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Was dem Leben dient
(2009)
Vor einigen Wochen erschien in der bekannten französischen Buchreihe „La Pléïade“ eine Auswahl der Werke Johannes Calvins. Martin Luther war schon lange in dieser Serie veröffentlicht worden, ebenfalls in einer Auswahl, aber die Tatsache an sich, dass jetzt auch Calvin in Dünndruck und Ledereinband vorliegt, darf als positives Zeichen gelten. Man sollte jedoch nicht verschweigen, dass im französischen Sprachgebiet das Interesse an Calvin überwiegend zu tun hat mit seiner Bedeutung für die französische Sprache. Calvin war der erste, der in der noch jungen französischen Sprache schrieb, in einem abstrakten, ja sogar wissenschaftlichen Stil. Wo sich andere nur des Lateinischen bedienten, griff er zum Französischen. Auf diese Weise erreichten seine theologischen Anliegen eine weitaus größere Leserschicht als die der hoch
Gebildeten. Er verschaffte sich damit die Möglichkeit, Theologie zu einer Sache der Gemeinde Christi zu machen. Hier liegt ohne Zweifel ein wichtiges und bleibendes Anliegen von großer Bedeutung für den Protestantismus vor: Theologie soll auch
immer Sache der Gemeinde sein. Wenn Theologie nur von akademischem Interesse ist, wird dies zu einem hohen Verlust an Relevanz führen. Dass Calvin seine Institutio selber ins Französische übersetzt hat, bedeutet, dass für ihn der Unterschied zwischen Akademie und weiterem Publikum nicht scharf gesetzt werden kann. Aber was bedeutet das für die heutige Situation des weltweiten Protestantismus?
Wer von oben auf den neu gestalteten Parkhof schaut, kann erahnen, was darunter liegt. Die Fläche des 465m² großen unterirdischen Magazins für Archiv und Bibliothek wird durch die künstlerische Gestaltung der Pflastersteine hervorgehoben. Nach einem Jahr Bauzeit sind das neue Magazin und der Parkhof nun (fast) fertig. In einem Festakt am 30. Juni wurden die Anlagen bereits symbolisch ihrer Bestimmung übergeben. Der Künstler Axel Philipp hat als Motiv für den Parkhof typische Buch- und Aktenrücken in einer in die Horizontale gekippten Regalanlage dargestellt. Im darunter liegenden Magazin, das 650 Kubikmeter Beton und 80 Tonnen Stahl „verschlang“, sind nun 940 Regalmeter frei für Bücher, fast 4.500 Regalmeter, die mit 33.152 Archivschachteln, gefüllt mit Akten, bestückt werden können, sowie 320 Schubladen im Format A1 für Pläne und Karten. Dieser unterirdische Neubau soll zum einen die Magazine der Bibliothek von ihren historischen Buchbeständen entlasten. Zum anderen soll er den Raumbedarf des Archivs langfristig abdecken.
Seit 1819 war Johann Peter Hebel (1760–1826) als erster Prälat der sich formierenden unierten Landeskirche des Großherzogtums Baden nicht nur deren Vertreter in der Ersten Kammer der Ständevertretung, sondern faktisch auch ihr ranghöchster Geistlicher. In dieser Funktion stand es in seinem Aufgabenbereich, zu Fragen des gottesdienstlichen Lebens, der Lehre und des christlichen Unterrichts Stellung zu nehmen. Dies hat er u. a. in zwei Gutachten getan, in denen er sich über die Einführung einer neuen Biblischen Geschichte und die Einführung eines neuen Gesangbuches äußerte.
Strukturveränderungen begegnen uns in allen Landeskirchen, von den überall zu registrierenden Zusammenlegungen von Kirchengemeinden oder Pfarrstellen auf der untersten Ebene bis hin zu Fusionen auf der Ebene der Landeskirchen selbst. Vielfältige Strukturveränderungen sind auch in der badischen Landeskirche in den letzten Jahren zu konstatieren. Jede dieser Strukturveränderungen impliziert in der Folge auch mannigfache Anforderungen an das Landeskirchliches Archiv. Das Landeskirchliche Archiv hat sich mit diesen Fragen zu befassen, weil es zum einen eine zentrale Zuständigkeit in Fragen der Archivaufsicht und der Archivpflege in den Gemeinden und Bezirken wahrnimmt, zum anderen weil es im Rahmen der Bezirksvisitationen mit der Prüfung der Verwaltungen der Mittelinstanzen, also der Dekanate, der bezirklichen Bildungsarbeit und der Verwaltungsämter beauftragt ist. Archivpflege und Verwaltungsprüfungen verschaffen dem Archiv genaue Kenntnis der jeweiligen Strukturen und der damit verbundenen Probleme, die ihm die Entwicklung von Lösungsstrategien und deren Umsetzung (wenn auch leider nicht immer zeitnah) ermöglichen.
Das Staffortsche Buch ist eine im Jahre 1599 gedruckte Bekenntnisschrift des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden–Durlach, mit der dieser seinen Übertritt zum Calvinismus rechtfertigte. Es entstand als Antwort auf das Erscheinen der Konkordienformel 1577, die durch ihre Lehrentwicklung und Festlegung auf die Confessio Augustana (CA) invariata den Reformierten den Schutz des Augsburger Religionsfriedens entzog. Ernst Friedrich konnte die Konkordienformel nicht als verbindliche Interpretation der CA anerkennen, denn damit hätte er den sicheren Boden des Augsburger Religionsfriedens verlassen. Stattdessen bestreitet er, dass die Konkordienformel sich in Übereinstimmung und Kontinuität mit der CA befinde. Das Staffortsche Buch bemüht sich dann auch, die eigene Interpretation der CA mithilfe der Bibel und der Kirchenväter zu belegen und die Abweichungen der Konkordienformel von der CA aufzuzeigen und zurückzuweisen.
Martin Schwarz (1905–1990) war badischer Pfarrerssohn und Pfarrkandidat, wurde dann jedoch wegen der politischen Zeitumstände Schweizer Pfarrer. Bis etwa 1935 war sein Rufname Wilhelm, von da an Martin. Alle Vorfahren von Martin Schwarz väterlicherseits waren seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Pfarrer, damals aus der Schweiz nach Hessen ausgewandert. Zweieinhalb Jahrhunderte später wurde der lutherische Pfarrer Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1766–1837) 1804 aus Hessen als Theologieprofessor an die neu aufgebaute Universität Heidelberg berufen. Von ihm stammten dann in drei Generationen insgesamt sieben badische Pfarrer ab, der letzte war Hugo Schwarz (1872–1927), Vater von Martin Schwarz. Sie amtierten unter anderem, teilweise jahrzehntelang, in Mannheim (Wilhelm Schwarz, von 1823 bis 1873, also 50 Jahre lang Pfarrer in Mannheim), in Heidelberg (Friedrich Schwarz, von 1865 bis 1910, also 35 Jahre lang Pfarrer in Heidelberg) und in Freiburg (Hugo Schwarz, von 1909 bis 1920).
Die Aktenbestände aus alten Zeiten bestehen zumeist aus Anordnungen der Obrigkeit und dem Nachweis ihrer Durchführung oder anderen Reaktionen der nachgeordneten Behörden und Personen. Selten wird „die Stimme des Volkes“ unmittelbar aktenkundig. Dies aber ist der Fall in einer Akte über die Einführung des neuen Gesangbuchs für die Deutsch-reformierten Gemeinden der Kurpfalz im Jahr 1785. Darin befindet sich als Abschrift ein sechs Seiten umfassendes, an die in Mannheim residierende Landesregierung der Kurpfalz gerichtetes Schreiben, das energisch gegen die bevorstehende Einführung des neuen Gesangbuchs protestiert. Es fällt vor allem auf durch die große Zahl von 138 Unterschriften, höchstwahrscheinlich von Gemeindemitgliedern, sowie durch die temperamentvolle und selbstbewusste Art, in der die von unterschiedlichen Perspektiven bestimmten Argumente vorgetragen werden. Als Dokument einer freien Meinungsäußerung seitens des Kirchenvolks und als Beitrag zur Geschichte des Gesangbuchs in der Kurpfalz soll es an dieser Stelle im Wortlaut zusammen mit einem knappen Kommentar veröffentlicht werden.
Liberale Frömmigkeit
(2008)
Am 11. und 12. Januar 2008 fand im „Haus der Kirche“ in Bad Herrenalb die Tagung „Liberale Frömmigkeit. Zur Geschichte der süddeutschen Protestantenvereine im 19. Jahrhundert“ statt. Die Tagung wurde vom Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden und dem Verein für pfälzische Kirchengeschichte unter den Vorsitzenden Johannes Ehmann (Karlsruhe) und Klaus Bümlein (Speyer) gemeinsam organisiert und vorbereitet. Da es in der Geschichte des sogenannten „liberalen Südwesten“ im 19. Jahrhundert zahlreiche Parallelen und Querverbindungen gab, lag eine gemeinsame Untersuchung Badens und der Pfalz thematisch nahe, der in drei Hauptvorträgen und sechs Kurzreferaten nachgegangen wurde. Die Tagung beschäftigte sich mit grundlegenden Fragen zum kirchlichen Liberalismus im 19. Jahrhundert, von denen ausgehend die Protestantenvereine und deren liberale Epiphänomene untersucht wurden. Schließlich sollten neben der primär historischen Fragestellung der Tagung auch die Auswirkungen des kirchlichen Liberalismus bis in die heutige Zeit thematisiert werden.
Beschäftigt man sich mit Gerhard Ritter und dem deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, so werden zwei Sachverhalte schnell deutlich: Zum einen war Ritter einer der wenigen deutschen Historiker, die sich am Widerstand gegen das
nationalsozialistische Gewaltregime beteiligten, und zum anderen war er einer der ersten deutschen Historiker, die nach Kriegsende über den Widerstand publizierten. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit beiden Facetten des Themas und arbeitet dabei vor allem das konservative sowie das christliche Moment in Ritters Denken und Handeln heraus.
Mit dem Erscheinen des sechsten und zugleich Registerbandes der Quellenedition „Die Evangelische Landeskirche in Baden im ,Dritten Reich‘“ im Jahr 2005 wurde eines der großen editorischen Langzeitprojekte der deutschen kirchlichen Zeitgeschichte abgeschlossen. Anders als bei der Dokumentation des württembergischen Kirchenkampfes durch Gerhard Schäfer – für sich genommen eine geradezu singuläre Dokumentationsleistung – steht bei dem im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats Karlsruhe in Kooperation mit dem Verein für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden zustande gekommenen Editionsprojekt nicht die „Kirchenkampf“-Geschichte im engeren Sinn im Vordergrund. Das Karlsruher Projekt hat sich, wie bereits das Geleitwort von Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt zum ersten, 1991 erschienenen Band zeigt, die Kontextualisierung der Auseinandersetzung zwischen Landeskirche und NS-Regime in der Kirchen- und Allgemeingeschichte des 20. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt.