Herbst im Elsaß (1927)
- In der Stadt meines Gastfreundes zu Colmar sind die Häuser zweistöckig und weiß; der Dachstock über den Etagen macht ein Knie nach dem Modell des Mansart, nach dem Geschmack der Zeit Ludwigs XIV., einem Geschmack, dessen Größe auch das Gemütliche kennt; der Kniestock ist mit Schiefer bekleidet; vor den Mansarden sitzen im Grau des Schiefers weißgerahmte Fenster wie barock geformte Broschen. Um die Häuser träumen Gärten wache Träume, Gärten im besonnten Zustand einer sanften Verwesung, die, so scheint es, ins Unendliche dauern wird; auf den feinen rötlichen Sandwegen liegen große gelbe, genau geschnittene Platanenblätter. Um die Gärten stehen übermannshohe Mauern; wildes Weinlaub malt eine rote und willkürliche Pracht auf den weißen Putz; es wuchert nach der stillen Straße draußen und wird - wir drinnen merken es - gestreift vom Hut oder von den Fingerspitzen der wenigen, die gehört werden, wenn sie vorübergehen. Die Luft ist klar und mit Zartheit fest; die Luft ist eine durchsichtige Metaphysik voll leise glänzender und innig beruhigender, auch etwas trauriger Versicherungen. Es ist ein freundliches und wehmütiges Vorspiel von Allerheiligen ... Die Erde riecht ein wenig wie auf den Friedhöfen.
Verfasserangaben: | Wilhelm HausensteinGND |
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DOI: | https://doi.org/10.57962/regionalia-21388 |
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch): | Badische Heimat |
Dokumentart: | Wissenschaftlicher Artikel |
Sprache: | Deutsch |
Jahr der Erstveröffentlichung: | 2001 |
GND-Schlagwort: | Hausenstein, Wilhelm 〈1882-1957〉; Colmar |
Jahrgang: | 81 |
Ausgabe / Heft: | 1 |
Erste Seite: | 149 |
Letzte Seite: | 151 |
DDC-Sachgruppen: | 900 Geschichte und Geografie / 900 Geschichte / 900 Geschichte und Geografie |
Zeitschriften: | Badische Heimat / 81.2001 / Heft 1 |
Lizenz (Deutsch): | Creative Commons - CC BY - Namensnennung 4.0 International |