
General-Revue, statt, die auch zivile Zuschauer anzog. Ab dem Siebenjährigen Krieg,
genauer: von 1757 an, ist auch bekannt, welche Regimenter bzw. wie viele Soldaten
beteiligt waren und wie lange die Truppen im Feldlager zusammengezogen waren,
bis sie zum Feldzug aufbrachen.
Das Herzogtum Württemberg hatte im Jahr 1752 mit Frankreich einen Subsidienvertrag zur Stellung von 6000 Soldaten in fünf Infanterieregimentern auf sechs Jahre
abgeschlossen und ihn dann bis Ende 1758 verlängert. Ihm hatte sich ein Vertrag auf
nur ein Jahr, aber unter Verdoppelung der Truppenstärke, angeschlossen und schließlich noch ein ebenfalls einjähriger Vertrag mit dem Kaiser.
Auf Messers Schneide
(2012)
1940 und 1941 hätte das Blumberger Bergwerk eigentlich wachsen und gedeihen
sollen. Tatsächlich aber musste Bergwerksdirektor Dr. Hans Bornitz Krisenmanagement betreiben. Absatzprobleme und Fachkräftemangel kennzeichneten die
Lage. Schuld daran hatte der im Herbst 1939 begonnene Krieg. Die grenznahen
Saarhütten lagen bis zum Sommer 1940 still und fielen als Erzabnehmer aus. Die
Ruhrwerke arbeiteten zwar noch, weigerten sich aber, größere Mengen aus Blumberg zu beziehen. Als die Saarhütten nach dem Frankreichfeldzug ihre Produktion
wieder aufnehmen konnten, hatten sie Zugriff auf die lothringischen und luxemburgischen Minettegruben. Deren Erze konnten sie wirtschaftlicher, das heißt mit
deutlich geringerem Kokseinsatz, verhütten als das Blumberger Erz. An ihm besaßen
die Saarhütten fortan keinerlei Interesse mehr. Zwar waren sie der Doggererz AG
(DAG) gegenüber bindende Abnahmeverpflichtungen eingegangen, doch lauerten
sie seit Juli 1940 nur auf eine Gelegenheit, den unwirtschaftlichen Erzabbau zu drosseln oder ganz einzustellen. Nur das Reichswirtschaftsministerium (RWM), das
50 % des Aktienkapitals vertrat, glaubte noch an eine Zukunft des Unternehmens.
Es bestärkte den Vorstand darin, den Betrieb trotz der ungünstigen Situation
konsequent fortzusetzen und auszubauen.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts erscheinen im Breisgau die Grafen von Freiburg,
auf der Baar die Grafen von Fürstenberg. Die neuen Häuser gingen auf die Brüder
Konrad und Heinrich zurück, die das rechtsrheinische Erbe ihrer Vorfahren unter
sich aufgeteilt hatten. Konrad hatte das Zähringer Erbe im Breisgau, Heinrich den
Besitz im mittleren Schwarzwald und die Gebiete östlich davon auf der mittleren
Schwäbischen Alb erhalten. Konrad von Freiburg trug einen Zähringer Namen;
Heinrich – seit 1250 Landgraf in der Baar – nannte sich „von Fürstenberg“ und war
Heinrich von Neuffen nachbenannt, dem Großvater von Mutterseite her. Beide
Namen beendeten die bei ihren agnatischen Vorfahren seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts bestehende Sitte, den Leitnamen „Egino“ zu verwenden; später haben ihn
die Grafen von Freiburg und die Fürstenberger in der Form „Egon“ wieder aufgegriffen.
Frankreich war besiegt und, lt. Wortlaut des Waffenstillstandes von Juni 1940, kollaborierendes Land. Bis 1944 war es demnach unvorstellbar, dass Frankreich zu den Siegern des Zweiten Weltkrieges zählen könnte. Bei der Yalta-Konferenz (Februar 1945) und auf Beharren von General De Gaulle änderten die alliierten Machthaber (Großbritannien, USA und UdSSR) ihre Position und ließen Frankreich an den Verhandlungen teilnehmen. Der Waffenstillstand wurde am 8. Mai 1945 unterzeichnet. Im nächsten Monat begann die Besatzung.
Wer immer sich mit "badischer Geschichte" befasst, der wird für sich selbst und für seine Leser klären müssen, welchen Raum er zu beschreiben gedenkt. Zahlreiche Autoren haben
diese Aufgabe auf recht verschiedene Weise gelöst. Vor allem waren es historische Jubiläen, die den Anlass dafür boten, sich mit "Baden" zu beschäftigen, so wie dies in den Jahren 2002 und 2006 der Fall war, als man der 200. Wiederkehr der Schaffung des Kurfürstentums und des Großherzogtums Baden gedachte – wie übrigens auch des Nachbarlandes Württemberg, das wie Baden zum Kurstaat und danach zum Königreich erhoben wurde. Zum ersten Großherzog wurde der
bisherige Markgraf Karl Friedrich von Baden, dessen 200. Todestag im Jahr 2011 wiederum den Anlass zu einem Jubiläum bot, das den Gründer des modernen Baden feierte. Diese Daten markieren denn auch den tiefgreifendsten Einschnitt, den es in der neuzeitlichen Geschichte des deutschen Südwestens und auf der Landkarte der deutschen Länder gegeben hat. Erst seit diesem Zeitpunkt gibt es das
Land Baden in jenen von nun an festliegenden Grenzen, die alle politischen Veränderungen bis zum 2. Weltkrieg überdauert haben,
In einem Rückblick auf seine Anfangszeit als Justizminister der provisorischen Regierung, die in Folge der Revolution 1918 in Baden in die politische Verantwortung gelangt war, schreibt der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Marum: "Als ich Minister geworden war, hatte ich den Eindruck, daß meine Ministerherrlichkeit nicht länger als 24 Stunden dauere. Ich habe das Gefühl gehabt, daß wir auf außerordentlich schwankendem Boden uns bewegten." Diese Einschätzung der eigenen Situation nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 im Deutschen Reich und in Baden war nicht unbegründet. Denn die am 10. November 1918 im Karlsruher Rathaus von einem sogenannten Wohlfahrtsausschuss und dem Karlsruher Soldatenrat zusammengestellte elfköpfige neue badische Regierung saß zunächst einmal zwischen allen Stühlen.
Aus Anlass und für die Dauer der Sonderausstellung hat das Schloss sein Gesicht verändert: Vor dem Haupteingang erhebt sich ein haushohes Gerüst aus Eisenstangen, das mit bunter Kunststoff -Folie bespannt ist. Darauf sieht man die gelbliche Schlossfassade in hellem Grau abgebildet, also sozusagen kopiert. In der Mitte zeigt diese Installation eine riesengroße rote Kuckucksuhr mit einer Öffnung aus der ein roter Teppich herausleckt. Der ist für den Ankömmling ausgerollt und leitet ihn zum Eingang, wenn er nicht gerade vom Wind hochgewirbelt wird. Zum Glück ist das Schlossportal aber auch noch über die Rampen rechts und links erreichbar.
Frühsommer 1945: Deutschland lag in Trümmern. Das "Dritte Reich", das für sich beansprucht hatte, für alle Zeiten die Geschicke Deutschlands und der "ganzen Welt" zu bestimmen, war in einem Inferno von Tod und Unrecht in sich zusammengebrochen. Nun stand als zentrale Frage im Raum: Wie konnte nach diesem Krieg, den man in Deutschland als "totalen" Krieg bezeichnet hatte, ein Frieden aussehen? War dieses Deutsche Reich, war dieses deutsche Volk überhaupt friedensfähig, hatte es nach Auschwitz noch das Recht, einen Platz in der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen einzunehmen? Gleich nach Kriegsende begannen die Alliierten mit dem Wiederaufbau Deutschlands, der mit der Entfernung von Nazi-Strukturen einherging.
Der Bodenseeraum zählte nicht zu den Stammgebieten des markgräflichen Hauses Baden. Erst durch die "napoleonische Flurbereinigung" der Jahre 1802 bis 1806 gelangte Baden zunächst durch die Säkularisierung in den Besitz der Reichsklöster Salem und Petershausen. Erst seit 1806 erstreckte sich das neu geschaffene Großherzogtum Baden bis an den mittleren Bodensee. Die Ausstellung im Schloss Salem thematisiert zum einen die Eingliederung des Bodenseeraumes in den neuen badischen Staat, zum anderen die Hinwendung von Mitgliedern
des Hauses Baden zur Bodenseeregion.
Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
Rede des Direktors des Badischen Landesmuseums zur Eröffnung der Landesausstellung am 16. 6. 2012
(2012)
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Generalbundesanwalt, sehr geehrter Prinz Bernhard, sehr geehrte Familie von Baden,
meine Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass das Badische Landesmuseum mit Ihnen heute das 900jährige Jubiläum Badens feiern darf. Das Badische Landesmuseum ist zwar vielleicht – trotz unserer 350 000 Sammlungsobjekten – nicht das größte unter den Museen Baden-Württembergs, wenn auch letztes Jahr wieder das bestbesuchte trotz der damaligen Baumaßnahmen im und vor dem Schloss; es ist aber gewiss das internationalste. Durch unsere
Antikensammlung und das Engagement für die orientalisch-islamischen Kulturen kooperieren wir mit Museen in Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei, Tunesien und jetzt insbesondere Algerien und produzieren entsprechende Ausstellungen. Deswegen vernachlässigen wir aber keineswegs die Kernaufgaben im Bereich der badischen bzw. oberrheinischen Geschichte, Kunst und Kultur. Das zeigt der heutige Tag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
eine alte Redensart lautet: "Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!« In diesem Jahr feiern wir nicht nur den 60. Geburtstag Baden- Württembergs, sondern auch 900 Jahre Baden. Ich bin gerne in die alte badische Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe gekommen, um mit Ihnen die Jubiläumsausstellung "Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes" zu eröffnen. Eine Ausstellung, die uns breit und facettenreich, mit vielen Geschichten und Objekten zeigt, was Baden geprägt hat und ausmacht. Die zentrale Frage lautet: Wie wurden wir, was wir sind?
Sehr geehrter Markgraf von Baden, sehr geehrte Markgräfin von Baden, sehr geehrte Markgräfliche Familie, meine Damen und Herren!
I. "Baden … - … Württemberg" – unser Land trägt zwei große Namen. Der erste ist seit 900 Jahren Ihr Name, Königliche Hoheit, Markgraf Max! Und er ist ein wirklich großer Name. Das sage ich als Vertreter der Ersten Staatsgewalt eines republikanischen Staatswesens. Und ich hoffe, Sie und Ihre Familie empfinden meine Feststellung so, wie sie gemeint ist: als politische Ehrbezeugung!
Im Jahre 1844 wurde nach nur vier Amtsjahren überraschend der hoch angesehene Direktor des Offenburger Gymnasiums,
Professor Franz Weißgerber, durch Erlass des Großherzogs in Karlsruhe entlassen. Er hatte 1840 als dienstältester Professor
die Stelle von seinem Amtsvorgänger Professor Josef Scharpf, dem ersten Direktor des neuen großherzoglich-badischen
Gymnasiums (1832-40), übernommen und sie jahrelang mit innovativer Energie und Weitblick ausgefüllt. Er war auch verantwortlich für die Organisation der großen Offenburger Jubiläumsfeierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der badischen Verfassung im Jahre 1843, einer Art erstem Freiheitsfest in der mittelbadischen Kleinstadt. Die Rede, die Weißgerber damals als Leiter des Festkomitees in der Schulaula des Gymnasiums, dem Bankettsaal des „Salmen", gehalten hat, war den vor Ort mithörenden Spitzeln des Großherzogs offensichtlich zu weit gegangen: Weißgerber war als führender Vertreter der städtischen Liberalen auch entschieden für die verfassungsmäßigen Rechte das Volkes eingetreten, - er wurde an das Lyzeum im residenznahen Rastatt strafversetzt. Ehe er hier an dem festungsgesicherten neuen Schulort seinen Dienst antrat, musste er sich in seiner ersten Amtshandlung schriftlich verpflichten, als Staatsdiener „dem Großherzog getreu, hold und gehorsam" zu sein.
Zu Ostern im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs erreichte 1918 das Städtische Museum in Offenburg eine ungewöhnliche Postsendung. Das Päckchen war abgesendet worden „ von einem alten Offenburger aus den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, der seine ersten Unterrichtsjahre an der dortigen Volksschule und Gymnasium erhalten hat, der stets gerne jener Zeiten gedenkt, der heute mit hoher Verehrung das Emporblühen der Stadt Offenburg sympathisch begrüßt". Auf einem ebenfalls beigefügten bräunlichen Foto signiert der Absender als „Gebhard Gagg, Maler und Historiker in Konstanz, Ritter vom Zähringer Löwenorden, aetatis suae 80 J. 1918". Zu sehen ist er auf der Postkarte als eine lesende Gelehrtengestalt vor einer Fensterbank mit wallender Mähne im Gerhard-Hauptmann-Stil.
Über die Deportation der badisch-pfälzischen Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940 ist bereits vieles gesagt und geschrieben
worden. Und immer noch gibt es da und dort weitere erhellende Quellenfunde zu machen. Warum haben beispielsweise die Offenburger Bürgerinnen und Bürger so wenig Protest eingelegt gegen die Vertreibung ihrer jüdischen Nachbarn? Was
für eine Stimmung herrschte in der Stadt am Vorabend des Geschehens vom 22. Oktober?