Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (63)
Gehört zur Bibliographie
- nein (63)
Schlagworte
- Hausenstein, Wilhelm 〈1882-1957〉 (8)
- Karlsruhe (5)
- Oberrheinisches Tiefland (5)
- Baden (4)
- Freiburg im Breisgau (3)
- Ortenau (3)
- Piaristen (3)
- Sutor, Emil 〈1888-1974〉 (3)
- Erzabtei St. Martin zu Beuron (2)
- Geschichte (2)
Auch nach 1933 war, wenigstens in Deutschland, nichts mehr so, wie es vorher gewesen war. Zahllose Lebensläufe, auch
bisher geradlinige, bogen plötzlich in andere Richtungen ab, brachen ab, verloren sich im Ungefähren und, im Ungewissen. Menschen tauchten unter, oder auch erst auf. Das Leben ging zwar weiter, aber wie?
Sein Herz aber blieb am See
(2013)
Konrad (erst später: Conrad) Gröber [1]
wurde am 1. April 1872 in Meßkirch geboren; der Vater war Schreiner, und alles deutete darauf hin, dass der Sohn in seine Fußstapfen treten würde. Dieser aber wollte höher hinaus, hatte offenbar nicht nur den Zug,
sondern auch das Zeug dazu, und nachdem der gleichnamige Onkel, der als Pfarrer in
Wieden im Schwarzwald amtierte, ein gutes Wort eingelegt und einen Zuschuss zugesagt
hatte, wurde beschlossen, ihn auf eine höhere Schule zu schicken. Also kam im Jahre
1884 der kleine Konrad nach Konstanz, wo der heilige Konrad, sein Namenspatron, gelebt und gewirkt hatte, und dann sogar noch ins Konradihaus, dessen Zöglinge das örtliche Gymnasium besuchten. Und hier gingen ihm die Augen auf.
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen ging als Autor des „Simplicissimus“ in das allgemeine Bewusstsein ein; sein sonstiges, umfangreiches Werk ist dagegen weithin in Vergessenheit geraten. (Eine der wenigen Ausnahmen stellt die von Bertolt Brecht wieder aufgegriffene „Landstörzerin Courasche“ dar.) Dabei wäre da und dort noch manches zu entdecken. Im letzten Band der Gesamtausgabe, und in ihm fast an letzter Stelle, findet sich ein im Jahre 1667 erstmals erschienener „Anhang / Etlicher wunderlicher Antiquitäten / so der fliegende Wandersmann zeit seiner wehrenden Reiß / in einer abgelegenen Vestung an dem Meer gelegen / und von den Türcken bewohnet / gesehen und verzeichnet“. Anders als die eigentliche Erzählung vom Wandersmann, die aus dem Französischen übersetzt wurde, scheint dieser Anhang von Grimmelshausen selber zu stammen (der in jenem Jahr erst als Wirt „Zum Silbernen Sternen“ in Gaisbach bei Oberkirch und dann als Schultheiß in Renchen amtierte). In ihm kritisiert er auf nahezu beispiellose Weise den zu seiner Zeit florierenden Reliquienkult: indem er ihn lächerlich macht.
Aus der langen Reihe von Büchern, die Wilhelm Hausenstein schrieb, sticht das eine, um das es hier geht, unübersehbar hervor; oder sollte man sagen, dass es aus der Reihe fällt? Dennoch, oder eben deshalb, ist es so oft wie kein anderes nach
seiner ersten Veröffentlichung, 1948 bei Karl Alber, immer wieder neu aufgelegt worden: 1958 bei Herder, 1976 im Süddeutschen Verlag, 1980 im Deutschen Taschenbuch-Verlag. Das Buch heißt: „Die Masken des Komikers Karl Valentin“. Ihm war, 1932 bei Knorr & Hirth, schon „Das Karl Valentin Buch“ vorausgegangen, als „Erstes und einziges Bilderbuch von Karl
Valentin, über ihn und Lisl [sic] Karlstadt, mit Vorwort und ernsthafter Lebensbeschreibung und Bildunterschriften von ihm selbst, sowie zwei Aufsätzen von Tim Klein und Wilhelm Hausenstein“. Und nun, 2019, ist es noch einmal erschienen,
bei Schirmer/Mosel, schöner als je zuvor.
„Unser Anteil am Westen“
(2019)
Am Ende seines Lebens konnte Wilhelm Hausenstein, der 1882 in Hornberg geboren worden war, von sich sagen, er habe „seit Kindesbeinen von meiner schwarzwäldischen Heimat her immer nach dem Elsaß auf die natürlichste und nächste Weise hinübergelebt“. Der Blick ging talabwärts, den Bächen und Flüssen nach, hin zum Rhein, ins Offene, Weite. Und nicht von ungefähr folgte dieser Blick dem Weg, den einst die Flößer genommen hatten, unter ihnen einer der Urgroßväter Hausensteins, der legendäre Johann Armbruster aus Wolfach. Er folgte zugleich der alten Poststraße, die von jeher Wien mit Paris verband. – Dagegen hat Hausenstein „oft erzählt, wie die Hornberger Schulbuben zur nahegelegenen Staatsgrenze, nach Schramberg zu, hinaufstiegen und den jenseits vermuteten württembergischen Bundesbrüdern ins Blaue hinein Beschimpfungen zuriefen“. Es war klar, wem die Sympathien galten, und wem nicht.
Wallfahrtswege
(2016)
Dem Wallfahrtswesen, und nicht nur dem christlichen, liegt
der Glaube zugrunde, dass Gnade an bestimmte Orte gebunden
und nur an ihnen zu gewinnen sei; an Orte, an denen Wunder
geschahen und die sich selber einem Wunder verdankten (oder
über besonders wirksame Reliquien verfügten). Und der Glaube,
dass man diese Gnade nur dadurch gewann, dass man einen
weiten oder wenigstens schweren, beschwerlichen Weg auf sich
nahm.
Wolf und Wappen
(2018)
Der Wolf kehrt, wie man hört, zurück – nachdem er schon einmal dagewesen ist und seine Spuren hinterlassen hat; auch in
der Ortenau, und an sichtbarer Stelle. So zeigt etwa das Wappen von Rammersweier einen schreitenden, rotgezungten schwarzen Wolf (was wohl weniger auf den angeblichen, durch mündliche Überlieferung begründeten Übernamen der Einwohner als vielmehr auf ein wirkliches Vorkommen des Tieres zurückgeht, woran in der benachbarten Gemarkung Zell-Weierbach noch der Gewannname „Wolfsgrube“ erinnert). Das Wappen von Oberwolfach zeigt, wie nicht anders zu erwarten, einen angreifenden roten Wolf; aber das der Stadt Wolfach selber keinen, sondern eine sogenannte Wolfsangel, nämlich einen „facettierten“, d. h. geschliffenen Doppelhaken, über dessen Bedeutung die Meinungen weit auseinandergehen. Aber vielleicht gelingt es, das diesbezügliche Dunkel ein wenig zu erhellen.
Es gibt fromme Bilder, denen man auch außerhalb des Kirchenraums auf Schritt und Tritt begegnet: am häufigsten dem des
gekreuzigten Jesus, dann dem seiner Mutter Maria. Doch schon an dritter Stelle folgt, überraschenderweise, das des heiligen Johannes Nepomuk. Dafür, dass er auch im mittelbadischen Raum, und im 18. Jahrhundert, unzählige Male dargestellt wurde, gibt es gute Gründe.
Am 9. Dezember 1933 brach Patrick Leigh Fermor, 18 Jahre alt, in London zu einer Reise auf, die ihn bis nach Istanbul führen und deren Beschreibung ihn viele Jahre später berühmt machen sollte; es gibt kaum etwas, was mit ihr zu vergleichen wäre. Auf seinem Weg kehrte der Reisende für einen Tag in Bruchsal ein, wo ihn das ehemals fürstbischöfliche Schloss mehr beeindruckte als alles davor und vieles danach.
Über Heinrich Hansjakob, den man als einen Volksschriftsteller kennt, kann man geteilter Meinung sein; aber es läßt sich nicht leugnen, da[ss] er, als einer der ersten, die Lebensläufe der kleinen Leute niederschrieb, um die sich sonst keiner kümmerte, über die sonst keiner etwas wissen wollte. Einer von ihnen war Theodor Armbruster (1815-1898), der als Seifensieder und Holzhändler in Wolfach lebte. Und hinter ihm, den Hansjakob ins Zentrum einer eigenen Erzählung stellte, wird die alle und alles überragende Gestalt seines Vater sichtbar - die des Schiffers, d.h. Flößers Johann Armbruster (1786-1872), auch ,Jean' oder ,Schang' oder ,der starke Hans' genannt. Er war, wie Hansjakob berichtet, ,,wohl das angesehenste Haupt aller Schiffer im Kinzigtal, und wenn er nach Hasle kam und beim Frankfurterhans, seinem Schwager, vorfuhr, hatte alles Respekt, als ob ein Fürst käme. Er war aber auch ein Wald- und Holzfürst und ein kreuzbraver Mann alten Schlags". Seine größte Leistung bestand darin, daß er Flöße mit einer Länge von über 2.000 Fuß und einer Besatzung von 40 bis 50 Mann nach Holland hinunter steuerte, einmal sogar bei Nacht durch die Kölner Rheinbrücke hindurch, weil sich das Ungetüm nicht mehr rechtzeitig anhalten ließ. Hansjakob hat da Ereignis ausführlich nacherzählt.
Piaristen als Autoren
(2002)
Habent sua fata libelli. Dass auch Bücher ihre Schicksale haben, hat sich,
seit Terenz diesen Satz niederschrjeb, immer wieder neu gezeigt. Wo kamen die Bücher, die einmal da waren, hin? Und wo kamen die, die da sind,
her? Und wie, und wieso, kamen sie hierher?
Solche Fragen stellt sich jeder, der eine Bjbliothek besucht. Wer die
Hjstorische Bibliothek der Stadt Rastatt besucht, weiß bald Bescheid.
Denn das heutige Ludwig-Wi]helm-Gymnasium, in dem sje sich befindet,
ist aus dem Großherzoglichen Lyzeum hervorgegangen, in dem das Piaristenkolleg von Rastatt und das Lyzeum, vormals Jesuitenkolleg von Baden-Baden aufgegangen sind - einschließlich ihrer jeweiligen Buchbestände;
und denen der Jesuiten waren schon die ihrer elsässischen Mitbrüder zugewachsen, und die der baden-badischen Kapuziner kamen auch noch hinzu.
(Und seither noch mehr.) [1]
Der angehende Priester, der - irgendwann im Winter 1880, irgendwo in Wisconsin - einen befreundeten Pfarrer besuchte, freute sich sehr, als er am weit abgelegenen Bahnhof ankam und sah, daß da ein Schlitten auf ihn wartete. Und noch mehr freute er sich, als er endlich sein Zie] erreichte und sein Fahrer, ein irischer Bauer, zum Pfarrer sagte: ,,Das war eine lange,
kalte Fahrt, aber der junge Mann verkürzte sie mir durch seine Schilderungen aus seinem Leben, daß ich die Kälte nicht merkte und am liebsten noch weiterfahren möchte. Das müssen Sie sich auch erzählen lassen. Es ist ganz großartig. So etwas habe ich noch nie gehört." Der Bauer, der sich als Ire gewiß aufs Erzählen verstand, hatte recht; das Buch, das der junge Mann vierzig Jahre später schrieb, ist der beste Beweis. Es heißt ,Aus dem Leben eines Auswanderers. Uebers Weltmeer zum Altar' und
wurde 1922 im , Verlag der Waisenanstalt (Schulbrüder)' in Kirnach-Villingen, Baden gedruckt; geschrieben wurde es, laut Titelblatt, von Robert Rath.
Vom berühmten Rastatter Maß
(2003)
Von Rastatt sagt ein Buch, das 1725 in Frankfurt und Leipzig erschien, dass es „groß/und wegen der großen Maß/berühmt" sei. Und dass es „insonderheit wegen des grossen Maasses berühmt" sei, steht auch in dem betreffenden, 1741 in Halle und Leipzig erschienenen Band der berühmten Zedlerschen Enzyklopädie. (Und beide Male steht es gleich im ersten Satz.) Im Jahre 1799 kam dann, in Dortmund, die „Jobsiade" von Karl Anton Kortum heraus: eine komische Biographie des recht nichtsnutzigen Kandidaten Hieronimus Jobs aus Sulz- oder Schildburg in Schwaben, der jedoch, nach vielen Verwirrungen, schließlich Pfarrer von Ohnwitz wird, nachdem der bisherige Amtsinhaber plötzlich das Zeitliche gesegnet hat.
Man kann es kaum noch glauben, dass dies einmal möglich war: dass es damals, unter Hitler, jeden treffen konnte, jederzeit, und ohne jeden Grund. Und besonders schnell traf es die, die den Herrschenden ohnehin ein Dom im Auge waren; nämlich die, die sich, statt dem neuen Staat, der Kirche widmen und weihen wollten. Niemand wird je wissen, wie viele von ihnen ihr Leben lassen mussten; ihre Zahl geht in die Tausende. Allein ins KZ Dachau wurden, allein aus der Erzdiözese Freiburg, 21 Priester eingewiesen, von denen 16 überlebten. Aber ihnen, den Geretteten, hatte es oft die Sprache verschlagen; zu sagen, was sie erlebt und erlitten hatten, war gewiss nicht leicht, und wer wollte es hören? So nahmen sie ihre Erinnerungen mit ins Grab. Um so wertvoller sind die, die sich erhalten haben - wie die einer im Kinzigtal geborenen, in Bühl eingetretenen und eingekleideten Ordensschwester, die als Schutzhäftling Nr. 25150 im KZ Ravensbrück gefangen saß; Erinnerungen, die in dieser Form bisher unbekannt waren und in ihr hier zum ersten Mal bekannt gemacht werden.
,,Ich als geborener Badener"
(2005)
Der Anruf aus Bonn kam ungelegen. Denn jetzt, im März 1950, wollte Wilhelm Hausenstein endlich in Ruhe gelassen werden; wollte nur noch lesen, schreiben, auch reisen, kurz: sein eigenes Leben leben, das ohnehin zur Neige ging. Und dass er sich diese Ruhe redlich verdient hatte, konnte keiner bestreiten. Am 17. Juni 1882 war er in Hornberg im Schwarzwald geboren worden; hatte das Gymnasium in Karlsruhe und die Universitäten in Heidelberg, Tübingen und München besucht; und hatte, nach einer glanzvollen Promotion in mittlerer und neuerer Geschichte, Nationalökonomie und Paläographie, in Paris der ehemaligen Königin von Sizilien als Vorleser gedient und sich dann noch einmal in München in den Hörsaal gesetzt, um Kunstgeschichte zu studieren. Dann war er einer der bedeutendsten Kunsthistoriker, Kunstkritiker, Kunstschriftsteller, auch Reiseschriftsteller seiner Zeit geworden: mit zahllosen Artikeln und Aufsätzen und mit rund 40 Büchern etwa über barocke, expressionistische und exotische Kunst; über Fra Angelico, Giotto, Carpaccio, Rembrandt; über Paul Klee und andere zeitgenössische Künstler, mit denen er bekannt und befreundet war. Dann, nach 1933, hatte er keine Bücher mehr schreiben dürfen, aber als Redakteur der berühmten ,Frankfurter Zeitung' noch eine Weile überwintern können - aber ohne den Machthabern irgendeine Konzession zu machen; war schließlich doch entlassen worden und dadurch in große Not
geraten, auch weil Margot Hausenstein, die er 1919, mit Rilke und Preetorius als Trauzeugen, geheiratet hatte, eine belgische Jüdin war. Die einzige Tochter Renee-Marie hatte mit dem letzten Schiff noch nach Brasilien flüchten können.
Österreich war klösterreich, sagt ein altes Witzwort. Aber klösterreich, an Klöstern reich, war auch Deutschland, auch Baden, ja, auch die Ortenau - noch im Jahre 1800. Da gab es etwa die Benediktiner in Schwarzach, Schuttern, Gengenbach und Ettenheimmünster; die Benediktinerinnen in Frauenalb; die Zisterzienserinnen in Lichtenthal; die Prämonstratenser in
Allerheiligen; die Sepulcrinerinnen in Baden-Baden; die Franziskaner bei Baden-Baden, in Rastatt, Seelbach und Offenburg; die Kapuziner in Baden-Baden, Offenburg, Oppenau, Oberkirch und Mahlberg; die Augustinerinnen in Rastatt und Ottersweier; die Piaristen in Rastatt ... Und nur zehn Jahre später, 1810, waren alle diese Klöster untergegangen, aufgehoben, aufgelöst (oder doch, wenn auch nur in wenigen Fällen, in weltliche Institute umgewandelt worden). Es gab in diesem Lande keine Orden mehr, auf lange Zeit nicht mehr.
Wenn der Zug am Hornberger Bahnhof hielt, dann stand schon Jakob, der Hausknecht vom „Bären", mit seinem einspännigen Omnibus bereit, um die Gäste mit ihrem Gepäck in Empfang zu nehmen; und dann fuhr er sie, laut mit der Peitsche knallend und im schnellsten Trab, über die Rathausbrücke vor den Haupteingang des Hotels, wo man sie erwartete. So war es
jedenfalls in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, und so wohl auch noch im Juli 1916. Da kam, wie es scheint, aus Frankfurt am Main die Sängerin Maria Calvelli-Adomo und vielleicht auch ihre Schwester Agathe, ebenfalls eine Sängerin; vielleicht auch ihr Ehemann Oscar Wiesengrund, ein vermögender Weinhändler; und ganz gewiss ihr einziges Kind, der Sohn Theodor.
Wenn Goethe in den Jahren 1770 und 1771 aus Straßburg nach Sessenheim kam, um seine geliebte Friederike zu besuchen, befuhr er mit ihr und anderen oft den Rhein, blieb dann auf einer der zahllosen Inseln und wäre gern noch länger geblieben, ,,hätten uns nicht die entsetzlichen Rheinschnaken nach einigen Stunden wieder weggetrieben. Über diese unerträgliche Störung einer der schönsten Lustpartien, wo sonst alles glückte, wo die Neigung der Liebenden mit dem guten Erfolge des Unternehmens nur zu wachsen schien, brach ich wirklich, als wir zu früh, ungeschickt und ungelegen nach Hause kamen, in Gegenwart des guten geistlichen Vaters, in gotteslästerliche Reden aus und versicherte, dass diese Schnaken allein mich von dem Gedanken abbringen könnten, als habe ein guter und weiser Gott die Welt erschaffen. Der alte fromme Herr wies mich dagegen ernstlich zur Ordnung und verständigte mich, dass diese Mücken und anderes Ungeziefer erst nach dem Falle unserer ersten Eltern entstanden, oder, wenn deren im Paradiese gewesen, daselbst nur angenehm gesummet und nicht gestochen hätten." So steht es in „Dichtung und Wahrheit", und es wird wohl die Wahrheit sein; denn auch Karl Julius Weber, der nicht viel später seine „Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" schrieb,
nannte, nachdem er bei Rastatt am Rhein gewesen war, ,,die sogenannten Rheinschnaken eine wahre ägyptische Plage " und neigte dazu, sie „für lauter kleine Teufel zu halten".
Dass wir uns heute hier versammelt haben, hat einen guten Grund, zumindest einen Anlass, oder vielmehr einen doppelten: 125 Jahre sind vergangen, seit Wilhelm Hausenstein in Homberg im Schwarzwald geboren wurde, und 50 Jahre, seit er in München starb. Und wenn wir schon mit Zahlen spielen, dann müssen wir auch die beiden Daten, die wir feiern, genauer
betrachten, um die Zeitgenossenschaft dessen, den wir feiern, besser zu begreifen. Als er geboren wurde, 1882, wurden auch James Joyce, Jean Giraudoux, Georges Braque, Igor Strawinsky geboren; als er starb, 1957, starben auch Alfred Döblin, Valery Larbaud, Curzio Malaparte, Constantin Brancusi, Henry van de Velde, Arturo Toscanini, Jan Sibelius. So also hießen die Zeitgenossen; und die Zeit hieß - in Deutschland - Zweites Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Drittes Reich, Zweiter Weltkrieg, Bundesrepublik. Es waren 75 Jahre, nicht viele; aber sie hatten es in sich.
Die guten Schwestern
(2009)
Wir hier in Rastatt erinnern uns doch noch gut an die guten Schwestern: an Adelaria, Aldrich, Bruno, Christa, Dionysia, Ida, Johannita, Luisiana - oder etwa nicht? Sie hießen „Niederbronner Schwestern" nach ihrem Mutterhaus im Elsaß, oder „Bühler Schwestern" nach dem Mutterhaus ihrer badisch-hessischen Provinz, oder „Schwestern vom Allerheiligsten Heiland", wohnten im Marienhaus in der Engelstraße und wirkten in der Nähschule und der häuslichen Krankenpflege; ihre Mitschwestern vom selben Orden führten das Waisenhaus am Leopoldring und den Kindergarten am Rohrersteg. Und es gab auch noch die „Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul" oder „Vinzentinerinnen" mit ihren großen weißen Flügelhauben, die im Konvikt, im Altersheim, im Krankenhaus und im Kindergarten in der Engelstraße tätig waren. Und es gab die „Schwestern vom Guten Hirten", die sich im Maria-Viktoria-Stift um schwererziehbare Mädchen kümmerten. Aber jetzt gibt es in Rastatt gar keine Schwestern mehr; und auch in den anderen Städten und Dörfern in der Ortenau, zu deren Bild sie einst gehörten, sieht man sie nicht mehr.