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Entgegnung
(2023)
Marcel van Eeden wurde am 13. August 2023 in Bernau im Schwarzwald der Hans-Thoma-Preis, der Staatspreis des Landes Baden-Württemberg für Bildende Kunst, verliehen. Für die zeitgleich eröffnende Preisträgerausstellung im Hans-Thoma-Kunstmuseum schuf er mit 1898 eine Serie von 152 Gummidrucken, die er an verschiedenen Orten der Niederlande aufgenommen hatte. 1 Motivisch beziehen sich die Bilder auf eine bis dato wenig bekannte Reise Hans Thomas aus dem Jahr 1898, deren Stationen van Eeden im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen recherchiert hatte. Die von van Eeden bewusst als künstlerisches Mittel eingesetzte zeitgenössische Motivik, die etwa heutige Strandszenen, moderne Windkraftanlagen oder Museumsbesuche umfasst, verdeutlicht die Distanz zum historischen Gegenstand von 1898. Darin vermittelt sich van Eedens kritische Grundhaltung gegenüber den Möglichkeiten und Fallstricken der Geschichtsschreibung. Die Serie beinhaltet zudem eine Reflexion von van Eedens eigener Annäherung an die Vergangenheit, so etwa Bilder von Orten und Personen, die seine Recherchen zu Thoma geprägt haben. Die gewählte Technik des Gummidrucks erzeugt eine Ästhetik vermeintlicher Authentizität des ausgehenden 19. Jahrhunderts und trägt in Konkurrenz zu den zeitgenössischen Bildinhalten ihrerseits zur Skepsis gegenüber historischen Aussagen bei. Unterbrochen wird die Serie von 30 Zitaten von Hans Thoma, von ausgewählten Zeitgenossen und nachrangig auch aus der späteren Sekundärliteratur, mit denen van Eeden eine zweite inhaltliche Ebene eröffnet. Darin geht es um Hans Thomas Kontakte zu völkischen Kreisen im deutschen
Kaiserreich, insbesondere jene zum antisemitischen Kulturtheoretiker Julius Langbehn, dessen Buch Rembrandt als Erzieher (1890) als Grundlagenwerk der völkischen Bewegung gilt. Van Eeden problematisiert auf diese Weise das dominante eindimensionale, rein affirmative Bild Hans Thomas in der Öffentlichkeit, zu dessen Wahrung völkische Sympathien und antisemitische Äußerungen ausgeblendet oder nivelliert werden. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg habe ich für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe die kuratorische Begleitung der Ausstellung 1898 des Thoma-Preisträgers Prof. Marcel van Eeden 2023 in Bernau im Schwarzwald übernommen (Hans-Thoma
Kunstmuseum, Bernau, 13.8.-15.10.2023). Die Ausstellung wurde ergänzt durch eine von mir herausgegebenen Publikation, in dem unter anderem auch ein wissenschaftlicher Aufsatz von mir zum Ausstellungsgegenstand enthalten ist.
Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat Dr. Leonie Beiersdorf für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe die kuratorische Begleitung der Ausstellung 1898 des Thoma-Preisträgers Prof. Marcel van Eeden 2023 in Bernau im Schwarzwald übernommen (Hans-Thoma-Kunstmuseum, Bernau, 13.8.-15.10.2023) und eine begleitende Publikation herausgegeben. Im Zuge der Ausstellung kamen unter anderem neue antisemitische Äußerungen Hans Thomas zum Vorschein, welche eine erneute öffentliche Debatte zum Künstler und der Namensgebung des Preises entzündeten. Über die Benennung des Staatspreises hat die Politik zu entscheiden, nicht die Kunsthalle Karlsruhe. Für 2024, dem Jahr des 100. Todestags des Künstlers, plant die Kunsthalle eine öffentliche Veranstaltung zu den Diskussionen um Hans Thoma und eine konzentrierte Präsentation zu seiner Amtszeit als Direktor der Kunsthalle Karlsruhe. Dr. Christian M. Geyer, im Ruhestand befindlicher Kunsthistoriker in Frankfurt am Main, fühlte sich durch die Diskussionen um den Hans-Thoma-Preis angeregt, nicht nur eine 52-seitige Schrift gegen Marcel van Eeden und Dr. Beiersdorf zu verfassen, sondern diese auch auf diversen fachöffentlichen Plattformen zu publizieren und ungefragt an einen großen Kreis von Mitarbeiter:innen von Museen, Ministerien, Förder- und Freundeskreisen sowie weiterer Privatpersonen in Deutschland und der Schweiz zu verschicken. Da sich die Kunsthalle Karlsruhe grundsätzlich nicht einer öffentlichen Debatte über Hans Thoma und die eigene Arbeit verschließen will, zugleich aber massive Verletzungen von Standards des guten wissenschaftlichen Arbeitens in der Schrift Christian M. Geyers feststellt, und da er der Kunsthalle auch nicht Gelegenheit gab, den aus Sicht des Museums falschen Thesen im Vorfeld seiner Publikation zu begegnen und diese kritisch zu diskutieren, sieht sich die Kunsthalle Karlsruhe nun veranlasst, der an Diffamierung grenzenden Schrift in aller Form öffentlich zu widersprechen. Der Text und das Vorgehen von Christian M. Geyer sind emblematisch für eine Debattenkultur, die anstelle der sachlichen Auseinandersetzung die Beschädigung der Person zum Ziel hat. Falschbehauptungen sind kein Instrument des wissenschaftlichen Diskurses und Angriffe ad personam nicht nur kein guter Stil, sondern tragen nicht
zur Stärkung demokratischer Aushandlungsprozesse bei.
Hans-Thoma-Preis 2023
(2023)
Alle zwei Jahre wird in Baden-Württemberg der Hans-Thoma-Preis an Bildende Künstler*innen verliehen, womit eine Ausstellung in Bernau, dem Geburtsort des Malers Hans Thoma (1839-1924), verbunden ist. Den Preis erhielt am 13.8.2023 der Künstler Marcel van Eeden. Das zuständige Ministerium erklärte: „Erstmals sprach die Jury den Hans-Thoma-Preis einem Künstler zu, der sich der Künstlerischen Forschung verschrieben hat.“ Seine Ausstellung „1898“, erhob den Anspruch, anhand einer Reise von Thoma in die Niederlande „erstmals den problematischen Einfluss des völkisch gesinnten Kulturtheoretikers Julius Langbehn auf Thoma in den Blick“ zu nehmen. Die Kuratorin der Kunsthalle Karlsruhe Leonie Beiersdorf führte die Recherchen durch und schrieb einen Katalogtext. Marcel van Eeden behauptet, dass die Ergebnisse seiner Forschung belegen, dass Hans Thoma Antisemit sei. Er und Leonie Beiersdorf leiteten daraus die Forderung nach Umbenennung des Hans-Thoma-Preises ab. Falls die Forderung nach Umbenennung des Hans-Thoma-Preises Erfolg hätte, würde dies eine Ächtung des Malers bedeuten, die weitgehende Folgerungen in ganz Deutschland hätte. Seine Präsenz in Museen, die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihm, die Benennung von Schulen, Straßen, Apotheken etc. nach ihm würden ebenfalls skandalisiert. Das zuständige Ministerium sagte erst eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft und anderer Akteure in die Diskussion zu. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass es die Umbenennung ohne vorherige Diskussion durchführen möchte. Dieser Artikel vertritt die Meinung, dass die Thesen von Eeden/Beiersdorf falsch sind, dass trotz einzelner problematischer Aussagen von Hans Thoma seine Charakterisierung als Antisemit unbegründet ist und dass der Aktivismus von Eeden/Beiersdorf über den konkreten Fall hinaus problematisch ist. Die kritischen Punkte werden detailliert dargestellt, um Interessierten zu ermöglichen, mit geringerem eigenem Recherche Aufwand in die Diskussion einzusteigen. Da van Eeden von „künstlerischer Forschung“ spricht, und Leonie Beiersdorf in der Praxis ihrer Beiträge gravierend von den Standards kunsthistorischer Forschung abweicht, wird ihre gemeinsame praktizierte Methodik als „Künstlerische Forschung“ bezeichnet und als Fallbeispiel untersucht. Nach heutigem Forschungsstand müssen sich weder Kunstbetrachter*innen noch das Land Baden-Württemberg oder vergangene und zukünftige Preisträger*innen für Hans Thoma und den nach ihm benannten Preis schämen. Eine Umbenennung des Hans-Thoma-Preises ist deshalb nicht erforderlich. Für das dringend notwendige Zurückdrängen des Antisemitismus gibt es heutzutage ganz andere virulente Betätigungsfelder.