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Kein Glück war ihm beschieden, dem Erbauer des neuromantischen Schlösschens
Remseck. Die nach ihm kamen, stammten aus einem friesischen Grafengeschlecht
und luden gern sich Gäste ein. Bleistiftskizzen und Aquarelle, Gedichte und eher zufällige Bemerkungen schildern das gastfreundliche Treiben hoch über der Remsmündung als ein Idyll, auf weite Strecken ungetrübt vom Lauf der Welt. Zu Anfang
indes war jener Bergsporn alles andere als ein beschaulicher Landsitz. Von einem
Raubnest namens Rems ist gar die Rede, das Philipp von Schwaben anno 1204 hier
ausgehoben habe. Eine Urkunde aus dem Jahre 1286 nennt dann erstmals auch eine
Burg mit Namen Rems.
Die Burg Rems dürfte bereits für den Grafen Ulrich I. eine strategisch wichtige
Rolle gespielt haben, als er nach dem Ende der Staufer die Gunst der Stunde nutzte
und sich Teile des Reichsgutes aneignete. Im Konflikt mit dem Habsburgerkönig Rudolf!. musste Graf Eberhard I. dann freilich klein beigeben und seine beiden stärksten Festen bis 1298 zum Faustpfand geben: die Burgen Rems und Wittlingen. Doch
Eberhard hielt nicht still, so dass sich insbesondere die Reichsstädte in Gefahr wähnten und gegen ihn zu Felde zogen. Über die Burg Rems fielen im Jahre 1311 vermutlich die Esslinger her, um sie dem Erdboden gleich zu machen.
Erst Eberhard II. gelang es, die Macht des Schwäbischen Städtebundes zu brechen.
Zu diesem Zweck ließ er 1360 auch die Burg Rems eilends wieder aufbauen. Als nun
aber die Württemberger nach der Schlacht bei Döffingen 1388 fest im Sattel saßen,
verlor die Burg Rems ihre Funktion als Stützpunkt der gräflichen Macht. Mitsamt
dem dazugehörigen Flecken Neckarrems wird sie nun mehrfach verpfändet. 1436
noch einmal notdürftig in Stand gesetzt, war sie in der Folgezeit offenbar so weit heruntergekommen, dass man ihre Steine 1576 auf den Abbruch verkaufte. Nur der 17
Meter hohe Bergfried mit seinen mehr als klafterdicken Mauern blieb stehen, bis er
1792 in sich zusammenfiel.
»Wir haben seit dem Antritt Unserer Herzoglichen Regierung jedermänniglich schon
zur Genüge überzeugt, wie sehr uns an der weiteren Auf- und Emporbringung Unserer
Haupt- und Residenzstadt Ludwigsburg, samt denen darinn befindlichen Innwohnern
gelegen, und was vor große Bemühungen und Kosten von Uns zu diesem Endzweck
bereits verwendet geworden. Unter dem Beystand des Höchsten ist es auch nunmehro
damit so weit gekommen, daß das dortige Publicum von diesen Unsern Bemühungen
und Sorgfalt die werkthätigste Proben von Tag zu Tag verspührt und die süße Hoffnung
vor sich siehet, in wenig Zeit unter diejenige Innwohnere gezehlet werden zu können,
denen es bey ihrem Fleiß und Arbeit an nichts gebrechen kann und wird.«
Mit diesem nicht gerade bescheidenen Eigenlob leitete Herzog Carl Eugen ein Dekret vom 30. April 1760 ein, in dessen zweiten, entscheidenden Abschnitt er Landsleuten und Fremden durch Gewährung großzügiger Privilegien die Ansiedlung und
den Hausbau in Ludwigsburg schmackhaft machen wollte. Danach sollte jeder Bauwillige neben dem Bauplatz und dem dazugehörenden Garten auch das benötigte
Bauholz unentgeltlich erhalten, wobei allerdings das Schlagen und Heranschaffen
des Holzes - meist aus dem Schwarzwald - auf eigene Kosten zu erfolgen hatte! Ein
Geschenk von mehreren hundert Gulden, ein so genanntes »Don Gratuit«, sollte zur
Deckung der Baukosten dienen, eine zwanzigjährige Abgabenfreiheit war ein weiterer, bei der Steuerwillkür des Herzogs nicht hoch genug einzuschätzender Vorteil.
Auswärtigen wurde außerdem, verbunden mit dem Hausbau, die unentgeltliche Erlangung des Ludwigsburger Bürgerrechts zugesagt.
Anlässlich des Todes von Herzog Carl Eugen von Württemberg, dem Gründer, Eigner und langjährigen Förderer der Ludwigsburger Porzellan-Manufaktur, wurde im
Rahmen einer aufwendigen landesweiten Inventur auch in diesem Betrieb der Stichtagsbestand für alle Waren und Produktionsmittel ermittelt. Dabei wurden neben
einer Vielzahl damals erstellter Inventare für Rohmaterialien, Halb- und Fertigwaren
in einer separaten Liste die noch vorhandenen »Bossier-Formen und Modelle« aufgenommen, die für eine Porzellan-Manufaktur ein wesentlicher Aktivposten waren.
Sie wurde auf drei eng beschriebenen Seiten zum 24. Oktober 1793 zusammengestellt, vom Kassierer Eberhard Johann Friedrich Wider bewertet und vom damaligen
Direktor der Manufaktur, Joseph Jakob Ringler, gegengezeichnet.
Als 52. Zeile dieser Liste findet man etwa in der Mitte der Einzelposten: »6 zu
Gruppen, alß Leda, Diana, Juno und dergleichen«, was bedeutet, dass die Modellhohlformen zu sechs, leider nur teilweise aufgezählten Themen gefunden und erfasst
worden waren. Die Zeilen des Inventariums sind wohl geordnet; ihre Inhalte sind
nach Themen oder Größen zusammengefasst. Ausnahmen hierzu bilden nur die
Schlusszeilen, die bezeichnet wurden mit »unterschiedlichen Galanten Kindern«
oder »unterschiedlichen Historischen Fygurn«.
Ausgiebig wird 2005 des 200. Todestages Friedrich Schillers gedacht. Auch Marbach
begeht das Gedenkjahr mit Veranstaltungen, blickt allerdings schon auf das Jahr 2009,
den 250. Geburtstag Schillers, der für die Geburtsstadt des Dichters sicher das wichtigere Datum ist.
Manche missgönnen Marbach den Ruhm der Geburtsstadt, oft mit dem Argument, Schiller habe nur vier Jahre seines Lebens in Marbach verbracht und sei daher
kein Marbacher. Dem muss ein Familienforscher natürlich energisch widersprechen,
denn Schillers Mutter Elisabetha Dorothea Kodweiß war eine Marbacher Bürgerstochter aus einer seit Jahrhunderten in der Stadt ansässigen Familie. So lassen sich,
auch über mütterliche Linien und einschließlich der Eltern Schillers, mindestens
14 direkte Marbacher Vorfahren nachweisen.
Zur Schillergenealogie gibt es seit über 100 Jahren eine Fülle von Literatur, wovon
der größte Teil im Umfeld der Feier des 100. Todestages im Jahr 1905 entstanden ist.
Zum Teil handelt es sich um seriöse Forschungen, zum Teil werden aber auch gedruckte Forschungsfehler immer wieder abgeschrieben. Hauptsächlich konzentrierte
sich die Forschung auf die Stammlinie Schiller, allenfalls war noch die Familie Kodweiß interessant. Viele Vorfahren aus mütterlichen Linien sind so bis heute nur fragmentarisch erforscht. Eine erste größere Ahnenliste lieferte 1928 Band 55 des Deutschen Geschlechterbuchs.
Es war ohne Zweifel ein eindrucksvolles Schauspiel mit hochrangigen Teilnehmern,
das am Tag der Kreuzerhebung im Herbst, also am 14. September, vor genau 600
Jahren in dem gräflich-württembergischen Amtsstädtchen Marbach am Neckar stattfand. Erzbischof Johann II. von Mainz, Erzkanzler des Heiligen Römischen Reichs
in deutschen Landen und als solcher ein Kurfürst, stand da in großer Runde »mit
unser hande uff unser hertze geleit«. Anwesend bei der Zeremonie waren zwei weitere hochadelige Territorialherren, Markgraf Bernhard I. von Baden und Graf Eberhard III. von Württemberg, sowie zahlreiche Vertreter von Bürgermeistern, Räten
und Bürgern von Straßburg und 17 weiteren Reichsstädten, nämlich Ulm, Reutlingen, Überlingen, Memmingen, Ravensburg, Biberach, Schwäbisch Gmünd, Kempten, Dinkelsbühl, Kaufbeuren, Pfullendorf, Isny, Leutkirch, Giengen, Aalen, Bopfingen und Buchhorn. Diese Herren hatten ihre Finger zum Schwur erhoben (»mit
uffgebotten vingern«) und gemeinsam wurde »gelopt und gesworen«, eine am selben
Tag urkundlich abgefasste Vereinbarung »getriulich, war und stäte« zu halten.
Diese Vereinbarung ist unter der Bezeichnung »Marbacher Bund« bekannt
Im frühen 13. Jahrhundert wird der Turm der heutigen Kirche errichtet. Er besitzt
an allen vier Ecken einen ausgebildeten Eckverband und stand ursprünglich allein.
Das Mauerwerk weist im Erdgeschoss keinerlei Hinweis auf weitere Öffnungen auf,
so dass der ursprüngliche Turmzugang an der Ostseite, an der Stelle der heutigen
Öffnung zum Betreten der Empore anzunehmen ist, wie man ihn auf alten Ansichten der Kirche erkennt. Später wurde der heutige Eingang geschaffen, der im
späten 19. Jahrhundert erneuert wurde.
In der nächsten Bauphase entstand das östliche Langhaus vom Choransatz bis
zum ersten Strebepfeiler. Es wurde um die Mitte/Ende des 13. Jahrhunderts
errichtet. Im Innern erkennt man diese Mauern daran, dass sie Rücksprünge haben.
Diese liegen merkwürdigerweise nicht auf gleicher Höhe. Als nächstes wurde im
ausgehenden 13. Jahrhundert das westliche Langhaus gebaut, die Lücke zum Turm
geschlossen und somit dieser in den Bau integriert. Es fallt das Fehlen von Fenstern
an der Nordseite im westlichen Bereich auf. In einer vierten Bauphase wurde in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Polygonalchor mit dem Treppenturm
errichtet.
Im Jahre 1795 sollte der französische Gesandte in Hamburg, der aus Schorndorf stammende Karl Friedrich Reinhard, für ein vom Konvent beschlossenes Nationalinstitut der Künste und Wissenschaften ausländische korrespondierende Mitglieder aus
Deutschland vorschlagen. Auf der Liste, die Reinhard daraufhin nach Paris sandte,
stand an erster Stelle der berühmteste Gelehrte der Zeit, der Königsberger Philosoph
Immanuel Kant. Darauf folgten Professoren aus Göttingen und sonstige norddeutsche Persönlichkeiten, aber auch noch Namen aus seinem heimatlichen Württemberg, darunter Friedrich Ferdinand Drück, der in Stuttgart Geschichte und Geographie lehrte. Durch den Platz auf der Liste ließ Reinhard zwar den Rangunterschied
deutlich werden, aber allein die Nennung der Schwaben war als Auszeichnung zu
werten.
Dieser Friedrich Ferdinand Drück wird in der Oberamtsbeschreibung von 1866
unter die ausgezeichneten Männer gezählt, deren Wiege in Marbach stand. Und er
gehört wie Friedrich Schiller, Tobias Mayer und Karl Georg von Wächter zu jenen,
die ihren Geburtsort schon in früher Jugend verlassen haben. Dass Drück von allen
am wenigsten im Gedächtnis geblieben ist, hängt damit zusammen, dass die Erinnerung an das unmittelbare Wirken eines Lehrers spätestens mit seinen Schülern erlischt.
Eine Sammlung der Briefe dieses Marbachers an verschiedene Empfänger konnte
vor einiger Zeit vom Stadtarchiv Marbach erworben werden. Dadurch wurde es möglich, einiges über diesen Mann zu erfahren, der zu seinen Lebzeiten zu den herausragenden Gelehrten in Deutschland gezählt wurde und den noch 1904 ein Landeskundler den »gediegensten Humanisten, den Württemberg seit den Tagen der
Renaissance hervorgebracht hat« genannt hat.
Während der Restaurierungen der letzten Jahre wurden immer wieder Fußböden
geöffnet und darunter fand sich eingefülltes Fundgut. Merkwürdiges tauchte in den
Gewölbezwickeln über der Kuppel des Spielpavillons auf: Briefe an Corpora! Harve
Grossman, Verpackungen von Süßriegeln wie Milky Way oder Marshmallows und
Luftschutzschilder. Diese Funde sind der Anlass für den Blick in eine Zeit, die man
so gar nicht mit der Geschichte eines Barockschlosses verbindet: Die Ereignisse im
Ludwigsburger Schloss während des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und
der amerikanischen Besatzungszeit in den Nachkriegsjahren.
Den Bau des Ludwigsburger Schlosses verbinden die wenigsten mit der Arbeit
von Sträflingen. Aber bereits im Jahr 1705, ein Jahr nach der Grundsteinlegung des
Schlosses, waren Gefangene in Ludwigsburg dabei, die Fundamente für den Fürstenbau mit Erde auszufüllen und zu planieren.
Der Einsatz von Sträflingen für öffentliche Arbeiten, also beim Bau von Straßen
und Kanälen, von Palästen und Schlössern, war aber keine Erfindung der Herzöge
von Württemberg. Die Wurzeln reichen vielmehr 2000 Jahre weit zurück in die Vergangenheit, in das römische Weltreich rund um das Mittelmeer. Von dort stammt
die lateinische Bezeichnung »opus publicum«, die wörtlich »Öffentliches Werk« oder
»Öffentliche Arbeiten« bedeutet.
"Zum goldenen Waldhorn"
(2001)
»Nachdem der Herzog schon A[nno] 1706 befohlen hatte, man solle den Cavaliersbau abbrechen und versetzen, um solchen für die Arbeitsleute wie auch für
ankommende Fremde zu einem Wirthshaus zuzurichten, so wurde dem Haus der
Schild zum goldenen Waldhorn - das Haus aber vom Herzog einem Beständer
namens Franz Aßleutner in Pacht gegeben.«[1]
Der Ludwigsburger Dekan Zilling war der erste, der, noch handschriftlich, 1777
in seinem Notabilienbuch von der Entstehung des ersten Hauses in Ludwigsburg
außerhalb des Schlosses berichtete. Den ersten Bericht in gedruckter Form lieferte
Christian Friedrich Sattler in seiner 1783 erschienenen Geschichte des Herzogtums Württemberg. [2] In der Folgezeit erwähnten fast alle Chronisten von Ludwigsburg dieses stadtgeschichtlich wichtige Ereignis, ohne jedoch auf die Geschichte des Waldhorns selber näher einzugehen. [3]
Auf heutiger Ludwigsburger Gemarkung lag bekanntlich· im Mittelalter das vermutlich im 7. Jahrhundert entstandene Kirchdorf Geisnang. Im 13 . Jahrhundert
gelangte diese Ansiedlung dann in den Besitz des Zisterzienserklosters Bebenhausen, das aus ihr in der Folgezeit eine Grangie, also einen Wirtschaftshof, machte. [1]
Einer der Gründe für das Kloster Bebenhausen, sich hier niederzulassen, dürfte
der vorhandene Wasserreichtum gewesen sein. Wie alle Zisterzienser galten auch
die Bebenhäuser Mönche als Spezialisten für den Wasserbau. Wo immer es möglich war, errichteten sie an Gewässern Mühlen; in den von ihnen angelegten Teichen und Weihern züchteten sie Fische für ihre Fastenspeisen. [2]
In der spätmittelalterlichen Geschichte von Stadt und Amt Marbach gibt es eine
eigentümliche, rund vierzigjährige Periode. In dieser Zeit, genauer zwischen 1463
und 1504, empfingen die württembergischen Herrscher die genannte Amtsstadt,
die ja bereits 1302 an Württemberg gelangt war, mit mehr als einem Dutzend zugehöriger Dörfer und Weiler [1] vom Pfalzgrafen bei Rhein zu Lehen. Dies ist ein
bemerkenswerter Vorgang, hatte doch zuvor noch kein württembergischer Graf in
einem Lehensverhältnis zur Kurpfalz gestanden. Die neuere Forschung sieht in
dieser »Lehensauftragung« folglich einen Vorgang, der für die württembergisch-pfälzischen Beziehungen von »enormem politischen Symbolwert« gewesen sei. [2]
Simon Meisner (1912-1994)
(2001)
»Voila! Ich will euch eine Geschichte erzählen«, begann Simon Meisner oft, wenn
man ihn nach Erlebnissen und Begebenheiten aus seinem Leben fragte. Geschichte, ob persönliche oder gesellschaftliche, wird erst durch Geschichten, Beispiele oder Biographien lebendig. Der letzte jüdische Lehrer in Freudental war so
ein »Geschichts-Erzähler«. Bis in sein hohes Alter war er als überzeugter, frommer jüdischer Lehrer und Pädagoge aktiv. Durch seine Geschichten erreichte er
mehr als durch Predigten, schrieb man in einem Nachruf über ihn.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Württemberg zahlreiche
Kirchen neu erbaut und viele renoviert, die aus romanischer und gotischer Zeit
stammen. Architekt Christian Friedrich Leins (1814-1892) war an Neu-, Um- und
Anbauten von weit über hundert evangelischen Kirchen in Württemberg entscheidend beteiligt oder nahm mit Ratschlägen und Gutachten Einfluss auf die Gestaltung. Zu seinen Neubauten gehörten unter anderem die Kirchen in Vaihingen auf
den Fildern, Gschwend, Nattheim, Eschental bei Öhringen, Saulgau, Ohmenhausen bei Reutlingen, Schönenberg bei Maulbronn und die Johanneskirche in
Stuttgart. Zwischen 1866 und 1889 war Leins maßgeblich beteiligt an der Restaurierung der historischen Martinskirche Sindelfingen, der Stiftskirchen Tübingen
und Herrenberg, der Michaelskirche Waiblingen sowie der Stadtkirchen Metzingen und Ludwigsburg. Die Renovierungswelle erreichte auch die Klosterbauten in
Maulbronn, Alpirsbach, Lorch, Murrhardt und Bebenhausen, wo überall heute
noch die Spuren jener Erneuerungen zu sehen sind.
Über Sozialfälle in der Biedermeierzeit kann man nur reden, wenn zunächst einmal die Begriffe klar sind. Ein Sozialfall, so sagt ein vor kurzem erschienenes Wörterbuch, ist jemand, der auf Sozialhilfe angewiesen ist. Sozialhilfe ist die Gesamtheit der Hilfen, die einem Menschen in einer Notlage von öffentlicher Seite
gewährt werden und ihm die materielle Grundlage für eine menschenwürdige
Lebensführung geben sollen. Das Wort gibt es erst seit dem Bundessozialhilfegesetz von 1961, wo es als Bezeichnung für alle bis dahin unter den Begriff der
öffentlichen Fürsorge fallenden Leistungen eingeführt wurde.
»Ich bin zwischen die Zeiten gefallen«, so schildert der schwäbische Literat Hermann Kurz (1813-1873) seine Situation zwischen Revolution und Realismus.[1] Und
so könnte man auch die Umstände beschreiben, in denen die evangelischen Hofprediger zur Zeit Herzog Eberhard Ludwigs - zuerst in Stuttgart, dann später in
Ludwigsburg- ihren Dienst taten: zwischen dem Gebot Gottes und den Gesetzen
des Gebieters, zwischen Thron und Altar, Kirche und Staat, zwischen dem
Lebensgefühl des Barock und der Lebenseinstellung des Protestantismus, zwischen Leben und Tod in der Hof- und Gruftkirche, zwischen der alten Residenz
Stuttgart und der neuen Residenz Ludwigsburg.
Mühlen sind selten geworden, auch in unserer Gegend. Wo vor wenigen Jahrzehnten noch Müller ihrem Handwerk nachgingen, ist inzwischen in den meisten Fällen der Betrieb längst eingestellt, sind Mühlbäche und Mühlweiher zugeschüttet,
dienen die Mühlengebäude als normale Wohnhäuser. Und nicht selten ist sogar das
Mühlengebäude selbst verschwunden, erinnern nur noch Straßen- oder Flurnamen an die ehemalige Ortsmühle. Mit dem Verschwinden der Mühlen gerät
zugleich mehr und mehr in Vergessenheit, welch elementare Bedeutung sie einst
im Wirtschaftsleben unserer Orte, für die Menschen und ihr tägliches Brot hatten.
Die Erinnerung an Mühlen wird häufig reduziert auf romantisch geprägte Vorstellungen von klappernden Mühlen am rauschenden Bach, wie sie in zahllosen
Gemälden bekannter oder auch weniger bekannter Künstler festgehalten sind oder
auch in alten Volksliedern besungen werden.[1] Doch solche Vorstellungen werden
der historischen Wirklichkeit kaum gerecht. Der Blick auf die Fakten lässt nur
wenig Platz für Nostalgie, zeigt vielmehr, dass der Alltag auf den Mühlen geprägt
war von harter Arbeit und in vielen Fällen auch von einem harten Kampf um ein
wenigstens bescheidenes Auskommen.
Im gedruckten Jahresprogramm des Historischen Vereins sind für heute Betrachtungen zum Thema »Der Wein und die schwäbischen Dichter« angekündigt. Darüber einen abendlichen Vortrag halten zu wollen, wäre jedoch geradezu vermessen. Das führte uns von Sebastian Sailer - an die Minnesänger dabei gar nicht
denkend - bis zu Thaddäus Troll, der fürs Schreiben seines Buches »Deutschland
deine Schwaben« für jede geschriebene Seite ein Viertele »Kraftstoff« in Form von
Trollinger, Lemberger, Spätburgunder, Riesling oder Müller-Thurgauer brauchte
oder verbrauchte; das wären fürs ganze Buch, wenn's stimmt, etwa 70 Liter. Also:
Weise Beschränkung unter dem variierten Titel »Schwäbische Dichter und der
Wein«. Das bietet Rückzugsmöglichkeiten, zum Beispiel eben nicht: Die schwäbischen Dichter.
Am 20. Juli 1898 befasste sich der Ludwigsburger Gemeinderat mit dem Projekt
eines Herrn Wandruszka aus Berlin. Der wollte auf eigene Faust eine elektrische
Straßenbahn bauen und betreiben, und zwar von Stuttgart über Zuffenhausen
nach Ludwigsburg, mit Zweiglinien nach Cannstatt und Feuerbach. Doch Oberbürgermeister Hartenstein und sein Kollegium winkten ab: Die Staatseisenbahn
genüge als Verkehrsmittel vollauf, Ludwigsburg wolle nicht zum »Wohnvorort«
Stuttgarts werden. Denn die Hauptstadt war im Begriff, sich einen förmlichen
Industriegürtel zuzulegen. Bald griff sie auch nach Norden aus: In den Jahren
nach 1900 wurden die Neckartalgemeinden von Cannstatt bis Münster nach Stuttgart eingemeindet. Nur Feuerbach verteidigte aufs hartnäckigste seine Selbständigkeit, ließ sich 1907 zur Stadt erheben und baute sogar eine eigene Straßenbahn.
Ludwigsburg hatte also nicht die Absicht, sich für die Verkehrserschließung der
Stuttgarter Außenbezirke einspannen zu lassen. Der Gemeinderat legte sich in
jener Sitzung vom 20. Juli 1898 vielmehr den Plan eines städtischen Straßenbahnnetzes zurecht. Vier Linien sollten sternförmig ins Umland hinaus führen: über
Asperg nach Markgröningen, nach Oßweil und Neckarweihingen sowie via Pflugfelden und Möglingen nach Schwieberdingen. Kamen doch aus all diesen Orten
täglich Hunderte von Pendlern zur Arbeit nach Ludwigsburg, die meisten zu Fuß,
manche wohl schon per Fahrrad.
Ludwigsburg zählte damals rund 20 000 Einwohner, darunter 5000 bis 6000
Militärpersonen. Die Stadt war zwar großzügig angelegt, mit breiten Straßen und
geräumigen Plätzen. Doch auf der Suche nach neuen, produktiv verwertbaren Flächen stieß man bereits allenthalben an die Grenzen der nur 653 Hektar großen
Markung.
Die Geschichte der Gründung des Klosters Mariental in Steinheim an der Murr ist
schon mehrfach thematisiert worden. Zu der von Berthold von Blankenstein und
seiner Gattin Elisabeth durchgeführten frommen Stiftung sind gleich mehrere
urkundliche Zeugnisse überliefert und doch wurde in der Literatur eine »eigentliche Gründungsurkunde« vermisst. In der Tat ist in einem Teil der einschlägigen
Dokumente von der geplanten, in anderen von der bereits vollzogenen Klostergründung die Rede. Gewissermaßen an der Schnittstelle zwischen beiden Gruppen steht jene, heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrte Urkunde, in der
die Stifter Berthold und Elisabeth von Blankenstein eine Reihe von Verfügungen
bezüglich ihrer Stiftung treffen. Einerseits wird in dem Stück eine bereits gegründete Kirche der Nonnen (ecclesiam sanctimonialium, quam ... fundavimus) erwähnt, andererseits wird deutlich, dass Kloster und Klausur noch nicht eingerichtet sind. Bestimmungen hinsichtlich der Klostervogtei, einem im Wortsinn grundlegenden Element der Klosterverfassung, sind ebenfalls hier zu finden. Dies lässt
vermuten, dass unsere undatierte Urkunde zwischen der von Bischof Heinrich
von Speyer am 31. Dezember 1254 ausgestellten Genehmigung für die Klostergründung und Klosterausstattung5 und der am 18. November 1255 vom Propst
von Beutelsbach auf Weisung des Papstes vollzogenen Inkorporation der Steinheimer Pfarrkirche mit allem Zubehör in das Kloster Mariental einzuordnen ist. Da
die Forschung heute bei Gründungsvorgängen allgemein von einem »gestreckten
Verlauf« ausgeht, dürfen wir das von Berthold und Elisabeth von Blankenstein
ausgestellte Dokument, in dem sich der Stifterwille manifestiert, durchaus als
»Gründungsurkunde« des Klosters Mariemal in Steinheim betrachten. Bemerkenswert ist, dass eine Bestimmung der Klostergründer mindestens drei Jahrhunderte überdauert hat: In der 1577 von der württembergischen Klosterhofmeisterei
aufgenommenen Beschreibung der Baulichkeiten im Klosterbezirk findet sich eine
Vorschrift hinsichtlich der Benutzung der Klostermühle in genau der Form, wie
sie 1255 festgelegt wurde.