943 Geschichte Deutschlands
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Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
Die Bürgerversammlung am 27. Februar 1848 im Aulasaal des alten Jesuitengymnasiums in Mannheim war das "erstes Ereignis der deutschen Revolution" (P. Blastenbrei). Nach der Nachricht der Abdankung und Flucht des "Bürgerkönigs" Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 24.02.1848, reagierte Mannheim "als erste badische und damit auch erste deutsche Stadt" (P. Blastenbei) auf die Ereignisse in Paris. Am Sonntag, den 27. Februar nahmen auf Einladung von Struve und Hoff über 2500 Personen an einer Volksversammlung im Aulasaal teil. Dort wurden die vier "Märzforderungen" beschlossen: Volksabstimmung mit freier Wahl der Offiziere, Pressefreiheit, Schwurgerichte nach dem Muster Englands und Herstellung eines deutschen Parlaments.
Zu den traditionellen konstitutiven Elementen einer badischen Identität wie gemeinsamen sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen
oder konfessionellen Erfahrungen und vor allem der Zugehörigkeit zu einem hierarchisch gegliederten Personenverband mit der Herrscherfamilie an der Spitze, kam im 19. Jahrhundert die rechtliche und weitgehend auch politische Egalisierung der Badener auf der
Grundlage einer modernen Verfassungsordnung hinzu. Welche Bedeutung die Zeitgenossen diesem neuen konstitutiven Element
badischer Identität zumaßen, lässt sich anhand der Feiern aufzeigen, die zu den Jubiläen der badischen Verfassung von 1818 veranstaltet
wurden: zunächst in einem zeituntypisch kurzen Erinnerungszyklus von 25 Jahren sowie nach 50 und 100 Jahren jeweils in besonderen
politischen Krisenkonstellationen, in denen der Fortbestand der Verfassung in hohem Maße gefährdet erscheinen konnte.
900 Jahre Baden?
(2012)
Eigentlich hat es sich ja längst herumgesprochen: Das 900jährige Jubiläum, das in diesem Jahr mit einer großen Ausstellung des Badischen Landesmuseums und üppigem Rahmenprogramm begangen wird, ist kein Landes- sondern ein dynastisches Jubiläum. Nicht das Land und schon gar nicht sein Name werden in diesen Tagen 900 Jahre alt, vielmehr trat vor 900 Jahren die Dynastie, die dieses Land bis 1918 regierte, zum ersten Mal unter dem Namen Baden in Erscheinung – einem Namen, der in Wirklichkeit sehr viel älter ist.
Rede des Direktors des Badischen Landesmuseums zur Eröffnung der Landesausstellung am 16. 6. 2012
(2012)
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Generalbundesanwalt, sehr geehrter Prinz Bernhard, sehr geehrte Familie von Baden,
meine Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass das Badische Landesmuseum mit Ihnen heute das 900jährige Jubiläum Badens feiern darf. Das Badische Landesmuseum ist zwar vielleicht – trotz unserer 350 000 Sammlungsobjekten – nicht das größte unter den Museen Baden-Württembergs, wenn auch letztes Jahr wieder das bestbesuchte trotz der damaligen Baumaßnahmen im und vor dem Schloss; es ist aber gewiss das internationalste. Durch unsere
Antikensammlung und das Engagement für die orientalisch-islamischen Kulturen kooperieren wir mit Museen in Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei, Tunesien und jetzt insbesondere Algerien und produzieren entsprechende Ausstellungen. Deswegen vernachlässigen wir aber keineswegs die Kernaufgaben im Bereich der badischen bzw. oberrheinischen Geschichte, Kunst und Kultur. Das zeigt der heutige Tag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
eine alte Redensart lautet: "Man muss die Feste feiern, wie sie fallen!« In diesem Jahr feiern wir nicht nur den 60. Geburtstag Baden- Württembergs, sondern auch 900 Jahre Baden. Ich bin gerne in die alte badische Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe gekommen, um mit Ihnen die Jubiläumsausstellung "Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes" zu eröffnen. Eine Ausstellung, die uns breit und facettenreich, mit vielen Geschichten und Objekten zeigt, was Baden geprägt hat und ausmacht. Die zentrale Frage lautet: Wie wurden wir, was wir sind?
Sehr geehrter Markgraf von Baden, sehr geehrte Markgräfin von Baden, sehr geehrte Markgräfliche Familie, meine Damen und Herren!
I. "Baden … - … Württemberg" – unser Land trägt zwei große Namen. Der erste ist seit 900 Jahren Ihr Name, Königliche Hoheit, Markgraf Max! Und er ist ein wirklich großer Name. Das sage ich als Vertreter der Ersten Staatsgewalt eines republikanischen Staatswesens. Und ich hoffe, Sie und Ihre Familie empfinden meine Feststellung so, wie sie gemeint ist: als politische Ehrbezeugung!
Der Bodenseeraum zählte nicht zu den Stammgebieten des markgräflichen Hauses Baden. Erst durch die "napoleonische Flurbereinigung" der Jahre 1802 bis 1806 gelangte Baden zunächst durch die Säkularisierung in den Besitz der Reichsklöster Salem und Petershausen. Erst seit 1806 erstreckte sich das neu geschaffene Großherzogtum Baden bis an den mittleren Bodensee. Die Ausstellung im Schloss Salem thematisiert zum einen die Eingliederung des Bodenseeraumes in den neuen badischen Staat, zum anderen die Hinwendung von Mitgliedern
des Hauses Baden zur Bodenseeregion.
Frühsommer 1945: Deutschland lag in Trümmern. Das "Dritte Reich", das für sich beansprucht hatte, für alle Zeiten die Geschicke Deutschlands und der "ganzen Welt" zu bestimmen, war in einem Inferno von Tod und Unrecht in sich zusammengebrochen. Nun stand als zentrale Frage im Raum: Wie konnte nach diesem Krieg, den man in Deutschland als "totalen" Krieg bezeichnet hatte, ein Frieden aussehen? War dieses Deutsche Reich, war dieses deutsche Volk überhaupt friedensfähig, hatte es nach Auschwitz noch das Recht, einen Platz in der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen einzunehmen? Gleich nach Kriegsende begannen die Alliierten mit dem Wiederaufbau Deutschlands, der mit der Entfernung von Nazi-Strukturen einherging.
Aus Anlass und für die Dauer der Sonderausstellung hat das Schloss sein Gesicht verändert: Vor dem Haupteingang erhebt sich ein haushohes Gerüst aus Eisenstangen, das mit bunter Kunststoff -Folie bespannt ist. Darauf sieht man die gelbliche Schlossfassade in hellem Grau abgebildet, also sozusagen kopiert. In der Mitte zeigt diese Installation eine riesengroße rote Kuckucksuhr mit einer Öffnung aus der ein roter Teppich herausleckt. Der ist für den Ankömmling ausgerollt und leitet ihn zum Eingang, wenn er nicht gerade vom Wind hochgewirbelt wird. Zum Glück ist das Schlossportal aber auch noch über die Rampen rechts und links erreichbar.
In einem Rückblick auf seine Anfangszeit als Justizminister der provisorischen Regierung, die in Folge der Revolution 1918 in Baden in die politische Verantwortung gelangt war, schreibt der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Marum: "Als ich Minister geworden war, hatte ich den Eindruck, daß meine Ministerherrlichkeit nicht länger als 24 Stunden dauere. Ich habe das Gefühl gehabt, daß wir auf außerordentlich schwankendem Boden uns bewegten." Diese Einschätzung der eigenen Situation nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 im Deutschen Reich und in Baden war nicht unbegründet. Denn die am 10. November 1918 im Karlsruher Rathaus von einem sogenannten Wohlfahrtsausschuss und dem Karlsruher Soldatenrat zusammengestellte elfköpfige neue badische Regierung saß zunächst einmal zwischen allen Stühlen.
Im Rahmen des vom Dreiländermuseum in Lörrach initiierten "Netzwerks Museen" erinnert das Historische Museum der Pfalz in Speyer ab dem 29. Mai 2014 mit einem "Historischen Schlaglicht" innerhalb seiner Dauerausstellung an die 100. Wiederkehr des Beginns des Ersten Weltkrieges. Thema und Titel sind "1914–1918. Die Pfalz im Ersten Weltkrieg". Vielerlei historische Anknüpfungspunkte werden wiederentdeckt, die verschollen oder zumindest verschüttet waren. Zu diesen historischen Anknüpfungspunkten gehört die "Pfälzische Kriegssammlung", die während des Ersten Weltkrieges im Historischen Museum der Pfalz zusammengetragen wurde.
Der Erste Weltkrieg bedeutete einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung der Stadt Karlsruhe. Bald mussten Frauen die eingezogenen Soldaten in bis dahin typischen Männerberufen ersetzen. Kriegsgefangene wurden für landwirtschaftliche Arbeiten und bei der Lebensmittelverteilung eingesetzt. Die Stadt gab nun Lebensmittelmarken für Brot und Mehl aus, die Versorgungskrise erreichte 1917/18 ihren Höhepunkt. Dem Rohstoffmangel versuchte man durch Beschlagnahmungen von Metallgegenständen entgegenzuwirken. Schon bald nach Kriegsbeginn war Karlsruhe zur Lazarettstadt geworden. Die Zeitungen veröffentlichten zahlreiche Todesanzeigen und Verlustmeldungen. Über die Ereignisse an der Front wurde die Bevölkerung offiziell nur über von der Kriegspropaganda gesteuerte Nachrichten informiert. Bald erreichte der Krieg aber auch die Stadt direkt, denn die frontnahe Stadt wurde am 15. Juni 1915 erstmals Ziel eines schweren Luft angriff s. Im November 1918 hatte Karlsruhe 14 Luft angriff e mit 168 Toten hinter sich und war damit die deutsche Stadt mit den höchsten Verlusten in der Zivilbevölkerung. 5510 Karlsruher und Karlsruherinnen verloren in der Stadt und an der Front ihr Leben.
Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich die Gemeinde Brühl mit ihrem Ortsteil Rohrhof in der Phase der Erweiterung und Entwicklung. Daneben hatte die Luftschiffbau Schütte-Lanz OHG mit dem Jungfernflug des Luft schiff es SL II neue technische Maßstäbe in der Luft fahrt gesetzt. Die Niederschrift im "Buch der Gefallenen" ermöglicht es dem heutigen Betrachter, aus der gebotenen Distanz von 100 Jahren die soziale Tragweite der Einberufungen und Kriegsverluste einzuschätzen.
Mehr als andere Städte im Deutschen Kaiserreich lässt sich Freiburg im Ersten Weltkrieg aufgrund seiner Nähe zu den elsässischen Kriegsschauplätzen als "Frontstadt" bezeichnen. Was vielen nicht bekannt ist: Während des Ersten Weltkriegs erlebte die Bevölkerung die meisten Luftangriffe auf eine Stadt im gesamten Deutschen Reich. Diese werden im Rahmen einer Ausstellung im Museum für Stadtgeschichte von Juli bis Dezember 2014, neben dem Lazarettwesen, eines der Spezialthemen sein. Anhand verschiedener Objekte und Lebenserinnerungen wird dargestellt, wie sich die Bombardierungen, zusätzlich zu den "normalen" Kriegsbelastungen, auf den Alltag der städtischen Bevölkerung auswirkten; auch an die knapp 30 Opfer wird dabei erinnert.
Der Erste Weltkrieg spielt im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bis heute eine eher untergeordnete Rolle und stand hierzulande trotz seiner kaum zu unterschätzenden historischen Folgen immer im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Damit steht Deutschland im auffälligen Gegensatz zu seinem Nachbarland Frankreich, wo der Erste Weltkrieg (»La Grande Guerre«) stets als der bedeutendere der beiden Weltkriege galt und dementsprechend die öffentliche Erinnerung an ihn deutlich ausgeprägter ist. Dennoch kann der aufmerksame Betrachter auch heute noch, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs immer wieder auf einzelne Erinnerungsspuren an diesen Jahrhundertkrieg« (Jens Essen) stoßen. So sind hier zunächst die zahlreichen Kriegerdenkmäler auf den Friedhöfen oder öffentlichen Plätzen der Gemeinden und Städte zu nennen, die nach 1918 errichtet wurden und bei denen angesichts der ungeheuren Opferzahlen im Unterschied zu älteren Denkmälern sowohl das Motiv der Heldenehrung als auch des Totengedenkens anzutreffen sind. Überdies verdienen aber auch die vereinzelt anzutreffenden Denkmäler Beachtung, die der privaten Erinnerungskultur zuzuordnen sind und die
uns in Gestalt von Grabmälern, Wegkreuzen oder anderen Zeugnissen im öffentlichen Raum begegnen. Der Beitrag will ausgewählte öffentliche (Kriegerdenkmäler) und private Denkmäler (wie z. B. die Vogesenkapelle bei St. Peter oder einzelne Grabmäler oder Wegkreuze) an den Ersten Weltkrieg aus dem Gebiet des Dreisamtals und des angrenzenden Hochschwarzwalds sichtbar machen und ihre Geschichte freilegen. Anhand von ausgewählten Erinnerungsorten soll so in einem relativ eng umgrenzten geographischen Raum aufgezeigt werden, wie dieses weltgeschichtliche Ereignis in vergleichsweise unscheinbaren und häufig kaum mehr beachteten Zeugnissen unserer Lebenswelt seinen bleibenden Niederschlag gefunden hat. Der Aufsatz beabsichtigt auch einen Beitrag dazu zu leisten, den Blick der Leserinnen und Leser für solche noch immer anzutreffenden Denkmäler des Ersten Weltkriegs zu schärfen und sie im Jubiläumsjahr 2014 in neuer Weise wahrzunehmen.
Der "Neue[n] Badische[n] Landeszeitung" vom 8. Februar 1916 ist zu entnehmen, dass ein eiserner Hirsch "als Wahrzeichen des gegenwärtigen Krieges und des Opfersinnes der Einwohnerschaft" in St. Blasien aufgestellt worden sei. Dieser Beitrag will keine Kriegsschilderung sein, sondern an zwei kleinen, dem Leben einer überschaubaren Gemeinde entnommenen Beispielen Anfang und Ende des von manchen Historikern als "Urkatastrophe" bezeichneten Ersten Weltkriegs aufzeigen: Hier die genagelte Symbolik der Opferbereitschaft , aber erst recht der Leiden und Tragödien (Gefallene und Hinterbliebene, aber auch seelisch und körperlich verletzte Heimkehrer), da der schale Nachgeschmack des Endes und des Überlebens.
"Los von Karlsruhe!"
(2014)
Ende 1949 ließ die Bürger-Kommission des Karlsruher Stadtteils Knielingen ein Flugblatt drucken und verbreiten, in dem sie die Ausgemeindung Knielingens von Karlsruhe forderte. Mit Argumenten, die sich bei näherer Betrachtung nahezu allesamt als unzutreffend herausstellten, versuchte sie die Knielinger Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine Loslösung Knielingens von Karlsruhe ihnen mehr Vorteile einbringen würde als ein Verbleib in der Fächerstadt. Der Aufsatz gibt zum einen den Inhalt des Flugblattes bzw. die Argumente der Knielinger Bürger-Kommission für die Ausgemeindung wieder und zeigt zum anderen die Antwort bzw. Reaktion der Karlsruher Stadtverwaltung, die die Vorwürfe sachlich entkräften konnte, sodass der Ausgemeindungsversuch über ein Strohfeuer nicht hinauskam.
"Umschulung"
(2013)
Dieser Text ist in einer französischen Original-Version 2010 unter dem Titel "Umschulung. Témoignages d’instituteurs alsaciens déplacés en pays de Bade (1940–1945)" erschienen. Der Verfasser widmet diese deutsche, gekürzte Version seinen deutschen Freunden und bedankt sich bei seinem Kollegen und Freund Herrn Anton Burkard aus Merzhausen für seine Hilfe bei der Übertragung dieser Fassung ins Deutsche.
Während der deutschen Besatzung Frankreichs wurden elsässische Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland einer sogenannten Umschlung unterzogen. Sie müssen nun nach dem deutschen Lehrplan unterrichten, der ihnen in mehrmonatigen Lehrgängen "beigebracht" wird. Deutsch ist nun Schulsprache und bis 1941 wird auch noch in Sütterlinschrift geschrieben. Es finden auch Lehrgänge für nationalsozialistisches Geschichtsdenken statt. Die mehrmonatigen Aufenthalte bei der Besatzungsmacht sind für viele der jungen Lehrerinnen und Lehrer eine schwere psychische Belastung. Zeitzeugenberichte sind die Grundlage dieses Beitrags.
Karlsruher Heimaten
(2017)
Das Stadtmuseum thematisiert anlässlich der Heimattage sieben "neue Aspekte der Stadtgeschichte" zu Phasen der Konstruktion, der Destruktion und des Management von Heimat in der Stadt. Im Einzelnen sind unter den "Karlsruher Heimaten" Heimat unter der Perspektive des Suchens, Findens, Bauens, Zerstörens, Inszenierens, Instrumentalisierens und Erkundens zu verstehen. Bei den »Heimaten« handelt es sich im Wesentlichen um die Gründung von Siedlungen in zeitlichen Phasen von ca. 1715 (Taglöhnersiedlung) – 1999 (LEA). Zu Orten des Suchens werden auch Orte außerhalb der Stadt gerechnet etwa die Brasilienexpedition von Karl Drais oder die »Colonia Liebig« in Argentinien. Der Themenbereich »Heimat suchen« beschäftigt sich mit den Missernten von 1816/17 und 1846/47 und mit dem Scheitern der Revolution als Anlass für Auswanderung besonders in die USA. Als besonderer Fall kann Karl Drais gelten, der sich 1822 der Brasilienexpedition Georg Heinrich von Langsdorff kurzfristig anschloss.
1. Stadtmuseum: Die Geschichte der Stadt soll anlässlich des Stadtjubiläums »gegen den Strich gebürstet« werden (Flyer). Die Ausstellung setzt sich damit bewusst von einer konventionellen, allzu positiven, hochlobenden Sicht ab. Diese Sicht entspricht einem Trend, alles möglichst mit Augenzwinkern, mit Ironie zu sehen. 2. Pfinzgaumuseum: Die Ausstellung im Pfinzgaumuseum ist mit 15 Stationen kompakter und überschaubarer als die Ausstellung im Karlsruher Stadtmuseum. Die Zeitspanne umfasst Stationen wie 1196 (Tatort Durlach, ein spektakulärer Kriminalfall) und 1689 (Zerstörung der Stadt) und reicht bis 2015 (»Durlach«-Schriftzug am Turmberg a la Hollywood).
Nicht nur unbeschwertes Feiern unter dem Vorzeichen der Heimattage, auch kritisches
Hinterfragen von problematischen Aspekten der Regionalgeschichte gehören in Bruchsal
erklärtermaßen zum Spektrum der Heimattageveranstaltungen 2015. Am Beispiel der
Deportation nach Gurs 1940 (75. Jahrestag) wie auch der Kriegszerstörung von Bruchsal
1945 (70. Jahrestag) umreißt der Beitrag die entsprechenden Bemühungen der Stadt und ihre
historischen Hintergründe.
Heinrich Hansjakob (1837–1916) gehört mit seinen 74 Werken bis heute zu den bekanntesten
Schriftstellern Badens. Der Autor von »Bauernblut« und »Erzbauern« wurde von den
Nationalsozialisten vereinnahmt und seine Bücher als »Blut- und Boden-Literatur» verfälscht.
Manfred Hildenbrand untersucht die Hintergründe dieser Fehlinterpretation.
Im Jahre 1920 gründeten heimat- und geschichtsbewusste Männer und Frauen aus Bruchsal
und Umgebung die, wie man damals noch sagte, »Ortsgruppe Badische Heimat Bruchsal«. Der
Beitrag des heutigen Vorsitzenden Jörg Teuschl gibt einen Überblick über die geschichtliche
Entwicklung der jetzigen Regionalgruppe.
Der Autor befasst sich mit der Frage, was Verlust der Heimat bedeutet, insbesondere auch im
Zusammenhang mit der Verfolgung unserer jüdischen Mitbürger zur Zeit des Nationalsozialismus.
Er zeigt anhand von Beispielen aus Bruchsal, wie derer gedacht werden kann und
muss, denen ihre Heimat genommen wurde.
900 Jahre Ebnet
(2013)
Die Ersterwähnung von Ebnet im Rotulus Sanpetrinus zu ca. 1113 gibt Gelegenheit, Einblick in die Herrschaftsgeschichte des Raumes in der frühen Zähringerzeit zu gewinnen. Der Ort kann indes auf eine weitaus ältere Vergangenheit zurückblicken, die sich in dem Patrozinium der Ebneter Kirche St. Hilarius und St. Remigius spiegelt, spielten diese beiden Heiligen doch im Fränkischen Reich der Merowingerzeit (6./7. Jh.) eine Rolle. Ebnet war damals wie auch später verkehrsgeographisch wichtig durch seine Lage am Übergang von der Rheinebene zum Schwarzwald. Nach der Ortsherrschaft der Herzöge von Zähringen und der Grafen von Freiburg hatten hier im späteren Mittelalter die Snewlin von Landeck das Sagen und verfügten offenbar über ein festes Haus, das 1493 einem Anhänger des elsässischen Bundschuh zeitweise Asyl gewährte.
Das Stolpersteinprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig hat inzwischen über die Grenzen Deutschlands hinaus Verbreitung gefunden. Freiburg war die erste süddeutsche Stadt, in der auf Betreiben der Initiatorin Marlis Meckel diese – vom Rat der Stadt einstimmig beschlossene – ungewöhnliche Form des Gedenkens realisiert wurde. In den mehr als zehn Jahren des Bestehens der Freiburger Stolperstein-Initiative sind 350 Stolpersteine meist vor den ehemaligen Wohnungen der Opfer des NS-Terrors in der Stadt verlegt worden. Angesichts der Monstrosität der NS-Verbrechen werden auch in Zukunft mit der Unterstützung der Bevölkerung und der Medien weitere Verlegungen für die Angehörigen der betreff enden Opfergruppen (neben jüdischen Verfolgten und Ermordeten u. a. auch politische Widerständler, Zeugen Jehovas, Euthanasieopfer Deserteure, Homosexuelle) stattfinden.
Nach dem Herrschaftswechsel von 1368 blieb Freiburg (mit kleinen Unterbrechungen) rund 450 Jahre bis 1803 unter der Herrschaft der Habsburger. In dieser langen Periode wurde u. a. die Universität gegründet (1457), der Münsterbau vollendet (1513), das "Alte Rathaus" und das "Historische Kaufhaus" errichtet. Die Stadt wurde aber auch in viele Kriege Habsburgs mit Frankreich verwickelt, zur Festung umgebaut und z. T. schwer geschädigt. Besonders reich ist Freiburg an Bauwerken (bes. Kirchen und Kapellen) aus dem 18. Jahrhundert. Die Reformen von Maria Theresia und Joseph II. brachten Impulse der Aufklärung hierher, u. a. durch die Einführung der Schulpflicht. 1806 wurden Freiburg und der Breisgau von Napoleon dem neuen badischen Staat übertragen. Die Stadt beteiligte sich an der politischen Modernisierung des badischen Großherzogtums u. a. als Zentrum des Frühliberalismus (mit Rotteck und Welcker) und Mitwirkung an der badischen Revolution von 1848/49. Durch die Hochindustrialisierung erlebte die Stadt ein kräftiges Wachstum, ohne zu einem Industrieort zu werden. Besondere Bedeutung als badische Stadt erlangte Freiburg in den Jahren nach 1945 als Hauptstadt und Regierungssitz des Landes (Süd-)Baden. Nach der Neugliederung im deutschen Südwesten schuf das Land Baden-
Württemberg den Regierungsbezirk Freiburg mit dem Regierungspräsidium in der Stadt.
In der kleinen Stadt Zabern, französisch Saverne, im Elsaß mit ihren rund 9000 Einwohnern lagen vor dem ersten Weltkrieg zwei
Bataillone des Infanterieregiments Nr. 99 der reichsdeutsch-preußischen Armee. Zahlreiche Zaberner Einwohner lebten von dem
hier stationierten Militär; dementsprechend deutschfreundlich war auch die öffentliche Meinung am Ort. Zabern war der einzige
Wahlkreis des Reichslandes Elsaß-Lothringen, von dem ein Vertreter einer reichsdeutschen Partei in den Berliner Reichstag entsandt
wurde. Im übrigen wählte das Volk in den ehemals französischen Gebieten, die vom neu gegründeten Deutschen Kaiserreich 1871
annektiert wurden, durchweg eigene Parteien, die der Unzufriedenheit mit der staatsrechtlichen Situation des Landes Ausdruck gaben.
Wirtschaftlich ging es der Region nicht schlecht, sie nahm an der Konjunktur der "Gründerzeit" teil. Viele Bauten aus der damaligen
Zeit zeigen das heute noch, besonders in Straßburg.
Die Amerikaner spalteten beim Zuschneiden der Besatzungszonen die südwestdeutschen Traditionsländer. Frankreich bemühte sich – im Blick auf die erwünschte Besatzungszone entlang des Rheins – vergebens um Revision. Auch die südbadische Regierung bemühte sich um die Wiederherstellung Badens. Es wird gezeigt, wie General Koenig beim Amerikaner Clay auf Granit beißt und wie Paul Zürcher als Vertreter Leo Wohlebs im Ländergrenzenausschuss der westdeutschen Ministerpräsidenten (August 1948) zwar eine Niederlage abwendet, aber keinen Erfolg erzielt. Der Kampf der Badener um die Wiederstellung ihres Staats war verloren, als die Befürworter des »Südweststaats« im Dezember 1951 den badischen Volkswillen durch Abstimmungsgeometrie überspielen und den vom Bundesverfassungsgericht erkannten Anspruch auf Volksentscheid nach Art. 29 GG über 13 Jahre verzögern konnten.
Zwischen Karlsruhe und Rom
(2013)
Der Kulturkampf, jene im 19. Jahrhundert verbissen geführte Auseinandersetzung um "liberale" Politik und die Trennung von Staat und Kirche, wirkt im kollektiven Bewusstsein der Katholiken bis heute nach. Angesichts der Folgen, die er für die Betroffenen, im Klerus wie im "einfachen Kirchenvolk" hatte – zahlreiche Beispiele sprechen eine deutliche Sprache –, verwundert dies nicht. Doch das Bild, das der Kulturkampf in der Rückschau bietet, ist e benso wenig einheitlich, wie es »die Katholiken« waren, sondern hängt entscheidend vom jeweiligen Blickwinkel ab. Und auch die bleibenden Folgen sind selbst aus kirchlicher Sicht keineswegs ausschließlich negativ.
Ganz schön aufgeweckt
(2015)
In dem Buch »100 Jahre für Baden« ist ein ausführlicher Bericht über die Geschichte der Regionalgruppe Karlsruhe im 20. Jahrhundert enthalten. Besonders hervorgehoben wird die rege Veranstaltungstätigkeit unter den Vorsitzenden Dr.
Eberhard Knittel (1951–1987), Reg.-Dir. Udo Theobald (1987–1992) und OStR Jörg Vögely (1992–2002). In den fünfziger Jahren gab es manchmal bis zu drei Veranstaltungen im Monat und die Mitgliederzahl war auf fast 1000 gestiegen. Nach einer Vakanz im Vorstand im April 2002 wurde am 9. April 2003 ein neuer Vorstand gewählt. 1. Vorsitzender wurde der Stadtrat Dr. Hans-Jürgen Vogt, als Stellvertreter wurde Prof. Dr. Siegfried Rietschel gewählt und Elisabeth Schraut M.A. übernahm die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Kennzeichnend für die Markgrafen von Baden erscheint während des gesamten
Mittelalters eine prekäre Zwischenposition am unteren Rand des Fürstenranges.
Diese Problematik bestimmte maßgeblich die Herrschaft sbildung und die Handlungsspielräume
der im Grenzbereich zwischen fürstlichem und nichtfürstlichem
Hochadel angesiedelten Familie. Überblickt man ihre Geschichte von der Formierung
des Geschlechts im 12. Jahrhundert über die Phase der Erbteilungen des
14. Jahrhunderts bis ins 15. Jahrhundert einschließlich der Herrschaft Markgraf
Christophs I., so erreichten die Badener gegen Ende des Beobachtungszeitraums
– im engen Anschluss an das Königtum – zwar schließlich einen Höhepunkt ihrer
Macht, doch blieb ihre fürstliche Rangstellung letztlich stets prekär. Es ergibt
sich somit ein ausgesprochen dynamisches Bild des Auf und Ab einer Familie im
beständigen Kampf um die Wahrung ihrer fürstlichen Rangstellung.
"Wir haben in der Revolution mit den Dynastien restlos aufgeräumt, aber die Grenzpfähle haben wir stehen lassen. Das ist zweifellos eine Unterlassungssünde der Revolution …" Mit diesen Worten forderte der Mannheimer Reichstagsabgeordnete Oskar Geck im Jahr 1920 eine Zusammenlegung der Länder Baden und Württemberg und gehörte damit zu den Initiatoren einer schon in der Weimarer Zeit überaus rege geführten Diskussion über die territoriale Gestaltung des deutschen Südwesten. Der Vortrag beleuchtet zunächst die politische Entwicklung in Baden in den Jahren 1918/19 und zeigt auf, weshalb es erst im Gefolge der Revolution zur Diskussion über eine Territorialreform kam. In einem zweiten Teil werden diese Diskussion, ihre Protagonisten und die Argumente Für und Wider einer Südweststaatsgründung in den 1920er Jahren erörtert.
Der Beitrag gilt den Grundlagen, die Baden im Lauf des 19. Jahrhundert zu einem wirklichen Musterland im Deutschen Reich werden ließen und öffnet Perspektiven, die auch in unsere Gegenwart hinein reichen: mit den Umrissen des starken Staates, mit einem modernen Beamtenrecht und einer loyalen wie auch aufgeklärten Beamtenschaft , mit einem Rechtssystem, das sich das volle 19. Jahrhundert hindurch bewährte und schließlich mit einer Verfassung aus liberalem Geist, auf deren Grundlage das Land, wenn nicht zur Schule, so doch zu einer Vorschule der Demokratie in Deutschland werden konnte.
Der Beitrag untersucht die zentralen programmatischen Stellungnahmen der badischen Revolutionäre aus den Jahren 1848/49 unter der Fragestellung, welche staatspolitischen Ziele sie verfolgten und welche Bedeutung nationale und regionale Perspektiven in diesem Kontext hatten. Der Schwerpunkt liegt dabei im Mai und Juni 1849, als es den badischen Revolutionären zunehmend schwerer fiel,
Konzepte für eine Republikanisierung Deutschlands zu entwerfen, und folglich ein badisches Sonderbewusstsein stärker zur Geltung kam.
In den badischen Markgrafschaften verlief die Reformation sehr zögerlich und in stetem Auf und Ab. In den oberrheinischen Territorien trafen lutherische, calvinistische und gegenreformatorische Ideen aufeinander und konnten sich je nach regierendem Markgraf unterschiedlich stark behaupten. Erst mit dem Westfälischen Frieden 1648 war die Konfessionalisierung abgeschlossen: Baden-Durlach mit den Gebieten der unteren und der oberen Markgrafschaft war hinfort
evangelisch, die Markgrafschaft Baden-Baden katholisch.
Nach dem Kriege war die Bäderstadt Baden-Baden zum Verwaltungssitz für die französischen Besatzungstruppen erhoben worden. Von nun an lebten unzählige Franzosen und Deutsche auf recht engem Raum nebeneinander, so dass sich mannigfache persönliche Kontakte anbahnten. Dies führte dazu, dass im Frühjahr 1956 die Deutsch-Französische Gesellschaft gegründet wurde. Sie bietet bis heute eine Plattform für zahllose freundschaftliche Begegnungen. Und jetzt konnte der Verein sein 60-jähriges Bestehen feiern. Da der Verfasser, damals junger Gerichtsreferendar, die Anfänge miterlebt und mitgestaltet hatte, wurde er vom Vorstand gebeten, Rückschau zu halten. Hier der Wortlaut seines Vortrages.
Der Deutsche Städtetag bietet eine Übersicht an, die laufend aktualisiert wird und in der für 2015 19 Städte genannt sind, die in diesem Jahr ein Stadtjubiläum feiern. Angeführt wird diese von Bitburg, das auf eine 1300-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die am 17. Juni 1715 gegründete Stadt Karlsruhe kann da altersmäßig natürlich nicht mithalten und nur das vor 150 Jahren zur württembergischen Stadt Weingarten erhobene vormalige Altdorf verhindert, dass Karlsruhe in dieser Liste auf dem letzten Platz steht. Trotz seines jugendlichen Alters hat Karlsruhe aber schon eine, wenn auch – vor allem wegen des Jubiläumsjahrs 1915 – nicht ungetrübte Tradition von Stadtjubiläen aufzuweisen. Im Folgenden soll diese Tradition vor allem
unter dem Aspekt des Ertrags für die Stadtgeschichtsschreibung und des jeweiligen Beitrags des Stadtarchivs vorgestellt
werden.
Karlsruhe und Baden-Baden
(2015)
Karlsruhe ist mit seinen 300 Jahren Stadtgeschichte eine junge Stadt. Als solche fühlt sie sich auch, leichtfüßig, mit tiefer badischer Bindung, aber eben ohne tradierte, historische Verwurzelung. Diese »Leichtigkeit« der Jugend ist es aber gerade, die den deutlich älteren Teilen der Stadt zuweilen missfällt. So fühlen sich Grötzingen mit den amtlichen Wurzeln seit 935 n. Chr. und vor allem die alte Residenz Durlach nicht nur als Vorfahren, sondern quasi als Mütter von Karlsruhe. Auch wundert sich so manche historisch reich entfaltete Stadt der Region über diese »jugendliche Unbeschwertheit« Karlsruhes, wie zum Beispiel
Bretten mit seinem berühmtesten Sohn Philipp Melanchthon (1497–1560), Bruchsal, seit dem ausgehenden Mittelalter Sommerresidenz der Speyrer Bischöfe, Ettlingen mit seiner reichen römischen Vergangenheit oder Rastatt und Bühl, die beide auf eine annähernd 1000-jährige Geschichte zurückblicken können.
Die Ausstellung ist in mehrfacher Weise bemerkenswert. Einmal handelt es sich um einen »Zugang eigener Art« zu »Prinz Max und seiner Welt«. Prinz Max (1867–1929) wird zentriert um prominente Persönlichkeiten, mit denen er in intensivem Austausch stand. »Wir lassen ihn
sich spiegeln in der Welt, die ihn umgab, um beides – den Prinzen und seine Welt – besser zu verstehen.« (S. 12). Prinz Max spiegelt sich
nicht nur in seinen Partnern und Brieffreunden, sondern zieht auch Projektionen auf sich. »Prinz Max zog viele Projektionen auf sich, seine Gesprächspartner reichten von ganz rechts bis in die linke Mitte«. »Die Welt sah viele Gesichter an ihm«. Das »originelle Konzept« (Bernhard Prinz von Baden) ist eine Möglichkeit, sich »der vielschichtigen und der schwer greifbaren Persönlichkeit« des Prinzen (S. 11) zu nähern.
Im Jahre 1960 wird die Heimatgeschichte von Heidelsheim herausgegeben. Unterlagen aus dem Nachlass von Otto Härdle bestätigen, dass der Autor von 1936 bis 1939 schon einmal versucht hat, seine heimatgeschichtlichen Forschungen in Buchform zu veröffentlichen. Doch kommt das Vorhaben nicht voran. Erst spät erkennt der Autor, dass die NSDAP in das Geschehen eingreift. Langsam konkretisieren sich Einwendungen. Die Bereitschaft des Autors zu Korrekturen führt nicht zu einer Druckfreigabe.
Die Ausstellung »Schlaglichter – 100 Bücher des Jahres 1918« in der Badischen Landesbibliothek
zeigte vom 7. März bis zum 26. Mai 2018 eine Auswahl von hundert Büchern aus diesem Epochenjahr,
das mit dem Untergang der Monarchien und der Auflösung der Vielvölkerreiche zu Ende ging.
Alle Bücher sind entweder im Jahr 1918 neu erschienen – oder aber in einer den Zeitumständen angepassten
Neuauflage erstmals so herausgegeben worden. Es sind Bücher, für die trotz der schwierigen
politischen, militärischen und wirtschaftlichen Lage ein Absatz erwartet werden konnte. Und
auch wenn über vieles, was in diesem Jahr geschah, aus Zensurgründen nichts gedruckt werden
konnte, so sagen doch die Bücher von 1918 eine Menge aus über den Zeitgeist dieser Tage.
Insgesamt 28 Schlaglichter – zusammengestellt zu sechs Themenblöcken – fallen auf die Bücher
des Jahres 1918. Hinzugenommene Postkarten illustrieren die Einzelthemen höchst aufschlussreich.
Erarbeitet haben die Ausstellung sieben Bibliothekare und Bibliothekarinnen der BLB, die jeweils
aus ihrem eigenen Fachgebiet dazu beigetragen haben. So konnten sehr unterschiedliche Blickwinkel
eingenommen und vielfältige Aspekte beleuchtet werden.
Seit der Besiedlung während der Bronzezeit und in der provinzialrömischen Periode hat Wiesloch ein beständiges Gedeihen erfahren. Mit der Marktrechtsverleihung in der 2. Hälft e des 10. Jahrhunderts wurde der Flecken zum ältesten Marktort in Nordbaden und zu einer blühenden Stadt im Spätmittelalter. Die zentrale Lage, der Bergbau und spezifisches Handwerk schufen die Voraussetzungen für eine weitere positive Entfaltung. Etliche Hochs und Tiefs bestimmen die Geschichte der Stadt, aus deren Mauern einige berühmte Persönlichkeiten stammen bzw. in ihr wirkten. Als badische Amtsstadt erfuhr Wiesloch einen rasanten Wandel zum kulturellen und administrativen Mittelpunkt in der Region. Diese fortschrittliche Entwicklung fand ihre Fortsetzung in der Erhebung zur Großen Kreisstadt in den 1970er Jahren und dauert bis heute an.
Der folgende Text ist zuerst in dem Band »Freiburg im Nationalsozialismus«, herausgegeben von Peter Kalchthaler und Tilmann von Stockhausen erschienen. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Rombach-Verlags, Freiburg und des Autors.
Im Herbst 1933 fand im Colombischlössle auf Initiative von NS-Oberbürgermeister Franz Kerber eine »Freiburger Bauausstellung« statt. Der seit 1925 agierende Chef des Hochbauamtes, Joseph Schlippe, hielt zu diesem Anlass eine programmatische Rede zur »hiesigen Baugesinnung in der gegenwärtigen Hoch-Zeit der geistigen Erneuerung und Wiederbesinnung Deutschlands« und gab über die Weimarer Moderne ein vernichtendes Urteil ab: Anderwärts hat man sowohl seitens der freien Architekten wie auch seitens der Bauverwaltungen in den verflossenen 14 Jahren nur allzu willig jeder modischen Sensation nachgegeben und den ganzen Hexensabath mitgemacht, der vom wilden Expressionismus und ›Glasscherbenstil‹ über die Hochhausseuche eines mißverstandenen Amerikanismus zu der öden ›Neusachlichkeit‹ geführt hat.« Nicht aber hier, wo »keiner der Freiburger Architekten etwaige baubolschewistische Sünden schamhaft zu verstecken nötig hatte.
Auch Diedelsheim, der größte der heutigen Brettener Stadtteile, kann 2017 das 1250-jährige Jubiläum seiner urkundlichen Ersterwähnung begehen. Unter dem Adelsgeschlecht der Kechler von Schwandorf und später unter kurpfälzischer Landesherrschaft war die Geschichte von Diedelsheim meist eng mit jener der Stadt Bretten verbunden. Seit 1975 nach Bretten eingemeindet hat sich Diedelsheim zu einem attraktiven Wohnstandort entwickelt, der in baulicher Hinsicht längst mit der Kernstadt zusammengewachsen ist.
Im Jahr 2017 begeht die Stadt Bretten das 1250-jährige Jubiläum ihrer urkundlichen Ersterwähnung im Codex des Klosters Lorsch. Im Laufe der seither belegbaren Stadtgeschichte erlebte Bretten unterschiedliche Landesherrschaft en sowie zahlreiche Höhen und Tiefen bei seiner Entwicklung. Zu den Konstanten der Stadtgeschichte gehörte die Verarbeitung zahlreicher Belagerungen, Eroberungen und Zerstörungen, was mit dazu beitrug, dass die Bevölkerung allem, was von außen kam, lange Zeit mit großer Skepsis gegenüber stand.
Im Gedenkjahr der Reformation wird der Blick auf jene Außenseiter der reformatorischen Bewegung gelenkt, die in jener Zeit als Wiedertäufer verfolgt wurden. Neben der Darstellung ihrer Lehren und Hauptvertreter in Süddeutschland und der Stellungnahmen der führenden Reformatoren wie Melanchthon und Brenz zu ihnen, wird ihre Präsenz im Kraichgau und insbesondere in Bretten dargestellt. Stand am Anfang ein hartes Urteil mit seinen Folgen, so haben sich in der Gegenwart die protestantischen Kirchen und die Täufer, heute Mennoniten genannt, einander in wesentlichen Fragen angenähert.
Die Rolle der Polizeien bei ihrer "Gleichschaltung" in den deutschen Ländern der ersten Monate 1933 wurde durch die vorausgegangene Entwicklung in Preußen, dem gewichtigsten deutschen Reichsland mit der Reichshauptstadt Berlin, geprägt. Die Verhältnisse in den anderen
Ländern unterschieden sich jedoch gegenüber Preußen zumindest in der Zeit zwischen der "Machtergreifung" der NSDAP mit Adolf Hitler am 30. Januar und den Reichstagswahlen am 5. März 1933 beträchtlich. Dies wird nachfolgend durch einen Betrag nachbereitet, der am Beispiel der Polizei in Karlsruhe die Entwicklung in Baden näher beleuchtet. Dort war der Gleichschaltungsprozess, im nationalsozialistischen Schrifttum als "Die Deutsche Erhebung in Baden" deklariert, im Zeitraum von nur einer Woche nach dem Wahltag vollzogen.
»Es blüht im Lande Baden, ein Baum gar wunderbar ... « tönt es auf der Freitreppe des Offenburger Salmen. Eine stattliche Zahl von Sängerinnen und Sängern stimmt aus vollen Kehlen Hoffmann von Fallerslebens Liedtext »Zu Badens Verfassungsfeier 22. August 1843« mit Begleitung der Stadtkapelle an. - Es ist Generalprobe, Freitagabend unter freiem Himmel, einige Schaulustige, letzte Regieangaben, musikalische Korrekturen und etwas Lampenfieber, denn in zwei Tagen beginnt der Freiheitstag in den engen Gassen rund um den Salmen. Und die Proklamation der dreizehn »Forderungen des Volkes in Baden« will am Originalschauplatz mit Verve nachempfunden sein.
Venustempel
(2011)
2010 wurde im Kunsthandel ein druckgraphisches Werk angeboten, das den Titel »Venustempel« trägt. Auf den Bildtext wird wie folgt eingegangen: »Temple en l'Honneur de la Deesse Venus« sowie bez. »Decoration en relief qui a ete executee a Rome en 1747 a l'occasion de la ceremonie de l'hommage que le Royaume de Naples rend au St. Siege«, wohl Darstellung der architektonischen Rekonstruktion eines Venustempels in Rom nach dem antiken Vorbild in Tivoli, nach einem Gemälde
von Claude Lorrain (1600-1682).
Der Hohe Tag
(2011)
Vor vielen Jahren fand ich in der Freiburger Universitätsbibliothek, sowie im dortigen Stadtarchiv verschiedene Schriftstücke zur Geschichte der Riegeler Pfeiferbruderschaft und weil ich selbst einmal ein Spielmann war, so hat mich dieses Thema doch immer brennend interessiert, lange wollte ich etwas dazu schreiben doch nie ist etwas daraus geworden, bis mich Peter Ziegler, Vorsitzender des Geschichtsvereins darauf ansprach bei der Vorstellung des letzten Riegeler Almanach mit der Frage: Stimmt es, dass unsere Pfeiferbruderschaft älter ist als jene zu Breisach? Nun, dem will ich heute nachgehen und habe die Quellen einmal befragt.
»Wer sich auf die Suche nach dem »wirklichen« Hecker macht, muss zunächst einmal zwischen dessen eigener Biographie und dem Kult, der um seine Person, vor allem aber um seinen Namen betrieben wurde, fein säuberlich unterscheiden, um am Ende vielleicht wieder festzustellen, dass sich beide Seiten mitunter nicht trennen lassen, weil der Kult unweigerlich auf die Biographie zurückwirkte.
Johannes Grützke (*30.9.1937)
Dreiteiliges Majolika-Relief
»Morgen brechen wir auf« ( 1997 /98)
(2011)
Hecker kam am 11. April 1848 nach Konstanz. Konstanz und der Seekreis waren eine Hochburg der Liberalen und Demokraten. Am 8. April 1848 ließ Karl Mathy Joseph Fickler, den Herausgeber der »Seeblätter«, verhaften. Nach
der Verhaftung Ficklers waren Friedrich Hecker und Gustav Struve nach Konstanz gereist. Hecker verfasste im Gasthaus »Zum Badischen Hof« (Hussenstraße 13) einen Aufruf an das Volk. Er endete mit den Worten: »Sieg oder Tod für die deutsche Republik! Konstanz im April 1848. Der provisorische Volksausschuss«.
Der Ruhm Karl Friedrichs zu seiner Zeit und in der Zeit danach verdankt sich im Wesentlichen der »Aufhebung der Leibeigenschaft« und der »Antwort auf die Danksagungen des Landes nach der Aufhebung der Leibeigenschaft und einiger Abgaben«. Die Aufhebung der Leibeigenschaft hat Nebenius den »glanzvollsten Lichtpunkt« seiner Regierung genannt. Es scheint deshalb angebracht, die Interpretationen der beiden Dokumente aus verschiedenen Epochen Revue passieren zu lassen. Sie zeigen eine zunehmende Differenzierung in der Beurteilung. » Vom schönsten Abglanz vollkommener
Regentengesinnungen« bis zum »Freiheitsjubel, der in keinem Verhältnis stand zum tatsächlichen Ausmaß der Befreiung«.
Das Reskript gewährte »allen in der Gerichtsbarkeit des Markgrafen unterstehenden Landbewohnern die uneingeschränkte Freitzügigkeit und sprach sie von allen daran hängenden Abgaben und Taxen los«. (S. Fiedler)
»Den Höhepunkt des Reformprogramms bildete die am 23. Juli 1783 verfügte »Aufhebung der Leibeigenschaft« (S. Fiedler). Carl Friedrich unterzeichnete den Erlaß am 4. August 1783, dessen Gültigkeit wohl der einfachen fiskalischen Handhabung wegen auf den 23. Juli zurückdatiert wurde (ein Quartal nach Beginn des Rechnungsjahres).
Die Literatur über Karls Friedrich und seine Zeit füllt Regale. In den letzten Jahren sind zusätzliche Publikationen erschienen, die diese Epoche der Umbrüche noch detaillierter und damit durchsichtiger beschrieben haben. In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird nur in Erinnerung an seinen Todestag skizziert, wie sich ein Regent in dieser Periode voller Umbrüche verhalten hat, wohl verhalten musste.
Anlässlich der im Jahr 2017 erstmals in Karlsruhe stattgefundenen Heimattage Baden-Württemberg konzipierte die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe die Ausstellung »Rheinheimisch
– Ausgewählte Erinnerungsorte am Oberrhein« (Laufzeit vom 8. November 2017 bis 3. Februar 2018), in deren Zentrum zwölf Erinnerungsorte der badischen Region standen.
Bemerkungen zu bürgerlichen Vereinen des 19. Jahrhunderts und möglichen Formen im 21. Jahrhundert
(2016)
In den nächsten Jahren ist damit zu rechnen, dass die noch bildungsbürgerlich geprägten Mitglieder der Heimatvereine aus Altersgründen ihre Mitgliedschaft aufgeben. Ist den Vereine
tatsächlich daran gelegen, Mitglieder der Generationen der Jahre 1960 bis 1970 für ihre Arbeit zu interessieren, müssen sie bei ihrer Werbung die Mentalität, Lebensweise und Bedürfnisse dieser Generationen berücksichtigen. Ebenso ist zu fragen, in welcher Form Menschen dieser
Generationen sich gegebenenfalls engagieren. An die Stelle betreuter Mitglieder werden dann zivilgesellschaftlich agierenden Mitglieder treten.
Die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der Republik Baden in der Zeit der Weimarer Republik
(2016)
Das demokratische Land Baden zwischen den zwei Weltkriegen existierte nicht lange, von 1919–1933. In dieser Zeit erlebte Baden mehr Tiefen als Höhen. Die Tiefen waren die schlechte Nachkriegsentwicklung seit 1918, das Krisenjahr 1923, die Weltwirtschaftskrise von 1929 und
die sich anschließende Auflösung der badischen Demokratie ab 1933. Die erstarkte Konjunktur seit 1924 war ein Höhepunkt in der Entwicklung Badens nach dem Ersten Weltkrieg, als die Zahl der verschiedenen Industriegebiete zu- und die Arbeitslosigkeit abnahm. Nach dem
Zweiten Weltkrieg ist das Land Baden nach anfänglichen Schwierigkeiten, ob es sich mit Württemberg zu einem Bundesland zusammenschließen sollte, mit Württemberg vereinigt ein wirtschaftlich starkes und zuverlässiges demokratisches Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland geworden.
Seit 1409 ist der Kurpfälzer Haupt- und Guldenzoll in Großsachsen an der Bergstraße belegt – die Lage des Ortes im Netz der zur Messestadt Frankfurt führenden Straßen prädestinierte es zur Aufnahme einer Zollstation, die als die einträglichste im Oberamt Heidelberg bezeichnet
wurde. Die hier als Zöllner amtierenden Bediensteten der Kurpfälzer Rechen- oder Hofkammer hatten somit besondere Herausforderungen zu bewältigen. Als Dienstsitz stand den Zöllnern ein herrschaftliches Zollhaus zur Verfügung. Das letzte in seiner Reihe wurde 1728
fertig gestellt. Es steht gegenwärtig vor einer umfänglichen Renovierung.
Schwetzingen
(2016)
Die Stadt Schwetzingen feiert im Jahr 2016 die erste urkundliche Erwähnung als »Suezzingen« im Lorscher Kodex im Jahr 766. Der Eintrag im Lorscher Kodex geht auf die Schenkung einer Frau namens Agana zurück. Agana wäre erstaunt, würde sie ihr damaliges Dorf Suezzingen heute erleben. Im Jahr der 1250-Jahrfeier zeigt sich Schwetzingen als besonders lebenswerte, historische und lebendige Stadt mit großer Aufenthaltsqualität. Die Wurzeln dieser Entwicklung liegen in der Historie und sind über die Jahrhunderte gewachsen; zugleich stellte sich die Stadt immer den Herausforderungen der Zeit und wusste sich sinnvoll anzupassen und zu entwickeln. Der nachfolgende Beitrag versucht, die heutige Stadt zu beschreiben und zugleich die Gründe aufzuzeigen, warum Schwetzingen eine überaus beliebte und lebenswerte Stadt ist. Am Ende wird sich zeigen, dass es sich um eine Kombination von Gründen handelt, die für die Qualitäten des heutigen Schwetzingens ausschlaggebend ist. Lage, Geschichte, Stadtgestaltung, Angebotsstruktur und Mentalität der Menschen waren entscheidend für die überaus positive Entwicklung der Stadt.
Der historische Pfad
(2016)
Seit 25 Jahren laden gläserne Schautafeln an historischen Gebäuden und Plätzen in der Stadt Schwetzingen Besucher und Bürger ein, sich mit der reichhaltigen Geschichte der Spargelstadt zu beschäftigen. Die Tafeln bilden den historischen Pfad, der durch die Telefonstadtführung
»Schwetzingen hören« ergänzt wird. Mit dem Handy kann so die Geschichte ausgewählter historischer Gebäude oder Gedenkstätten im Stadtgebiet und im Schlossgarten erlebt werden.
In Weinheim, so gab der Weinheimer
Schuhmacher Valentin Leonhard am 1. Mai
1855 in einem Verhör vor dem Heidelberger
Stadtdirektor Wilhelmi zu Protokoll, hätten
„die liberalen Sachen“ in den „dreißiger
Jahren“ begonnen. Diese „liberalen Sachen“
und die „liberale Parthei“, von der Leonhard
weiter sprach, werden uns noch zu beschäftigen
haben.
Unter dieser Überschrift gab das Presseamt
der Stadt Karlsruhe am 11. November 1957 bekannt,
dass eine „christlich-jüdische Delegation
aus Karlsruhe“ nach Gurs an der französischspanischen
Grenze gereist war, um sich einen
Eindruck von dem Zustand des Friedhofs des
Lagers Gurs zu verschaffen, in das im Oktober
1940 über 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und
dem Saarland verschleppt worden waren. Dieser
Pressebericht gab die Antwort auf einen Artikel
des als Journalist tätigen Karlsruher Diplomingenieurs
Peter Canisius, Sohn des gleichnamigen
damaligen Präsidenten der Bundesanstalt
für Wasserbau.
In der Weimarer Republik, insbesondere in deren Endphase, wurde die politische Auseinandersetzung in Karlsruhe wie in vielen deutschen Großstädten durch den Gegensatz von Nationalsozialisten und den Vertretern der anderen politischen Parteien beherrscht. Dabei unterschied sich die von beiden Seiten offen gezeigte
gegenseitige tiefe Abneigung qualitativ kaum.
Der Fall Brüsewitz
(2017)
Kurz nach Mitternacht vom 11. auf den 12. Oktober 1896 ereignete sich in Karlsruhe ein Verbrechen, das nicht nur die badische Hauptstadt wochenlang in Atem hielt, sondern in ganz Deutschland, ja selbst im benachbarten Ausland für Gesprächsstoff sorgte. Der Jahrzehnte später als „der rasende Reporter“ berühmt gewordene Journalist Alfred Kerr wähnte sich am 1. November 1896 in der Reichshauptstadt in einer Ära der Brüsewitze zu leben: Der Fall selbst wird hier noch immer so besprochen, als ob er mitten in Berlin und nicht in Süddeutschland
geschehen wäre. Zweimal debattierte der Deutsche Reichstag über den
Mord des Premierleutnants Henning von Brüsewitz an dem Mechaniker Theodor Siepmann und die dahinter stehenden Fragen, ob der Begriff der soldatischen Ehre über den Bestimmungen des Strafgesetzbuches anzusiedeln sei und inwieweit sich das Militär im Deutschen Kaiserreich als Staat im Staate gerierte. Dieser Grundsatzkonflikt, im Prinzip eine Kontroverse zwischen Moderne und Antimoderne, hätte sich leicht – wie das im Jahr 1913 bei der Zabernaffäre der Fall sein sollte – zu einer Verfassungskrise hochschaukeln können.
Rund 15 Jahre nach dem Abbruch der Rastatter Friedensverhandlungen im April 1799 veröffentlichte der großherzoglich-badische Geheime Rat Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Freiherr Drais von Sauerbronn (1755–1830) eine Abhandlung über die damalige Kongresspolizei. Dass sich der Freiherr, der dieses außerordentliche Organ einst befehligt hatte, gerade im Jahr 1814 zur Drucklegung seiner Abhandlung entschied, war kein Zufall. Denn immerhin stand ein neuer Congress für der Deutschen Wohl bevor, der in groesserem Geist, in groesserer
Stadt, einen hoehern Character annimmt und sein Ziel sicherer treffen
wird. Zwar bedürfe dieser anstehende Kongress – so der Verfasser weiter – seiner kleinen Polizey-Geschichte nicht; ihr aber kann der Augenblick günstig seyn, indem man jezt von selbst und gern an ein Congressleben, das vor Kurzem erst unter sehr verschiedenen Umstaenden getrieben und genossen worden, vergleichend zurückdenkt.
Die Pest in Durlach
(2017)
Seuchen mit epidemischen oder gar pandemischen Ausmaßen sind heutzutage in Europa nur aus Medienberichten oder vom Hörensagen bekannt. In der Frühen Neuzeit verursachte jedoch vor allem die Pest relativ zyklisch wiederkehrende, katastrophale Ereignisse, die das Leben der Menschen nachhaltig beeinflussten. Über die Mortalitätskrise hinaus gingen sie mit administrativen, wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und religiösen Folgen für den Alltag einher. Die historische Aufarbeitung gerade der frühneuzeitlichen Epidemien erfuhr in den letzten Jahren verstärkte Zuwendung, weshalb es sich nicht weiter um ein dringendes Desiderat der Forschung handelt. Ein Blick auf die jüngeren Arbeiten zeigt aber auch, dass hinsichtlich der Pestabwehr und des Umgangs mit Epidemien in den süddeutschen Territorien bislang noch keine angemessene Aufarbeitung erfolgt ist.
Einen signifikanten Baustein zur Geschichte der jüdischen Medizin im Spätmittelalter stellt der im Generallandesarchiv Karlsruhe unter der Signatur 67 Nr. 830 Bl. 147r –150v tradierte Vertrag dar, in dem die Territorialherren der Grafschaft Sponheim, der Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, Ludwig V., der Pfalzgraf bei Rhein Johann und der Markgraf von Baden Philipp I., dem Juden Mayer Leui das Recht zusichern, zusammen mit seiner Familie zwölf Jahre unter ihrem Schutz und Schirm in der Stadt Kreuznach zu wohnen und Handel zu treiben.
6. Juni 1494, ein warmer Frühsommertag – König Maximilian I., Nachfolger seines am 19. August 1493 verstorbenen Vaters, Kaiser Friedrichs III., näherte sich am vorgerückten Nachmittag jenes Freitags der Freien Reichsstadt Speyer. Es war der erste Besuch des nun alleinregierenden Königs im Reich, herausragende Festereignisse mit ihren Ritualen und performativen Akten für die Reichsglieder waren damit verbunden und zugleich die Erneuerung ihrer Privilegien, Rechte und Freiheiten.
Berichte von Italienern über ihre Erlebnisse und Eindrücke bei Reisen durch das Rheintal oder östlich davon liegende Regionen sind aus dem Mittelalter nur sehr wenige erhalten. Sehr detailreich in politischen und gesellschaftlichen Belangen sind die Schilderungen der Gesandtschaften an den Hof von König Ruprecht von der Pfalz, die sich in der Chronik des Buonacorso Pitti finden. Von Enea Silvio
Piccolomini, dem späteren Papst Pius II., sind mehrere Schriften mit Beschreibungen deutscher Verhältnisse erhalten, wobei der langjährige Aufenthalt auf dem Konzil in Basel einen Schwerpunkt bildet. Schließlich ist noch die Beschreibung Deutschlands durch den päpstlichen Kollektor Marinus de Fregeno zu erwähnen. Der zufällige Fund von fünf Briefen eines Florentiners, der sich im Jahre 1423 während zwei Monaten zwischen Mainz und der Bodenseeregion aufhielt, ist deshalb ein großer Glücksfall. Sie werden in einem Kodex in der
Biblioteca Nazionale Centrale von Florenz aufbewahrt, der ursprünglich aus dem Privatarchiv der Familie Lanfredini stammt und vor allem Briefe an Orsino Lanfredini aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts enthält. Es fehlen in diesen Texten zwar ausführliche Beschreibungen von Land und Leuten, doch zeigen die Briefe eindrücklich, wie sich ein Fremder in der unbekannten deutschen Umgebung zurechtzufinden versuchte.
Herrschaft bedeutet immer auch, Einnahmen zu erzielen und diese zu verwalten. Trotz aller technischen und wirtschaftlichen Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg unterscheidet sich das Mittelalter in dieser Hinsicht nicht wesentlich von modernen Gesellschaften. So war es auch für die Pfalzgrafen bei Rhein im späten Mittelalter von zentraler Bedeutung, ihre Position in der Region, im Reich und auch in Europa mit einer materiellen Basis zu stützen.
Die heutige Badische Staatskapelle ist aus der Hofkapelle des Markgrafen von Baden-Durlach hervorgegangen, die 1662 am Durlacher Hof gegründet wurde. Sie ist deren lückenlose Nachfolgerin. Im Lauf ihrer Geschichte hat sie viele große Zeiten unter bedeutenden Dirigenten erlebt, aber auch schwierige Phasen durchstehen müssen. Die allgemeine Geschichte des Karlsruher Theaters in der Zeit des Dritten
Reiches ist verschiedentlich aufgearbeitet worden, doch die Badische Staatskapelle ist bislang noch nicht Gegenstand einer speziellen Betrachtung gewesen. Die Bibliothek des Staatstheaters verwahrt unter anderem sämtliche Programmzettel und -hefte sowie die monatlich erschienenen „Bühnenblätter“, deren systematische Auswertung Einblick in den Theater- und Orchesterbetrieb gewährt. Daran und anhand umfänglicher Akten sowohl aus den Beständen des Badischen Staatstheaters als auch des badischen Kultusministeriums im Generallandesarchiv Karlsruhe lassen sich die Ereignisse jener zwölf Jahre unter dem NS-Regime nachzeichnen.
Dass Baden heute noch ein Bollwerk der Demokratie und Republik ist und, dass die deutsche und die badische Republik in Baden fest verankert ist – sah der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Ludwig Marum im Sommer 1924 als eines der zentralen Verdienste der Weimarer Koalition in Karlsruhe an. Im November 1925 resümierte sein Stellvertreter, Leopold Rückert, die gemeinsame Arbeit von Zentrum und Sozialdemokratie in der badischen Regierung mit den Worten: Wir wollen diese Politik fortsetzen, weil sie eine bewährte ist. Die stabile Politik der Weimarer Koalition, so die Überzeugung Rückerts, habe
das Land vor bürgerkriegsartigen Ereignissen wie in anderen Ländern bewahrt: Ich darf daran erinnern, dass die nationalistische Welle an der Schwelle unseres Landes Halt gemacht hat. Wir dürfen heute mit besonderer Genugtuung daran erinnern, dass wir Zustände wie in Bayern niemals gehabt haben und, wie ich hoffe, niemals bekommen werden. Zustände aber, wie wir sie in Hamburg, wie wir sie im Westen unseres Landes, wie wir sie in Mitteldeutschland, in den letzten Jahren beobachtet haben, haben wir in unserem Lande ebenfalls nicht zu verzeichnen gehabt. Ähnlich positiv wie Rückert bewertet selbst im
Jahr 1932 noch der damalige Vorsitzende der Badischen Zentrumspartei, Ernst Föhr, die gemeinsame Zusammenarbeit. Obwohl sich die Koalition inzwischen über die Frage des Badischen Konkordats entzweit hatte, musste Föhr betonen, dass man in 14 Jahren gemeinsam viel fruchtbare Arbeit geleistet habe und man das Land vor Erschütterungen, die andernorts längst eingetreten seien, bewahrt habe.
Im Jahr 2015 beging die Stadt Karlsruhe ihren 300. Geburtstag. Die Stadt zelebrierte dies von Juni bis September als ein großes öffentliches Fest, das mit vielfältigen Veranstaltungen das urbane Leben prägte. Derartige Feste haben neben dem Amüsement, das sie bieten, kulturelle und wirtschaftliche Implikationen, aber auch eine politische Dimension. Denn sie können zur Förderung der Gemeinschaft
beitragen und daher auch system- bzw. gemeinschaftsstabilisierend
wirken. Sie können dies, indem sie gemeinsame Themen der Festteilnehmer aufgreifen, Bezugspunkte oder heroische Vorbilder in Erinnerung bringen. Im Rahmen des Stadtjubiläums von Karlsruhe war dies auch der Fall gewesen, z.B. als in der Eröffnungsveranstaltung des Festreigens am 20. Juni 2015 vor dem Schloss auf den Stadtgründer und andere für die Stadtgeschichte relevante Persönlichkeiten
und Ereignisse Bezug genommen wurde.
1914 befanden sich Straßburg und Kehl im wilhelminischen Kaiserreich und waren durch den Rhein in zwei politische Einheiten getrennt: das Großherzogtum Baden rechts und das Reichsland Elsass-Lothringen links des Flusses. Die wirtschaftliche Einheit blieb aber gewahrt und gefestigt durch die Rheinbrücke und die Tramlinie. Bei Ausbruch des Krieges war das demographische Gewicht beider Städte sehr ungleich. Die Metropole des Elsass’ zählte 180.000, Kehl, das 1910 teilweise noch ländlich geprägt war, nur 9000 Einwohner. Nach dem Ausbruch des Krieges gehörten beide Städte zum Festungsbereich und lebten somit unter dem Befehl des gemeinsamen Festungskommandanten, was öfter den Handel und den Verkehr zwischen beiden Ufern behinderte. Dazu kam noch der politische Unterschied zwischen dem Großherzogtum und dem
Reichsland. Seit Kriegsausbruch wurde die Rheinbrücke stark kontrolliert. Die badischen Staatsangehörigen brauchten eine behördliche Genehmigung, um das Elsass zu betreten, wie auch umgekehrt die Elsässer nicht ohne entsprechende Dokumente den Rhein überqueren durften. Die Truppen, die nach Westen fuhren, wurden an der Brücke informiert, dass sie nun eine „unzuverlässige“ Gegend betreten würden, was die jungen elsässischen Soldaten sehr beleidigte, wie mir ein Augenzeuge aus Obermodern im Hanauerland bestätigte. Wenigstens
blieb der ganze Festungsbereich auf beiden Seiten des Rheins während der vier Kriegsjahre von Bombardierungen und anderen Zerstörungen verschont.
Maria Theresia ist in Österreich omnipräsent – ihre Gemälde, Statuen und Konterfeis zieren öffentliche, private und klerikale Räume. Nach wie vor haben sie und ihr „Image“ einen Platz in der Republik Österreich und seiner post-monarchischen Selbstinszenierung. Staatsgäste und politische Amtsträger posieren mit dem Bundespräsidenten vor ihrem überlebensgroßen Staatsporträt in der
Präsidentschaftskanzlei der Wiener Hofburg, wie jüngst bei dem Abschluss des iranischen Atomabkommens in Wien. Das alte Zentrum kaiserlicher und erzherzoglicher Macht mit seiner habsburgisch-dynastischen Symbolsprache legitimiert auch die moderne demokratische Republik. Die Präsenz der Monarchin aus dem 18. Jahrhundert beschränkt sich nicht auf Wien und Österreich: Auch in den Rathäusern, Gerichtssälen und Museen im südlichen Baden-Württemberg befinden sich Darstellungen der Habsburgerin. Die Häufung von Maria-Theresia-Porträts scheint sich auf den ersten Blick leicht von selbst zu erklären: Ein Großteil der Städte und Landschaften gehörte zu ihren Lebzeiten zu Vorderösterreich, die ehemalige Landesherrin war durch ihr Porträt in den Amtsgebäuden vertreten. Aufgrund ihrer langen Regierungszeit von 1740 bis 1780 wurden besonders viele Gemälde von ihr angefertigt, mal gemeinsam mit ihrem Ehemann Kaiser Franz Stephan, mal gepaart mit ihrem Sohn und Mitregenten Joseph II. 26 Jahre nach ihrem Tod wurde Vorderösterreich aufgelöst und im Wiener Kongress nicht mehr wiederbelebt, die Gemälde blieben entweder aus dekorativen Gründen hängen oder verschwanden auf Dachböden und in Kunstlager.
Seit mehr 30 Jahren beschäftigt sich der Verfasser mit der fränkischen Reichsritterschaft, insbesondere mit ihren im Bauland ansässigen Mitgliedern des Orts – seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Kantons – Odenwald. Gelegentlich musste er sich den Hinweis gefallen lassen, es gebe gewichtigere Forschungsgegenstände als gerade die Reichsritter in einer von allen heutigen Zentren fernab gelegenen Landschaft wie dem Bauland. Volker Press, dessen Arbeiten zur Reichsritterschaft
bahnbrechend waren, hat denn auch einmal gesagt, wer sich mit der
Reichsritterschaft befasse, gerate leicht in den Verdacht, sich mit einem gewissermaßen liebenswerten Kuriositätenkabinett zu beschäftigen.
Als Josel von Rosheim 1530 in Augsburg auf dem Reichstag auftrat, um die Judenschaft im römisch-deutschen Reich vor den Angriffen des Konvertiten Antonius Margerita zu verteidigen, war er bereits zur Führungsfigur geworden. 1529 bei einer Versammlung der Rabbiner und Gemeindevorsteher in Günzburg zum Schtadlan, zum ‚Vorgänger und Befehlshaber der Juden im Reich‘ gewählt, war es ihm gelungen, mit den dort entstandenen Günzburger Takkanot, einem 10-Punkte-Vorschlag zur Regelung des jüdischen Lebens, die dem Kaiser vorgelegt werden sollten, eine grundsätzliche Übereinkunft zu finden, um den Vorwürfen
zu begegnen. Zwar erreichten sie den Kaiser nicht mehr, da der Reichstag bereits zum Abschluss gekommen war, aber die langfristige Wirkung ist nicht zu übersehen: Rosels Bemühungen mündeten schließlich in das berühmte Privileg von Speyer von 1544, in dem der Judenschaft des Reiches umfassender Rechtsschutz gewährt wurde – „das freiheitlichste und großzügigste Privileg, das je den Juden gegeben worden ist“, urteilte Selma Stern: Es bestätigte die bisher verliehenen Privilegien, gestand sicheres Geleit zu, verbot die Schließung von Synagogen und die Vertreibung, schützte gegen die Ritualmordbeschuldigung, erlaubte höhere Zinsen für Kredite und legte fest, dass kein Judenzeichen außerhalb der Wohnorte getragen werden musste.
Ein wichtiges Ereignis für die historische Entwicklung des rheinfränkischen Raumes war zweifellos die Gründung der Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 764. Diese Abtei wurde damals als Eigenkloster von Cancor, dem Grafen im Oberrheingau, zusammen mit seiner Mutter Williswinda gestiftet. Der Klosterort lag auf einer Insel, die sich zwischen zwei Armen der Weschnitz befand. Diese Niederung stellte einen alten Nebenarm des Neckars dar und war daher
ein relativ tiefes Feuchtgelände. Die Stifter übergaben das Kloster ihrem prominenten Verwandten, dem Erzbischof Chrodegang von Metz, dem Primas der fränkischen Reichskirche. Dessen Bruder Gundeland besetzte als erster Abt das neue Kloster mit Mönchen aus Gorze, wo er zuvor Abt gewesen war. Chrodegang erhielt 765 die Reliquien des hl. Nazarius und ließ diese nach Lorsch übertragen, wo sie die Bedeutung der Neugründung steigerten. Im Jahre 774 wurde das Kloster von Altenmünster, das sich ungefähr 500 Meter westlich der späteren
Abtei befand, in feierlicher Inszenierung auf die neue Stelle verlegt. Bei diesem Akt waren Karl der Große, der Mainzer Erzbischof Lul und weitere vier Bischöfe anwesend, was ohne Zweifel auf die hohe Bedeutung dieses Vorgangs und die Ausstrahlung der neuen Abtei hinweist. Karl der Große entschied 772 auch einen Streit zwischen Cancors Sohn und Abt Gundeland um Besitzrechte zugunsten des Klosters. Im gleichen Jahr übergab Abt Gundeland sein Kloster dem mächtigen Frankenkönig und erhielt dafür Immunität und Königsschutz. Damit war Lorsch in die Reihe der Reichsklöster aufgestiegen und Teil der
karolingischen Klosterpolitik geworden.
Zwischen Mars und Minerva
(2015)
Am 7. November 1914 fand im Hauptgebäude der Universität Heidelberg (der heutigen Alten Universität) die öffentliche Antrittsvorlesung des Privatdozenten Wolfgang Windelband statt. Ihr Thema lautete: Habsburg und Hohenzollern. Wolfgang Windelband hatte sich im Sommersemester mit einer Arbeit über die Markgrafschaft Baden im 18. Jahrhundert habilitiert. Dann brach der Krieg aus, und andere Themen waren gefragt, z. B. Habsburg und Hohenzollern. Windelband gab einen Überblick über das schwierige Verhältnis der beiden Dynastien seit dem 13. Jahrhundert, kam aber zu dem Ergebnis, dass man immer aufeinander angewiesen gewesen sei. Schon im 18. Jahrhundert habe man die
Gefahr eines Zweifrontenkriegs empfunden, zumal mit Blick auf die asiatische Großmacht Russland. Österreich habe Zeit gebraucht, seine Aufgabe als Puffer gegen niedrigere Kulturen zu akzeptieren. Nun aber sei der feste Bund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn eine Garantie für den Sieg im gegenwärtigen Krieg und für den künftigen Frieden.
Am 1. Dezember 1503 verstarb Herzog Georg von Bayern-Landshut in Ingolstadt ohne männliche Nachkommen hinterlassen zu haben. Der Tod des Fürsten war ein Ereignis, das heftige Betriebsamkeit auf der diplomatischen Bühne auslöste. Unter Vermittlung Kaiser Maximilians I. wurden Bemühungen zur Schlichtung zwischen den Herzögen von Bayern-München und den Pfalzgrafen bei Rhein unternommen, da beide Anspruch auf das Landshuter Erbe erhoben. Argumentativ war Albrecht IV., das Oberhaupt der Münchener Linie, zweifellos im Vorteil. Er konnte sich auf eine Vielzahl von Urkunden, hier besonders prominent auf die Teilungsurkunde von 1392, sowie auf die agnatische Verbindung zu Herzog Georg berufen. Die Pfälzer hingegen bauten ihre Argumentation
darauf auf, dass die Tochter des Verstorbenen, Elisabeth, den Sohn Kurfürst Philipps, Ruprecht, geheiratet hatte. Bereits 1496 hatte Herzog Georg in seinem Testament die Hochzeit mit einem Sohn des Kurfürsten bestimmt und – gegen die Regelungen in der Teilungsurkunde – festgelegt, dass das Landshuter Erbe durch die weibliche Erbfolge an die pfälzischen Wittelsbacher fallen sollte. In den letzten Jahren vor seinem Tod war der Herzog vor allem darum bemüht gewesen, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Fürstentum nach seinem Ableben über Elisabeth an die kurpfälzische Linie des Hauses kam.
Zwei Kaiser, eine Memoria?
(2015)
Der Speyerer Dom ist einer der bedeutendsten Erinnerungsorte Europas. Seit seiner Stiftung am Anbruch des zweiten Jahrtausends ist er ein christlicher Sakral- und Memorialbau einzigartigen Rangs. Das hat der Dom vor allem seinen Kaiser- und Königsgräbern zu verdanken. Nach der Bestattung seines Stifters, dem ersten Salierkönig Konrad II. (1024–1039), wurde der Dom mit den Begräbnissen der übrigen salischen Herrscher, Heinrich III. (1039–1056), Heinrich IV. (1056–1106) und Heinrich V. (1106–1125), zunächst zur dynastischen Grabkirche und entwickelte sich dann bis in das 14. Jahrhundert mit weiteren
Königssepulturen zur hervorragendsten Herrschergrablege des Heiligen Römischen Reichs. Dementsprechend wurde an diesem symbolträchtigen Ort die liturgische Memoria der toten Herrscher in besonderem Maße gepflegt. Noch Ende des 15. Jahrhunderts sprach der Humanist und Speyerer Domvikar Jakob Wimpfeling bei einer von Kaiser Maximilian I. angeordneten Seelmesse für die verstorbenen Könige in seiner Lobrede vor dem Habsburger und seinem Gefolge sowie weltlichen und geistlichen Dignitären mehrerer europäischer Herrschaftsterritorien vom Dom als dem ruhmvollsten Begräbnisort (sepulture gloriosissimum locum), an dem das Gedächtnis jener Könige rege sei (Hic crebra est illorum regum memoria).
In diesem Beitrag soll der Blick auf eine entscheidende Phase der enger werdenden, von zunehmendem persönlichen Vertrauen zwischen den Beteiligten getragenen politischen Zusammenarbeit zwischen Charles de Gaulle und Konrad Adenauer gelenkt werden. Sie hatte ihren entscheidenden Durchbruch Anfang 1962 in einer Stadt des deutschen Südwestens, in Baden-Baden, erlebt. Die enge und für die weitere Entwicklung der politischen Integration entscheidende Kooperation, die zunächst vor allem von Charles de Gaulle als eine „Union“ beider Staaten angedacht worden war, konnte sich innerhalb weniger Monate auf der Grundlage sehr vertrauensvoller und offener persönlicher Beziehungen zwischen de Gaulle und Adenauer entwickeln. Sie wurde von beiden als Ausdruck ihrer Freundschaft empfunden.
Beim Austausch von schwerverwundeten Soldaten zwischen Deutschland
und Frankreich und bei der Internierung von chronisch kranken Soldaten in der Schweiz im Ersten Weltkrieg handelt es sich um ein sehr komplexes Thema. Zum einen sind die Interessen der deutschen Reichsregierung, insbesondere preußisches Kriegsministerium und Auswärtiges Amt, zu berücksichtigen, denen die Interessen der französischen Seite gegenüberstehen. Es müssen die Mitwirkung der Konstanzer Stadtverwaltung und die Aktivitäten des örtlichen Roten Kreuzes einbezogen werden, beide in Personalunion vertreten durch den
Oberbürgermeister Dr. Hermann Dietrich. Die Abläufe in Konstanz können mit denen in Lyon verglichen werden, wo die Transporte ebenfalls einen Ausgangs- und Endpunkt hatten. Hinzu kommt die Haltung der Schweiz (Regierung, Armee, nationales Rotes Kreuz), die mit den Transporten von Verwundeten durch ihr Land, aber vor allem auch mit der Internierung von Kriegsgefangenen eine gewaltige humanitäre Aufgabe auf sich nahm. Des Weiteren spielen beim Zustandekommen dieser Aktionen das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf und der Vatikan mit Papst Benedikt XV. eine Rolle.
Doch obschon die These von der Quellenvielfalt für große Teile des 20. Jahrhunderts vielleicht zutreffen mag, so zeigt sich auch hier, dass es wohl keine grundsätzlichen Befunde ohne Ausnahmen gibt. Blickt man nämlich auf die nationale Geschichte Deutschlands, so findet sich in der Tat ein Zeitraum im 20. Jahrhundert, in welchem die Quellenlage außerordentlich dünn ist: Für die letzten Tage des „Dritten Reichs“, die Endphase des Zweiten Weltkriegs also, sind die Quellenbestände keineswegs so üppig wie man dies allgemein für das 20. Jahrhundert annehmen könnte. Noch kritischer wird die Quellenlage, wenn explizit lokal- und regionalgeschichtliche Fragestellungen in den Blick genommen werden. Diesem Problem will sich die vorliegende Studie ganz bewusst stellen, indem exemplarisch die Region Freiburg im Frühjahr 1945 in den Blick genommen wird. Es soll nachfolgend der Versuch unternommen werden, das Ende des Zweiten Weltkriegs und die ersten Wochen der Besatzungszeit am regionalen Beispiel zu rekonstruieren. Grundlage dieses Unterfangens ist ein bislang weitgehend unbeachtetes Quellenkorpus kirchlicher Provenienz, der nicht nur die verfügbaren Quellen zum Kriegsende ergänzt, sondern auch neue regionalgeschichtliche Perspektiven auf jene Zeit ermöglicht. Damit versteht sich der vorliegende Beitrag zugleich als ein Beleg für das Potential, welches die Geschichtswissenschaft aus einer verstärkten Beschäftigung mit Quellenbeständen aus kirchlichen Archiven ziehen könnte.
Über die Grundlinien der Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen
1933 und 1945 besteht seit langem Klarheit: Das breit entfaltete, pluralistische Zeitungswesen der Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten in mehreren Wellen drastisch beschnitten und inhaltlich in ein enges Korsett gezwängt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs existierte nur noch ein Bruchteil der Blätter, die es 1932 gegeben hatte – und fast alle davon waren in der Hand der NSDAP. Von „Zeitungen“ war dabei eigentlich kaum noch zu reden. Es handelte
sich nur noch um eine Art Flugblätter mit Durchhaltepropaganda.
In der Herrschaft des Wilhelmitenklosters Oberried bei Freiburg im Breisgau entstand 1296 eines der ältesten bekannten Weistümer. Die grimmsche Weistümersammlung kennt es im Unterschied zu Rechtstexten benachbarter Herrschaften nicht. Das mag ein Grund dafür sein, dass die Forschung der Quelle bisher wenig Aufmerksamkeit schenkte. Ediert wurde der Text allerdings bereits 1883 von Karl Hartfelder in seiner Sammlung Breisgauer Weistümer. Vor allem im Kontext der Beschäftigung mit der Klostergeschichte der Wilhelmiten wurde das Weistum untersucht, so zuerst in der grundlegenden Darstellung Ferdinand Gießlers. Ziemlich genau einhundert Jahre nach seiner Entstehung wurde das Weistum von Oberried erneuert. Der deutlich erweiterte Rechtstext
von 1395 nennt sich Dinckhrodel uber Oberriedt. Der Text ist, gemeinsam mit dem Weistum von 1296 und einem Abschnitt über die Recht in unserm Thall Kapel in einer Papierhandschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert, die sich heute im Freiburger Stadtarchiv befindet. Eine Edition des Dingrodels liegt bisher nicht vor, weshalb hier auf die im Anhang befindliche Transkription Bezug genommen wird, welche vorläufig als Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Text dienen mag. Auch inhaltlich scheint die Quelle beinahe unbekannt
zu sein. Martin Straßburger erwähnt sie im Zusammenhang einer Untersuchung zum Bergbau auf dem Schauinsland und zitiert auch aus ihr. Bedauerlicherweise identifiziert er den Dingrodel von 1395 mit dem älteren Weistum von 1296. Eine eingehende Untersuchung liegt zu keiner der beiden Quellen vor.
Das Feldt. Diarium oder auch Milit. Diarium beginnt am 18. Mai mit dem Eintreffen des Oberbefehlshabers, Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1655–1707), bei der Armee. Es endet mit seiner Abreise am 27. November. Vom 22. September bis zum Ende der Belagerung von Landau am 26. November führte der älteste Sohn Kaiser Leopolds I. (1640–1705, seit 1658 Kaiser) und Römische König Joseph (1678–1711) den Oberbefehl. Ab dem 22. Juni bildeten die dem Markgrafen unterstehenden Truppen den rechten Flügel einer alliierten Armee, zu der als linker Flügel nun ein Armeeteil unter dem Generalkapitän der englischen und niederländischen Truppen, John Churchill 1st Duke of Marlborough (1650–1722) gehörte. Das Feldzugsjournal notiert aber weiterhin im wesentlichen nur die Ereignisse im unmittelbaren Kommandobereich Ludwig Wilhelms.
Der Oberrhein war eine der strategisch wichtigsten Regionen für die schwedischen Operationen während des Dreißigjährigen Krieges. Dennoch fehlen zu diesem Thema bis heute monographische Gesamtdarstellungen. Gewiss sind einzelne regionale und lokale Aspekte, dazu einzelne Zeitabschnitte gut erforscht. Man darf etwa auf die dreibändige Darstellung von Johann Baptist (Jean Baptiste) Ellerbach über den Dreißigjährigen Krieg im Elsass aus den 1920er Jahren verweisen oder auf eine Reihe von Monographien zum Dreißigjährigen Krieg in den württembergischen und fränkischen Territorien. Ganz zu schweigen von der fast unüberschaubaren Zahl von Stadtgeschichten und Ortschroniken,
die z.B. in der Badischen Landesbibliothek mehrere Dutzend Regalmeter
füllen. Aber diese Partikularerzählungen sind in der Regel nicht geeignet, um zu verstehen, warum das Kriegsgeschehen und die damit verbundenen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Entwicklungen der Zeit überhaupt den Oberrhein erreicht haben und warum dieser in seiner Gesamtheit ein unverzichtbarer Brückenkopf für die schwedischen militärischen Operationen gegen Habsburg, die Spanier und teilweise auch gegen Frankreich wurde. Sie stellen, aus der lokalen Perspektive völlig plausibel, das Leiden und die Unverständlichkeit, die Schicksalhaftigkeit und Sinnlosigkeit des Kriegsgeschehens in den
Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Dieser Fokus wurde seit den 1960er Jahren auch durch die Dominanz wirtschafts-, sozial- und alltagsgeschichtlicher Konzeptionen in der deutschen und internationalen Geschichtsschreibung gefördert, die aus der Erfahrung der Staatsversessenheit der Historiographie und der politischen
Wirklichkeit des 19. und 20. Jahrhunderts eine „Geschichte von unten“
und eine „Geschichte vor Ort“ postulierten.
Napoleons Russlanddebakel zählt zu den packendsten Episoden der modernen Geschichte1. Der Berg an Literatur, den Memorialisten, Herausgeber und Historiker während zweier Jahrhunderte darüber aufgeworfen haben, ist kaum überschaubar. Sollten jenseits davon noch gehaltvolle Quellen zu finden sein, die dem Spürsinn der Forscher bislang entgangen sind? Die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, aber sie trügt. Eine ganze Ader solchen Materials zieht sich durch nachlass- und pflegschaftsgerichtliches Schriftgut, das die administrative Abwicklung der Katastrophe abbildet. Der Autor wurde darauf vor einiger Zeit im Zuge von Erschließungsarbeiten im Stadtarchiv Mannheim und im Generallandesarchiv Karlsruhe aufmerksam.
Bei dem Landgut handelt es sich um die kurpfälzische Domäne Kirschgartshausen, unweit nördlich von Mannheim-Sandhofen am Rhein gelegen. Adlige, kirchliche und stadtbürgerliche Eigengüter sind im Südwesten Deutschlands bei der Auflösung der alten Fronhofsverfassung der Karolingerzeit nur in wenigen Residuen erhalten geblieben. Denn die südwestdeutsche Grundherrschaft war
als einer der fünf regionalen Haupttypen der Agrarverfassungen in „den Altsiedellandschaften im Westen und Süden Deutschlands“ vom „Zins- und Rentensystem“ dominiert. Und wie die im Vergleich zur norddeutschen Gutsherrschaft verhältnismäßig wenigen Forschungen zur südwestdeutschen Domänenwirtschaft der letzten Jahre zeigen, entsprach die organisatorische, soziale und wirtschaftliche Struktur jener Güter auch der regionalen Agrarverfassung – freilich nur im Allgemeinen.
Sine ira et studio?
(2014)
Wenn fünf Jahre nach der Beilegung dieses denkwürdigen Streits um Kunst- und Kulturgut aus dem Hofbesitz der Großherzöge von Baden durch den am 6. 4. 2009 geschlossenen notariellen „Vertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Familie von Baden über den Kauf der Schlossanlage Salem und weiterer Kunstgegenstände sowie zur Bereinigung aller streitigen Fragen über die badischen Kunstschätze“ noch einmal auf ihn Bezug genommen werden soll, bedarf dies eigentlich einer Begründung. Einmal benötigt eine solche Rückschau, die man der Öffentlichkeit und sich selbst schuldig zu sein meint, einen gewissen zeitlichen Abstand; zum andern lässt sich nun die Wirkung der
vornehmlich von Juristen, hier aber auch einmal unter Mitwirkung von Historikern (den Autoren dieses Aufsatzes) erstellten Gutachten, die der Ausfechtung bzw. Beilegung dieses Streits zu dienen hatten, wohl abschließend bilanzieren. Die Gutachtertätigkeit dieser Art, bei der die beteiligten Wissenschaftler im Spannungsfeld von öffentlichen und privaten interessen standen, und vor allem die Reaktionen darauf im Landtag von Baden-Württemberg, seitens der Medien, aber auch der Wissenschaft stellte 90 Jahre nach dem Ende der Monarchien in Deutschland ein Stück Zeitgeschichte dar und lässt auch Rückschlüsse
zu auf das Selbstverständnis von Wissenschaft.