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Jemand, der malt
(2001)
Jemand, der malt, spricht in Bildern, also in Farben, Formen und Figuren; ihnen mit Worten zu entsprechen fällt dem, der schreibt, schwer. Denn die Worte dürfen sich nicht vor die Bilder stellen oder gar an deren Stelle treten wollen (was aber leider oft geschieht); sie müssen den Weg beschreiben, der zu ihnen hin und in sie hinein führt, und dann verstummen. Wer sie gehört oder gelesen hat, darf sie auch wieder vergessen - sobald er zu sehen beginnt. Dazu sind sie da, und sonst zu nichts.
Sehr geehrte Damen und Herren, heute können wir einen freudigen Tag für unser Land in der Badischen Landesbibliothek
feiern: Historische Dokumente, ein Teil südwestdeutscher Geschichte, bleiben im Original für Wissenschaft und Forschung, für die Öffentlichkeit erhalten. Bibliotheken und Archive werden häufig als Gedächtnis unserer Gesellschaft zitiert. Deshalb ist es gut, daß das Erbe Laßbergs an gedruckten Büchern in der Badischen Landesbibliothek zugänglich bleibt. Und zwar im Kontext, im Zusammenhang mit Laßbergs Nachlaß, seinen deutschen Handschriften und mittlerweile knapp 1000 neu erworbenen Bänden aus Laßbergs Bibliothek. Laßbergs gedruckte Bücher, das möchte ich besonders hervorheben, sind neben seltenen Rara nicht einfach Drucke, die es anderen Ortes auch gibt, sondern sie zeigen die Spuren seiner Arbeit, insbesondere seiner Beschäftigung mit dem Mittelalter und dessen deutscher Literatur. Sie sind damit wichtige und einzigartige Quellen, vergleichbar mit dem Briefwechsel. Damit nenne ich bereits ein Thema, das im Mittelpunkt unserer Ausstellung steht.
Der Heidelberger Kunstverein
(2001)
Bad. Heim.: Herr Gercke, Vereine haben oftmals ihre eigenen Traditionen, die sich von ihrer Entstehung und Geschichte herleiten. Wie ist dies beim Heidelberger Kunstverein? Gercke: Nachzuvollziehen ist dies in der anläßlich des 125jährigen Bestehens des Heidelberger Kunstvereins im Jahre 1994 erschienenen und von Christmut Präger zusammengetragenen Chronik des Vereins, in der er auch bis dahin nicht gesichtete Dokumente veröffentlicht hat. Leider waren nicht alle Dokumente lückenlos vorhanden, da der Verein sein Domizil im Laufe seiner Geschichte an die zehn Mal wechselte. Vielleicht wurde auch manches aus den vierziger Jahren absichtlich beiseite geschafft. Im Vergleich zum Badischen Kunstverein, dem Freiburger, Mannheimer oder Konstanzer ist der Heidelberger der jüngste. Erst 1869 hat der heute fast unbekannte, aber damals sehr engagierte Maler Ludwig Horst dem ,, ... hochwohllöblichen Gemeinderat der wunderschönen Stadt Heidelberg ... " klar gemacht, daß Heidelberg eine Institution braucht, die sich kompetent mit der Vermittlung zeitgenössischer Kunst befaßt. Begründet hat er dies mit dem Ruf der Universitätsstadt, die mit dem Erbe der Romantik einen gewichtigen Hintergrund hat. Daran interessant für mich war, daß ich, ohne damals diese Details zu kennen, im Zusammenhang mit der Notwendigkeit des Neubaus gegenüber dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister die gleichen Argumente wie Horst benutzte. Es muß gegen die starke, sicher auch Maßstäbe setzenden Dominanz der Tradition ebenso die zeitgenössische Kunst ihren Platz in einem kulturell so stark bestimmten Raum erhalten. Dies leuchtete offenbar damals wie heute den politisch Verantwortlichen ein. So konnte der Heidelberger Kunstverein nach über 100jähriger Odyssee
1990 mit der sehr spektakulären und vom damaligen Ministerpräsident Lothar Späth eröffneten Ausstellung zur Farbe Blau dies sehr interessante Domizil unter dem gleichen Dach mit dem Kurpfälzischen Museum beziehen.
Welche Personen haben auf welche Weise zur Entstehung des Mannheimer Kunstvereins beigetragen? Der Kunstvereinsgedanke des 19. Jahrhunderts führte 1833 zur Gründung des Mannheimer Kunstvereins. Zu den Gründungsmitgliedern in Karlsruhe gehörte General Carl Freiherr von Stockhorn, der später zum kommandierenden General in Mannheim ernannt wurde. Er übertrug seine Erfahrungen aus Karlsruhe und wurde so zum Gründungspräsident des sich in Mannheim konstituierenden Vereins gewählt. Ebenso wie in Karlsruhe erhielten die Mitglieder gemäß den Statuten für den Jahresbeitrag Vereinsaktien, die ein Anrecht auf jährliche Vereinsgaben darstellten. Gemäß § 1 der Satzung hatte der Verein ,,... den Zweck, den Sinn für die Bildende Kunst zu befördern, Künstler in ihrem Bestreben aufzumuntern, und, wenn es einst die Verhältnisse und Mittel erlauben, erprobte Talente zu unterstützen". Der Verein wuchs von 57 Mitgliedern auf 161 im September und bis Oktober auf 200. Zum Ende des Jahres hatte er 260 Mitglieder, von denen ein nicht unerheblicher Teil Frauen waren.
„Man bekommt gute Wetten nur, wenn der Buchmacher weniger Ahnung hat als man selbst. In der Regel haben sie aber keine Ahnung. Die deutschen Buchmacher sind im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen ein trauriger Haufen. Die sitzen in ihren Läden und warten darauf, daß irgendein Halbidiot reinkommt und ihnen das Geld vor die Füße wirft", so abwertend äußerte sich Thomas Voburka, einer der wenigen professionellen Spieler auf deutschen Galopprennbahnen, im Jahr 1996 über das Buchmachergewerbe in Deutschland. Es sei hier dahingestellt, ob dieses Urteil über deutsche Buchmacher wirklich zutrifft. Buchmacher sind jedenfalls private Unternehmer, die für öffentlich veranstaltete Pferderennen (Galopp- und Trabrennen) im In- und Ausland Wetten anbieten. Im Gegensatz zur von den veranstaltenden Rennvereinen angebotenen Totalisatorwette, bei der die Wetter gegeneinander spielen und nach Abzug von Rennwettsteuer (16,6%) und Veranstaltungsgebühren (8,4%) wieder 75% des Einsatzes an die Gewinner ausbezahlt wird, trägt der Buchmacher das finanzielle Risiko seiner Wettgeschäfte selbst. Um in Deutschland private Pferdewetten annehmen zu können, benötigt man eine staatliche Konzession.
Johann Michael Moscherosch
(2001)
Zu seiner Zeit brauchte man Johann Michael Moscherosch (1601-1669) nicht vorzustellen. Seine Schriften, besonders die „Gesichte Philanders von Sittewalt" (in der Erstauflage 1640) wurden, kaum auf dem Markt, berechtigt und als ,,Raubdruck" unberechtigt sofort nachgedruckt, in Frankfurt, in Wien, ja selbst in den Niederlanden. Sie standen in allen größeren Bibliotheken Europas, auch in der königlichen Bibliothek in Paris. Auch sein Hauvaterbuch „lnsomnis Cura Parentum" - trotz des lateinischen Titels in deutscher Sprache geschrieben - wurde mehrfach aufgelegt und ins Dänische übersetzt. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde es stiller um Moscherosch. Doch seine Schriften sind inzwischen zwar nicht alle, auch manche nicht in voller Länge, aber doch zu einem guten Teil in Neuauflagen wieder erhältlich. Hier soll von der politischen Tätigkeit Moscheroschs die Rede sein. Denn er würde, könnte man ihn heute sprechen, auf seine Verdienste in diesem Bereich wohl mehr den Akzent legen als auf seine gedruckten Werke. Es geht um sein Wirken als Fiskal (Frevelvogt) der Stadt Straßburg und um sein Amt als ältester Rat im Regierungskollegium der Grafschaft Hanau-Lichtenberg.
Der Name der Stadt Schwetzingen ist eng verknüpft mit Schloß und Garten der kurfürstlichen Hofhaltung. In hohem Maße hat diese Hofhaltung, eingebettet in die Ideenwelt und den Repräsentations- und Darstellungsdrang des Barock und speziell des Rokoko das Bild Schwetzingens geprägt. Mit dem Bau des Schlosses und den daran anschließenden Zirkelsälen wird der überaus großzügig angelegte und von planerischen Elementen bestimmte Garten mit seinen Alleen, Blumenbeeten und Wasserflächen, aber auch mit seinen verschiedenen Kunstbauten und den figuralen Darstellungen verschiedener Allegorien heute zum touristischen Anziehungspunkt für alljährlich viele Tausend Besucher. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welchem Beziehungsgeflecht Schloss/ Garten und Stadt zueinander stehen. Hat der Ausbau der Wasserburganlage des 14. Jahrhunderts zum Rokokoschloss des 18. Jahrhunderts das städtische Bild Schwetzingens bestimmt, beeinflußt oder gar vollständig bedingt? Welche Elemente des dörflichen Gefüges der heutigen Großen Kreisstadt sind überliefert?
Wie wir in dem Dezemberheft der „Badischen Heimat" lesen können, sprach Marc
Twain, eigentlich Mister Samuel Langhorne
Clemens, von der „awful German language",
der schrecklichen deutschen Sprache. Aber was
für Marc Twain „awful" war, das waren einmal
die langen Wortungeheuer, d. h. Wortzusammenfügungen wie z. B. ,,Waffenstillstandsunterhandlungen" u.ä. und zum anderen die Tatsache, daß die Sprache so schwer zu erlernen
war. Deshalb macht er Vorschläge zur Vereinfachung unserer deutschen Sprache, damit man
sie „in weniger als 30 Jahren" erlernen könne.
Was würde ein Marc Twain wohl sagen,
wenn er heute nach Deutschland, nach Freiburg käme? Er müßte ja gar nicht mehr so viel
lernen, da er überall Englisch (bisweilen allerdings ein falsches) lesen und hören könnte.
Das Karlsruher Schloß
(2001)
Nähert man sich Karlsruhe und dem Schloß durch den Hardtwald von Norden oder betrachtet man das Ensemble gar aus der Luft, so läßt sich noch recht gut nachvollziehen, daß Schloß und Stadt ursprünglich in einem Waldbereich angelegt wurden. Höchstens ein Jagdstern, an dem sich mehrere Waldwege kreuzten, mag vorhanden gewesen sein. Das Schloß und die praktisch gleichzeitig gegründete Stadt nannte der Bauherr, Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach, "Carlsruhe". Sinnfällig brachte er 1728 seine Intention nach Abgeschiedenheit in einer Inschrift am Eingang des Palastes zum Ausdruck: "... ein Liebhaber der Ruhe wollte hier in der Stille die Zeit vertreiben... "
Mit dem Landespreis für Heimatforschung für das Jahr 2000 wurde am 16. November 2000 Dr. Erhard Richter, der engagierte Lehrer und Heimatforscher, der unermüdliche Ausgräber römischer Kultur und der begeisterte Theatermacher auf Burg Rötteln, ausgezeichnet. Bei der Feierstunde in den Räumen der Stuttgarter Landesbank, die musikalisch vom Kammerchor und Solisten des Königin-Katharina-Stifts Stuttgart unter der Leitung von Enrico Trummer feierlich umrahmt wurde, würdigte Staatssekretär Rudolf Köberle, MdL, vom baden-württembergischen Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die vielseitigen und außerordentlichen Verdienste von Dr. Erhard Richter. Staatssekretär Rudolf Köberle wies bei der Preisverleihung darauf hin, daß vermehrte Kenntnisse und vertieftes Verstehen der Heimat wichtige Bausteine zu einer kulturellen Identitätsfindung seien.
Ziel des Landespreises für Heimatforschung sei es auch, die Vielfalt örtlicher und regionaler Traditionen in einem zusammenwachsenden Europa bewußt zu machen.
Eigentlich war ich auf der Suche nach Werken von Harry Breßlau, Vater von Helene Breßlau, Alberts Schweitzers Ehefrau. Über Helene Schweitzer-Breßlau ist 1998 eine gründliche Biographie erschienen, in der auch ausführlich ihres Vaters gedacht wird. Als einziger Jude im Deutschen Reiche hatte er es (1904) zum Rektor einer Universität gebracht, nämlich der Kaiser-Wilhelm-Universität in dem noch nicht so lange wieder deutschen Straßburg. 1848 in Dannenberg geboren, war Breßlau nach Studien in Göttingen und Berlin bei Gustav Droysen promoviert worden, seit 1877 Extraordinarius für mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften an der Univerität Berlin. Einunddreißigjährig geriet er im ,,Antisemitismusstreit" (1879/ 80) mit dem Kollegen Heinrich von Treitschke aneinander, welcher die Parole „Die Juden sind unser Unglück" in den Preußischen Jahrbüchern 1879 und 1880 salonfähig gemacht hatte. Danach waren „verschiedene Versuche, ihm in Berlin ein Ordinariat zu schaffen, gescheitert". Seit 1890 Ordinarius in Straßburg, machte sich Breßlau vor allem mit seiner „Urkundenlehre" und als Mitglied der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica einen national und international anerkannten Namen.
EUCOR
(2001)
In der Europäischen Konföderation der Oberrheinischen Universitäten, ,,EUCOR", haben sich 1989 die folgenden Universitäten zu einem grenzüberschreitenden Verbund zusammengeschlossen: • die Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg,
• die Universität Basel, • die Universite Louis Pasteur, Straßburg, • die Universite des Sciences Humaines, Straßburg,
• die Universite Robert Schumann, Straßburg, • die Universität Fridericiana (TH), Karlsruhe, • die Universite de Haute Alsace, Mulhouse. Ziel des Verbandes war und ist die Kooperation in allen Bereichen der Forschung und Lehre durch den Austausch von Dozierenden und Studierenden, multinationaler Studentengruppen und durch interdisziplinäre Forschungsprogramme. Traditionell nimmt der Studierendenaustausch eine wichtige Rolle ein: Die Universität Freiburg entsendet derzeit 40 Studierende in die EUCOR Universitäten, das Gesamtaustauschvolumen dürfte in EUCOR insgesamt bei knapp 200 Studierenden liegen. Wichtig für uns ist dabei, dass die Studienleistungen, seien es einzelne Scheine oder Zwischenexamina oder Studienabschlüsse gegenseitig anerkannt werden. Dies garantiert, dass die Studierenden für ihre Initiative keine Studienzeitverlängerung in Kauf nehmen müssen.
André Weckmann
(2001)
„Andre Weckmann gehört zu den großen Dichtern des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Der zu Unrecht außerhalb des elsässisch-oberrheinischen Raums wenig bekannte Weckmann, der in den drei im Elsaß heimischen Ausdrucksweisen schreibt, Alemannisch, Französisch und Hochdeutsch, schuf den wichtigsten Teil seiner lyrischen Produktion in seinem Dialekt. In dieser Dialektlyrik läßt er viele künstlerische Anregungen und Tendenzen seines Jahrhunderts anklingen und findet so zu einem
unverkennbaren, ureigenen Ton. So kann man ihn in dem innovativen Kontext von zum Beispiel Giacometti, Tinguely, Hundertwasser in der bildenden Kunst, Jandl und Marti in der Literatur ansiedeln. Es darf hier auch an Brassens und an die
amerikanische Folk-, Jazz-, Gospel-, und Rap-Bewegung gedacht werden. Weckmanns Werk bezieht sich, bei weitem, nicht
allein auf seine Heimatlandschaft, sondern lebt ganz von deren Spannung zu anderen Regionen und Ländern."
Das 25-jährige Bestehen der „Deutsch-französisch-schweizerischen Regierungsvereinbarung vom 22. Oktober 1975 über die Bildung einer Kommission zur Prüfung und Lösung nachbarschaftlicher Fragen" (sog. Bonner Abkommen), mit der die institutionelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein begann, wurde am 21. September 2000 auf dem
Rheinschiff „Christoph Merian" in Basel gefeiert. Dieses Ereignis ist Anlaß die vergangenen 25 Jahre der grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren erheblich an Fahrt gewann, Revue passieren zu lassen. Für uns Oberrheinbewohner sind die praktische Auswirkungen eines zusammenwachsenden Europas, die Politiken der EU zur Überwindung der Grenzen, praktische Realität. Allein ca. 80 000 Pendler fahren täglich von Frankreich nach Deutschland, von Deutschland nach Frankreich, von Deutschland und Frankreich in die Schweiz. Allein im Raum Karlsruhe sind es ca. 16 000 Grenzgänger die wochentäglich vom Nordelsaß über Lauter und Rhein zur Arbeit pendeln. Rund 5 Mio. Einwohner leben in dieser Region Oberrhein auf ca. 16 389 qkm Fläche, ein Drittel davon in Frankreich, ca. 18% in der Schweiz und knapp die Hälfte in Deutschland.
Herbst im Elsaß (1927)
(2001)
In der Stadt meines Gastfreundes zu Colmar sind die Häuser zweistöckig und weiß; der Dachstock über den Etagen macht ein Knie nach dem Modell des Mansart, nach dem Geschmack der Zeit Ludwigs XIV., einem Geschmack, dessen Größe auch das Gemütliche kennt; der Kniestock ist mit Schiefer bekleidet; vor den Mansarden sitzen im Grau des Schiefers weißgerahmte Fenster wie barock geformte Broschen. Um die Häuser träumen Gärten wache Träume, Gärten im besonnten Zustand einer sanften Verwesung, die, so scheint es, ins Unendliche dauern wird; auf den feinen rötlichen Sandwegen liegen große gelbe, genau geschnittene Platanenblätter. Um die Gärten stehen übermannshohe Mauern; wildes Weinlaub malt eine rote und willkürliche Pracht auf den weißen Putz; es wuchert nach der stillen Straße draußen und wird - wir drinnen merken
es - gestreift vom Hut oder von den Fingerspitzen der wenigen, die gehört werden, wenn sie vorübergehen. Die Luft ist klar und mit Zartheit fest; die Luft ist eine durchsichtige Metaphysik voll leise glänzender und innig beruhigender, auch etwas trauriger Versicherungen. Es ist ein freundliches und wehmütiges Vorspiel von Allerheiligen ... Die Erde riecht ein wenig wie
auf den Friedhöfen.
Den Anstoß zu der Beschäftigung mit Hansjakob wurde Hildenbrand von dem Heimathistoriker Franz Schmider im Jahre 1964 vermittelt. Nach über dreißig Jahren Arbeit an Hansjakob geht es dem Autor in dem vorliegenden Buch letztlich um eine andere, kritisch differenzierte Aneignung Hansjakobs. Hildenbrand gehört einer Generation (geb. 1938) an, die das
säkularisierte Bedürfnis nach lokaler „Heiligenverehrung" der ersten bis dritten Generationen nach Hansjakobs Tod (1916) nicht mehr „belastet."
Lebensraum Oberrhein
(2001)
Die Publikation „Lebensraum Oberrhein ... eine gemeinsame Zukunft - Raumordnung für eine nachhaltige Entwicklung ohne Grenzen" für das Mandatsgebiet der Oberrheinkonferenz will einen Beitrag leisten zu der grenzüberschreitenden Raumordnungs- und Raumentwicklungspolitik der „Akteure" am Oberrhein. Zielvorstellung der Studie, die sich als Referenzdokument versteht, ist die ökologische und wirtschaftlich „harmonische Entwicklung des Oberrheingebiets." Der etwas unförmigen Publikation im Format 21 x 33 cm wünscht der Präsident der Oberrheinkonferenz, Philippe Marland, eine Leserschaft, die sich „durch Kommentare und Vorschläge aktiv an der Definition gemeinsamer Schwerpunkte für den Lebens- und Handlungsraum am Oberrhein beteiligt" (S. 10). Nicht zuletzt soll die Studie das Mandatsgebiet „besser bekannt machen" und ein breiteres Publikum dafür sensibilisieren, ,,daß die raumordnerische Planung" von allgemeinem Interesse ist (S. 134).
In verklärtem Glanz der Sonntagssonne erscheint mir das Elsaß im Rückblick auf meine Kinder- und Jugendtage. Besuche auf der Hochkönigsburg mit den Eltern oder Großeltern, in einem Alter, in welchem Ritterromantik bereits faszinieren konnte, doch der Begriff von Staatlichkeit, gerade auch der unterschiedlichen Staatlichkeit zwischen Deutschland und Frankreich noch völlig unbekannt war. War es nicht so, daß man vor dem Strasbourger Münster, dessen Einmaligkeit und besonderer Bedeutung man sich noch gar nicht richtig bewußt war, solange man nicht auf die Sprache achtete, gar nicht bemerkte, daß man nicht mehr in Deutschland war? Einzige Auffälligkeit waren doch die vielen mobilen Händler, die nicht nur mit ihrem buntscheckigen Warenangebot Aufmerksamkeit erregten, sondern auch ihrer dunklen Hautfarbe wegen. Des Meisterwerks der Rosette des Münsterbaumeisters Erwin von Steinbach, des Wunderwerks der astronomischen Uhr und des tiefen Sinnes von „Ecclesia" und „Synagoga" bin ich mir erst viel später bewußt geworden.
Der wirtschaftliche und soziale Austausch zwischen dem Elsaß und den angrenzenden badischen Gebieten nimmt an Intensität zu. Das Netz der Geschäftsbeziehungen, Arbeitsverhältnisse, der Bekanntschaften und Freundschaften über den Rhein hinweg wird, dank auch dem Pamina-Projekt und der Oberrheinkonferenz, dichter. Mancher Beobachter gewinnt jedoch den Eindruck, im Bereich der Kultur bleibe die Entwicklung der wechselseitigen Beziehungen zurück. Dafür gibt es Indizien. Es ist noch immer nicht möglich, französische Bücher in badischen Buchhandlungen problemlos zu bestellen. Die städtischen Bibliotheken Badens führen nur in seltenen Fällen elsässische Zeitungen. Der wissenschaftliche Austausch zwischen elsässischen und badischen Universitäten ist schwach und geht mit großen Reibungsverlusten vor sich.
Angeregt durch Haehling von Lanzenauers "Stationen einer Schicksalsreise" in BADISCHE HEIMAT 4/ 1999 suchte ich im vergangenen April die Grabstätte des bedeutenden Zeitzeugen und Schriftstellers Alfred Döblin in Housseras (Département Vosges) auf. Nach einer Fahrt durch die unermeßlichen, aber auch von „Lothar" schwer gebeutelten Wälder der lothringischen Vogesen erreichte ich nach St. Dié und kurz vor Rambervilliers das kleine Dorf Autrey. Hier befindet sich ein ehemaliges
Prämonstratenserkloster, das heute von einer charismatischen Gemeinschaft, der Communauté des Sept Béatitudes besiedelt ist. Mit der Klosterkirche besitzt das Dorf eine ganz seltene Kostbarkeit, einen reinen Renaissancebau. Zwei Kilometer weiter liegt Housseras.
Grenzen sind keine „natürlichen" Gegebenheiten. Grenzen sind das Resultat historischer Prozesse. Die heutige Vorstellung der Grenze als Demarkationslinie ist relativ jung. Der Staat war im Mittelalter, wie der französische Historiker Lucien Febvre unterstrich, eine Addition von mehr oder weniger zahlreichen Grundherrschaften. Diese Grundherrschaften waren nicht
in erster Linie Territorien, sondern Rechtsgebilde. Dasselbe Territorium besaß oft mehrere Souveräne. Die Französische Revolution machte jedoch aus einer Ansammlung von Mitgliedern eingeschränkter Gemeinschaften die Körperschaft der Bürger eines Staates. An Stelle der inneren ständischen Grenzen trat die äußere Grenze des Territorialstaates.
Im Sommer 1944 näherten sich amerikanische und französische Truppen vom Westen her dem Elsaß, das damals als Reichsgebiet galt und zusammen mit Baden einen Gau bildete. Am 28. August ließ daher das Badische Innenministerium einen Runderlaß an die Landräte über den Bau einer „Schutzstellung West". Es sollten Hitlerjungen im Alter von 14 bis 18 Jahren eingesetzt werden, nicht länger als zwei bis drei Wochen. Zur Beaufsichtigung, Unterstützung und Betreuung der Jugendlichen werden HJ-Führer, politische Leiter, Lehrer und Gesundheitspersonal zum Einsatz gebracht ... Die Errichtung der Schutzstellung West wird zunächst öffentlich nicht erörtert; eine propagandistische Auswertung ähnlich wie in Ostpreußen ist zunächst nicht vorgesehen. In der Umgebung der Baustellen konnte die gesamte Bevölkerung herangezogen werden. Trotz der Geheimhaltungsvorschrift wurde wenige Tage später ein öffentlicher Aufruf publiziert. In ihm ist der Kreis der Betroffenen stark erweitert. Es werden nun alle männlichen Personen von 14 und 65 Jahren und alle weiblichen Personen von 16 bis 50 zur Herstellung einer Vogesenstellung und der Verteidigungsbereitschaft des Westwaldes einberufen. Dieser Aufruf stammt von der Gauleitung. Das Kompetenzgerangel beginnt also schon im Vorfeld, ein Rundbrief des Innenministers und ein Aufruf des Gauleiters stehen sich gegenüber.
Lob der Reichenau
(2001)
Die UNESCO sieht eine noble Aufgabe darin, besondere Kultur- und Naturgüter zum Weltkulturerbe zu erklären, weil sie
einen „außergewöhnlichen universellen Wert" besitzen und sich auszeichnen durch ,,Einzigartigkeit" und „Authenzität". Baden-Württemberg war bisher auf dieser Adelsliste nur vertreten durch das Kloster Maulbronn, sicher ein Zentrum religiösen Lebens
im Mittelalter, begründet 1147 von zwölf Elsässer Zisterziensermönchen. Nun wurde auch die Insel Reichenau auserwählt, die
Klostergründung Pirmins von 724, die in der Folgezeit rasch zu einem geistlichen und geistigen Mittelpunkt Europas wurde.
Der Elternverein ABCM - Zweisprachigkeit (Association pour Je Bilinguisme en Classe des Ja Maternelle) wurde im Dezember 1990 unter der Schirmherrschaft seines Ehrenpräsidenten Tomi Ungerer von Richard Weiss, einem Lehrer aus Colmar, gegründet. Die Zielsetzung war in erster Linie, zu erreichen, daß die Schulverwaltung im Elsaß und im deutschsprachigen Lothringen zweisprachige Klassen (Französisch/Regionalsprache) einrichtet. Zu damaliger Zeit gab es schon in ziemlich vielen Klassen zwei oder drei Stunden Deutschunterricht pro Woche, je nach dem guten Willen des Lehrers, und zwar schon seit den
siebziger Jahren. Dies konnte aber den Zerfall der Deutschkenntnisse und des Dialekts in den jüngeren Generationen nicht mehr aufhalten. Es mußte unbedingt etwas Neues gefunden werden, wollte man die Zweisprachigkeit im Elsaß noch retten.
Hans im Schnokeloch
(2001)
Mit dem Liedchen vom wählerischen „Hans im Schnokeloch" verbinde ich eine persönliche Erinnerung. Vor Jahren, als meine Tochter noch im Kindergarten- oder Grundschulalter war, habe ich es ihr - nur verschwommen etwas von seiner Herkunft aus dem Straßburger Raum wissend - gelegentlich vorgesungen, wenn sie mich mit dem einen oder andern Wunsch nach neuen Spielsachen plagte. Die Wirkung war erstaunlich: Die Kleine zog einen halbtrotzigen, halbverschmitzten Schmollmund
und gab sich für eine Weile wieder zufrieden. Daß der Spottvers bereits vor hundert Jahren auf „eigenwillige Kinder" gesungen wurde (Böhme, 1897, S. 289), wußte ich damals genauso wenig wie ich etwas von seiner packenden Entstehungs- und Wirkungsgeschichte ahnte.
Baden, meine zweite Heimat
(2001)
Als geborener Straßburger aus der Zwischenkriegszeit verbrachte ich wie die meisten Stadtkinder bäuerlicher Herkunft den größten Teil meiner Schulferien auf dem Lande bei den Großeltern, vorwiegend mütterlicherseits, und zwar in Kilstett, einem friedlichen Ried-Dorf unweit des Rheins, nördlich von Straßburg auf der legendenumwobenen Goethe-Straße nach
Sesenheim.
Es waren hauptsächlich drei Gründe, die mich bewogen, neben der Fülle bislang publizierter Bild- und Textdokumente zum französischen Deportations- und Internierungslager Gurs nach weiteren Belegen zu suchen: Zum einen die Vorbereitung auf eine fünftägige Gedenkstätten-Gruppenreise im Herbst 2000, die mich über Orleans und Oradour-sur-Glane (b. Limoges) nach Gurs, ca. 13 km nordwestlich von Oloron-Ste. Marie an der Route D 936, ins Departement Pyrenees-Atlantiques und von dort via Noe (b. Toulouse) in das gleichermaßen berüchtigte ehemalige Lager Les Milles östlich von Aix-en-Provence und schließlich nach Carpentras geführt hat. Zusammengenommen anläßlich des sechzigsten Jahrestages der Deportation von sechseinhalbtausend badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940. Zum anderen war es meine Vermutung oder eher Zuversicht, aufgrund positiver Erfahrungen bei der Beschaffung von westalliierten Aufklärerfotos zur Totalbombardierung meiner Heimatstadt Halberstadt im nordöstlichen Harzvorland am 8. April 1945 sowie zum fünf Kilometer weiter südlich gelegenen, am 11. April von US-Truppen befreiten KZ Langenstein-Zwieberge, daß solche Senkrechtluftaufnahmen aus zumeist 6 bis 9 Kilometer Höhe auch für Orte außerhalb der reichsdeutschen Grenzen, also für die von der Wehrmacht besetzten Gebiete existieren müßten. Fotodokumente jedenfalls, die das von den ehemals
Internierten so intensiv erinnerte kilometerweite Ausmaß des hier interessierenden südwest-französischen Lagers Gurs besonders deutlich werden ließen. Drittens lag mir daran, mit Hilfe der mutmaßlich zu beschaffenden Luftbilder die bislang publizierten lediglichen Lagerskizzen bzw. -pläne nebst zugehörigen Erläuterungen zu verifizieren, sie authentisch belegt zu
ergänzen und die Fotodokumente anhand eigener Erkenntnisse während der Gedenkstättenbesichtigung - soweit es die Zeit unserer Gruppe dort zuließ -, sachlich weitgehend korrekt zu beschriften.
Freiburg. Nachbarschaft am Oberrhein: Glaubt man dem Freiburger Regierungspräsidenten Sven von Ungern-Sternberg, ist das eine wunderbare Sache. Schließlich, so erzählt er, sehe er seine französischen Kollegen inzwischen öfter als die Regierungspräsidenten aus den baden-württembergischen Nachbarbezirken. Probleme gibt's keine, unter den Verwaltungsspitzen beiderseits des Rhein herrsche ein gutes Klima ohne sonderliche Spannungen. Man kann's auch anders erleben. Christoph Döbeli von der Geschichtswerkstätte Basel spricht von „immer denselben Fettnäpfchen", in die reihum Basler, Badener und Elsässer beim Nachbarn treten - aus Unkenntnis der unterschiedlichen Mentalität. Und darum gehe auf
der normalen alltäglichen Ebene nichts so recht zusammen: Wer beherrscht schon die Sprache des Nachbarn so gut, daß er auch deren Zwischentöne heraushört?
In den „Notices genealogiques des familles de l'ancienne noblesse d'Alsace", die 1862 in Straßburg veröffentlicht wurden, galt ein ausführliches Kapitel auch der Familie Gayling, deren Namen erstmals im 11. Jahrhundert genannt wird und die im 14. Jahrhundert ihrem Familiennamen noch einen Ortsnamen aus der Grafschaft Hanau hinzufügte: Gayling von Altheim. Die Liste der Ämter und Aufgaben, die verschiedene Familienmitglieder in den folgenden Jahrhunderten übernahmen, ist ausführlich und gut dokumentiert. 1994 veröffentlichte die „Societe d'histoire et d'archeologie de Saverne et environs" als
Nr. 166 von „Pays d'Alsace" ein dünnes, aber inhaltsschweres Heft: ,,Buswiller et ses seigneurs les Gayling d'Altheim". Seit 1986 war Georg Fischer, damals noch Bürgermeister von Niedermodem bei Haguenau, in Freiburger Archiven tätig auf der Suche nach den historischen Spuren der Geschichte von Hanau-Lichtenberg rechts und links des Rheins, der Kontakt mit der in Freiburg-Ebnet wohnenden Familie von Gayling wurde hergestellt und damit der Zugang in ein Archiv, das der Forschung zwischen Hagenau und Zabern sicher viele Quellen erschließt. Von 1629 bis Dezember 1793 waren die Stadt Buchsweiler, die Motherburg in Niedermodem und das Dorf Buswiller im Unterelsaß die Heimat der Familie von Gayling-Altheim, die aus dem rechtsrheinischen Hanau-Lichtenberg ins linksrheinische Hanauer Land gewechselt war und dort verwandt wurde mit bekannten Familien der unterelsässischen Ritterschaft, wie z. B. Böcklin von Böcklinsau, Fleckenstein, Berstett. Als 1793 die Familie von Gayling über den Rhein fliehen mußte (und sich schließlich 1811 in Schloß Ebnet bei Freiburg niederließ), wurde dafür gesorgt, daß auch das in der Kalbsgasse in Straßburg lagernde Familienarchiv über die
Grenze gebracht wurde und so diese reiche Quelle für die unterelsässische Adels- und Herrschaftsgeschichte erhalten blieb. Diese Informationen machten es inzwischen möglich, daß z. B. Frederic Rexer/ Bouxwiller anhand einer noch im Oktober 1789 erfolgten Beschreibung des Gayling-Schlosses in Buswiller, das dann 1793/94 durch die Jakobiner zerstört wurde,
den Bau zeichnerisch zu rekonstruieren vermochte.
Nachbarschaft am Oberrhein
(2001)
Die Idee Europa, der Weg der Einheit dieses Kontinents - für uns sicher unbestritten! Nach so vielen nationalen Irrwegen und der Selbstzerfleischung muß Europa unsere Zukunft sein, nicht der Nationalstaat. Dabei ist das Verhältnis Deutschland-Frankreich sicher von besonderer Bedeutung. Aber sind nicht die offiziellen Kontakte nicht zu lästigen Pflichtübungen verkommen? Unsere Vision von Europa ist geprägt und bestimmt von der Vorstellung, daß die Identität Europas verstanden wird als dauerhafte Einheit in großer Vielfalt. Wir sprechen gerne von der europäischen Herzregion am Oberrhein, wo die
Nachbarn rechts und links des Flusses sehr wohl ein gemeinsames kulturelles Erbe haben. Wir sprechen gerne von der „Nachbarschaft am Oberrhein" - von dieser zentralen Region in Europa, die jedoch am Rande der jeweiligen
Staaten liegt, ,,Randregionen", weit weg von Paris, noch viel weiter weg von Berlin. Baden - Elsaß: Der Mythos Elsaß hat in Deutschland, am meisten gewiß in Baden, eine dynamische Kraft.
Internationale Sprach-, Informations- und Kulturkompetenz bilden die Schlüsselqualifikationen der Zukunft, so Hilmar Hoffmann, Präsident der Goetheinstitute. Zweifellos haben die Bewohner eines Grenzgebietes die allerbesten Chancen, diese Fähigkeiten nicht nur theoretisch zu erwerben, sondern auch gleich praktisch anzuwenden. Der daraus zu ziehende Wettbewerbsvorteil gegenüber Bewohnern grenzferner Regionen, aber auch die Frage, wie sich eine Stadt wie Karlsruhe und generell der badische Landesteil in Zeiten der Globalisierung in einem geeinten Europa positionieren könne, haben in den letzten Jahren dazu geführt, die grenzüberschreitenden Beziehungen zum Elsaß stärker als bisher auszubauen. Denn mehr als fünfzig Jahre nach Kriegsende bedarf es neuer Begründungen für eine besondere Rolle der deutsch-französischen Zusammenarbeit, die, insbesondere für die „jüngere" Generation (ab 50 abwärts) scheinbar so selbstverständlich, so normal, aber deswegen eben auch nicht besonders spannend zu sein scheint.
Die heutige Zusammenarbeit der Universitäten in der oberrheinischen Region läßt sich in ihren Anfängen genau bestimmen. In den Rechenschaftsberichten des Rektors der Universität Freiburg vor 1983 kommt der Begriff nicht vor, obwohl es mit der Universität Basel Kontakte der Rektorate und eher punktuelle Kontakte von Wissenschaftlern gab, ebenso
verdienen die schon länger von der Johann Wolfgang Goethe-Stiftung geförderten sog. Regioseminare der Germanisten der Universitäten Freiburg-Basel-Straßburg eine besondere Erwähnung. Im November 1983 fand unter dem Titel
,,Universität 2000" eine vom Europarat initiierte Tagung in Straßburg statt, bei der die Rektoren der oberrheinischen Universitäten zusammen mit den Regionalkörperschaften des Elsasses und Basels eine weitere Zusammenarbeit ins Auge faßten. Es war dann vor allem der Recteur der Academie de Strasbourg et Chancelier des Universites d'Alsace, P. Deyon, der im Jahr darauf die begonnenen Überlegungen zur Zusammenarbeit der Universitäten unter Einbeziehung der Universität Karlsruhe weitertrieb. So wurden besonders ökologische Themen z. B. zur Klimaforschung in der Region in Arbeitsgruppen vorbereitet.
Wir kehren uns den Rücken zu
(2001)
Ich bin ich und er ist er. Jeder auf seinem Boden und ein hoher engmaschiger Zaun zwischen unseren beiden Gerechtsamen. Damit es nicht zu Anfechtungen komme. Ordnung muß sein. Ja doch, es kommt vor, daß wir miteinander sprechen, wir sind schließlich Nachbarn. Aber das Gespräch halten wir kurz, seine Sprache ist sowieso nicht die meine, und zum Gemüse- und
Obstaustausch genügen eigentlich Gebärden. Auch denkt er anders als ich und orientiert sich nach Osten, meine Bezugsrichtung dagegen ist der Westen.
Der Begriff der „elsässischen Identität" hat sich in der Nachkriegszeit als Konterpart zum viel benutzten Terminus der „französischen" Identität herausgebildet und setzt an die Stelle der Monokultur, der Monosprachigkeit eine ,,elsässische" Doppelkultur und Doppelsprachigkeit als Anspruch und Verantwortung. Elsässer sein heißt: Anspruch erheben auf die französische Staatsbürgerschaft mit allem, was dies beinhaltet im politischen und kulturellen Bereich und Mitinhaber sein der deutschen Sprache und ihrer kulturellen Komponente im Elsaß (in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft).
Diese „Janusköpfigkeit", diese Zugehörigkeit zu zwei Sprach- und zwei Kulturräumen, dieses „und" oder „plus" wirkte und wirkt seit jeher störend und wurde/ wird fast immer mißverstanden. Es erhebt sich die Frage, wie dieser Begriff einer spezifisch elsässischen Identität von den Bewohnern des heutigen Elsaß rezipiert und reflektiert wird. Dabei ist in Betracht zu ziehen, daß die Elsässer in der bewegten politischen Geschichte der letzten 120 Jahre viermal die Staatsangehörigkeit und die „Nationalsprache" wechseln mußten.
Helmut Lutz
(2001)
„Grenzüberschreitung" - das ist schon immer sein Ziel gewesen, Grenzen überwinden mit den Mitteln der Kunst. Als der Künstler Helmut Lutz sich vor 30 Jahren auf dem Münsterberg in Breisach ansiedelte, dort sein Wohnhaus und sein Atelier teilweise mit eigenen Händen baute, ging sein Blick über den Rhein, über die deutsch-französische Grenze hinweg, hinüber zum Festungsstern nach Neuf-Brisach. Der doppelt-achteckige Festungsstern hatte geradezu magische Wirkung auf ihn, inspirierte ihn zu einem Werk von monumentalen Ausmaßen, zu seinem „Sternenweg": Ein Kunstwerk mit Figuren und Instrumenten u. a. aus Stahl, Stein und Holz - ein Mysterienspiel, ein „Spectaculum" aus Klang und sparsam eingesetzter Sprache, aus Schwingung und Bewegung - ein kultisches Weg-Spiel, zu dem der spanische Komponist Cristobal Halffter die Musik schuf. Der Künstler verstand dieses Werk von Anfang an als seine „Europa-Weg-Initiative", womit er beides zugleich benennt: seine Lebensaufgabe und den Weg zu deren Verwirklichung. Europa „erfahren" und auf diese Weise an einem
zukunftsfähigen Europa bauen, dieses Ziel hat er, seitdem er an der Realisierung dieser Utopie arbeitet, nie aus den Augen gelassen.
Europäer?
(2001)
Otto Flake ist 1880 in Metz geboren, 1963 in Baden-Baden gestorben. Sein Vater war Verwaltungsbeamter in Elsaß-Lothringen, Flake verbrachte so seine Kindheit im Saargemünd, Mulhouse, Colmar, studierte in Straßburg. Literarische Aktivitäten entwickelte er zusammen mit Rene Schickele. Vorbild waren die französischen Romanciers Balzac, Flaubert, Stendhal. Als freier Schriftsteller hatte er vielfache Ortswechsel, ab 1928 lebte er überwiegend in Baden-Baden. Er bearbeitete u. a. auch viele badische Themen: ,,Kaspar Hauser", ,,Türkenlouis", zwei Bände „Badische Chronik". Vor allem aber überzeugte er auch als zuverlässiger Übersetzer und Herausgeber wichtiger Texte aus der französischen Literatur, verstand sich ganz bewußt als Mittler zwischen Frankreich und Deutschland (Vgl. die Kurzbiographie von Erich Kleinschmidt in BW-Biographien I, 85 ff). Die Resignation kennzeichnet sein Spätwerk.
Das Elsaß und die Elsässer
(2001)
Wie vor Generationen ist auch heute noch das Elsaß eine bemerkenswerte Natur- und Kulturlandschaft, der man seiner Ursprünglichkeit halber ein höchstes Lob zollen muß. Johann Wolfgang Goethe hat die Elsässer in seinem Jahrhundert schon als „Bewohner eines Paradieses" tituliert, wobei er mit seiner Bewunderung an alte, von der römischen Antike herrührende Bezeichnungen anknüpfte. Hat er doch ein ganzes Jahr im Elsaß zugebracht und dabei Land und Leute kennen gelernt. Im Mittelpunkt eines größeren Interesses steht das Elsaß heute nicht mehr, wenngleich die Auswahl Straßburgs als Europastadt das Land heraushebt. Auch die Spannungen um den Besitz dieses Landstrichs sind heute behoben, aber doch hat sich sein Schicksal der letzten Jahrhunderte in das Bewußtsein der Menschen beispielhaft eingegraben. Gerade dieses Schicksal der letzten Jahrhunderte hat Frederic Hoffet, der aus dem Elsaß stammt und seine Menschen kennt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (1951) einer psychoanalytischen Deutung unterzogen, die im Elsaß selbst und darüber hinaus Aufsehen erregt hat.
- hopp la, guck mal da! Aus einem mit einem blauen Band zusammengeknoteten Stoß alter Briefe, verschlissener Inflationsgeldscheine mit Millionenbeträgen und seit Jahrzehnten beglichener Haushaltsrechnungen zückt Mutter ein Schulheft hervor. Die Farbe des Umschlags ist so verblichen, daß man kaum zwischen blau und violett unterscheiden kann. - ach ja, mein Schulheft! damals war ich erst. . . Moment mal, Januar 1918, na erst sieben! Tatsächlich verkündet ein mit verschnörkelten Arabesken verziertes Etikett: Elsaß-Lothringen Emma Rublé Straßburg - komisch doch, damals die Schreibart mit e! Vater bestand ausdrücklich auf dem é mit Akzent.
Salon du Livre in Colmar
(2001)
Am 25. und 26. November 2000 fand auf dem Ausstellungsgelände, dem „Parc de l'Exposition", in Colmar zum 11. Mal der „Salon du Livre" statt. Wie der Name schon andeutet, ist es keine Buchmesse im herkömmlichen Sinn. Der „Salon du Livre" ist vielmehr eine Demonstration um und für das Buch. Immerhin ist es die größte Bücherschau Ostfrankreichs mit über 600 Ausstellern und Akteuren. Der Unterschied zu einer Buchmesse, bei welcher es außer um Information über Neuheiten vor allem um Geschäftsabschlüsse geht, wird in Colmar durch die Gliederung in vier Abteilungen deutlich, welche in den vier weiten Ausstellungshallen untergebracht sind.
Daß der Rhein eigentlich keine Trennungslinie ist, zeigte am Oberlauf schon immer die Praxis. Wir sehen dies hier am Beispiel der Grafschaft Hanau-Lichtenberg: Das heute noch sogenannte Hanauerland umfaßt die Landschaften um das rechtsrheinische Kehl und das linksrheinische Buchsweiler und Lichtenberg, nordwestlich der Stadt Hagenau. Dieses Land
am Oberrhein gehörte seit 1480 zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Der linksrheinische Teil kam 1763 an Hessen-Darmstadt, die rechtsrheinischen Ländereien an Baden. Im elsässischen Hanauerland waren auch die Herren von Gayling begütert, insbesondere im Gebiet Pfaffenhofen-Niedermodern, Berstett, Zutzendorf etc ... , wo mehrere kleinere Schlösser in ihrem Besitz waren. Die Gemeinde Niedermodern hat auch noch heute das Gaylingsche Wappen in ihrem Siegel. Heute hat die
Familie von Gayling ihren Wohnsitz im Schloß Ebnet bei Freiburg, nachdem sie ihre elsässische Heimat in den Wirren der französischen Revolution 1793 verlassen mußte.
Der Landesvorsitzende der Badischen Heimat hatte den deutschen Koordinator der Deutsch-Französischen Begegnungsstätte Breisach Clemens Gaul zu Gast zu Information und Gedankenaustausch. Zu Funktion und Zielsetzung seiner Arbeit sagte Clemens Gaul u. a.: ,,Die deutsch-französische Schülerbegegnungsstätte in Breisach besteht seit 1989 in einem modernen Haus in idealer geographischer Lage mit der optimalen Möglichkeit der pädagogischen Zusammenarbeit mit dem
Betreuertandem Clemens Gaul am Martin-Schongauer-Gymnasium in Breisach und Jean-Pierre Meistermann am Lycee Kastler in Guebwiller. Unser Schwerpunkt ist die bilinguale Projektarbeit, mit der wir versuchen, Schüler für den Kultur- und Lebensraum Oberrhein zu motivieren, wie auch für die Sprachen, die dort gesprochen werden.
Wie der neue Direktor in seinem Editorial am Anfang des Bandes schreibt, soll zukünftig in der Carolinea ein Bericht zum Vorjahr in kurzer, telegrammartiger Form über Personalstand und Ereignisse im Naturkundemuseum Karlsruhe Auskunft geben. Der Auftrag des Museums ist ein zweifacher: Erstens allgemeines und neu erarbeitetes naturkundliches Wissen der Öffentlichkeit, den Bürgern, zu vermitteln durch Ausstellungen, Führungen, Vorträge und Berichte in den Medien - der Bildungsauftrag; zweitens naturkundliches Wissen in den Bereichen Taxonomie, Systematik, Faunistik und Floristik, Ökologie und Naturgeschichte auf den Gebieten der Geologie und Paläontologie, Botanik und Zoologie zu erarbeiten sowie durch Sammeln, Ordnen und Konservieren von Organismen, Naturobjekten und Daten zu belegen - der Forschungs- und Sammlungsauftrag. Für den ersten Auftrag steht der Name „Naturkundemuseum“, für den zweiten der Beiname „Bio- und Geowissenschaftliches Forschungsinstitut“ Entsprechend gliedert sich auch der Jahresrückblick. Zuerst werden - Kapitel 2 - die Personen genannt, die längerfristig auf Planstellen oder kurzfristig auf Zeit- und Drittmittelstellen die Öffentlichkeitsarbeit und die wissenschaftlichen Tätigkeiten tragen oder verwalten. Daran schließt sich - Kapitel 3 - ein kurzer Abriss der Tätigkeiten und Ereignisse im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit an, in der vor allem der Bildungsauftrag des
Museums zur Geltung kommt. Der Forschungs- und Sammlungsauftrag wird von den Wissenschaftlichen Abteilungen getragen. Hier ist stichwortartig - Kapitel 4 - über die wissenschaftliche Tätigkeit, die Sammlungen, über Forschungs- und Sammelreisen, Exkursionen, Grabungen, über die Teilnahme an Tagungen, über allgemeine und akademische Lehr- und Vortragstätigkeit zu berichten. Ein Verzeichnis der Veröffentlichungen, die die wissenschaftliche Tätigkeit, aber auch Teile der Öffentlichkeitsarbeit dokumentieren, bilden - Kapitel 5 - den Abschluss des kurzen Rückblicks auf das Jahr 2000.
Die Parkanlagen um das Karlsruher Schloss bieten durch ihren alten Baumbestand vielen bedrohten Insektenarten eine wertvolle Heimstatt. Neben stattlichen Käfern wie Heldbock (Cerambyx cerdo) oder Hirschkäfer (Lucanus cervus), die dort die imposanten Alteichen besiedeln, leben hier auch weit unauffälligere, aber dennoch hochgradig bedrohte Käferarten wie
der Schnellkäfer Podeonius acuticornis (Germar 1824). Infolge seines zunehmend schwindenden Lebensraumes fand er Aufnahme in die Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands unter der Kategorie „vom Aussterben bedroht“ (Geiser 1998). Die markante Elateride stellt an ihr Habitat, vor allem stehende, sonnenexponierte Altbäume, besonders hohe Ansprüche.
Ein Direktor geht, ein neuer kommt - ein normales, aber auch heutzutage ein prägendes Ereignis in der Geschichte eines Museums. Nach 23 Jahren schied zum 31. Mai 2001 der bisherige Direktor, Prof. Dr. Siegfried Rietschel, aus dem aktiven Dienst aus. Am 1. August übernahm ich das neue Amt im Bewusstsein, ein traditionsreiches und renommiertes Haus
führen zu dürfen. In einer Periode, in der die beiden Naturkundemuseen des Landes eine unruhige Zeit mitmachen und in das Blickfeld einer Politik geraten sind, die bemüht ist, Strukturen zu verändern, erschien mir wichtig, nicht unnötig durch Aktionismus weitere Unruhe ins Haus zu tragen. Meine Absicht war, die Leitung behutsam zu übernehmen und mich kundig zu
machen, bevor Neues Altes ablösen würde.
Antrittsrede
(2001)
Da steht er nun vor Ihnen, der neue Direktor, liebe Karlsruher, leibhaftig, man könnte meinen der Leibhaftige, der angetreten ist, das Karlsruher Naturkundemuseum für Stuttgart zu vereinnahmen, wahrscheinlich im Auftrag von Teufel selbst. So könnte man beinahe manche Kommentare interpretieren. Vom Abgeordneten bis hin zum sich spontan äußernden Busfahrer
schien vielen dies fast zwangsläufig der Weisheit letzter Schluss. Höllisch war am ganzen Transfer nur eines, ganz Banales: die Temperatur in meinem neuen Arbeitszimmer. Am 1. August, meinem ersten Arbeitstag, maßen wir sage und schreibe 32°C an meinem Schreibtisch, wohlgemerkt im Schatten.
Das Natur- und Waldschutzgebiet „Kaltenbronn“ liegt zwischen Wildbad und Gernsbach im Nordschwarzwald. Das aus den Schutzinstrumenten „Naturschutzgebiet (NSG)“, „Bannwald“ und Schonwald“ kombinierte Schutzgebiet erstreckt sich sowohl über die Gebiete der Städte Gernsbach und Bad Wildbad, die Gemarkungen Reichental und Wildbad, als auch über die
Landkreise Rastatt und Calw. Die nach Osten geneigte Hochebene liegt 680 m - 980 m ü. NN. Das Schutzgebiet ist gekennzeichnet durch eine einzigartige Moorlandschaft. Es beinhaltet das größte Hochmoor des Schwarzwaldes mit einem Berg-Kiefern-Moor und offenen Moorflächen, mehreren Kolken und einer spezialisierten, nordisch-alpinen geprägten Tier- und Pflanzenwelt. Es umfasst eine Fläche von 1750 ha und wird gebildet von den Naturschutzgebieten „Wildseemoor“ bei Bad Wildbad-Kaltenbronn mit rund 183 ha und „Hohlohsee“ bei Kaltenbronn mit 216 ha, den Bannwäldern „Wildseemoor“ mit ca. 292 ha und „Altlochkar - Rotwasser“ mit ca. 105 ha, den Schonwäldern „Kaltenbronn“ mit 1339 ha und „Blockmeer - Oberes Rollwassertal“ mit 14 ha. Das NSG „Wildseemoor“ ist dabei gleichzeitig Bannwald, das NSG „Hohlohsee“ gleichzeitig Schonwald.
In dieser Arbeit werden die Konkurrenzvermeidungs- und Koexistenzstrategien von neun Rotwidderchenarten auf Halbtrockenrasen (Wacholderheiden) der Ostalb untersucht. Da viele dieser Arten zu hohen Populationsdichten tendieren und
ein ähnliches Verhalten aufweisen, müssen sie jahresphänologisch, nahrungsbiologisch und räumlich (Vegetationsausbildungen) eingenischt sein. Dies wird anhand der Analyse der Abundanz- und Dominanzverhältnisse der Widderchenarten
im Jahresverlauf sowie der regionalen Nahrungsbiologie der Larven und Imagines aufgezeigt. Wichtig sind dabei Korrelationen mit den biotischen (Vegetationsstruktur etc.) und abiotischen (Größe, Exposition, Relief, Bewirtschaftung) Faktoren
der unterschiedlichen Kalkmagerrasengebiete.
Im intensiv bewirtschafteten Weinbaugebiet Kaiserstuhl (Südwestdeutschland) wurde die Chilopodenfauna von 11 Flächen
aus zwei entgegengesetzt exponierten Untersuchungsgebieten erfasst, die Unterschiede in der Besiedlung dargelegt sowie das Auftreten einzelner Arten diskutiert. Die Rebflächen unterlagen seit mindestens 10 Jahren unterschiedlichen Bodenbearbeitungsmaßnahmen. Der Einfluss der verschiedenen Verfahren auf die Struktur der Chilopodengemeinschaften
wurde geprüft. Am nachhaltigsten wirkte sich das Fräsen aus.
Die meisten Wanzen ernähren sich von Pflanzensäften, die sie in Wurzeln, Stängeln, Blättern oder Blüten finden. Manchmal besaugen sie auch Früchte, Pollen oder Pilzhyphen. Sie sind also plantisug. Doch gibt es auch einige Wanzenfamilien, deren Arten sich überwiegend oder ausschließlich carnivor ernähren. Unter den mitteleuropäischen Wanzen sind dies die Raubwanzen (Reduviidae), die Sichelwanzen (Nabidae), die Bettwanzen (Cimicidae), einige Blumenwanzen (Anthocoridae) und etliche Blindwanzen (Miridae), sowie die meisten Wasserläufer und Wasserwanzen.
Otto Tschepe
(2001)
Fast 94 Jahre ist er alt geworden. Solange ich ihn kannte, war er ein alter Mann. Anfangs kam er häufiger, später nur noch selten zum Entomologen-Stammtisch im Karlsruher Hotel Klosterbräu oder zu den monatlichen Treffen der Entomologen in die Landessammlungen für Naturkunde, wie das Staatliche Museum für Naturkunde Karlsruhe früher hieß. Sein
entomologisches Interesse galt besonders den Goldwespen unter den Hymenopteren und den Wanzen. Die Biologie und die Ökologie der verschiedenen Insektenarten interessierten ihn sehr. Viele Stunden hat er mit stillem Beobachten seiner Lieblinge zugebracht und dabei wertvolle Kenntnisse und Erkenntnisse gewonnen. Er wusste über die Entwicklung, Wirte, Nahrungspflanzen, Auftreten, Verbreitung und Verhalten vieler Arten genau Bescheid. Sein fundamentales Wissen fand auch bei Fachleuten hohe Anerkennung. Schon in den dreißiger Jahren hatte Otto Tschepe mit seinem Fotoapparat viele seiner Beobachtungen im Bild festgehalten und dokumentiert. Gelegentlich brachte er seine alten, für die damalige Zeit erstaunlich guten und informativen Fotos mit und zeigte sie den staunenden Insektenfreunden.