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Der Willstätter Wald
(2007)
Im 14. Jahrhundert erschien in einem Erbverzeichnis der Herren von Lichtenberg ein Vermerk „bey wylstett ist ein eichen waldt gehört unsern Herren." Verhandlungen über den Waidgang und die damit verbundene Rechte für die Willstätter und die angrenzenden Gemeinden gaben Aufschluss über den Namen und die Lage des „Willstätter Waldes". Der Willstätter Wald war der größte unter den angrenzenden Wäldern und hatte den besten Boden für den Baumwuchs. Der Wald reichte bis wenige hundert Meter an den Flecken Willstätt heran. Dieser Wald, der heute der Domäne gehört, hat eine besondere Geschichte. Im Willstätter Saalbuch von 1482, in dem die Wälder und die darin bestehenden Gerechtigkeiten (Genehmigungen) beschrieben werden, wurde festgelegt, wie viele Schweine von hiesigen Bürgern zur Eichelmast in den Wald getrieben werden durften. Dieses Waidrecht kann nur ein bedingtes Recht gewesen sein. Aus einem Verhör wegen Waidgangsstreitigkeiten zwischen Willstätt und Eckartsweier im Jahre 1512 geht hervor, dass Willstätt das sogenannte Eckerrecht jährlich kaufen musste. Das Eckerrecht und der Kaufpreis wurden mit Eckartsweier geteilt. Im Protokoll dieses Verhörs wurde mehrfach der Willstätter Wald erwähnt.
Ich erinnere mich aus der Kindheit noch sehr gut an jene gewaltigen Kahlhiebe der Nachkriegszeit, die „Franzosenhiebe", an die fremden Holzhauer im Land, an die anschließende Borkenkäferkatastrophe, aber auch daran, dass auf diesen Flächen später Himbeeren in riesigen Mengen wuchsen. Fast 50 Jahre danach sollte ich einen sauber geordneten Bund badischer
Akten vor mir auf dem Schreibtisch finden, der den ganzen Vorgang peinlich genau festgehalten hat. Daraus war auszugsweise zu entnehmen: ,,Zur Behebung der Kriegsschäden in Frankreich und als Ausgleich der hohen Einschläge der deutschen Verwaltung während der Besetzung Frankreichs kauft Frankreich als Ausgleich 6 Millionen Festmeter Derbholz stehend im Wald."
Es war ein weiter Weg zwischen dem Wiederaufbau der Forstverwaltung als Sonderbehörde nach dem Krieg in den alten, bewährten Strukturen und ihrer Zerschlagung und Eingliederung in die Landratsämter als kleiner Teil einer allumfassenden Kreisverwaltung im Jahr 2005. Der entscheidende Hintergrund für diese Entwicklung war wohl die seit Jahrzehnten sich immer mehr verschärfende finanzielle Lage der Forstbetriebe, deren jährliche Defizite letztendlich von einer explodierenden
Staatsverschuldung nicht mehr getragen wurden. Grund für die schlechten Betriebsergebnisse der Forstbetriebe waren gefallene Holzpreise, gestiegene Betriebskosten und überdimensionierte Verwaltungskosten. Daneben existiert eine personell, im Vergleich zu Verwaltung und Betrieb, außergewöhnlich große und damit teuere Forschungseinrichtung, die FVA, die weder für die Verwaltung, noch für den Betrieb entscheidende Anstöße vermitteln konnte, um die finanzielle Lage zu verbessern.
Hellmut Gnändinger war Leiter des ehemaligen Staatlichen Forstamts Ottenhöfen von 1954 bis 1974. Das Geschlecht der Gnändingers stammt aus der Landschaft um die Quellen der Oder, dem ehemaligen Österreichisch-Schlesien mit den einstigen Herzogtümern Troppau, Jägerndorf und Teschen, einem Gebiet im Altvatergebirge, das nach den Schlesischen Kriegen dem Hause Österreich noch verblieben war. Nach dem für Österreich und Deutschland verlorenen Krieg wurde 1918 dieser Teil Schlesiens durch den Versailler Vertrag der neu gegründeten Tschechoslowakei angeschlossen. Versuche der deutschen Bevölkerungsteile, sich anlässlich der Nationalratswahlen am 4. März 1919 noch politischen Einfluss zu bewahren, wurden mit der Erschießung von 400 deutschstämmigen Männern, Frauen und Kindern durch Tschechen verhindert. Der deutsche Bevölkerungsteil war damit eingeschüchtert und die Jugend teilweise auch bereit, ins Reich auszuwandern.
Wir gedenken der Gründung des staatlichen Forstamts Ottenhöfen, das 1843 als Großherzogliche Bezirksforstei in Offenhöfen eingerichtet wurde. Es war eine von rund 90 Bezirksforsteien, den späteren Forstämtern. Sie hießen so, weil sie für den Bereich eines großherzoglichen badischen Amtsbezirks geschaffen wurden, also hier für den Bereich des damaligen
Amtsbezirks Achern, der bis 1935 bestand und dann im Amtsbezirk Bühl aufging. Heute gibt es keine Bezirksforstbehörden mehr, das Forstamt Ottenhöfen ist eines von mehreren Forstämtern im Ortenaukreis und untersteht der Forstdirektion Freiburg. Wie kam es, dass eine Bezirksforstei, die in der Regel am Sitz eines badischen Bezirksamtes saß, ausgerechnet in der kleinen Gemeinde Ottenhöfen gegründet wurde, in der damals Armut und zeitweise Hungersnot herrschten, in einer Gemeinde, bestehend aus Bauernhöfen und einem winzigen Ortszentrum, erst vor wenigen Jahren gegründet, ohne gemeindliche Tradition, in einem für damalige Verhältnisse abgelegenen Schwarzwaldtal? Die Geschichte des Forstamtes, eine für Nichtforstleute etwas trockene Materie, beginnt natürlich früher als 1843, sie nimmt ihren Anfang eigentlich mit der Geschichte des Waldes, der schon vorher da war, eigentlich mit der bekannten Erzählung vom Esel, dem Eselsbrunnen und der Stiftung des Klosters Allerheiligen. Dieses hatte den Allerheiligenwald von der Herzogin Uta von Schauenburg geschenkt bekommen, der im 19. Jahrhundert den Grundstock des heutigen Staatswaldes bildete, der im Übrigen heute gar nicht mehr zum Forstamt Ottenhöfen gehört.
Jubiläum und Abschied standen für das Staatliche Forstamt in Gengenbach zum Jahresende 2004 an. Die Staatliche Forstverwaltung in Gengenbach wurde 1804 durch Großherzog Karl Friedrich von Baden (1738-1811) gegründet und wurde 200 Jahre später zum Ende des Jahres 2004 aufgrund der Verwaltungsreform in das Landratsamt Ortenaukreis eingegliedert.
Weit über 700 Seiten der bisher erschienenen Bände der „Ortenau" sind dem Thema Wald gewidmet. Ausgangspunkt eines Beitrags ist häufig die Geschichte eines Waldes, die sich widerspiegelt in dem Umgang mit seiner Nutzung, dann mit den aufkommenden holzgewerblichen Tätigkeiten unterschiedlicher Art. Sichtbar werden auch sozialgeschichtliche Entwicklungen, häufig erkennbar an den Beziehungen der Herrschenden gegenüber ihren Untertanen. Ein großer Teil der Beiträge nimmt die Darstellung der ehemaligen Genossenschaftswälder ein. Die gesamte Ortenau wird als das Gebiet mit der größten Verbreitung dieser speziellen Eigentumsform angesehen. Die Entstehung des jeweiligen frühen Eigentums an einer Waldung kann nicht generell geklärt werden. Die Vielfalt hoheitlicher Rechte im Mittelalter führte zu Jahrzehnte andauernden Zwistigkeiten - ,,Spänne und Irrungen" -, die in Fehden auf lokaler Ebene oder in Prozessen bis vor höchsten Gerichten ausgetragen wurden. Leidtragende der Streitigkeiten waren letztlich die Untertanen, etwa die Waldbauern, wenn ihnen zustehende Rechte oder gar Lebensnotwendiges verwehrt wurden. Für Waldgenossenschaft wird auch synonym der Begriff Markgenossenschaft verwendet, was in der Regel einem Kirchspiel entspricht. Die immer wiederkehrenden Streitigkeiten der Markgenossen gaben schließlich Ende des 18. Jahrhunderts Anlass zur Aufteilung der meisten Genossenschaftswälder und Neufestlegung des Eigentums am Wald. Bis dahin war die Nutzung des Waldes, also vorwiegend für das Gewinnen von Bau- und Brennholz und als Viehweide, in Waldordnungen, auch Waldbriefen, festgelegt.
Sie mussten über die Jahrhunderte hinweg immer wieder „erneuert" werden.
Früher gehörten Hausschlachtungen in unserer Gegend fast zu jedem Haushalt. Heute wird nur noch auf wenigen Bauernhöfen geschlachtet. Wie auch heute, wird hauptsächlich das Schwein in landwirtschaftlichen Betrieben geschlachtet.
Dazu wird ein Ferkel gekauft oder vom Mutterschwein selbst gezüchtet. Man füttert es mit Rüben, gekochten Kartoffeln, Brot, Milch und anderem, bis es zu einem prachtvollen Schwein herangewachsen ist. In einigen Gebieten - zum Beispiel in Mühlenbach - werden die Schweine noch im Freien gehalten oder zu bestimmten Zeiten in einen Hof (so genannter Sauhof) gelassen. Dieser Hof ist eingegrenzt, sodass die Schweine nicht abhauen können. Die Schweine haben dadurch einen Auslauf, wühlen mit der Schnauze im Dreck und wälzen sich auch gern darin. Die Schweine fühlen sich dabei wohl. Nur noch selten werden die Schweine so gehalten. Es liegt wohl auch an den zeitlichen Gründen, dass die Schweinehaltung heute nur noch in Schweineställen, -boxen vorkommt. Nach ca. einem Dreivierteljahr ist es dann soweit. Das Schwein ist fett geworden und wiegt etwa drei Zentner. In wenigen Fällen hat es je nach Fütterung ein Lebensgewicht von fünf bis sechs Zentnern, diese Schweine haben meistens sehr viel Fett. Es ist dann auch für den Metzger, der das Schwein schlachten muss, eine anstrengende Arbeit.
Felix Wankel sind die höchsten Weihen der Bundesrepublik Deutschland zuteil geworden: Träger des Bundesverdienstkreuzes und Professor honoris causa des Landes Baden-Württemberg; beinahe wäre sogar ein Gymnasium in Lahr nach ihm, dem auf Grund seines Drehkolbenmotors renommierten Kind und Ehrenbürger der Stadt, benannt worden - Lorbeeren, die als moralisch haltbar erachtet worden sind; zumindest von denjenigen, welche in Wankel den politisch Unwissenden und erfinderisch Selbstvergessenen gesehen haben, der zwar mit seinen Erfindungen der Wehrmacht zugearbeitet, nie jedoch daran gedacht habe, dass er so das verbrecherische Nazi-Regime unterstützen könne, und deshalb auch als „Minderbelasteter"
vor der Spruchkammer Lindau verurteilt worden sei.
Geschichte ist bereits das, was gestern geschehen ist. Und es gibt nicht nur eine Geschichte der Menschheit, sondern auch die Geschichte der Erde, der Natur und die von Tier und Pflanze. Der nachstehende Aufsatz soll einen Rückblick über die dramatischen Ereignisse in der Natur innerhalb der letzten 50 Jahre in unserem eng begrenzten Raum in der nördlichen Ortenau geben mit Schwerpunkt zwischen Hornisgrinde - Schliffkopf und Rhein. Ausgeklammert sind die gewaltigen Veränderungen durch die Rheinstaustufen, die Kiesgewinnung und fast die ganze Wasser- und Vogelwelt. Nichts in der Natur bleibt auf Dauer unverändert. Es waren zumeist die Klimaveränderungen, die die Pflanzenwelt und in deren Gefolge die Tierwelt veränderten. Ein Beispiel hierfür ist die letzte Eiszeit, bei der fast alles was damals bei uns gelebt hatte, ausgestorben ist oder über die Alpen nach Süden abgedrängt wurde. Der Vorgang der Rückwanderung dauerte Jahrtausende, da die Barriere der Alpen ein fast unüberwindliches Hindernis bildet.
Bereits im Jahre 2005 wurde in dieser Zeitschrift ein Aufsatz zum Kippenheimer Jüdischdeutsch veröffentlicht, in dem das Familien-Idiom eines heute in Washington lebenden, aus Kippenheim stammenden jüdischen Emigranten, Kurt Maier, dargestellt wurde. Dabei wurde Wortschatz und Phonetik der Sprache Maiers zwischen neuhochdeutscher Standardsprache,
Kippenheimer Ortsmundart und der von Florence Guggenheim-Grünberg beschriebenen jiddischen Vollmundart verortet. Nun hat sich die Gelegenheit ergeben, eine zweite, aus Kippenheim stammende jüdische Emigrantin, Inge Auerbacher, zu treffen und dabei deren Wortschatz mit Schwerpunkt auf dessen jüdische Besonderheiten in einem etwa zweistündigen Interview punktuell zu erheben. Damit sollte dem im vorgenannten Aufsatz erhobenen Desiderat, weitere Mosaiksteinchen
der jüdischen Sprachvarietät in Kippenheim zu erschließen, Folge geleistet werden. Dies war nur eingeschränkt möglich, da Inge Auerbacher lediglich die ersten vier Jahre ihres Lebens in Kippenheim verbrachte. Im Kontakt mit ihren Eltern hatte sie jedoch bis ins Erwachsenenalter Gelegenheit, die örtliche Sprache der Juden zu verinnerlichen. So trägt auch diese Dokumentation des Wortschatzes von lnge Auerbacher zur Abrundung des Bildes bei, vor allem, wenn es um die Frage nach dem Umfang des hauptsächlich auf das Hebräische zurückgehenden jüdischen Sonderwortschatzes in der Sprache südwestdeutscher Landjuden geht.
Anlass zum Thema dieser Miszelle ist die Sorge, dass die Diskussion des Problemkreises „galloromanisches Substrat im Schwarzwald" von Historikern und Archäologen als „ungelöst" oder „unlösbar" abgebrochen bzw. beiseite geschoben wird. Zuletzt äußerte sich dazu Meinrad Schaab, ausgehend von der - nach ihm - lediglich im Zartener Becken gesicherten Namen-, Siedlungs- und Bevölkerungskontinuität. Im Übrigen bleibt Schaab skeptisch abwartend. Zur philologischen Argumentationsweise findet er keinen adäquaten Zugang. Irritationen verursachen ihm die Ortsteilnamen (Zinkennamen) zwischen Elz und Kinzig: ,,Aber romanische Namen gibt es auch anderwärts im Schwarzwald, und ausgerechnet in von der Siedlungs- und Bodenausstattung her kaum frühdatierbaren Tälern, Ortsteilen und Einzelhöfen, zu denen natürlich auch keine frühe schriftliche Überlieferung vorliegt. Man wird sie kaum allein aufgrund philologischer Merkmale als Rückzugssiedlungen der von den Alemannen verdrängten römischen Provinzialbevölkerung einstufen können. Aber auch die Deutung als durch Bergbauspezialisten oder bäuerliche Kolonisten erst im Hochmittelalter angelegte Siedlungen ist keineswegs erwiesen, und die Deutung auf Bergbau geht oft auch nicht auf." Misstrauen gegenüber philologischer
Argumentationsweise hatte Bruno Boesch schon 1962 gesät, als er warnte, „in einer so komplexen, viele Wissenschaften berührenden Frage dem philologischen Scharfsinn unbeschränkte Vollmachten einzuräumen". Leider ist eine Auseinandersetzung mit jüngeren germanistischen und romanistischen Arbeiten von Seiten der Mittelalterhistoriker und auch sonst, ausgeblieben. Wolfgang Haubrichs hat jüngst dem Problem der Romania submersa im Westen und Süden der Germania eine knappe Zusammenfassung gewidmet. Da heißt es: ,,Auf der Ostseite des Oberrheins sind die Kontinuitätszeugnisse [d. h. antik-frühmittelalterliche Namenkontinuität, = Verf.] noch spärlicher. Für das badische Schwarzwaldvorland und den Mittleren Schwarzwald sind einige Lehnwortareale dingfest gemacht worden; im Schwarzwald Gruppen von Ortsnamen, die auf galloromanische Lehnwörter zurückgehen dürften."
Wenn Goethe in den Jahren 1770 und 1771 aus Straßburg nach Sessenheim kam, um seine geliebte Friederike zu besuchen, befuhr er mit ihr und anderen oft den Rhein, blieb dann auf einer der zahllosen Inseln und wäre gern noch länger geblieben, ,,hätten uns nicht die entsetzlichen Rheinschnaken nach einigen Stunden wieder weggetrieben. Über diese unerträgliche Störung einer der schönsten Lustpartien, wo sonst alles glückte, wo die Neigung der Liebenden mit dem guten Erfolge des Unternehmens nur zu wachsen schien, brach ich wirklich, als wir zu früh, ungeschickt und ungelegen nach Hause kamen, in Gegenwart des guten geistlichen Vaters, in gotteslästerliche Reden aus und versicherte, dass diese Schnaken allein mich von dem Gedanken abbringen könnten, als habe ein guter und weiser Gott die Welt erschaffen. Der alte fromme Herr wies mich dagegen ernstlich zur Ordnung und verständigte mich, dass diese Mücken und anderes Ungeziefer erst nach dem Falle unserer ersten Eltern entstanden, oder, wenn deren im Paradiese gewesen, daselbst nur angenehm gesummet und nicht gestochen hätten." So steht es in „Dichtung und Wahrheit", und es wird wohl die Wahrheit sein; denn auch Karl Julius Weber, der nicht viel später seine „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" schrieb,
nannte, nachdem er bei Rastatt am Rhein gewesen war, ,,die sogenannten Rheinschnaken eine wahre ägyptische Plage " und neigte dazu, sie „für lauter kleine Teufel zu halten".
Als der 175. Geburtstag von Wilhelm Busch im Jahre 2007 und dessen 100. Todestag am 8. Januar 2008 bevorstand, bat mich Michael Jakob, der Verleger des Ernst Kaufmann Verlags in Lahr, eine Neuauflage des Heiligen von Padua zu besorgen und mit einem Nachwort zu versehen. Diese parodistische Bilderfolge aus dem Leben eines Heiligen war 1870 in der
ersten Auflage mit dem Titel „Der h. Antonius von Padua" und danach noch in vielen Auflagen in Lahr bei Moritz Schauenburg erschienen. Deutschlandweit hatte das Buch großes Aufsehen erregt und zu einem Prozess gegen den Verleger geführt. Karikaturenstreit würde man so etwas heute nennen. Da in der Literatur zu diesen Vorgängen bislang alles gesagt worden ist, hätte ich mich an ein solches Unterfangen nicht gewagt, wären nicht einige Papiere aus dem schriftlichen Nachlass des Verlegers Schauenburg, meines Urgroßvaters, bei mir aufgetaucht, die offensichtlich noch nie der Buschforschung zur Verfügung gestanden hatten. Busch hat Briefe, die an ihn gerichtet waren, nicht auf gehoben. Der Verleger Schauenburg bewahrte die Briefe seiner berühmteren Autoren. Sie wurden von den Nachkommen sorgsam gehütet und im Falle Busch auch seinen Biografen zur Verfügung gestellt. Einzelne seiner eigenen Briefe an Busch sind im Entwurf oder als Kopie der Zeit mehr oder weniger zufällig erhalten. Allen wichtigen Autoren schrieb er eigenhändig, auch die Entwürfe und Kopien sind aus seiner Hand.
Dass wir uns heute hier versammelt haben, hat einen guten Grund, zumindest einen Anlass, oder vielmehr einen doppelten: 125 Jahre sind vergangen, seit Wilhelm Hausenstein in Homberg im Schwarzwald geboren wurde, und 50 Jahre, seit er in München starb. Und wenn wir schon mit Zahlen spielen, dann müssen wir auch die beiden Daten, die wir feiern, genauer
betrachten, um die Zeitgenossenschaft dessen, den wir feiern, besser zu begreifen. Als er geboren wurde, 1882, wurden auch James Joyce, Jean Giraudoux, Georges Braque, Igor Strawinsky geboren; als er starb, 1957, starben auch Alfred Döblin, Valery Larbaud, Curzio Malaparte, Constantin Brancusi, Henry van de Velde, Arturo Toscanini, Jan Sibelius. So also hießen die Zeitgenossen; und die Zeit hieß - in Deutschland - Zweites Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Drittes Reich, Zweiter Weltkrieg, Bundesrepublik. Es waren 75 Jahre, nicht viele; aber sie hatten es in sich.
Während auf allen größeren Zuflüssen der oberen Kinzig - der Wolf, der Schiltach, der Kleinen Kinzig und sogar dem Heubach - seit der frühen Neuzeit eifrig geflößt wurde, ist die Gutach in Sachen Flößerei bisher nicht in Erscheinung getreten. Von ihr, immerhin der Kinzigzufluss mit dem zweitgrößten Einzugsbereich, heißt es lapidar, dass auf ihr „die Flößerei nicht möglich war." Dieser Sachstand erscheint wenig befriedigend, zumal bereits 1509 das „flossen" mit „denen von Homberg" in Verbindung gebracht wird: Damals schrieb Andreas Kötz, fürstenbergischer Vogt im Kinzigtal, seinem württembergischen Kollegen Ulrich Eckhart in Hornberg: Den Hornbergern würde auch nach dem Ende der offiziellen Floßzeit an Martini „kain flossen" durch das fürstenbergische Kinzigtal „abgeschlagen", zumal sie bei der damaligen Wasserknappheit lange genug „uff das wasser verziehen und gotzberait (hätten) warten" müssen. Belegt diese Nachricht Flößerei auf der Gutach für die Zeit um 1500, so scheint sie danach tatsächlich in Abgang gekommen zu sein. 1626 berichtete Untervogt Georg Schmidt von Hornberg dem Herzog Johann Friedrich von Württemberg, dass im Vergleich zu den Hornbergern die Schiltacher „ihr meist und größte Nahrung uff dem Holtzgewerb ligen haben"; diese seien „ wohl habhafft und vermöglich, darunder 3 oder 4 der vonehmbsten Bürger gewißlich habhaffter alß die ganze Hornberger Bürgerschafft." In Homberg stützte man sich wirtschaftlich vor allem auf den Fuhrverkehr durchs Gutachtal, der nicht so viel wie der Holzhandel und die Flößerei einbrachte, was die Schiltacher den Hornbergern mit der verächtlichen Bemerkung, sie seien „Barfüessische Bettler" auch deutlich zu verstehen gaben. So blickten Bürgermeister, Gericht und Rat der Stadt Homberg 1627 durchaus neidisch auf den „großen und starckhen Holtz- und Flotzhandel" der Schiltacher, ,,dergleichen sich die Hornberger nichzit zuegeniessen haben." Auf der anderen Seite nahm man in Schiltach in Anspruch, dass dieser Reichtum nicht von selber gekommen war, sondern „von den hartschaffend Holzgewerben herrührt", die ihr „fürnembster Nährpfennig" seien.
Die katholische Pfarrkirche Herz-Jesu im Baden-Badener Stadtteil Varnhalt gehört zu den bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts in Mittelbaden. Sie ist ein Werk von Albert Boßlet, einem großen deutschen Kirchenbaumeister der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die im Mittelalter unumstrittene zentrale Aufgabe der bildenden Kunst hatte der Sakralbau bereits in der frühen Neuzeit verloren. Die zahlreichen neuen Kirchen, die zwischen 1918 und den frühen l 960er Jahren entstanden, verdeutlichen aber, dass diese Aufgabe für Architekten ausgesprochen reizvoll blieb. Kaum eine andere lässt ihnen so viel Gestaltungsmöglichkeiten. Auch wenn die moderne Sakralarchitektur selbstverständlich in die allgemeine Baugeschichte des 20. Jahrhunderts eingebunden ist, spielt sie wegen ihrer spezifischen Problemstellung eine Sonderrolle. Vor diesem Hintergrund verdient die Pfarrkirche Herz-Jesu in Varnhalt, die vor genau einem halben Jahrhundert vollendet wurde und inzwischen unter Denkmalschutz steht, besondere Beachtung.
In dem Beitrag „Kinzigtäler Häuser und ihre baulichen Varianten" in „Die Ortenau" 83/2003 werden 13 unterschiedliche Kinzigtäler Häuser bildlich vorgestellt und deren jeweilige bauliche Konzeption, innere Gliederung und Raumaufteilung detailliert beschrieben. Bei einem dieser Häuser (Bild 1 - im Beitrag der „Ortenau" 83/2003, Bild 8) konnte der geografische Standort oder ehemalige Standort seinerzeit nicht ermittelt werden und das trotz intensiver Suche des Autors im nahezu gesamten Kinzigtal und zusätzlich einer bildlichen „Suchanzeige" im „Schwarzwälder Bote". Obwohl viele Leser glaubten, den Hof zu kennen, erwiesen sich alle Hinweise leider als unzutreffend. Die Frage nach dem Standort des stattlichen Schwarzwaldhauses blieb offen.
Zunächst übernahmen die Klosterfrauen der Beginen (1377) die Krankenpflege in und um Stollhofen. Sicher war auch die benachbarte Abtei schon früh mit heilkundigen Mönchen ausgestattet. Sonst aber war der einzelne Mensch auf die Hilfe im Familienverband oder durch die Nachbarschaft angewiesen. Vor allem auf dem Land war nur eine Versorgung durch kräuterkundige Frauen oder durchziehende „Quacksalber" möglich. In den Städten und Klöstern war die Versorgung besser. Wer konnte, ging am ,,Markttag" in die nächste Stadt, wo es „Würzkrämer" oder Apotheken gab. Schon früh gab es Apotheken in Klöstern, z.B. im benachbarten Schwarzach. Aber auch der von der markgräflichen Regierung privilegierte „Bader" (ab 1472) in Stollhofen kannte sich mit Krankheiten aus. Später übernahmen dann die „Spitäler" und auch „Ärzte" die Versorgung. Noch um 1900 war in Stollhofen der „Wundarzneidiener" Johann Eder tätig. Er wurde auch der „Balwierer" genannt. Er war die „Anlaufstelle" für die Kranken im Ort. Seine Nachkommen führte später einen Kaufladen, im dem man u.a. auch Drogerieartikel kaufen konnte.
Waren für die Weills
(2008)
Zu Beginn der 1990er Jahre entdeckte Hans Höfer auf dem Dachboden seines Hauses in Kippenheim verschiedenste Schriftstücke aus den Jahren 1819 bis 1891. Wie nach eingehender Betrachtung des Materials ermittelt werden konnte, bieten sie einen exemplarischen und äußerst seltenen Einblick in das Leben und Handeln einer jüdischen Geschäftsfamilie während dieser Zeit: der Familie Weil[l], direkten Vorfahren des Komponisten Kurt Weill, denen das Haus bis 1900 gehörte.
Der „Höfer-Fund" untergliedert sich in zwei Teile. Der größere steht im Zusammenhang mit einer Eisenwarenhandlung, die zur Jahrhundertmitte von Kurts Großonkel Heinrich, auch Löb oder Naphtali genannt, gemeinsam mit dessen Mutter Eva aufgebaut wurde. Sukzessiv traten zwei weitere Brüder dem Geschäft als Teilhaber bei: Nathan, Kurts Großvater, und Jakob. Insgesamt besteht dieser Teil überwiegend aus geschäftlicher Korrespondenz, Kalendern, Bestellungen, Rechnungen, Preislisten, Mahnungen oder Lieferbescheinigungen. Zwischen den einzelnen Schriftstücken finden sich immer wieder großformatige Beiblätter, auf denen Stichworte wie „Preiscouranta vom Jahr 1858", ,,Facturas vom Jahr 1858", ,,Quittungen
vom Jahr 1859" oder „Briefe vom Jahr 1860" notiert wurden. Bei einem großen Teil des „Höfer-Fundes" handelt es sich demnach um die Buchhaltung der Eisenwarenhandlung. Dafür sprechen auch Vermerke wie „Factb. Fol. [Zahl]" oder „cto et [Zahl]", mit denen die einzelnen Rechnungen von Heinrichs Hand versehen wurden. Folglich waren die Inhaber über die
von Ulrich Baumann beklagte herkömmliche „Sackbuchhaltung" der jüdischen Händler, die er als „Dilemma der Forschung" bezeichnet, schon weit hinaus. Ferner verweist die Buchhaltung auf Deutsch auf die Umsetzung einer entsprechenden Forderung im 9. Konstitutionsedikt vom 13. Januar 1809, das zahlreiche Bestimmungen zur rechtlichen und sozialen Emanzipation der badischen Juden enthielt.
Unweit des Stammsitzes der geroldseckischen Herrschaft wurde 1615 am Grassert eine Glashütte in Betrieb genommen. Möglicherweise ersetzte diese eine schon um 1500 bei der Hohengeroldseck betriebene Hütte. Vorüberlegungen zu ihrem Bau wurden bereits 1614 vorgenommen. Auf den 9. November 1614 datiert ein Bericht an Herrn Jacob von Geroldseck
über das Gehölz und den Wald in der Herrschaft Geroldseck. Es sei zunächst zu entscheiden, ob der ganze Wald und alles Gehölz abgeholzt und der Berg zum Zehnten gut gemacht werde, oder ob dies nur vom (selbst) gefallenen Holz erfolgen solle. Dabei spiele auch die Abschätzung eine Rolle, was man von der Glashütte als jährliche Nutzung haben werde und
wie lange man diese betreiben könne. Wenn man das Wasser der Schutter zum künftigen Bleien aufhalten möchte, so sei bei der Durchführung darauf zu achten, dass dieses für den guten Fisch- und Krebsbestand in den Bächen nicht schädlich sei. Dieser Punkt bedürfe einer künftigen Aufsicht und Kontrolle. Die eigentliche Entscheidung sei dahingehend zu treffen, ob der Wald insgesamt umgehauen und dem Aussterben überlassen werden solle. Weil das Wasser, ehe es in die Schutter fließt, durch das Dorf laufen muss und Schaden anrichten könne, bedürfe es einem Zeugenschein. Bei diesem Punkt sei auch zu bedenken, welche Beschwernis der Weiher für die Güter der Untertanen zur Folge habe. Wie auch immer man sich entscheide: Für das Waldgebiet müsse abgeschätzt werden, wie viele Klafter Buchenholz sich ergäben und wie diese
zugeteilt werden sollen. Weil man wegen des Waldes diesen vor etlichen Jahren mit großer Bereitschaft gleichmäßig neu aufgeforstet hat, sei dieser zunächst ordentlich abzumessen. Danach könne weiter beratschlagt werden.
Im Namen der Hyazinthe
(2008)
Wenige Meter entfernt von der alten Klosterpforte des ehemaligen Offenburger Franziskanerklosters (1280-1808) steht an der Südwand des Kreuzgangs ein in dieser Form wohl einmaliges steinernes Schriftdokument barocker Grabsteinpoesie. Wer den schlichten Kreuzgang von der engen Nebenpforte der prachtvollen Klosterkirche aus betritt, sieht zunächst linker Hand die alte hölzerne franziskanische Klosterpforte von 1689 mit ihrem berühmten Chronogramm Marte arDente CLaVstro eXVsto (,,als die Flammen des Krieges wüteten und dabei dieses Kloster eingeäschert wurde"). Vom selben Standpunkt aus nach rechts ist an der Wand auch die mannshohe Grabplatte eines Franziskanerpaters aus der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zu erkennen. Auf dem Weg dahin kommt man zunächst aber vorbei an der Franziskanergruft selbst, die jetzt verschlossen ist
und nur durch einen mühsamen Einstieg unter dem Boden zu erreichen ist. Vielleicht führte einst unter der jetzt ebenerdigen Eisenplatte ein Treppenabgang in das Dunkel der grabenartigen Gruft unter dem Chor der Kirche hinab.
Der Hunger nach Bildern und Informationen führte im ausgehenden Mittelalter zu einer explosionsartigen Verbreitung von Druckerzeugnissen. Der Rohstoff Papier stand zum ersten Mal in ausreichendem Maße zur Verfügung. In den großen Städten des Oberrheingebietes, wie Basel oder Straßburg etablierten sich Druckwerkstätten, die das damals neue Medium
Buch druckten und herausgaben, um den nahezu unersättlichen Hunger nach Bildung zu stillen. Im Folgenden werden drei Bücher aus dem Bestand der Offenburger Historischen Bibliothek vorgestellt, die im Spätmittelalter und der frühen
Neuzeit, d. h. kurz vor oder kurz nach 1500 entstanden. Diese Werke sind aufgrund der reichen Holzschnitt-Illustrationen hochinteressant und schön gestaltet. Der Gesamteindruck im Zusammenspiel von Text und Bild war von entscheidender Bedeutung, die reichen Illustrationen sollten die Aufmerksamkeit potentieller Käufer auf sich ziehen. Menschen, die der lateinischen Sprache oder des Lesens selbst nicht mächtig waren, konnte so der Inhalt anhand der Bilder erklärt und verständlich gemacht werden.
Am 16. Dezember 1389 - es war ein Donnerstag - ,,um die erste Stunde oder nahe bey" bat eine Gruppe Bauern aus dem Kirchspiel Zimmern in der Ortenau den kaiserlich und kirchlich anerkannten Notar am bischöflichen Gerichtshof in Straßburg Johannes Scherer um eine Beratung. Das Kirchspiel Zimmern setzte sich damals zusammen aus den Orten Urloffen,
Riechelnheim und Zimmern - hier stand auch das Gotteshaus, das St. Martin gewidmet war. Der Begriff Kirchspiel hatte zu jener Zeit nicht nur eine religiöse Bedeutung, sondern umfasste auch die rechtliche und politische Gemeinschaft. So erscheinen die drei genannten Dörfer immer wieder unter dieser Bezeichnung als eine Prozesspartei mit einer gemeinsamen Vertretung. Über die Konsultation am 16. Dezember ließ der Straßburger Notar eine Niederschrift aufsetzen, dessen lateinisches Original und deutsche Übersetzungen unter dem Namen „Zimmerer Waldbrief" in die regionale Geschichtsschreibung eingeführt wurden. Erfunden hat ihn, soweit wir sehen, der Dekan und bedeutende Lokalhistoriker Wilhelm Weiß aus Urloffen. Einmal wählt er auch „Urloffer Waldbrief" wie übrigens auch hundert Jahre nach ihm Kurrus und Kauß.
Der Artikel skizziert die Wirtschafts- und Lebensverhältnisse des Ortenauer Ritters Wolf von Windeck (um 1497-1542) auf Grund der umfangreichen Auflistung seiner Hinterlassenschaft und von gleichzeitigen urkundlichen Nachrichten. Eine Edition des Faszikels mit über 1000 Personen-, Orts- und Flurnamen aus der Ortenau ist geplant.
Etwa ein halbes Jahrhundert lang pflegten die Schüler des Gymnasiums Ettenheim einen inzwischen in Vergessenheit geratenen Brauch: Nach bestandener Abschlussprüfung schickten sie eine eigens für diesen Zweck gezeichnete und gedruckte Bild-Postkarte an ihre Verwandten, Bekannten und Freunde, um das glückliche Ende ihrer gymnasialen Schulzeit anzukündigen. In Ettenheim wurde die erste Abiturprüfung im Juli 1901 abgelegt. Sogleich übernahmen die Ettenheimer Gymnasiasten den zuvor schon an anderen Gymnasien gepflegten Brauch der Abiturientenkarten. Bei der großen Foto- und Postkartenausstellung des Historischen Vereins Ettenheim im Jahre 1983 konnten 21 Abiturientenkarten gezeigt werden. Inzwischen ist die Zahl der aufgetauchten Karten aus dem Zeitraum von 1901 bis 1950 auf insgesamt 30 Karten angewachsen. Von den Einjährigenkarten, das sind Karten, die von den Untersekundanem nach ihrer Versetzung aus der 10. Klasse in die Obersekunda verschickt wurden, standen für die damalige Ausstellung nur 14 zur Verfügung. Seither sind zwei weitere Karten hinzugekommen. Die erste überhaupt bekannte Karte der Einjährigen stammt von 1904 und die letzte von
1933.
Am Montag nach dem Küchelsonntag fand in Willstätt der „Schurdi" statt. Dieser alte Brauch bestand darin, dass am Nachmittag die Schulbuben diesseits und jenseits der Kinzigbrücke zu einem Wettkampf antraten. Dabei ging es sehr gewalttätig zu. Oft beteiligten sich zusätzlich die bereits aus der Schule entlassenen Buben. Mit großen Wasserbehältern oder Holzspritzen ging es aufeinander los mit dem Ziel, die Gegner nass zu machen. Das Größte war, wenn es gelang, dem Gegner eine Ladung Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die kleineren Buben, die Mädchen und Frauen schafften in großen Zubern Wasser
heran, die an die Straße gestellt wurden. Ein großer Erfolg war auch, wenn es gelang, dem Gegner die Wasserkübel umzukippen oder gar mitzunehmen, um das Nachfüllen der „Schurbüchsen" zu verhindern. Für dieses Prozedere wurden die ältesten Klamotten angezogen, die mehrmals, wenn sie tropfnass waren, gewechselt werden mussten. Dorfchronist Johann
Jockers erinnert sich, dass es eine raue, aber schöne Sitte war.
1964, unmittelbar nach meinem Pädagogikstudium, bin ich mit meiner jungen Familie von Freiburg ins Schuttertal gezogen. Ziel meiner beruflichen Wünsche war es, in einer bäuerlich strukturierten Gemeinde im Schwarzwald Dorfschullehrer zu werden und mich in meiner Freizeit, sofern möglich, forschend mit den Menschen, der Landschaft und der Kulturgeschichte der Region zu beschäftigen. Das Schicksal, die Vorsehung, was auch immer zutreffend, meinte es gut mit mir. In Schuttertal fand ich nicht nur eine schöne Neubauwohnung in sonniger Lage, sondern die örtliche Volksschule, die gerade zwei Jahre zuvor ein neues Schulgebäude mit einer Turn- und Festhalle bezogen hatte, suchte eine Lehrkraft. Es herrschte damals Lehrermangel auf dem Land.
Kaum sind die Weihnachtstage vorbei und die Sternsinger durch die Ortschaften gezogen, erwacht die Fastnacht in der Gemeinde. Das Treiben der Narren ist nicht mehr aufzuhalten. Das Häs, die Masken und die Hemdglunkerutensilien werden aus der Kleiderkiste hervorgeholt. In allen fünf Ortschaften der Gemeinde gibt es Narrenzünfte. In Friesenheim treiben die Rebhexen der Fasentzunft ihr Unwesen. Die Lohbachhexen der Narrenzunft Stänglihocker, die Krutthexen der Narrenzunft
Schuttern und die Feuerhexen in Heiligenzell machen sich bereit, um den Winter auszutreiben. Mit von der Partie sind auch die Krabben (Krähen) der Narrenzunft Krabbenschenkel aus Oberweier. In Friesenheim wird am schmutzigen Donnerstag der Narrenbaum vor dem Rathaus aufgestellt, die Fastnachtshexe aus Stroh ziert den Narrenbaum. Am Fastnachtsdienstag, wenn die Fastnacht endet und beerdigt wird, wird die Strohhexe auf dem Rathausplatz verbrannt. Schaurig geht es zu, wenn die Rebhexen am Brauchtumsabend ihren Hexentanz aufführen. Im Hexenkessel brodelt das bengalische Feuer, der Winter, eine Fastnachtsfigur mit schauriger Maske, hat keine Chance, er muss weichen und wird vertrieben.
Am 23. April 1920 verstarb der Stoffhändler Jakob Gross aus der jüdischen Gemeinde Altdorf im Alter von 79 Jahren. Über seine Bestattung berichtete viele Jahre später ein christlicher Zeitzeuge in seinen Erinnerungen: ,,Bei der Beerdigung oder der ,Lafaiä' saß ich mit noch ein paar Kindern auf der Treppe des Nachbarhauses [...] und schaute zu. Zur Beerdigung kamen die Verwandten, Bekannten, Geschäftspartner und Nachbarn des Verstorbenen. In besonderer Erinnerung sind mir die Zylinder der jüdischen Trauergäste. [...] Nachdem die Trauergemeinde vollzählig war, wurde der Sarg auf eine mir unvergessliche Weise die steile Treppe herunter transportiert. Draußen hörten wir regelmäßige dumpfe Schläge. Der Sarg
wurde nämlich nur auf einer Seite gezogen. Auf der anderen Seite polterte der Sarg mit dem Verstorbenen Stufe für Stufe die Treppe herunter. Auch dies entsprach, wie ich später gehört habe, einem jüdischen Ritus. Es sollte verhindert werden, einen Scheintoten lebendig zu begraben. [...] Dieses unheimliche dumpfe Poltern hat mich damals als kleiner Bub verängstigt, weshalb ich es bis heute nicht vergessen habe. [...] Jedenfalls erschienen nach dem Poltern die Leichenträger mit dem einfachen Sarg - es war eine einfache ungestrichene Holzkiste ohne Griffe - in der Haustür und trugen ihn auf die Straße. Dort wurde der Sarg auf zwei bereitstehende ,Böckle' gestellt. Dann trat der Ruster Rabbiner an den Sarg und sprach ein paar wenige Worte. Der von zwei Pferden gezogene und aus Rust stammende Totenwagen fuhr vor. Gelenkt wurde er von Christian Hunn, dem auch die beiden Pferde gehörten. Nachdem man den Sarg aufgeladen hatte, startete der Leichenzug Richtung Schmieheim. Ein Großteil der christlichen Gemeinde und auch der Juden trat zur Seite und machte dem Leichenzug Platz. Ein kleinerer Teil der Christen, direkte Nachbarn oder nähere Bekannte, begleiteten den Zug bis zum Ortsausgang, dem Umrank. Ein Teil der Juden fuhr in Pferdekutschen und ein kleinerer Teil ging zu Fuß bis zum Judenfriedhof in Schmieheim. Vor der eigentlichen Bestattung, so hat man mir erzählt, wurden die Verstorbenen in dem Häuschen am Friedhofseingang noch einmal symbolisch gewaschen."
Die Auslöschung der jüdischen Gemeinden in der Ortenau durch den Nationalsozialismus bedeutete auch das Ende eines lebendigen jüdischen Brauchtums. Die überwiegend religiösen, aber auch die weltlichen, alltäglichen Bräuche hatten den Juden geholfen, ihre kulturelle Identität in einer nichtjüdischen Umwelt zu bewahren. Oder, wie es Maria Schwab in ihren
Erinnerungen an das jüdische Leben in Altdorf in der Ortenau gesagt hat: „Vor Jahrtausenden nahmen die Juden ihre Feste und das Brauchtum, das sich um sie rankte, sogar ins Exil mit. Durch die Feier der jüdischen Feste in der Diaspora wurden die starken geistigen Bindungen geschaffen, die das jüdische Volk selbst in den schwierigsten Zeiten der Not an den Glauben und an das Land der Väter knüpften. Auch im Leben der Juden unserer Heimat spielten die alten Überlieferungen eine zentrale Rolle." Dabei war immer zu unterscheiden gewesen zwischen strenger Ausübung vorgeschriebener liturgischer Rituale und dem eher liberalen Umgang mit der Tradition. Alle denkbaren Varianten der Brauchtumspflege gab es in den Landgemeinden und in den Städten. In vielen Untersuchungen zur Geschichte der Ortenauer Juden werden stets, wenn auch in variierender Ausführlichkeit, solche lokalen Bräuche beschrieben. Überlebende Zeitzeugen oder die christlichen Nachbarn von einst erinnerten sich an das frühere Leben. Als Beispiel für eine solche Publikation steht die Arbeit
von Elfie Labsch-Benz über die jüdische Gemeinde Nonnenweier, die bereits im Untertitel ankündigte, ,,Leben und Brauchtum in einer badischen Landgemeinde zu Beginn des 20. Jahrhunderts" zu dokumentieren. Alltag und Festtage sowie besondere Ereignisse im Lebenszyklus von der Geburt bis zum Tod sind in dieser Veröffentlichung im Blick auf das in Nonnenweier damit verbundene Brauchtum geschildert. Auch Rosalie Hauser hat in ihren Erinnerungen an das Alltagsleben des 19. Jahrhunderts in Rust viele Bräuche festgehalten.
Brauchtum wurde von der „klassischen" Volkskunde traditionell im ahistorischen Zyklus von Jahres- und Lebenskreis angesiedelt. Die sozialen Kontexte und die historischen Bedingungen gerieten dabei aus dem Blickfeld. Bräuche wurden als Gemeinschaftshandeln verstanden, das vorgeblich in einer überzeitlichen Tradition steht. Dabei haben auch Brauchtumsformen einen kulturhistorisch benennbaren Ausgangspunkt und erfüllen innerhalb eines historisch beschreibbaren Zusammenhangs ihre spezifische Funktion. Das gilt auch für religiöses Brauchtum. Exemplarisch kann das am Beispiel der Nußbacher Wendelinuswallfahrt in den 1950er-Jahren gezeigt werden. Die Wallfahrt zum Vieh- und Bauernheiligen Wendelin kann im Kirchspiel Nußbach bis in das Jahr 1591 zurückverfolgt werden. Sie erreichte nach der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren ersten Höhepunkt, als 1756 der Vorarlberger Barockbaumeister Johann Elmenreich die neue, spätbarocke Wallfahrtskapelle errichtet hatte. Um die Wallfahrt entstand ein reiches Brauchtum. Seit 1716 zogen Prozessionen hinter Kreuz und Fahnen von Nußbach hinauf auf den „heiligen Berg" des Renchtals. Im Zusammenhang mit Viehseuchen gelobten Nachbargemeinden wie Ebersweier, Urloffen und Appenweier eine jährliche Gemeindewallfahrt, nachdem sie von Viehseuchen verschont geblieben waren. Zur Wallfahrt gehörte oft ein stundenlanger Fußmarsch der Pilger, die teilweise von weit her aus den entlegenen Tälern des Schwarzwaldes kamen. Sie versuchten durch ein Wachsopfer die Fürbitte des Heiligen zu erlangen. Im 19. Jahrhundert boten Händler, die sogar aus Walldürn kamen, Devotionalien wie Versehgarnituren, Rosenkränze, geweihte Kerzen, Kreuze usw. an. Die Wallfahrt zum hl. Wendelin markierte den Abschluss des bäuerlichen Arbeitsjahres und wurde mit dem Dank für die gesegnete Ernte verbunden.
Die Osterbräuche - ich verstehe diese zeitlich vom Karsamstagabend bis Ostermontag - sind m. E. geprägt und überlagert von Aussagen des christlichen Glaubens - vor allem des Neuen Testaments-, aus dem Aberglauben, der sich Wirkungen durch angewendete Medien verspricht, und dem Volksglauben, der sich müht, die Aussagen des Glaubens verstehbar und
erlebbar zu machen. Gerade Ostern war ein Fest im doppelten Sinne - ein Fest des Frühlings in der Natur und ein Fest der Auferstehung Christi, d. h. ein christliches Fest. Beide Pole dieses Festes spiegeln sich im Beschluss des Konzils von Nicaea aus dem Jahre 325 n. Chr., das als Ostertermin den ersten Sonntag nach der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche bestimmte.
Wenn wir Fest sagen, so sollten wir uns bewusst machen, dass das Osterfest ursprünglich nur eine Nacht von Karsamstag bis Ostersonntag umfasste. Seit dem 4. Jahrhundert war die Festlichkeit ein „triduum paschale" und dauerte vom Gründonnerstag bis Ostersonntag. Im Mittelalter schließlich wurde das Osterfest zur Osterwoche ausgeweitet, 1650 verkürzt bis Dienstag und im 18. Jahrhundert endlich nur noch auf den Montag und Sonntag zurückgedreht. In dieser Abhandlung möchte ich mich auf den Osterbrauch vom Karsamstag bis Ostermontag beschränken. Eigenes Erleben im südwestdeutschen Raum und heutige Übung mögen dabei auch eine Rolle gespielt haben.
Wallfahrten im Ortenaukreis
(2008)
Das deutsche Wort „Pilger" stammt vom kirchenlateinischen Wort „Pelegrinus". Dieses bezeichnet eine Person, die aus religiösen Gründen in die Fremde geht, also eine Wallfahrt in einen Wallfahrtsort macht. Anlässe zu einer Wallfahrt können sein: - eine sich selbst auferlegte Buße, - das Bemühen, einen Sündenablass zu erhalten, - die Erfüllung eines Gelübdes, - die Hoffnung auf eine Gebetserhörung, - Heilung einer Krankheit, - eine religiöse Vertiefung und/oder eine Danksagung.
Ziel einer so verstandenen Wallfahrt ist: ein als heilig betrachteter Ort, beispielsweise eine biblische Stätte, ein Ort einer Erscheinung oder ein Gnadenbild in einer Wallfahrtskirche. An diesen Orten gilt es zu beten, zu bitten und zu danken, um Gnade und Ablass zu erhalten, zumindest tagsüber jederzeit. Diese Sätze zum Thema Wallfahrt sind einem Beitrag im „Konradsblatt" der Wochenzeitung des Erzbistums Freiburg entnommen, in dem im Frühjahr 2007 über die Offenburger Ausstellung „Auf Gottes Pfaden" berichtet wurde.
Das Dreikönigsingen in Haslach im Kinzigtal, sein überliefertes Liedgut und dessen Verbreitung
(2008)
Als „Sternsingen" bezeichnet man allgemein jenen Umgang, der zwischen dem 1. Januar und dem 6. Januar eines jeden Jahres von drei als Kaspar, Melchior und Balthasar verkleideten Burschen (in neuerer Zeit finden sich auch schon Mädchen darunter) durchgeführt wird. Dabei trägt diese Gruppe einen Stern mit sich. Der Sternsingerbrauch - so Prof. Dietz-Rüdiger Moser (München) in seinem Buch „Bräuche und Feste durch das ganze Jahr" (Verlag Herder/Freiburg) - kam erst in nachmittelalterlicher Zeit im Umkreis von Bischofszentren und Stiften auf, wo er zunächst von Kloster- und Chorschülern ausgeübt wurde. Allgemein aber soll sich das Sternsingen erst nach 1560, also nach dem Tridentinum verbreitet haben. Die Liedtexte für das Sternsingen kamen zwischen 1560/65 auf den Markt zunächst in Nürnberg, Regensburg und Straubing und zwar immer auf Flugschriften.
Die heiligen drei König mit ihrigem Stern,
die kommen gegangen, ihr Frauen und Herrn. Der Stern gab ihnen den Schein. Ein neues Reich geht uns herein. [Mit diesem oder einem ähnlich lautenden Lied zogen und ziehen Sternsinger oder Dreikönigsänger, früher ausschließlich in katholischen Gegenden, in der Zeit zwischen Neujahr und Dreikönigstag von Haus zu Haus, um ,,milde Gaben" einzusammeln. Schon die Abwandlung des vorigen Sterndreherliedes in folgenden Text bemerkt etwas süffisant, aber sicher realistisch, warum sie im 16. und 17. Jahrhundert auch „aktenkundig" geworden sind: ,,Die heiligen Drei König mit ihrigem Stern, die essen und trinken und zahlen nicht gern!" Bereits 1566 wurden die Verse gedruckt und Rüdesheimer Kinder haben den Text 1601 gesungen.
Unsere Gruppe, die „Ohlsbacher Heimatforscher", ist nicht der „normale" Heimatverein, den man glücklicherweise in immer mehr Dörfern findet. Wir sind Jugendliche und junge Erwachsene der Jahrgänge 1990-1993. Der Anstoß für unsere gemeinschaftliche Arbeit war ein Schulprojekt, das ein Großteil der Mitglieder in der zweiten Klasse der Ohlsbacher Weinbergschule gemeinsam mit der damaligen Klassenlehrerin Barbara End durchführte. Es hatte das Leben unserer Großeltern und das Leben im früheren Ohlsbach zum Thema. Uns begeisterte es zu forschen, dass einige Klassenkameraden diese Jugend- (damals noch vielmehr Kinder-)Gruppierung gründeten. Zuletzt waren es Kilian Derdau, Camill Harter, Mathias
Kannenberg, Adrian Weigand, Johannes Bukenberger, Florian Wußler, Maik Weigand (nach der Reihenfolge des Gruppenbildes), sowie Jasmin Wußler (nicht auf dem Bild).
Ende November 2007 wurde der 33. Band der Reihe Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg vorgestellt, der die Stadt Offenburg in den Blick nimmt und sowohl der Stadtplanung als auch der Denkmalpflege qualifizierte Informationen über die archäologische Situation im Bereich der Altstadt geben soll, damit im Rahmen der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, Projekten zur Stadtteilsanierung und anderweitigen Planungsverfahren entsprechend agiert und reagiert werden kann. Darüber hinaus bietet der Stadtkataster mit seinen Ausführungen zur historischen Siedlungs- und Stadtbildentwicklung und der historischen Topographie Offenburgs auch einem an Archäologie und Geschichte interessierten Publikum Informationen, die sich auf dem neuesten Forschungsstand bewegen.
Das Haus des Gastes in Bühlertal gehört zu den besten Beispielen für eine moderne Fest- und Gemeindehalle in Mittelbaden. Auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach ihrer Vollendung wirkt die Architektur noch in jeder Hinsicht zeitgemäß. Das Gebäude beweist, dass die Kommune gut beraten war, für dieses Projekt einen Wettbewerb auszuschreiben. Das ist bei öffentlichen Bauten leider längst nicht immer üblich, was häufig zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen führt, deren mangelhafte gestalterische Qualität und Alltagstauglichkeit noch viele Jahrzehnte lange Schatten wirft.
Bad Rippoldsau hat eine Jahrhunderte alte, reiche und wechselvolle Geschichte und war über lange Zeit als das renommierte Kurtal am Südfuß des Kniebis weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. In dem von Dr. G. von Seydlitz im Jahre 1870 herausgegebenen „Wegweiser durch den Schwarzwald" wird Rippoldsau als das „besuchteste aller Bäder um den "Kniebis" beschrieben und in „Meyers Reisebücher - Schwarzwald ..." Ausgabe 1898 heißt es: ,,Das Mineral- und Moorbad
Rippoldsau, das größte und besuchteste (etwa 1500 Kurgäste) aller Kniebisbäder, mit elegantem Fremdenpublikum aus allen Weltteilen, liegt in einem schönen Gebirgsthal, das von dem Fuß des Kniebis in malerischen Windungen sich herabsenkt und von einem klaren, schäumenden Bach, der Wolf, durchströmt wird . ... Großartiges, im Renaissancestil ausgeführtes Kurhaus mit vielen Zimmern und Salons, von denen einige mit forstlicher Pracht ausgestattet sind.
Sicherlich war es nicht die Regel, dass sich zwei, gelegentlich auch mehr Familien einschließlich Mägde und Knechte ein Bauernhaus teilten. Andererseits war und ist das aber auch nicht gerade eine Seltenheit im Schwarzwald. In diesem Zusammenhang berichtet beispielsweise M. Bauer über den Gutmannshof am Salmensbach in Hofstetten: ,,Im Jahre 1843 wohnen auf dem Gutmannshof die Bauern Sehmieder und Eble samt ihren Familien und ,Völchern' und führen eine recht ungewöhnliche Wirtschaft. Das Haus wird nicht zum Doppelhof in zwei Hälften getrennt. Gemeinsam wird in der Stube gegessen und gewohnt. Jede Woche wechseln sich die Mägde der beiden Bauern beim Kochen und beim Hausputz ab. Die Arbeit auf dem Hof ist so verteilt, daß der ältere der Bauern für die Fuhren zuständig ist. Hühner und Rindvieh halten sie gemeinsam, aber den ,Specksame' (Schweine) züchtet jeder für sich." An anderer Stelle schreibt Bauer: ,,In den Hotzenhäusern selbst herrschte bald eine drangvolle Enge. Schon nach zwei Generationen hausten mehrere gleichberechtigte Erben unter einem Dach. Nach der Heirat kamen Ehegatten und Kinder hinzu. Es ist vorgekommen, daß sich die Familien innerhalb des Hauses ihren jeweiligen Lebensraum mit Nägeln in den Wänden abgesteckt haben. Bereits in der dritten Generation mußte die bescheidene Behausung im wahrsten Sinne des Wortes aus den Fugen geraten." Letzteres hatte seine Ursache primär wohl in dem sprichwörtlichen Eigensinn der Menschen am südlichen Abhang des Schwarzwaldes. Schon sehr früh widersetzten sich die Hauensteiner allem, was ihre private Entscheidung beeinträchtigte. Besonders im Erbrecht duldeten sie keinerlei Mitsprache von oben. Schon gar nicht befolgten sie das von der Lehenherrschaft verfügte Anerbenrecht, in dem die Unteilbarkeit der geschlossenen Hofgüter festgeschrieben war. Deshalb kam es im Hotzenwald zur Realteilung, in deren Folge nahezu alle Ländereien zerstückelt wurden.
Der im Schwarzwald gelegene Ort Gutach wurde im späten 19. J ahrhundert zu einer kleinen, jedoch ziemlich bekannten Malerkolonie. Als deren Gründer gilt Wilhelm Hasemann (1850-1913), der sich hier 1880 niederließ. Etwas später stießen noch andere Maler dazu, u. a. Curt Liebig (1868-1936) und Fritz Reiss (1857-1916). Die Schönheit der malerischen
Landschaft und gewisse kulturelle „Exotik" wirkten jahrzehntelang, wie es scheint, magisch anziehend auf viele Künstler, nicht nur aus dem südwestdeutschen Raum. Zu den „Verzauberten" gehörte auch das Ehepaar Oskar und Gertel Hagemann.
Oskar Hagemann (1888-1985) war einer der wichtigsten deutschen Porträtmaler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seinen ersten Mal- und Zeichenunterricht bekam er in Baden-Baden beim Pionier der deutschen Werbekunst Ivo Puhonny (1876-1940). 1906 schrieb er sich in die Zeichenklasse des Malers Ludwig Schmidt-Reutte (1863-1909) an der Kunstakademie in Karlsruhe ein. Ein Jahr später wechselte er in die Klasse von Walter Conz (1872-1947), besuchte gleichzeitig den Malunterricht bei Ludwig Plock (1871-1940) und wurde 1908 Meisterschüler bei Wilhelm Trübner (1851-1917), der ihn wohl auch am meisten stilistisch beeinflusste. Nach Beendigung seines Studiums heiratete Hagemann 1912 die aus Karlsruhe stammende Künstlerin Gertel (Gertrud) Stamm (1891-1939). Sie studierte bei Arthur Kampf (1864-1950) an der Berliner Kunstakademie, war eine Hinterglasmalerin und eine ausgezeichnete Scherenschnittkünstlerin. Ihr Interesse für diese raffinierte Sparte der Kunst entwickelte sich bei ihr bereits in der Jugendzeit. 1908 lernte sie während eines Urlaubes in Hiddensee an der Ostsee den bekannten Scherenschnittkünstler Ernst Penzoldt (1882-1955) kennen, mit dem sie mehrere Jahre im Briefwechsel stand und Scherenschnitte austauschte. Sie schuf in dieser Technik diverse Motive als Einzelbilder und Illustrationen für Bücher und veröffentlichte ihre Werke u. a. in der Zeitschrift „Der Kunstwart" und in der Mappe „Schattengeist", herausgegeben 1912 von Ferdinand Avenarius im Callwey-Verlag.
Oskar Wiegert
(2009)
In fast allen Veröffentlichungen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Offenburg, zuletzt in Martin Ruchs Publikation über das Novemberpogrom in Offenburg, fällt der Name Oskar Wiegert als fanatischer und skrupelloser Nazitäter. Im Rahmen der Untersuchung der Entnazifizierung der Stadtverwaltung Offenburg fand der Autor weitere Archivdokumente, die bisher noch nicht ausgewertet wurden und interessante Aufschlüsse über seine Nachkriegsbiografie bringen. Zu Beginn der fünfziger Jahre lässt sich in der Bundesrepublik eine Abkehr von der im vorigen Beitrag beschriebenen Entnazifizierungspolitik feststellen. Schritt für Schritt setzte sich ein Nazi-Begriff durch, ,,der auf Rabauken und Sadisten passte, aber die partei-organisatorisch nicht recht greifbaren Unterstützer in herausragenden Positionen - Wirtschaftsmanager, Richter, Bürokraten, Professoren - ausfilterten." Dieses Milieu hatte sich nicht mit den kleinen Pöstchen abgegeben, wie Kassenverwalter, Zellenleiter, Blockwart etc. Einfach zu belangen waren die Raufbolde, Querulanten. Sie besaßen teilweise Hemmungen, den plebejischen NS-Verbänden mehr als nominell beizutreten und hatten ihren Einsatz auf viel effizientere Weise bewiesen, nur blieb davon im formalen Raster der Entnazifizierung nicht viel hängen. Letztendlich existierte in den fünfziger Jahren ein „gewisses Solidaritätsgefühl zwischen Nazis und Nicht-Nazis." In vielen Gemeinden gab es oftmals eher eine Sympathie für den verteufelten Nazi als für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitarbeiter der Spruchkammern, die im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung sich dem System widersetzt hatten, waren bereits gegen eine Wand des Schweigens gestoßen. Sie waren der Bevölkerungsmehrheit oft fremd, suspekt und lästig.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Entnazifizierung der Offenburger Bediensteten, die 1933 bis 1945 bei der Stadt in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, begibt sich auf ein gefährliches Minenfeld. Bei keinem Thema stoßen solch konträre Extrempositionen aufeinander, zurück bleiben oftmals Grautöne. Bei fast jeder Schlussfolgerung bleibt ein Stück Zweifel zurück. Gehörte eine untersuchte Person zu den Nazi-Tätern oder versteckte er
sich hinter einer loyalen Nazi-Maske oder umgekehrt. Große Verunsicherung bringen die zahlreichen sog. Persilscheine, die von Nazi-Opfern für Personen ausgestellt wurden, die laut Aktenlage eigentlich zum Täterkreis gehörten.
Am 30. November 1939 wurde der jüdische Fotograf Wolf Schmuel Borowitzky in Nordrach aus seiner Wohnung heraus verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin eingeliefert. Dort teilte man ihm die Häftlingsnummer 010121 zu und brachte ihn im Häftlingsblock 38 unter. Am 26. Februar 1940 kam Borowitzky im KZ Sachsenhausen im Alter von 48 Jahren ums Leben . Über die Todesursache gibt es keine Angaben, eine Grabstätte existiert nicht. Es ist eine grausame Ironie, dass keine Fotografie oder keine Porträtaufnahme existiert, die uns zeigen könnte, wie der Fotograf Borowitzky selbst ausgesehen hat. Nachdem er über zwanzig Jahre in dem bekannten Schwarzwälder Kurort lebte und arbeitete, ist sein Schicksal heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Auch eine Nachfrage nach Hinweisen zu Borowitzky in den Nordracher Allgemeinen Bekanntmachungen blieb unlängst ohne jegliche Reaktion .
Die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel erkannte im Juli 2004 dem Deutschen Karl Plagge die Ehrung als „Gerechter unter den Völkern" zu, weil er während des Krieges unter Lebensgefahr Juden Hilfe geleistet hatte. Und im April 2005 veranstaltete seine Heimatstadt Darmstadt eine Gedenkfeier zu Ehren des Majors der Wehrmacht Plagge (1897-1957). Der
Freiburger Historiker Prof. Dr. Wolfram Wette sprach bei diesem Anlaß über den „Judenretter in der Uniform der deutschen Wehrmacht" im deutsch besetzten Litauen. Dort, unweit von Wilna, wurden in den Jahren 1941-1944 fast 100 .000 Menschen durch Gewehrfeuer ermordet. Plagge jedoch half wohlüberlegt und mit langem Atem als Kommandeur eines
Heeres-Kraftfahr-Parks (HKP), einer großen Reparaturwerkstätte in Wilna: Er beschäftigte in seiner Dienststelle vorrangig jüdische Arbeitskräfte , was diese von den Erschießungsaktionen der SS lange Zeit ausnahm. Auch Menschen, die von der Maschinenreparatur nichts verstanden, stellte er bewusst ein, um sie zu retten. Mit dem Argument, ohne gesunde und kräftige Arbeitskräfte könne er den kriegswichtigen Reparaturbetrieb nicht ausführen, gelang es ihm, eine bessere medizinische Versorgung und ausreichend Lebensmittel zu garantieren. Im Rahmen des Rückzugs vor der russischen
Front warnte er dann in einem Schlussappell am 1. Juli 1944 seine jüdischen Arbeiter verschlüsselt vor den unmittelbar bevorstehenden finalen Mordaktionen der SS. Vielen gelang so in letzter Minute noch die Flucht oder sie konnten sich verstecken.
Die Krankenpflegeschule der Kongregation der Franziskanerinnen vom Göttlichen Herzen Jesu Gengenbach
(2009)
Die Gründung der Gengenbacher Schwesternschaft steht in einem engen Zusammenhang mit der Krankenpflege als Berufung. Im so genannten Trettenhof, den Pfarrer Berger am 4. September 1867 als ehemaliges größeres Lehengut derer von Hohen Geroldseck erwarb und der das „Mutterhaus" darstellte, lebten die sich als „Schwestern" bezeichnenden ersten
Krankenpflegerinnen „Die ,Schwestern' erhielten Unterricht in Krankenpflege durch eigene geschulte Kräfte und neue Mitglieder, die etwa in Karlsruhe beim ,Badischen Frauenverein' - Großherzogin Luise war dessen große Förderin - und in der Lehrschule der Niederbronner Schwestern im Vinzentiushaus ... in Karlsruhe ausgebildet waren." Die Seelbacher
Schwesternschar meldete sich freiwillig für die Pflege der Verwundeten im Deutsch-Französischen Krieg. Während und nach dem Krieg waren diese mit 26 Schwestern in 18 Feld- und Heimatlazaretten tätig. Aufgrund politischer Zwänge musste 1892 der Trettenhof verkauft werden; ein Teil der Schwestern konnte im Spital in Gengenbach Unterkunft finden.
Die guten Schwestern
(2009)
Wir hier in Rastatt erinnern uns doch noch gut an die guten Schwestern: an Adelaria, Aldrich, Bruno, Christa, Dionysia, Ida, Johannita, Luisiana - oder etwa nicht? Sie hießen „Niederbronner Schwestern" nach ihrem Mutterhaus im Elsaß, oder „Bühler Schwestern" nach dem Mutterhaus ihrer badisch-hessischen Provinz, oder „Schwestern vom Allerheiligsten Heiland", wohnten im Marienhaus in der Engelstraße und wirkten in der Nähschule und der häuslichen Krankenpflege; ihre Mitschwestern vom selben Orden führten das Waisenhaus am Leopoldring und den Kindergarten am Rohrersteg. Und es gab auch noch die „Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul" oder „Vinzentinerinnen" mit ihren großen weißen Flügelhauben, die im Konvikt, im Altersheim, im Krankenhaus und im Kindergarten in der Engelstraße tätig waren. Und es gab die „Schwestern vom Guten Hirten", die sich im Maria-Viktoria-Stift um schwererziehbare Mädchen kümmerten. Aber jetzt gibt es in Rastatt gar keine Schwestern mehr; und auch in den anderen Städten und Dörfern in der Ortenau, zu deren Bild sie einst gehörten, sieht man sie nicht mehr.
Am 21. März 2009 jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag des ersten Offenburger Oberbürgermeisters Friedrich Wilhelm (Fritz) Hermann. Dieses Datum gibt Anlass, nach der Bedeutung dieses Kommunalpolitikers zu fragen: Welche Initiativen seiner Amtszeit sind für Offenburg von bleibender Bedeutung? Was hat Hermann als Stadtoberhaupt zur Stadtentwicklung
beigetragen? Welche Gesinnung lässt sich hinter dem politischen Einsatz, der Fritz Hermann auf kommunal- und landespolitischer Ebene auszeichnete, für Stadtentwicklung und soziale Belange erkennen? Diese Reihe von Fragen gewinnt nicht nur durch die Dauer seiner Amtszeit von knapp 30 Jahren (1893-1921) an Bedeutung. Sie verdient auch deshalb Aufmerksamkeit, weil sich in dieser Amtszeit nicht nur die positiven Entwicklungen der Wilhelminischen Epoche auf lokaler Ebene widerspiegeln, sondern auch, weil die tiefe Krise des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit das Leben des Offenburger Gemeinwesens tief berührte. Grundlage für die folgenden Ausführungen ist neben biografischen Dokumenten und einzelnen Offenburger Quellen das Schriftgut zur Mitgliedschaft Hermanns in der Ersten Kammer des Badischen Landtags.
Während über die Fischerzünfte in Altenheim, Auenheim und Straßburg mehrfach publiziert worden ist, wissen wir über die frühere Fischerei im Kehler Gebiet bisher nur wenig. Dass aber auch in Kehl (sowie Sundheim und dem einstigen Iringheim/ Hundsfelden) Fischfang berufsmäßig betrieben worden ist, kann man sich unschwer vorstellen. Denn Fisch war in der
Vergangenheit überall am Rhein ein gleichermaßen wichtiges und unverzichtbares Nahrungsmittel. Eine Fischerzunft scheint im engeren Kehler Gebiet (Dorf und Stadt Kehl) zwar nie bestanden zu haben, doch müssen es schon eine größere Zahl von Fischern gewesen sein, dass die Straßburger Fischerzunft - sie hatte weit über 100 Zunftmitglieder - sich mit ihnen
wiederholt auseinandersetzte. Solche Auseinandersetzungen mit Straßburger Beteiligung über die gegenseitigen Fischereirechte, bei denen es auch zu handfestem Streit, Gefangennahmen bis hin zu vereinzelten Schießereien kam, dokumentieren die Fischereiakten rheinauf und rheinab.