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Im frühen 13. Jahrhundert wird der Turm der heutigen Kirche errichtet. Er besitzt
an allen vier Ecken einen ausgebildeten Eckverband und stand ursprünglich allein.
Das Mauerwerk weist im Erdgeschoss keinerlei Hinweis auf weitere Öffnungen auf,
so dass der ursprüngliche Turmzugang an der Ostseite, an der Stelle der heutigen
Öffnung zum Betreten der Empore anzunehmen ist, wie man ihn auf alten Ansichten der Kirche erkennt. Später wurde der heutige Eingang geschaffen, der im
späten 19. Jahrhundert erneuert wurde.
In der nächsten Bauphase entstand das östliche Langhaus vom Choransatz bis
zum ersten Strebepfeiler. Es wurde um die Mitte/Ende des 13. Jahrhunderts
errichtet. Im Innern erkennt man diese Mauern daran, dass sie Rücksprünge haben.
Diese liegen merkwürdigerweise nicht auf gleicher Höhe. Als nächstes wurde im
ausgehenden 13. Jahrhundert das westliche Langhaus gebaut, die Lücke zum Turm
geschlossen und somit dieser in den Bau integriert. Es fallt das Fehlen von Fenstern
an der Nordseite im westlichen Bereich auf. In einer vierten Bauphase wurde in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Polygonalchor mit dem Treppenturm
errichtet.
Im Jahre 1795 sollte der französische Gesandte in Hamburg, der aus Schorndorf stammende Karl Friedrich Reinhard, für ein vom Konvent beschlossenes Nationalinstitut der Künste und Wissenschaften ausländische korrespondierende Mitglieder aus
Deutschland vorschlagen. Auf der Liste, die Reinhard daraufhin nach Paris sandte,
stand an erster Stelle der berühmteste Gelehrte der Zeit, der Königsberger Philosoph
Immanuel Kant. Darauf folgten Professoren aus Göttingen und sonstige norddeutsche Persönlichkeiten, aber auch noch Namen aus seinem heimatlichen Württemberg, darunter Friedrich Ferdinand Drück, der in Stuttgart Geschichte und Geographie lehrte. Durch den Platz auf der Liste ließ Reinhard zwar den Rangunterschied
deutlich werden, aber allein die Nennung der Schwaben war als Auszeichnung zu
werten.
Dieser Friedrich Ferdinand Drück wird in der Oberamtsbeschreibung von 1866
unter die ausgezeichneten Männer gezählt, deren Wiege in Marbach stand. Und er
gehört wie Friedrich Schiller, Tobias Mayer und Karl Georg von Wächter zu jenen,
die ihren Geburtsort schon in früher Jugend verlassen haben. Dass Drück von allen
am wenigsten im Gedächtnis geblieben ist, hängt damit zusammen, dass die Erinnerung an das unmittelbare Wirken eines Lehrers spätestens mit seinen Schülern erlischt.
Eine Sammlung der Briefe dieses Marbachers an verschiedene Empfänger konnte
vor einiger Zeit vom Stadtarchiv Marbach erworben werden. Dadurch wurde es möglich, einiges über diesen Mann zu erfahren, der zu seinen Lebzeiten zu den herausragenden Gelehrten in Deutschland gezählt wurde und den noch 1904 ein Landeskundler den »gediegensten Humanisten, den Württemberg seit den Tagen der
Renaissance hervorgebracht hat« genannt hat.
Während der Restaurierungen der letzten Jahre wurden immer wieder Fußböden
geöffnet und darunter fand sich eingefülltes Fundgut. Merkwürdiges tauchte in den
Gewölbezwickeln über der Kuppel des Spielpavillons auf: Briefe an Corpora! Harve
Grossman, Verpackungen von Süßriegeln wie Milky Way oder Marshmallows und
Luftschutzschilder. Diese Funde sind der Anlass für den Blick in eine Zeit, die man
so gar nicht mit der Geschichte eines Barockschlosses verbindet: Die Ereignisse im
Ludwigsburger Schloss während des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und
der amerikanischen Besatzungszeit in den Nachkriegsjahren.
Den Bau des Ludwigsburger Schlosses verbinden die wenigsten mit der Arbeit
von Sträflingen. Aber bereits im Jahr 1705, ein Jahr nach der Grundsteinlegung des
Schlosses, waren Gefangene in Ludwigsburg dabei, die Fundamente für den Fürstenbau mit Erde auszufüllen und zu planieren.
Der Einsatz von Sträflingen für öffentliche Arbeiten, also beim Bau von Straßen
und Kanälen, von Palästen und Schlössern, war aber keine Erfindung der Herzöge
von Württemberg. Die Wurzeln reichen vielmehr 2000 Jahre weit zurück in die Vergangenheit, in das römische Weltreich rund um das Mittelmeer. Von dort stammt
die lateinische Bezeichnung »opus publicum«, die wörtlich »Öffentliches Werk« oder
»Öffentliche Arbeiten« bedeutet.
"Zum goldenen Waldhorn"
(2001)
»Nachdem der Herzog schon A[nno] 1706 befohlen hatte, man solle den Cavaliersbau abbrechen und versetzen, um solchen für die Arbeitsleute wie auch für
ankommende Fremde zu einem Wirthshaus zuzurichten, so wurde dem Haus der
Schild zum goldenen Waldhorn - das Haus aber vom Herzog einem Beständer
namens Franz Aßleutner in Pacht gegeben.«[1]
Der Ludwigsburger Dekan Zilling war der erste, der, noch handschriftlich, 1777
in seinem Notabilienbuch von der Entstehung des ersten Hauses in Ludwigsburg
außerhalb des Schlosses berichtete. Den ersten Bericht in gedruckter Form lieferte
Christian Friedrich Sattler in seiner 1783 erschienenen Geschichte des Herzogtums Württemberg. [2] In der Folgezeit erwähnten fast alle Chronisten von Ludwigsburg dieses stadtgeschichtlich wichtige Ereignis, ohne jedoch auf die Geschichte des Waldhorns selber näher einzugehen. [3]
Auf heutiger Ludwigsburger Gemarkung lag bekanntlich· im Mittelalter das vermutlich im 7. Jahrhundert entstandene Kirchdorf Geisnang. Im 13 . Jahrhundert
gelangte diese Ansiedlung dann in den Besitz des Zisterzienserklosters Bebenhausen, das aus ihr in der Folgezeit eine Grangie, also einen Wirtschaftshof, machte. [1]
Einer der Gründe für das Kloster Bebenhausen, sich hier niederzulassen, dürfte
der vorhandene Wasserreichtum gewesen sein. Wie alle Zisterzienser galten auch
die Bebenhäuser Mönche als Spezialisten für den Wasserbau. Wo immer es möglich war, errichteten sie an Gewässern Mühlen; in den von ihnen angelegten Teichen und Weihern züchteten sie Fische für ihre Fastenspeisen. [2]
In der spätmittelalterlichen Geschichte von Stadt und Amt Marbach gibt es eine
eigentümliche, rund vierzigjährige Periode. In dieser Zeit, genauer zwischen 1463
und 1504, empfingen die württembergischen Herrscher die genannte Amtsstadt,
die ja bereits 1302 an Württemberg gelangt war, mit mehr als einem Dutzend zugehöriger Dörfer und Weiler [1] vom Pfalzgrafen bei Rhein zu Lehen. Dies ist ein
bemerkenswerter Vorgang, hatte doch zuvor noch kein württembergischer Graf in
einem Lehensverhältnis zur Kurpfalz gestanden. Die neuere Forschung sieht in
dieser »Lehensauftragung« folglich einen Vorgang, der für die württembergisch-pfälzischen Beziehungen von »enormem politischen Symbolwert« gewesen sei. [2]
Simon Meisner (1912-1994)
(2001)
»Voila! Ich will euch eine Geschichte erzählen«, begann Simon Meisner oft, wenn
man ihn nach Erlebnissen und Begebenheiten aus seinem Leben fragte. Geschichte, ob persönliche oder gesellschaftliche, wird erst durch Geschichten, Beispiele oder Biographien lebendig. Der letzte jüdische Lehrer in Freudental war so
ein »Geschichts-Erzähler«. Bis in sein hohes Alter war er als überzeugter, frommer jüdischer Lehrer und Pädagoge aktiv. Durch seine Geschichten erreichte er
mehr als durch Predigten, schrieb man in einem Nachruf über ihn.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Württemberg zahlreiche
Kirchen neu erbaut und viele renoviert, die aus romanischer und gotischer Zeit
stammen. Architekt Christian Friedrich Leins (1814-1892) war an Neu-, Um- und
Anbauten von weit über hundert evangelischen Kirchen in Württemberg entscheidend beteiligt oder nahm mit Ratschlägen und Gutachten Einfluss auf die Gestaltung. Zu seinen Neubauten gehörten unter anderem die Kirchen in Vaihingen auf
den Fildern, Gschwend, Nattheim, Eschental bei Öhringen, Saulgau, Ohmenhausen bei Reutlingen, Schönenberg bei Maulbronn und die Johanneskirche in
Stuttgart. Zwischen 1866 und 1889 war Leins maßgeblich beteiligt an der Restaurierung der historischen Martinskirche Sindelfingen, der Stiftskirchen Tübingen
und Herrenberg, der Michaelskirche Waiblingen sowie der Stadtkirchen Metzingen und Ludwigsburg. Die Renovierungswelle erreichte auch die Klosterbauten in
Maulbronn, Alpirsbach, Lorch, Murrhardt und Bebenhausen, wo überall heute
noch die Spuren jener Erneuerungen zu sehen sind.
Über Sozialfälle in der Biedermeierzeit kann man nur reden, wenn zunächst einmal die Begriffe klar sind. Ein Sozialfall, so sagt ein vor kurzem erschienenes Wörterbuch, ist jemand, der auf Sozialhilfe angewiesen ist. Sozialhilfe ist die Gesamtheit der Hilfen, die einem Menschen in einer Notlage von öffentlicher Seite
gewährt werden und ihm die materielle Grundlage für eine menschenwürdige
Lebensführung geben sollen. Das Wort gibt es erst seit dem Bundessozialhilfegesetz von 1961, wo es als Bezeichnung für alle bis dahin unter den Begriff der
öffentlichen Fürsorge fallenden Leistungen eingeführt wurde.