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Im Schloß der Mannheimer Residenz des Kurfürsten Karl Philipp wurde vor 264 Jahren, am 21. Oktober 1737, eine Verordnung unterzeichnet, die von Historikern noch immer nicht hinreichend verarbeitet worden ist. In dem Dekret, in dessen
handschriftlicher Primärfassung seine umgehende Verbreitung in den damaligen Hauptstädten Mannheim, Heidelberg und Frankenthal sowie in weiteren Oberämtern gefordert wird, verbietet der Kurfürst unter Androhung der Amtsenthebung
jedem im eigenen Zivil- oder Militärdienst stehenden Manne die Zugehörigkeit zur Freimaurerei.
Der Name der Stadt Schwetzingen ist eng verknüpft mit Schloß und Garten der kurfürstlichen Hofhaltung. In hohem Maße hat diese Hofhaltung, eingebettet in die Ideenwelt und den Repräsentations- und Darstellungsdrang des Barock und speziell des Rokoko das Bild Schwetzingens geprägt. Mit dem Bau des Schlosses und den daran anschließenden Zirkelsälen wird der überaus großzügig angelegte und von planerischen Elementen bestimmte Garten mit seinen Alleen, Blumenbeeten und Wasserflächen, aber auch mit seinen verschiedenen Kunstbauten und den figuralen Darstellungen verschiedener Allegorien heute zum touristischen Anziehungspunkt für alljährlich viele Tausend Besucher. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in welchem Beziehungsgeflecht Schloss/ Garten und Stadt zueinander stehen. Hat der Ausbau der Wasserburganlage des 14. Jahrhunderts zum Rokokoschloss des 18. Jahrhunderts das städtische Bild Schwetzingens bestimmt, beeinflußt oder gar vollständig bedingt? Welche Elemente des dörflichen Gefüges der heutigen Großen Kreisstadt sind überliefert?
Das 25-jährige Bestehen der „Deutsch-französisch-schweizerischen Regierungsvereinbarung vom 22. Oktober 1975 über die Bildung einer Kommission zur Prüfung und Lösung nachbarschaftlicher Fragen" (sog. Bonner Abkommen), mit der die institutionelle grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Oberrhein begann, wurde am 21. September 2000 auf dem
Rheinschiff „Christoph Merian" in Basel gefeiert. Dieses Ereignis ist Anlaß die vergangenen 25 Jahre der grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die in den letzten Jahren erheblich an Fahrt gewann, Revue passieren zu lassen. Für uns Oberrheinbewohner sind die praktische Auswirkungen eines zusammenwachsenden Europas, die Politiken der EU zur Überwindung der Grenzen, praktische Realität. Allein ca. 80 000 Pendler fahren täglich von Frankreich nach Deutschland, von Deutschland nach Frankreich, von Deutschland und Frankreich in die Schweiz. Allein im Raum Karlsruhe sind es ca. 16 000 Grenzgänger die wochentäglich vom Nordelsaß über Lauter und Rhein zur Arbeit pendeln. Rund 5 Mio. Einwohner leben in dieser Region Oberrhein auf ca. 16 389 qkm Fläche, ein Drittel davon in Frankreich, ca. 18% in der Schweiz und knapp die Hälfte in Deutschland.
Das Elsaß und die Elsässer
(2001)
Wie vor Generationen ist auch heute noch das Elsaß eine bemerkenswerte Natur- und Kulturlandschaft, der man seiner Ursprünglichkeit halber ein höchstes Lob zollen muß. Johann Wolfgang Goethe hat die Elsässer in seinem Jahrhundert schon als „Bewohner eines Paradieses" tituliert, wobei er mit seiner Bewunderung an alte, von der römischen Antike herrührende Bezeichnungen anknüpfte. Hat er doch ein ganzes Jahr im Elsaß zugebracht und dabei Land und Leute kennen gelernt. Im Mittelpunkt eines größeren Interesses steht das Elsaß heute nicht mehr, wenngleich die Auswahl Straßburgs als Europastadt das Land heraushebt. Auch die Spannungen um den Besitz dieses Landstrichs sind heute behoben, aber doch hat sich sein Schicksal der letzten Jahrhunderte in das Bewußtsein der Menschen beispielhaft eingegraben. Gerade dieses Schicksal der letzten Jahrhunderte hat Frederic Hoffet, der aus dem Elsaß stammt und seine Menschen kennt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (1951) einer psychoanalytischen Deutung unterzogen, die im Elsaß selbst und darüber hinaus Aufsehen erregt hat.
- hopp la, guck mal da! Aus einem mit einem blauen Band zusammengeknoteten Stoß alter Briefe, verschlissener Inflationsgeldscheine mit Millionenbeträgen und seit Jahrzehnten beglichener Haushaltsrechnungen zückt Mutter ein Schulheft hervor. Die Farbe des Umschlags ist so verblichen, daß man kaum zwischen blau und violett unterscheiden kann. - ach ja, mein Schulheft! damals war ich erst. . . Moment mal, Januar 1918, na erst sieben! Tatsächlich verkündet ein mit verschnörkelten Arabesken verziertes Etikett: Elsaß-Lothringen Emma Rublé Straßburg - komisch doch, damals die Schreibart mit e! Vater bestand ausdrücklich auf dem é mit Akzent.
Die Stadtbibliothek Villingen-Schwenningen feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Die Gründung hängt direkt mit dem Städtezusammenschluss von 1972 zusammen. In beiden Stadtbezirken bestanden schon lange zuvor Büchereien in Trägerschaft der jeweiligen selbstständigen Städte. Die Entwicklung dieser beiden Einrichtungen soll im Aufsatz dargestellt werden. 2022 ist nicht nur das 50-jährige Bestehen der Stadt Villingen-Schwenningen zu feiern, sondern ebenso das gemeinsame 50-jährige der Stadtbibliothek. Hinzu kommt, dass die Bibliothek Villingen Ihren hundertsten Geburtstag feiert, denn 1922 wurde mit der Lesehalle die Vorgängerin der heutigen Bibliothek eröffnet – und die Schwenninger Stadtbibliothek wird 2023 quasi nachziehen und ihren 75. Geburtstag begehen. Ein guter Grund, die Geschichte dieser Einrichtung der Doppelstadt zu betrachten.
Es geschah am 24. Mai
(2023)
Im Herbst 1947 konnte die Würzburger Künstlerin Gertraud Rostosky in Schwenningen 10 Original-Lithographien von der Handpresse abziehen und diese Grafik-Mappe in einer Auflage von 33 Exemplaren auflegen. Das war in Kunstkreisen eine Sensation, denn die Schwenninger Presse, gegründet von dem jungen Arzt Dr. Franz Georg Ludwig (Lovis) Gremliza, bot neben der ’eidos-presse’ in Stuttgart als erste Druckpresse nach dem Zweiten Weltkrieg ehemals von den Nationalsozialisten verfemten Künstlern die Möglichkeit, Auflagendrucke herzustellen.
Der mittelalterliche Baubestand Villingens ist seit mehr als drei Jahrzehnten Gegenstand baugeschichtlicher Untersuchungen und durch den Verfasser in verschiedenen Beiträgen thematisiert worden. Im Vordergrund standen dabei Analysen zu Bau- und Nutzungsstrukturen der ältesten Bürgerhäuser und deren bauliche Einbindung in das städtische Siedlungsgefüge. Dabei war es von Anfang an das Bestreben, die erzielten Ergebnisse durch dendrochronologische Untersuchungen zeitlich zu schichten, um über das so gewonnene Datierungsraster von absolut datierten Bauphasen vergleichbare, aber nicht datierte Befunde bzw. Bauzustände relativ sicher einordnen zu können.
Mein Vorgänger im Amt, Gerhard Gebauer stellte 1998 in einem Aufsatz zur Fusion von Villingen und Schwenningen vor 50 Jahren mit Stolz fest, dass die Neubildung der Stadt Villingen-Schwenningen in Deutschland die größte Gemeindereformmaßnahme war, die seit 1945 erfolgreich durchgeführt wurde. Dies gilt auch heute fast 25 Jahre später, und das macht den Sachverhalt noch bemerkenswerter. Hinzu kommt, dass diese Fusion auf der Grundlage einer Zustimmung der Bürgerschaft in beiden Städten Schwenningen und Villingen vollzogen wurde. Aber neben der Würdigung dieses doch sehr einzigartigen Vorgangs stellt sich deshalb die Frage, weshalb es keine Nachahmer mehr gab, und ob man dann tatsächlich vom Erfolg dieser Maßnahme sprechen kann.
Das Sinfonieorchester Villingen-Schwenningen wurde noch in der Kaiserzeit am 12.08.1912 als ‚Orchesterverein Villingen‘ gegründet und besteht seit 110 Jahren als Verein. Die zahlreichen Namensänderungen spiegeln die wechselvolle Geschichte Deutschlands in der Zeit zweier Weltkriege, eines geteilten Deutschlands und der Wiedervereinigung wider. Die ‚Streicherabteilung‘ der Stadt- und Bürgerwehrmusik Villingen, wurde in schwieriger Zeit im Januar 1953 in ‚Villinger Kammerorchester e.V.‘ umbenannt. Mit dem Städtezusammenschluss 1972 von Villingen und Schwenningen, der sich in diesem Jahr zum 50. Male jährt, wurde folgerichtig die Namensänderung in ‚Kammerorchester Villingen-Schwenningen e.V.‘ vollzogen und war damit einer der ersten Vereine der gemeinsamen Stadt.
Ein völlig unbekanntes Kapitel der Villinger Kulturgeschichte ist der Verlag deutscher Klassiker des eigenwilligen Professors
Josef Josua Eiselein (1781 – 1856). Dieser war ab 1818 Lehrer und Präfekt am Gymnasium in Donaueschingen, wurde im
selben Jahr zum Priester geweiht und war ab 1820 Hofkaplan in Donaueschingen und Bibliothekar der Fürstenbergischen
Hofbibliothek. 1823 trat er überraschend zum evangelischen Glauben über und verließ Donaueschingen. Ab 1822 veranlasste
er die Herausgabe der Werke Lessings und gab von 1825 bis 1829 in eigener Verantwortung die Werke von Johann J.
Winckelmann (1717 – 1768) in einer zwölfbändigen Ausgabe heraus, die z.T. bis heute Gültigkeit besitzt.
Das verflixte Jahr 1806
(2023)
Gilt das Jahr 1806 insgesamt in der deutschen Geschichte als ein „Epochenjahr“, das den Übergang vom feudalen ins bürgerliche Zeitalter kennzeichnet, so war es dies für die Geschichte der Stadt Villingen in erhöhtem Maße, denn die Bürger der ehrwürdigen Stadt an der Brigach erlebten in diesem verflixten Jahr mehrere existenzielle Herrschaftswechsel und mehr als eine Schrecksekunde.
Wer im Jahr 1882 von Basel aus mit der Eisenbahn nach Lörrach fuhr, erreichte eine kleine Industriestadt von etwa achttausend Einwohnern. In jenem Jahr feierte Lörrach sein zweihundertjähriges Stadtjubiläum. Aus diesem Anlass wurde die aktuelle Stadtgestalt zum ersten Mal ausführlich gewürdigt. Ein Blick rechts aus dem Zugfenster hätte dem Reisenden kurz vor der Ankunft auf dem 1862 errichteten Bahnhof die repräsentativen Neubauten des Amtsgerichts und der Hebelschule gezeigt. Auf der linken Zugseite jedoch wäre der Blick des Ankömmlings, nachdem der Zug die Wallbrunnstraße passiert hätte, in Höhe der heutigen Belchenstraße lediglich über unbedeutende Kleingärten geglitten.
Neun Jahrzehnte Schöpflin
(2002)
Heute ist Schöpflin in unserer Gegend ein typischer und öfters vorkommender Familienname - sonst nichts. Nichts mehr. Im letzten Jahrhundert war Schöpflin das Synonym für Einkaufs- und Verdienstquelle im vorderen Wiesental und im südlichen Rebland. Welche wirtschaftliche Bedeutung Schöpflin für die Gemeinde Haagen hatte, ist in der Haagener Ortschronik von 1965 belegt. Auch die Ortschronik von Brombach von 1972 und das Jahrbuch der Stadt Lörrach von 1974 widmen der Firma größere Beiträge. Daraus, dazu aus Erzählungen der Gründerin und aus anderen Quellen, wie den Werkzeitschriften aus verschiedenen Jahren, beschreibe ich hier die Geschichte der Firma.
Das Museum am Burghof bewahrt die bedeutendste kulturhistorische Sammlung der Region zwischen Breisgau und Bodensee. Unter diesen über 50 000 Objekten befinden sich zahlreiche Exponate zur Geschichte der Stadt Lörrach. Das Autorinnenteam hat aus dieser Vielzahl einige Gegenstände ausgewählt, die auf vielfältige Weise Einblicke in Lörrachs Geschichte geben. Diese Objekte stammen aus verschiedenen Jahrhunderten und gehören zu unterschiedlichsten Sammlungsgebieten. Sie erzählen aus dem Alltag der Menschen oder stehen als Zeugen für ein historisches Ereignis. Die Betreuung der Sammlung gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben der Museumsarbeit. Seit mehreren Jahren werden die Objekte in einer Datenbank mit Bild wissenschaftlich erfasst. Ziel des Museums ist es, alle Objekte in diese computerunterstützte Dokumentation aufzunehmen, um schließlich auch interessierten Museumsbesuchern die Möglichkeit zu geben, sich per Mausklick in der Museumssammlung zu bewegen
Es dauerte dann doch noch ein paar Jahre, bis alles gebaut war und funktionierte. Aber im Sommer 1852, am 27. Juli bzw. 11. August, wurde der „Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Großherzogtum Baden betreffend die Weiterführung der badischen Eisenbahnen über schweizerisches Gebiet" abgeschlossen. Wodurch waren Badens Interessen begründet?
Seit Jahrtausenden kreuzen sich am Rheinknie die Verkehrswege vom Süden Europas nach Norden mit denen, welche von der Donau entlang des Hochrheines durch die Burgunder Pforte nach Westeuropa führen. Jeder Durchreisende ist auch heute noch von der mächtigen Burgruine Rötteln, dem Kleinod des vorderen Wiesentales, tief beeindruckt. Nicht weniger interessant ist die Geschichte und die politische Bedeutung der Herrschaft Rötteln. Immer lagen die Besitztümer in mehrerer Herren Länder. Dies erforderte von den Edelherren von Rötteln und später von den Markgrafen von Rötteln besonderes diplomatisches und politisches Geschick, um nicht zwischen den großen Kontrahenten der damaligen Zeit (Burgund, Österreich, Frankreich und Eidgenossenschaft) zerrieben zu werden.
Salem
(2002)
Badische Kommissare nahmen am 1. Oktober 1802 für den Markgrafen Carl Friedrich und dessen Söhne Ludwig und Friedrich eines der fortschrittlichsten Klöster Süddeutschlands - und ein sehr begütertes - ,,provisorisch" in Besitz: Salem, die 1134 gegründete Zisterzienserabtei, ausgezeichnet in langer Tradition durch beispielhafte Leistungen in Kunst und Wissenschaft, berühmt durch eine umfangreiche Bibliothek und bedeutende naturwissenschaftliche Sammlungen. Der „Reichsdeputationshauptschluß" von 1803 bestätigte die Inbesitznahme; Carl Friedrich, nun Kurfürst geworden, verfügte, die ihm nun zugefallenen Teile der ehemaligen Reichsabtei Salem und auch der Abtei Petershausen in seinen Erträgen den jüngeren Söhnen des Hauses Baden zukommen zu lassen. Sie haben dort auch zeitweise gewohnt - in den alten Gegebenheiten und Verhältnissen. So wurde Salem in der Tat verschont von Demontage und Ausplünderung, in ihrer Gesamtheit blieben Gebäude und Ausstattung erhalten (Das Archiv wird heute im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrt, die Bibliothek gehört seit 1826 zum Bestand der Universität Heidelberg).
Pünktlich zum Sommeranfang am 21.6.2002 wurde ein weiterer Teil der geplanten Gesamt- und Dauerausstellung „Baden von den Anfängen bis zur Gegenwart" im Schloss zu Karlsruhe, Sitz des Badischen Landesmuseums, eingeweiht. Der neue Ausstellungsteil mit vielen informativen Schau- und Hinweistafeln zur Geschichte und technisch-zivilisatorischen Entwicklung des Landes - wie auch en detail seiner Einwohner - beginnt mit dem Schicksalsjahr 1918, als am 9. 11. der Waffenstillstand im Eisenbahnwagen bei Compiegne geschlossen wurde.
Die Verweigerung der Moderne
(2002)
Die Beschäftigung mit der Architektur Albert Speers (1905-1981) führt zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung mit seinem Bauen im Dritten Reich. In einer Veröffentlichung der Arbeiten Speers, für die er selbst das Vorwort schrieb, werden seine Arbeiten erst ab 1933, dem Jahr der Machtergreifung Hitlers aufgeführt. Karl Arndts Aussage, daß Speers „Bauaufträge [...] so gut wie ausschließlich mit dem nationalsozialistischen Regime verbunden" seien, ist zu bestätigen. Allerdings wären da nicht wenige Indizien für ein architektonisches Schaffen vor 1933, könnte es den Eindruck erwecken, Albert Speer sei als Chefarchitekt und Handlanger Hitlers wie ein Phönix aus der Asche gestiegen. Um ein differenziertes Bild seiner architektonischen Entwicklung zu erhalten, ist es notwendig den Fokus auf seine frühen Entwürfe, die nicht im nationalsozialistischen Kontext entstanden sind, zu richten. Neben den Entwürfen eines Siedlungshauses (um 1931) und
einer evangelischen Kirche in Berlin-Zehlendorf (vor 1933), beziehen sich zwei der raren Entwürfe aus der frühen Schaffensperiode interessanterweise auf Heidelberg: Es handelt sich um ein Zweifamilienhaus, das er 1929 für seine Schwiegereltern in Heidelberg-Schlierbach realisiert und um den Entwurf eines Gärtnerhauses, das nicht ausgeführt worden ist.
Auf der Höhe seiner Schaffenskraft wird Heinrich Hübsch (1795-1863), der grosse badische Baumeister der Romantik und Leiter der Bauverwaltung des Großherzogtums in der Nachfolge Friedrich Weinbrenners, mit einer Aufgabe betraut, die in der ersten Hälfte des 19. Jh. zu den wichtigsten und technisch anspruchsvollsten öffentlichen Bauaufgaben gehört, nämlich der Erbauung einer zentralen Strafanstalt. Mit der Schaffung des Männerzuchthauses in Bruchsal wird Baden, neben Preußen, eines der führenden Länder der Zeit bei der Entwicklung und Humanisierung des Strafvollzuges und des Strafvollzugsbaues.
Neben der Dammerstock-Siedlung im Karlsruher Stadtteil Rüppurr (Entwurf Walter GROPIUS und Otto HAESLER) gehört der heute als Naturschutzzentrum genutzte Gebäudekomplex der ehemals „Städtischen Vogelwarte" im so genannten Rheinpark Rappenwört zu den markantesten architektonischen Vorzeigeobjekten aus der Bauhaus-Zeit. Der in seinem formalen Aufbau in Teilen an die Meisterhäuser in Dessau erinnernde multifunktionale Gebäudekomplex stammt vom Architekten im Hochbauamt der Fächerstadt, Walter MERZ (1897-1963), der zusammen mit Alfred FISCHER und Fritz RÖSSLER auch an der Ausführung von drei Einfamilien-Reihenhausgruppen in der Dammerstock-Siedlung beteiligt war.
Am 13. April 2002 fand im Amtssitz des südbadischen Regierungspräsidenten, im Basler-Hof in Freiburg, eine Veranstaltung statt, über die zwar im Rundfunk, aber nicht in der örtlichen Zeitung berichtet worden ist. Gut 80 persönlich geladene Personen nahmen teil, darunter Landtagsabgeordnete, Kommunalpolitiker, Landesbeamte und unter diesen allen die Autoren eines Buches, das zu diesem Anlaß präsentiert werden sollte. Das Ereignis, das da im Zusammenhang mit dem 50jährigen Landesjubiläum stattfand, war darum nicht alltäglich, weil die beiden badischen Regierungspräsidenten, Dr. von Ungern-Sternberg und Frau Hämmerte, als Gastgeber gemeinsam in Erscheinung traten. Sie hatten gemeinsam ein Geleitwort zu einem Buch geschrieben, das an diesem Tag der Öffentlichkeit übergeben wurde: ,,Die badischen Regionen am Rhein. 50 Jahre Baden in Baden-Württemberg. Eine Bilanz". Herausgegeben hat es der an der Universität Würzburg Politische Wissenschaft lehrende Professor Paul-Ludwig Weinacht; erschienen ist es im Nomos-Verlag Baden-Baden (Preis 34 Euro).
Meine lieben badischen Landsleute! Sooft ich am Rundfunk zu Ihnen gesprochen habe, waren es entweder Sorgen oder
Bitten, die ich Ihnen vorzutragen hatte. Auch heute bewegen mich schwere Sorgen, da ich nach dem durch das Stuttgarter Über-Leitungsgesetz erzwungene Ende der Badischen Landesregierung mich mit einem Abschiedswort an Sie wende. Die
Badische Landesregierung hat in ihrer letzten Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: Nach Inkraft-Treten des Stuttgarter Überleitungsgesetzes sieht die Badische Landesregierung keine weitere Möglichkeit mehr, die Auflösung des Landes Baden von sich abzuwenden. Sie wiederholt ihre schon bei früheren Anlässen kundgegebene Auffassung, daß das eingeschlagene Neugliederungsverfahren einer echten Rechtsgrundlage entbehrt und demokratischen Grundsätzen widerspricht. Sie verweist erneut darauf, daß 63 Prozent der Bevölkerung des Bundeslandes Baden sich gegen die Eingliederung in das neue Bundesland ausgesprochen haben, diese Eingliederung aber trotzdem zwangsweise vorgenommen worden ist.
Der markante Bau des St. Paulusheims mit seiner Natursteinfassade aus Muschelkalk, dem Gestein des Kraichgaus, gehört zu den Gebäuden Bruchsals, deren Silhouette das Stadtbild nach Osten hin prägen. Würde über den Dachgiebeln nicht ein kleiner Turm mit einem Doppel-Kreuz aufragen, wüsste ein Fremder allerdings wohl schwerlich, was sich hinter diesen zunächst grau und fast hart wirkenden Mauern verbirgt. Aber wer ein wenig näher kommt und genauer hinschaut, stellt mit Erstaunen fest, wie lebendig, abwechslungsreich die Farben und auch die Formen der Steine sind: Grau, weiß, ocker, gelb, klein, groß, scharfkantig, abgerundet - jeder anders - bilden sie die schützende Fassade des Bauwerks, das beinahe mittelalterlich wirkt. Doch der Schein trügt, der Bau ist keineswegs alt, und was diese Mauern beherbergen, ist ein Gymnasium mit über 700 höchst lebendigen Schülerinnen und Schülern, ein „Kloster" gleichzeitig - obwohl keiner der Patres sich als Angehöriger eines Klosters im althergebrachten Sinne bezeichnen würde -, ein Bildungszentrum und ein Seniorenheim, eine bunte Vielfalt und doch eine Einheit: das St. Paulusheim.
Die Entwicklung des jüdischen Schulwesens in Baden im 19. Jahrhundert ist vor dem Hintergrund der Judenemanzipation zu sehen, die insbesondere mit den Konstitutionsedikten 1807/08 in eine neue Phase eintrat. Kernanliegen der Emanzipation war die Integration des jüdischen Bevölkerungsteils in die christliche Gesellschaft, wobei naturgemäß die Unterrichtung der Kinder eine entscheidende Rolle spielte. So wurde im 9. Konstitutionsedikt (dem eigentlichen „Judenedikt" vom 13. Januar
1809) die Schulpflicht auch für israelitische Kinder festgeschrieben. Das galt auch für Heidelsheim, bedeutete aber nicht, dass sofort eine jüdische Schule errichtet wurde. Insofern kann die genauere Betrachtung der Entwicklung eines Ortes die Schwierigkeiten und Entwicklungen des jüdischen Schulwesens in Baden aufzeigen, wobei Heidelsheim typisch für eine
Landgemeinde mit einem relativ großen jüdischen Bevölkerungsteil ist. Wesentliche Aspekte der Entwicklung im 19. Jahrhundert sollen im Folgenden angesprochen werden.
Frauen in Bruchsal
(2002)
Frauengeschichte ist ein Teil jeder Stadtgeschichte. Sie wird in erster Linie entwickelt an Berichten, Tagebüchern und privaten Briefen. Deren Nachteil ist, dass sie privat sind; ihre Verfasserinnen stehen nicht immer für einen Verband oder Verein. Dies kann aber auch von Vorteil sein, denn in den Briefen etc. finden wir Quellen, die nicht von Nebenabsichten getrübt sind. Frauenarbeit hat es schon immer gegeben, in erster Linie im Familienverband: in der eigenen Familie als mithelfendes Familienmitglied oder in der fremden Familie als Dienstmädchen, Zugehfrau, Waschfrau. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir Frauen als Arbeitskräfte-Reservoir für die aufsteigende Industrie. Erster und Zweiter Weltkrieg veränderten die Frauenerwerbstätigkeit. Was wäre nicht zuletzt auch und gerade die Bruchsaler Industrie ohne Frauenarbeit?
Im Gegensatz zu der erhaltenen Burg im Stadtteil Obergrombach gibt es für die Helmsheimer Burg keine äußeren Anzeichen mehr. Nur Straßen- und Gewannnamen halten die Erinnerung wach. Westlich des Dorfes, links von der Kreisstraße nach Obergrombach, finden wir den „Schlossbuckel", der heute fast vollständig bebaut ist. Die Bezeichnung „Schlossbuckel" ist
ja etwas zu hoch gegriffen, denn ein Schloss gab es in Heimsheim nie. Aber vielleicht war es gerade dieser Name und die Lage außerhalb des Dorfes, das dieses Gebiet vor etwa 30 Jahren zu einem attraktiven Wohngebiet werden ließ - der
Name allein hat ja einen „elitären Touch". In der Beurteilung der Alt-Helmsheimer waren die „Schlossbuckler" etwas Besonderes, aber in der Zwischenzeit haben sich die Gegensätze gelegt, denn Schlossbuckel und Dorf sind durch die
Erschließung neuer Baugebiete fast zusammengewachsen. Auf alten Flurkarten hieß der Schlossbuckel „Burgberg", daran schloss sich die „Burghälden" und der „Hagwasen" an, und der untere Römeracker war der „Burggrund" - alles Indizien für eine Burg. Und es gab sie ja auch! Als 1972 mit der Bebauung des Schlossbuckels begonnen wurde, planierte man den Hügel, und die restlichen gefundenen Steine wurden zur Befestigung eines Waldweges im Helmsheimer Wald benutzt. Die Burg befand sich im heutigen Bereich der Helmolfstraße (etwa Anwesen Lupp, Kaufmann, Dralle, Fröhlich). Sehr wichtig für eine Burg war ein Brunnen, der an der alten Kreisstraße nach Obergrombach lag.
"Bruosele"
(2002)
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und mit dem beginnenden Wiederaufbau der Stadt haben historisch kompetente Bruchsaler Bürger zum Spaten und zur Feder gegriffen, um Grundlagen für weitere Forschungen zu schaffen. Hier ist besonders dem Architekten Artur Hassler zu danken, dass die ersten historischen Baureste eines Königshofes entdeckt, freigelegt und dokumentiert wurden. Die weiteren Fundamentuntersuchungen ergaben eindeutig das Vorhandensein einer älteren Chorturmkirche mit basilikaartigem Grundriss. Eingehendere Überprüfungen führten zu der Erkenntnis, dass
diese Anlage bereits Baureste eines noch älteren Bauwerkes benutzte. Weitere Forschungen wurden damals im Kirchenareal der Stadtkirche nicht unternommen.
Am Ende des Jahres 2001 zählte der Landkreis Karlsruhe - als viertgrößter Landkreis Baden-Württembergs - über 416 000 Einwohner, die in insgesamt 32 Städten und Gemeinden leben. Als größte Kommune innerhalb des Landkreises, mit rund 41 500 Bürgerinnen und Bürgern, liegt Bruchsal rund 15 Kilometer nördlich der ehemaligen Landeshauptstadt Karlsruhe.
Büchenau - ein Straßendorf
(2002)
Südwestlich - ca. 6 km von der Kernstadt Bruchsal entfernt - liegt Büchenau, seit dem 1. Juli 1972 Stadtteil von Bruchsal. Da das Dorf schon einmal, wohl in der Zeit seiner Gründung, zum sehr ausgedehnten Gemarkungsverband Bruchsal gehört hat - wie auch Forst und Neuthard -, sind die Büchenauer jetzt wieder ganz eng mit der Geschichte der Gesamtstadt Bruchsal verbunden. Quasi hat die Stadt Bruchsal ihre Söhne und Töchter wieder. Büchenau ist wohl die jüngste Siedlungsgründung unter den eingemeindeten Ortschaften Bruchsals, denn aus der Frühzeit liegt bis jetzt nur ein einziger Fund vor, eine vermutlich aus der Bronzezeit (etwa 2000-1000 v. Chr.) stammende Bronzespange. Dieser Fund reicht nicht aus, um über eine frühgeschichtliche Besiedlung der Gemarkung etwas auszusagen. Auch über eine Besiedlung in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung fehlt bis jetzt jede Spur.
Den Geist der Heimat kann niemand erfassen, der sich nicht auch einmal in die Betrachtung des Ruheortes der Verstorbenen versenkt hat. Bruchsal hat einen der schönsten und gepflegtesten Friedhöfe in unserer Gegend. Ein ganz eigenartiger Zauber liegt über der alten Begräbnisstätte hinter der St. Peterskirche. Von alten Bäumen überschattet, stehen noch manche altehrwürdige, teils aus bodenständigem Gestein geschaffene Grabmäler, und verkörpern noch Geschichten alter vergangener Bruchsaler Geschlechter. Leider sind die Inschriften der ältesten Grabdenkmäler stark verwittert. Es wäre deshalb eine verdienstvolle Aufgabe, sie zu sammeln und der Nachwelt zu erhalten.
,,... ich habe nuhn den orth ausgelesen wohe mein residentz hinkommen solle ... es ist zu Bruchsal", teilt Kardinal Damian Hugo von Schönborn, der am 3. Dezember 1719 sein Amt als Fürstbischof von Speyer angetreten hatte, seinem „tres honore frere" Franz Erwein nach Wiesentheid mit. Diese seine Entscheidung, bereits am 3. Juli des folgenden Jahres Wohnsitz und Residenz vom „protestantischen", auf seine Rechte als Reichsstadt bedachten Speyer auf das rechtsrheinische Gebiet zu verlegen,
markiert den Beginn des „glanzvollsten Jahrhunderts" in der nunmehr über 1000 Jahre währenden (geschriebenen) Geschichte Bruchsals. Der Schlossbau sollte jedenfalls zur Basis einer gedeihlichen Stadtentwicklung werden.
Die Synagoge Bruchsal
(2002)
Wer sich zur Aufgabe macht, über ein jüdisches Bauwerk zu recherchieren, das durch nationalsozialistischen Terror zerstört worden war, kann sich nicht nur auf architektonische Beschreibungen des Gebäudes beschränken. Letztlich sind nicht die toten Steine wichtig, sondern die damit verbundenen menschlichen Schicksale. Sucht man Spuren jüdischen Lebens in der lokalen Vergangenheit, steht man vor einer Reihe von Fragen. Gibt es bereits fundierte Publikationen zum Thema? Existieren
noch bisher unveröffentlichte schriftliche Quellen - sei es in Privatbesitz oder in Archiven? Welche noch lebenden Zeitzeugen könnten befragt werden? Wie groß ist die Offenheit und Aufgeschlossenheit für eine Recherche vor Ort? Lokale Geschichtsschreibung sollte nicht die Aufgabe Einzelner sein, sondern als vorrangiges Anliegen jeder Gemeinde aktiv und zielstrebig vorangetrieben werden. Eine systematische Erschließung aller möglichen Quellen steht bislang noch aus. Historische Recherche darf dabei keine Tabus kennen, muss aber gleichzeitig sachlich und umfassend dokumentieren.
Die Geschichte der Entstehung der International University in Germany ist nicht lang, da ihre Initiatoren ihr, sobald es ihnen möglich war, ein Ende setzten, dass heißt: wir wollten die Gründungsphase so schnell wie möglich beenden und aus dem chaotischen politischen in ein strukturiertes und überschaubares akademisch-unternehmerisches Umfeld gelangen. Dennoch ist diese Entstehungsgeschichte nicht uninteressant. Denn sie ist eine komplexe, von bildungspolitischem Idealismus unsererseits und Widerstand, Angst und Frustration einzelner Vertreter der bestehenden staatlichen Institutionen andererseits, vom unermüdlichen Einsatz uns unterstützender Personen wie auch von bewusstem Verhinderungswillen geprägte letztliche „Erfolgsstory".
Kulturförderung ist heute eine wesentliche Aufgabe des modernen Staates, der Länder und der Gemeinden. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Museen aller Art, wie den großen Landesmuseen, den Kreismuseen oder den kleineren ortsgebundenen Heimatmuseen. Eine wesentliche Aufgabe der Museen ganz allgemein ist es, Kulturgut der Nachwelt zu
erhalten, zu inventarisieren und zu dokumentieren. Ein weiterer Teil ist das Aufbereiten von Sammlungen für den Museumsbesucher in ständige Schausammlungen oder zeitgebundenen Sonderausstellungen, sei es naturwissenschaftlicher oder kultureller Art. Dabei haben sich im Laufe der Zeit große und kleinere Museen auf ganz bestimmte Sammelgebiete
spezialisiert, andere wiederum geben sich als Universalmuseen.
Zwischen Baden und Kurpfalz
(2002)
Die Anfänge der Stadt Heidelsheim liegen im Dunkeln. Wann genau hatte der deutsche König - wohl zur Zeit der Staufer - die Siedlung zur Stadt erhoben beziehungsweise ausgebaut? 1241 wird der Ort als Reichsstadt sichtbar. Doch das Interesse des Königs an seiner Stadt hielt nicht lange an. 1311 genehmigte nämlich der König die Verpfändung Heidelsheims an Graf Konrad von Vaihingen und an Markgraf Rudolf IV. von Baden. Was bedeutete dies für die Stadt? Heidelsheim hatte nun plötzlich drei Stadtherren oder besser gesagt zwei Pfand- und einen Stadtherrn. Denn der König blieb weiterhin nominell Stadtherr, wenn er auch kaum noch stadtherrliche Funktionen ausübte. Mit der Pfandschaft waren vor allem Nutzungsrechte und genau definierte Einkünfte verbunden. Verpfändungen von Städten, gerade durch den König, waren an der Tagesordnung. Durch die Verpfändung erhielt der König vom Grafen von Vaihingen 800 Pfund und vom Markgrafen von Baden 1000 Pfund - oder Dienste in angemessener Größenordnung. Der König nahm nämlich für die Reichspfandschaften bei der Vergabe normalerweise gar kein Geld des Gläubigers.
Hervorgegangen ist die Obergrombacher Burg aus einem grundherrlichen Hof (im Mittelalter „Bauhof" genannt) der fränkischen Landnahme (Anfang 6. Jahrhundert). Aufgrund seiner Größe hatte der „Bauhof" eine beherrschende Stellung im Ort. An einen Burgbau ist indes nicht vor 1200 zu denken. Als Erbauer könnte der Eigentümer des „Bauhofes" in Frage kommen. Plausibler erscheint allerdings, daß die Grundherrschaft - das Grombachtal geriet im 12. Jahrhundert zunehmend in den Einflußbereich speyrischer Territorialpolitik - den Burgbau veranlaßte und einen Lehnsmann als Herrschaftsträger einsetzte, den Ortsherrn. Die Burg schützte sowohl die wichtigste Straße im Grombachtal, die „Hohe Straße", die im
Spätmittelalter dem Hochstift als Geleitstraße vom Nordschwarzwald kommend ab Singen (Remchingen) - Wöschbach - Jöhlingen - Obergrombach - Bruchsal beträchtliche Einnahmen bescherte, als auch die Südflanke Bruchsals, wo die Bischöfe von Speyer ab 1091 des öfteren residierten. Darüber hinaus bot sie den domkapitularischen Dörfern Jöhlingen,
Unterwössingen und Wöschbach Schutz. Die Grenzlage Obergrombachs - Heidelsheim, Gondelsheim, Weingarten, Heimsheim und Oberwössingen gehörten zu anderen Herrschaften - mag ein Übriges zum Burgbau beigetragen haben. Diese erste Burg muß man sich wesentlich einfacher vorstellen, als die heute sichtbaren Reste, die mehrheitlich aus dem 15. Jahrhundert stammen. Sie bestand im Wesentlichen aus dem Bergfried und aus dem ummauerten Bereich der heutigen Oberburg.
Die Entstehung des Landes Baden-Württemberg vor fünfzig Jahren war bekanntlich eine schwierige Geburt und in staatsrechtlicher Hinsicht nicht ohne Mängel. Daher ist es kein Wunder, daß auch die Frage der Namengebung nicht
einfach zu lösen war. Die Diskussion darüber betraf zwar weit weniger Wichtiges als der Abstimmungskampf um die
Staatsbildung selbst, sie geriet auch ungleich weniger heftig und wurde nicht zusätzlich vor Gericht ausgetragen. Dennoch scheint es von Interesse, diesen Namensstreit ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich ist der Name für jedes soziale Gebilde ein wichtiges Element der Identität und des Selbstverständnisses. Im Falle des Landes Baden-Württemberg bildet die Auseinandersetzung um den Namen auch ein bemerkenswertes Nachspiel zur Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951. Sie läßt etwas von den Intentionen der Abstimmenden in den einzelnen Landesteilen erkennen.
Klöster gehörten seit dem frühen Mittelalter zu den konstituierenden Elementen von Herrschaft. Beschränkte sich ihre Stiftung noch im 10. Jahrhundert auf Initiativen ranghoher geistlicher und weltlicher Würdenträger aus der Umgebung des Königshauses, so entwickelten seit der Jahrtausendwende insbesondere im Südwesten des Reiches zunehmend Grafen und edelfreie Adelige ein Interesse an Gotteshäusern. Unter dem Einfluss der päpstlichen Partei in dieser Region vollzog sich dabei ein grundlegender Wandel. Denn seit Mitte des 11. Jahrhunderts erbaten Stifter für ihre Klöster nicht mehr, wie bisher, den Schutz des Reiches, sondern den des Apostolischen Stuhls. Sie orientierten sich dabei an den Ideen der Reform. Im Zuge dieser Bewegung entstand auch die Abtei St. Peter. Sie liegt östlich von Freiburg im Breisgau auf einer gewellten Hochfläche des Schwarzwaldes unweit des vermutlich ältesten Verbindungsweges vom Breisgau auf die Baar und zum Bodensee durch das heutige Höllental. Hauptakteur ihrer Stiftung war Herzog Bertold II. († 1111), der Begründer der Zähringerlinie. Auch nach ihrem Aussterben spielte die Pflege ihrer memoria in der Abtei immer wieder eine bedeutende Rolle bis zu deren Aufhebung im Jahr 1806.
Im 19. und 20. Jahrhundert hat sich das Große Wiesental zu einem der am stärksten industrialisierten Schwarzwaldtäler entwickelt. Heimgewerbliche Flachsspinnerei und Leinwandweberei sowie nachfolgend die hauptsächlich von Schweizer Unternehmern aufgebaute Baumwollverarbeitung im Verlagssystem hatten hier bereits vorindustriell Fuß gefasst, und es war am Hochrhein und im Wiesental eine vom Textilgewerbe geprägte Region entstanden. Der industrielle Umbruch veränderte die Wirtschafts- und Sozialstrukturen sowie den Lebensalltag der Bevölkerung und formte das Siedlungs- und Landschaftsbild gründlich um. Aus einer bäuerlich-kleingewerblichen wurde in wenigen Jahren rasch eine hochgradig industriell überprägte Kulturlandschaft. Strukturelle Umbrüche kennzeichnen die Entwicklung bis in die jüngere Vergangenheit: Mit dem Niedergang der ehemaligen Leitindustrie ab den 1970er Jahren setzte ein neuerlicher Strukturwandel im Tal ein.
Die Holzgewinnung, der Holztransport und der Holzverkauf spielten im Einzugsgebiet der Kinzig, im Speziellen der oberen Kinzig, seit dem Spätmittelalter eine große Rolle. Sie prägten die Wirtschaftsstruktur und die sozialen Verhältnisse, aber auch die Landschaft. Das Flößereiwesen wird in der Region als immaterielles Kulturerbe in vorbildlicher Weise gepflegt. Die materiellen Hinterlassenschaften hingegen sind nur teilweise bekannt und damit nicht in gebührendem Umfang Gegenstand der Heimatpflege. Daher war es ein dringliches Anliegen regionaler Akteure, insbesondere von Dr. Hans Harter, Thomas Kipp und Willy Schoch, diese Lücke ein Stück weit zu füllen und eine entsprechende Studie in Auftrag zu geben. Im Rahmen dieser Studie sollte eine Dokumentation des Gesamtsystems der Holzbringung im Einzugsgebiet der oberen Kinzig erstellt werden (Übersicht in Abb. 1). Das Ziel war, die funktionalen Zusammenhänge der Einzelelemente, die dem Holztransport dienten, in ihrer Sachgesamtheit zu erfassen und darzustellen. Eine Kompletterfassung aller Elemente im Untersuchungsgebiet war jedoch nicht vorgesehen. Vielmehr sollten ein Eindruck über die Dichte der Bauten abgeleitet sowie Besonderheiten des Gebietes herausgearbeitet werden. Wir berücksichtigten die Quellflüsse und Seitenbäche der Wassereinzugsgebiete der Kinzig, der Wolfach und der Schiltach.
Die Neubauten im mondänen Luftkurort St. Blasien und ein Kurhausbau im benachbarten Dorf Menzenschwand werden um 1900/1910 im Schwarzwaldstil oder im Schwarzwaldheimatstil erbaut. Wir sind es gewohnt die Bauten dieser Zeit und Stilstufe in der materialgerechten Farbigkeit zu sehen, die vor allem seit den 1930er Jahren üblich wurde: braunes Holz,
grüne Fensterläden, weiß getünchter Verputz und Naturstein in der jeweiligen Eigenfarbigkeit. Für St. Blasien und das benachbarte Dorf Menzenschwand gibt es durch kolorierte Postkarten, einigermaßen tradierte Farbfassungen und einzelne Befunduntersuchungen Hinweise auf eine lebensfrohe Farbigkeit und auf Farbkombinationen, wie sie für den Jugendstil charakteristisch sind. Diese Beispiele werden weiter unten vorgestellt.
Auch im digitalen Zeitalter liegen sie in Buchhandlungen aus: Werbekataloge, die das Lesepublikum über Neuerscheinungen und das lieferbare Programm eines Verlags informieren. Das Angebot allein sagt bereits viel über das werbende Unternehmen aus, Käuferansprache und Gestaltgebung ergänzen gezielt die Außenwirkung. Der vorliegende Beitrag stellt den ehemaligen Baden-Badener Herbert Stuffer Verlag anhand seines Prospektarchivs vor und zeigt, dass Verlagskataloge mehr als nur eine Produktpalette abbilden.
Die Familiengeschichte von Johann Gottfried Tulla umfasst einen Zeitraum vom Dreißigjährigen Krieg bis ins erste Drittel des 19. Jahrhundert und geht über sieben Generationen. Die Auswertung der Kirchenbücher zeigt nicht nur genealogische Daten, sondern auch das Leben der Menschen. Dies in Verbindung mit der Zeitgeschichte bringt uns die Familie Tulla näher – und
im zweiten Teil vor allem die Karlsruher Familie um den Ingenieur Johann Gottfried Tulla.
Wolterdingen - Breg-Brücke
(2021)
Wenn alle Genehmigungen beisammen, wenn alle Argumente ausgetauscht, wenn alle Diskussionen geführt sind, bleibt als ein letzter Versuch die Darstellung des bevorstehenden Verlustes – und die Hoffnung auf eine späte Korrektur getroffener Entscheidungen. »Technische Kulturdenkmale« haben es ohnehin nicht leicht, von der Öffentlichkeit wahrgenommen oder gar geschätzt zu werden. Zu sehr ist man in der Welt des Alltags mit dem steten Dies und Das beschäftigt und setzt das Funktionieren der Technik einfach voraus. Schlösser und Burgen werden in der Freizeit besucht, die Technik bleibt im Hintergrund – und wird auch an Sonn- und Feiertagen als Selbstverständlichkeit hingenommen. Dabei ist eine Maschine oder ein Bauwerk als Beispiel für eine Epoche der Technik aus der Sicht der Technikhistoriker oft ebenso interessant, wie es ein Schloss oder eine Burg für eine Epoche der Kunst- oder Landesgeschichte ist.
Die BBBank wurde am 12. November 1921 als Badische Beamten-Genossenschaftsbank eGmbH gegründet. Aus der Selbsthilfeeinrichtung für badische Beamte ist in hundert Jahren eine bundesweit erfolgreiche Privatkundenbank geworden. Durch die bewegte Geschichte ziehen sich Werte und Traditionen: So ist die BBBank bis heute die Hausbank für den öffentlichen Dienst und als Genossenschaft vor allem ihren Mitgliedern verpflichtet. Mit ihrer Zentrale in Karlsruhe ist die Bank zudem in Baden verwurzelt geblieben.
»Am Anfang war Napoleon.« Für die Markgrafschaft Baden galt das »allerdings in besonderem Maße«. »Über die historische Stunde des Napoleonzeitalters hinaus« schufen die Reformkräfte der Rheinbundzeit »ein funktionsfähiges und weit über ein Jahrhundert bestandskräftiges Staatswesen« (V. Rödel). Das Zeitalter Napoleons mag im »raschen Zuge vorübergerauscht«
sein, »aber die Grundlagen einer neuen gesellschaftlichen Ordnung und eines neuen Geistes blieben bestehen« (F. Schnabel, Die Geschichte des 19. Jahrhunderts).
Karl Reinfried kann als bedeutender Heimatforscher der Geschichte der Ortenau bezeichnet werden. Dies kommt durch seine annähernd 200 Publikationen zu den entsprechenden Themen zum Ausdruck. Nach seinem Tode griff beispielsweise Ernst Huber in seinem in der »Ortenau« veröffentlichten Beitrag auf die Forschungen von Reinfried zurück. Dies wird ebenfalls im folgenden Abschnitt dargestellt. Schließlich stehen die historischen Impulse Reinfrieds in Form seiner Publikationen in der »Ortenau« zur Erörterung an. In einer abschließenden Beurteilung soll analysiert werden, weshalb die heimatgeschichtlichen Publikationen Reinfrieds in der »Ortenau« auch heute noch von Bedeutung sind.
Ein Torfprofil vom Westabfall der Hornisgrinde im Nordschwarzwald mit Meesia triquetra Ångstr.
(2000)
Ein Bohrkern von 80 cm Länge aus einem Quellmoor vom Westrand des Nordschwarzwaldes östlich Sasbachwalden
wurde auf Pollen, Großreste mit Schwerpunkt auf den Moosen und einige chemische Parameter untersucht. Die Moose zeigen die Entwicklung von einem offenen Rasen mit Calliergon cuspidatum und Philonotis cf. fontana, in den noch oft grobes Material eingeschwemmt wurde, zu einem Sphagnum palustre-Rasen, der schließlich in einem Holcus lanatus-Bestand mit wenigen Moosen endet. Als Besonderheit findet sich im oberen Bereich des Profils Meesia triquetra, die bis 6 cm unter der Oberfläche nachgewiesen werden konnte und damit wohl an der Bohrstelle bis in dieses Jahrhundert hinein existierte. Die wichtigsten Begleiter sind die Sektion Subsecunda der Torfmoose und Tomenthypnum nitens. Das Profil begann nach der Datierung anhand der Pollen um Christi Geburt. Der Rückgang der Nutzung der Kastanie für Rebpfähle und der Gerbstoffgewinnung spiegelt sich in einem massiven Anstieg ihres Pollens wieder. Ebenso belegt wird die Zunahme der Kiefer in der Rheinebene und die Zunahme der Fichte auch in den tiefen Lagen.
Enthält: Die Geologisch-Mineralogische Abteilung (S. 33–39; Lászlo Trunkó, István Baranyi & Eberhard Frey), Die Botanische Abteilung (S. 40–44; Georg Philippi & Adam Hölzer), Die Entomologische Abteilung (S. 45–50; Fritz Brechtel), Die Zoologische Abteilung (S. 51–59; Ludwig Beck und Mitarbeiter), Die Museumspädagogik (S. 60–63; Monika Braun)
Wer signifikante Unterscheidungsmerkmale zwischen katholischem und evangelischem Kircheninnenbau aufzählen will, läuft schnell Gefahr, sich in einer Defizitliste zu verlieren: Kein Tabernakel, kein „ewiges Licht“, kein Klerikergestühl, keine Heiligenfiguren, keine Kommunionschranken und keine Beichtstühle in evangelischen Kirchengebäuden, jedenfalls solchen aus nachreformatorischer Zeit. Keine Beichtstühle? Von der Beichte wird so gelehrt, dass man in der Kirche die
privata absolutio beibehalten und nicht wegfallen lassen soll. Dementsprechend sind in evangelischen – in der Regel lutherischen – Kirchengebäuden noch vereinzelt historische Beichtstühle anzutreffen, so in Niebelsbach im Enzkreis (Beichtstuhl des 18. Jahrhunderts), um ein Beispiel aus Baden-Württemberg anzuführen, dem weitere aus anderen Kirchenregionen an die Seite gestellt werden können. Keine Kommunionschranken? Zwar bedürfen evangelische Kirchengebäude keiner Lettner, keiner Abschrankungen zwischen einem Bereich für den „Klerus“ und einem Bereich für das „Kirchenvolk“. Im Gegenteil: Das Grundprinzip des Priestertums aller Gläubigen kennt keinen Klerus im Sinne der Amtsvorstellungen der römisch-katholischen Kirche und dementsprechend keine Sonderbereiche im Kirchengebäude für „Geistliche“, auch wenn evangelische Pfarrer bis weit in das 20. Jahrhundert hinein als „Geistliche“ bezeichnet wurden, und dies ganz offiziell.
Gleichgültig, wen man als den wichtigsten Träger der Reformation bewertet, ob Fürstenreformation oder – wie G. D. Dickens es sehen wollte – die Glaubensneuerung als „urban event“, als Magistratsreformation, nie ist bezweifelt worden, dass zwischen ihr und der Intensivierung und Ausweitung der öffentlichen Gewalt ein enger Zusammenhang – genauer – eine Wechselwirkung – bestand: Auf der einen Seite die Schaffung eines lutherischen Kirchenregiments unter Nutzung des politischen Potentials, auf der anderen die Stabilisierung der politischen Macht durch das Obrigkeitsverständnis der Reformatoren; im Ergebnis: Der frühneuzeitliche Obrigkeitsstaat auf dem Fundament eines konfessionell homogenen Untertanenverbandes. Geradezu paradigmatisch wird dies in der Vorrede zur Großen Kirchenordnung des Herzogtums
Württemberg von 1559 zum Ausdruck gebracht: Wie wir uns dann vor Gott schuldig erkennen [… ] wie auch des Gott, der Allmechtig, in seinem gestrengen Urteil von uns erfordern würdet, vor allen dingen unser undergebne Landtschafft mit der reinen Leer des heiligen Evangelii, so den rechten friden des Gewissens bringt unnd die hailsame waid z(o)m ewigen Hail unnd Leben ist, versorgen.
Im Zug der Schulreform der 1860er Jahre erließ die Regierung des Großherzogtums Baden am 8. März 1868 ein Gesetz den Elementarunterricht betreffend, mit dem die freiwillige Vereinigung der örtlichen Konfessionsschulen zu konfessionell gemischten Gemeinschaftsschulen geregelt wurde. Die Schulreform wurde von den badischen Protestanten begrüßt, während der Freiburger Erzbischof sie mit seinen konservativen Gefolgsleuten, den „Ultramontanen“ bzw. „Klerikalen“ bekämpfte. Liberale Katholiken befürworteten die Reform. Leimen gehörte zu den ersten Gemeinden, die eine
Gemeinschaftsschule einführten. Hier waren die Umstände dafür besonders günstig. Seit 1837 war die politische Gemeinde von der vorgesetzten Behörde aufgefordert worden, das katholische Schulhaus neu zu bauen. Das gab 1841 den Anstoß zum Kauf des Seligmannschen Hauses, in dem a) sämmliche Schulen, b) die Lehrer mit ihren Wohnbedürfnissen und c) die Gemeinde mit Versammlungs-Zimmer und Registratur untergebracht wurden. Die Amtsräume der Gemeinde befanden sich hauptsächlich im Ostteil des ersten Stockes. Im Erdgeschoss fanden zwei Schulräume Platz und in den restlichen Räumen wurden Lehrerwohnungen eingerichtet. Das Zusammenleben von Lehrern und Schülern unter einem Dach hatte im Lauf der nächsten zweieinhalb Jahrzehnte offenbar zur Folge, dass gegenseitige konfessionelle Vorurteile abgebaut wurden.
Heidelberg war nach West-Berlin und Frankfurt am Main eines der größten Zentren der Studentenbewegung Ende des 1960er Jahre. Dies ist umso überraschender, da die Stadt mit damals knapp über hunderttausend Einwohnern sich von ihrer Größe her
weder mit Frankfurt noch gar mit Berlin vergleichen ließ. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete Heidelberg 1968 gar als Brennpunkt der Studentenrevolte, die Neue Zürcher Zeitung sprach von einer Zitadelle des Aufruhrs. Dies hatte verschiedene Ursachen, eine davon war sicher die hohe US-amerikanische Militärpräsenz in Heidelberg und im nahe gelegenen Mannheim. Im Heidelberger Stadtteil Rohrbach befand sich über Jahrzehnte hinweg in der Campbell-Kaserne das US-amerikanische Hauptquartier für Europa USAREUR (United States Army Europe). Diese hohe militärische Präsenz von tausenden amerikanischer Soldaten auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges inmitten einer Universitätsstadt führte zu einer enormen Politisierung der Heidelberger Studentenschaft.
Sich mit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen bedeutet, eine „Geschichte, die noch qualmt“, zu betrachten, wie die Historikerin Barbara Tuchman einmal den Gegenstand der jüngsten Zeitgeschichte metaphorisch umschrieben hat.
Folgt man der klassischen Definition von Hans Rothfels, so umfasst die Zeitgeschichte jene Jahrzehnte, die von einer noch lebenden Generation von Zeitzeugen bewusst miterlebt und mitgestaltet worden ist. Danach sind wohl die meisten hier Anwesenden Zeitzeugen der Kirchengeschichte der 1990er Jahre. Die kirchliche Zeitgeschichte unterscheidet sich von der übrigen Kirchengeschichtsforschung u. a. durch den Zugriff auf eine besondere Quellengattung: die Auskünfte der Zeitzeugen. Durch Interviews können Detailinformationen, atmosphärische und biographische Hintergründe sowie zeitgenössische Deutungsmuster ermittelt werden. Die Kommunikation zwischen Zeitzeugen und Historikern bietet
viele Chancen, sofern die strukturell unterschiedlichen Rollen der beiden akzeptiert werden. Der Zeitzeuge gibt innerhalb seines partikularen Erfahrungshorizonts seine subjektive Wahrnehmung von zeitgeschichtlichen Ereignissen wieder. Während der Zeitzeuge Geschichte erinnert, will der Historiker sie erforschen. Gebunden an wissenschaftliche Standards und kontrolliert von einer Fachöffentlichkeit analysiert er auf einer breiten Quellenbasis multiperspektivisch historische Ereignisse, Strukturen und Prozesse. Die neunziger Jahre sind bislang von der kirchlichen Zeitgeschichtsforschung allenfalls gestreift worden. Grund hierfür ist die zumeist 30jährige Sperrfrist für kirchliche und staatliche Akten, die für diesen Zeitraum noch nicht abgelaufen ist. Dennoch lassen sich anhand publizierter Quellen erste geschichtswissenschaftliche Streifzüge durch dieses Jahrzehnt unternehmen.
Kaum war bei der Leipziger Herbstmesse im September 1522 Luthers „Neues Testament“ – ohne jeden Hinweis auf den Übersetzer – bei Melchior Lotter d. J. erschienen, ging man in Wittenberg wegen des reißenden Absatzes daran, einen zweiten verbesserten Druck zu publizieren, der noch im Dezember desselben Jahres erschien. Doch praktisch gleichzeitig lag auch schon der erste Nachdruck des Baseler Druckers Adam Petri vor: Er enthielt nicht nur den gesamten Text mit den Kommentaren Luthers; er war auch mit großen und kleineren Bildinitialen am Anfang der einzelnen Bücher sowie Initialen entsprechend der Septemberbibel ausgestattet. Damit wurde die Leistungsfähigkeit des Baseler Druckhauses beeindruckend bewiesen: über den Neusatz hinaus gelang es, aus dem Stand die Ausstattung des Druckes durch die von Holbein d. J. entworfenen Holzschnitte der Initialen künstlerisch zu verbessern, Lücken zu schließen und kleinere Unstimmigkeiten zu korrigieren; allerdings fehlten die Illustrationen der Apokalypse, die in der Septemberbibel durch Lucas Cranach gestaltet
worden waren. Insgesamt 12 weitere Nachdrucke erschienen im Folgejahr 1523, von denen nur je eine Ausgabe in Grimma und Leipzig nicht in Süddeutschland entstanden waren, wobei demgegenüber allein in Basel 7, in Augsburg weitere 3 Ausgaben verlegt wurden. 1523 kamen als süddeutsche Druckorte Straßburg und Nürnberg hinzu; 1524, im Jahr der größten Zahl paralleler Bibel(teil)ausgaben, sind in Norddeutschland außerhalb Wittenbergs (8 Ausgaben) nur noch in Erfurt und Leipzig je 1 Druck erschienen, demgegenüber im süddeutschen Raum 36 Ausgaben (Augsburg 8, Basel 9, Hagenau 1, Kolmar 1, Nürnberg 6, Straßburg 8, Zürich 3; zusätzlich o. O. 1).
Erhalten oder verändern?
(2018)
In den Jahren 2011/12 wurde im Zuge der Innenrenovierung der Friedenskirche von 1910 in Heidelberg-Handschuhsheim deren Innenraum umgestaltet: Eingebaut wurde eine große, unregelmäßige Stufenanlage aus weißem Stein, die bei Chorkonzerten durch zusätzliche Podeste aus Holz ausgeglichen und ergänzt werden muss. Nach der Umgestaltung folgen nun der alte Taufstein von 1910, ein moderner dunkler Altar aus Bronze, ein Ambo aus gleichem Material als Kanzel und die Orgelempore als Prinzipalien in einer Linie hintereinander. Auch der ursprüngliche Kirchenraum hatte in noch strengerer Weise eine Architekturkonzeption entsprechend dem sogenannten Wiesbadener Programm von 1891/92 aufgewiesen. Die jetzige Neugestaltung war auf der einen Seite innerhalb der Kirchengemeinde sehr umstritten, wurde andererseits aber mit zwei Architekturpreisen ausgezeichnet. ‒ Die noch konsequenter nach dem Wiesbadener Programm im Jugendstil erbaute Lutherkirche von 1907 in der Karlsruher Oststadt wurde von April 2017 bis zum Sommer 2018 ebenfalls renoviert, richtiger: saniert, jedoch nicht umgestaltet, sondern in ihrer ursprünglichen Raumgestaltung erhalten. Die „Innneraumsanierung“
wurde durch die Denkmalstiftung Baden-Württemberg finanziell gefördert.
Das Großbottwarer Rathaus
(2020)
Wann aus dem Dorf »Bodebura«, nördlich der Martinskirche und westlich der Kleinen Bottwar gelegen, die Stadt »Bothebur«, später »Botwar« genannt, wurde, wissen wir nicht genau. Es gibt keine Gründungsurkunde, aber ein paar Anhaltspunkte. Wir können davon ausgehen, dass es sich um eine geplante Neugründung einer Stadt handelt, östlich neben dem alten Dorf gelegen. Und dass diese Stadt, vermutlich von Albrecht von Lichtenberg gegründet, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Dies lässt sich aus dem Vergleich von zwei Urkunden erschließen: 1247 bestätigt Papst Innozenz IV. dem Kloster in Oberstenfeld die Schenkung eines Grundstückes in »Villa de Botebor«, also im Dorf Bottwar, und 32 Jahre später erhält das Stift Oberstenfeld in einer Jahrzeitstiftung Grundstücke »juxta muros civitatis Bothebur«, also neben den Mauern der Stadt Bottwar.
Im Gegensatz zu manch großem städtischen Gottesacker ist den Dorf- und Kleinstadtfriedhöfen oft nicht viel mehr als eine Randnotiz der Ortschronik gewidmet. Dabei bietet das Friedhofs- und Bestattungswesen auch für kleinere Kommunen unter ortstopographischen, denkmalpflegerischen und personengeschichtlichen Aspekte durchaus bemerkenswerte Forschungsansätze. Für die Stadt Ditzingen gibt der vorliegende Aufsatz eine erste Bestandsaufnahme, mit einer knappen Rückschau auf die vor- und frühgeschichtliche Fundsituation und einer ausführlicheren Einführung in die neuzeitliche Friedhofsgeschichte der Ortsteile.
Ludwigsburg geht baden
(2020)
»Hoher Adel! werthes Publikum! Subsignierter ladet nun Sie aufs freundlichste zum Baden ein. Auf den Wiesen, die er nun gepachtet, Führen Treppen in den Neckar ein; Es sind Müh und Kosten nicht geachtet! Auch 5 Häuschen, ganz bequem und rein, Stehen grün bedeckt zu jeder Zeit Jedem Badelustigen bereit. Nebst dem wartet auf mit Trank und Speiß Und empfiehlt sich bestens Philipp Heuß.« Mit diesem entwaffnend holprigen Gedicht machte der Wirt des auf der Hohenecker Neckarseite gelegenen Brückenhauses am 4. Juni 1822 im »Ludwigsburger Wochenblatt« auf die Eröffnung seiner Badeanstalt aufmerksam. Vermutlich hat der interessierte Leser von 1822 den Inhalt des Gedichtes mit Freude zur Kenntnis genommen, erwartete ihn doch im kommenden Sommer ein erfrischendes Bad im Neckar. Uns Lesern von heute bleibt allerdings einiges an der gereimten Anzeige unklar.
Die Taxordnung von 1669
(2020)
1669 erließ die Stadt Marbach eine Taxordnung, die Anfang 1670, also vor 350 Jahren, der Bürgerschaft durch Verlesen kundgetan wurde. Das Schriftstück hat sich glücklicherweise trotz des Stadtbrandes 1693 bis heute erhalten. Tax ist ein anderes Wort für Gebühren oder Steuern, das heißt, in der Taxordnung wurden für Waren und Dienstleistungen sowohl Preise und Löhne als auch Abgaben festgelegt. Wie war die Situation in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts? Besonders
traumatisch war der Dreißigjährige Krieg, der Württemberg besonders stark zerstört hatte. Nach dem Friedensschluss im Jahr 1648 konnte endlich der Wiederaufbau beginnen und die Einwohnerzahl nahm langsam wieder zu. Ein Großteil der Felder und Weinberge lag brach, viele Gebäude waren zerstört und die Finanzkraft der einst blühenden Wirtschaft war für lange Zeit geschwächt. Die Kriegshandlungen, Hunger und Seuchen hatten die Bevölkerung stark dezimiert.
Im Mittelalter wurden von Klerus, Klöstern und Bruderschaften Mitgliederlisten geführt, die als Anfänge kirchlicher Register gelten können, wenngleich sie aus verschiedenen Motiven heraus entstanden sind. Die im 14. Jahrhundert in Frankreich und Italien erstellten Taufmatrikeln sind allerdings als Beginn einer Kirchenbuchführung anzusehen. Für den deutschen Sprachraum gelten die im späten 15. Jahrhundert angelegten Taufregister von St. Theodor in Basel (1490), Annaberg in Sachsen (1498) und Augsburg (1504) als ein solcher vorreformatorischer Ansatz der Kirchenbuchführung. Ebenso bilden Memorial- und Totenbücher, die Verstorbene aufführen, eine Form von Kasualregistern, wie z. B. die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts geführten Nürnberger Totengeläutbücher (von St. Sebald 1439–1572, St. Lorenz 1454–1515). Sie beruhten jedoch auf ortskirchlichem Recht, und ein geordnetes Kirchenbuchwesen kam trotz der Versuche mehrerer Teilsynoden nicht zu Stande.
Am 21. November 1808 fand in Heidelberg eine Feier zur Vereinigung zweier bis dahin bestehender Gymnasien, des reformierten und des katholischen Gymnasiums, und damit die Eröffnung eines neuen Großherzoglichen Gymnasiums statt. Aus diesem Anlass hielt als Mitglied der über ein Jahr vorher innerhalb des badischen Innenministeriums konstituierten „Generalstudienkommission zur Vereinheitlichung des konfessionell gegliederten höheren badischen Schulwesens“ der Reformierte Johann Ludwig Ewald eine Rede. In Erinnerung an das 1546 gegründete erste reformierte Gymnasium illustre in Heidelberg gab die Nachfolgeschule, das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium, 1996 zum
450jährigen Jubiläum der Gründung eine umfangreiche Festschrift heraus, in der sich allerdings nur ein Aufsatz mit der Schulgeschichte beschäftigt. Aus den ersten zwei Jahrzehnten der Schulgeschichte gibt es acht Quellenschriften, welche für das Aufsatzthema relevant sind. Überwiegend handelt es sich um Gelegenheitsschriften geringen Umfangs; von ihnen beleuchten sechs ausschließlich die Heidelberger Schulsituation und deren Bildungsziele. Die ersten vier dieser Quellen wurden bisher in der Literatur nicht berücksichtigt. Daher erscheint dieser Aufsatz gerechtfertigt.
Die Geschichte der evangelischen Gottesdienste und der evangelischen Gemeinde in Neuenheim reicht deutlich weiter zurück als die der 1902 errichteten Johanneskirche. 1556 wurde wie in der übrigen Kurpfalz auch in Neuheim eine neue reformatorische Kirchenordnung verbindlich eingeführt. Die Gemeinde wurde von Heidelberg aus gottesdienstlich und seelsorgerlich bedient. 1573 ist erstmals ein eigener Pfarrer für Neuenheim erwähnt. Nach dem 30jährigen Krieg wurde die Gemeinde von Handschuhsheim aus versorgt, zwischen 1737 und 1808 von den Senioren des Sapienz-Kollegs,
gewissermaßen eines theologischen Studienhauses, betreut, von 1808 bis 1834 von Ziegelhausen. 1821 schloss sich auch in Neuenheim die reformierte Gemeinde mit der kleinen lutherischen zur unierten Kirchengemeinde Neuenheim zusammen, die Filiale von Ziegelhausen blieb. Von 1834 bis 1867 war Neuenheim wieder Filialgemeinde von Handschuhsheim. 1867 wurde in Neuenheim eine selbstständige Pfarrei begründet, behielt jedoch bis 1918 mit Handschuhsheim eine gemeinsame Vikarsstelle. Als Vikar war 1865 der Bauernsohn (Karl) Robert Schneider (*1839 in Oberweiler) nach Neuenheim gekommen, er wurde dann auch der erste Pfarrer der Gemeinde, in der er dann bis zu seinem Tod 1913 bleiben sollte. Das Pfarrhaus befand sich in der Bergstraße 7. 1929/30 konnte das Gemeindehaus in der Lutherstraße errichtet werden, in dem sich außer den Gemeindesälen und einem Zimmer für eine Krankenschwester auch eine Pfarrwohnung befand.
Als „Zeitzeuge“ soll ich erzählen, wie ich die Kriegs- und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt habe. Ich will es versuchen. Es ist allerdings für mich gewöhnungsbedürftig, Zeitzeuge für Nachgeborene zu sein. Es ist ein deutliches
Zeichen des Alters! Allzu viel darf man von mir nicht erwarten, wenn es um die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit geht. Ich bin 1934 in Freiburg geboren und in Lahr in einem kleinbürgerlichen Elternhaus aufgewachsen. Am Kriegsende war ich 11 Jahre, gehöre also zu der bevorzugten Generation, die am Kriegsgeschehen nicht mehr aktiv beteiligt war. Es sind darum nur Kindheitserinnerungen, die ich aus der Kriegszeit weitergeben kann. Auch in den ersten Jahren der Nachkriegszeit war ich noch ein Junge, dann Heranwachsender, der allerdings in der kirchlichen Jugendarbeit, vor allem durch die Schülerarbeit, als Jugendleiter und als Helfer im Kindergottesdienst entscheidend geprägt worden ist und intensive Erfahrungen mit Kirche gemacht hat. Als ich 1953 mit dem Theologiestudium begonnen habe, waren immer noch Nachwirkungen des Krieges zu spüren. Man freute sich, wenn man am Studienort ein nahrhaftes Paket von zu Hause bekommen hat. Man begegnete noch Kommilitonen, die spät aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden waren oder als Flakhelfer die letzte Kriegszeit erlebt und in dieser Zeit sich dann für den Beruf des Pfarrers entschieden hatten. In die Studienzeit fallen auch die ersten Begegnungen mit der Landeskirche – durch den damaligen Ausbildungsreferenten Heidland, später mit Oberkirchenrat Hof.
Etwas Romantik klingt im Titel an, aber es geht hier nicht darum die Vergangenheit zu verklären sondern wir versuchen ein Licht zu werfen auf die tief greifende Veränderung und Verwandlung der religiösen Landschaft in Deutschland, die man Reformation nennt und deren Nachwirkung und Folge es ist, dass es hier im Kraichgau evangelische Gemeinden bis heute gibt.
Wer sich diesem Thema widmet, muss bei David Chyträus – eigentlich David Kochhaf – beginnen, einem Pfarrersohn aus Menzingen. Chyträus besuchte die Lateinschule in Gemmingen, studierte Theologie in Wittenberg, wurde dort von Melanchthon gefördert und schließlich zum Professor in Rostock berufen. In seiner berühmten Rede de Craichgoia von 1558 hat er ein Loblied auf den Kraichgau gesungen, zu einer Zeit, in der noch alles in Blüte stand und jene furchtbaren Kriege und
Verwüstungen noch fern waren.
Melanchthonstraße Nr. 1
(2003)
Die Brettener Altstadt ist nicht eben arm an sehenswerten baulichen Zeugnissen der Geschichte. Der Pfeiferturm und der Simmelturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind hier zu nennen, ferner die aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer Burg der Kraichgau-Grafen entstandene Stiftskirche, das aus dem späten 16. Jahrhundert stammende Gerberhaus und die Fachwerkhäuser auf der Marktplatz-Nordseite, die ebenso wie der stattliche „Schweizer Hof" in der Fußgängerzone aus der Wiederaufbauära nach dem Stadtbrand des Jahres 1689 stammen. Demgegenüber nimmt sich das erst zwischen 1897 - dem
400. Geburtstag Philipp Melanchthons - und 1903 in historisierendem Stil errichtete Melanchthon-Gedächtnishaus vergleichsweise jung aus.
Vier Generationen lang stellte ausschließlich die Familie Müller die Lehrer in
Truchtelfingen. Vor dieser Zeit liegt das örtliche Schulwesen völlig im Dunkeln. Selbst die weit zurückreichenden Kirchenbücher helfen nicht weiter.
Mitte des 16. Jahrhunderts ist der früheste planmäßige Unterrichtsbetrieb im
Orte anzunehmen analog der allgemeinen Schulentwicklung im Lande. Durch
den nachmaligen Dekan in Herrenberg wissen wir, dass eine Schule in Truchtelfingen jedenfalls im Jahr 1653 bereits bestanden hatte [1]
. Weitere Aufhellung
bringt ein Brief aus dem Jahre 1718. Der damalige Schreiber, M. Julius Nördlinger, Pfarrer in Tailfingen, berichtet über äußerst ungute Truchtelfinger
Schulverhältnisse. Die Kinder seien durch die beiden Lehrer äußerst unbefriedigend unterrichtet worden [2].
Wie ein Rund umgibt die Eppinger
Altstadt den Kirchhügel, auf dem sich
die Stadtpfarrkirche „Unsere Lieben
Frau“ erhebt. Obwohl immer wieder
Brände die Stadt heimgesucht haben,
sind die mittelalterlichen Straßenführungen bis heute weitgehend erhalten.
Dieser Beitrag, der ursprünglich als Vortrag gehalten wurde, beschäftigt sich
mit der wechselvollen Geschichte der
Bebauung auf und um den Kirchhügel
sowie mit der Funktion von Gebäuden,
soweit mir davon Nachrichten zugänglich waren. Bei der Bemühung von
Originalquellen stößt man immer wieder
auf Überraschungen, und man wird
gezwungen, liebgewonnene bisherige
Auffassungen in Frage zu stellen. Viele
Fragen können auch nicht endgültig
beantwortet werden.
Eine der bedeutendsten Familien in
Eppingen im 17. und 18. Jahrhundert
waren die Gugenmus. Als Ratsherren,
Kirchenälteste, Kollektoren der geistlichen Güterverwaltung, Stadtschultheißen oder gar als Lehnsmann der
Grafen von Öttingen für das in Eppinger
Besitz befindliche Dorf Mühlbach hatten
sie über mehr als ein Jahrhundert
großen Einfluss auf die städtische Politik. Noch heute erinnern Inschriften an
einigen Gebäuden an sie. Zwar wurden
die Gugenmus in der bisherigen Literatur über Eppingen immer wieder einmal
in unterschiedlichen Zusammenhängen
erwähnt, aber bis heute gibt es noch
keine umfangreichere monographische
Abhandlung über dieses Geschlecht.
Lediglich ein kleiner Aufsatz mit genealogischem Schwerpunkt über sie ist
bisher in der von der Stadt Bretten herausgegebenen Festschrift zum 90.
Geburtstag des Heimatforschers und
Genealogen Otto Bickel1 erschienen,
und zwar deshalb in Bretten, weil man
sich dort heute noch an Johann
Stephan Gugenmus, den dort geborenen Reformer der pfälzischen Landwirtschaft, erinnert.
Die südlich von Ravensburg gelegene ehemalige Prämonstratenserabtei Weißenau
beherbergt heute eine Einrichtung des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg.
Zu der erstaunenswert gut erhaltenen barocken Klosteranlage gehörte einst ein Sommersitz der Äbte, der sogenannte Rahlenhof, der sich in Sichtweite der Abtei auf einer kleinen Anhöhe über dem Schussental erhebt. Das beträchtliche Alter der Hofstelle, die 1145
mit dem Namen »Herwigesruti« erstmals ins Licht der Geschichte rückt, ist eng mit der
Gründung des Klosters verknüpft, das eine Dotation des welfischen Ministerialen Gebizo des Reichen von Peißenberg-Ravensburg war. Der Lehenbauer und Anführer eines
bewaffneten Haufens im Bauernkrieg, namens Stefan Rahl, gab dem Hof schließlich ab
1525 den zweiten, bis heute offiziell gültigen Namen [1]
. Passiert man das Schussental, so
erregt ein auf halber Anhöhe gelegener barocker schlossartiger Komplex die Aufmerksamkeit des Betrachters, der in den letzten Jahrzehnten von den Tangenten zweier Umgehungsstraßen in die Zange genommen worden ist. Momentan beherbergt das
Schlössle das Berufsbildungswerke Adolf Aich, während im nördlichen Bereich ein Demeter-Hof das übrige Gelände bewirtschaftet.
Zur Erschließung der Alpen für den Gebirgstourismus haben der Deutsche und
Österreichische Alpenverein seit den 1870er-Jahren eine Vorreiterrolle übernommen.
Was ursprünglich von einem kleinen Kreis von Bergbegeisterten mit bescheidensten Anfängen zur »leichteren Bereisbarkeit« des Gebirges angestrebt wurde, entwickelte sich in
den Ostalpen zu einem Netz von rund 55.000 Kilometern Bergwanderwegen. [1]
Bei einem
solchen Gesamtumfang in einem Gebiet von ca. 45.000 Quadratkilometern ist es allerdings kaum mehr möglich, die Entwicklungsgeschichte der Alpenvereinswege von den
Anfängen bis zur Gegenwart in einem gerafften Überblick hinreichend zu konkretisieren. Im Rückblick auf die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte ist es schwierig genug,
den wechselnden Einflüssen und Anforderungen im Rahmen der verkehrsgeschichtlichen und touristischen Gesamtentwicklung die nötige Beachtung zu schenken. Am Beispiel Vorarlberg bietet der alpine Bodenseeraum dennoch günstige Voraussetzungen,
sich mit der facettenreichen Geschichte der Alpenvereinswege von den Anfängen
bis zur Gegenwart näher zu befassen. In diesem am leichtesten überschaubaren
Gebirgsland der Ostalpen lässt sich zugleich ein bis in die Gründungszeit des Alpenvereins
zurückreichendes Zusammenwirken von österreichischen und deutschen Sektionen
verfolgen.
Bei meinem Heiligenberg-Aufenthalt im Herbst 2009 kam ich mit jüngeren Menschen ins Gespräch, die schon seit vielen Jahren in Heiligenberg wohnen: Sie waren gut
informiert über die Geschichte Heiligenbergs, jedoch von der früheren Existenz des
Heiligenberg-Instituts hatten sie keine Kenntnis. Diese Unkenntnis ist natürlich nicht
verwunderlich, liegt doch das Ende der Instituts-Zeit bereits 40 Jahre zurück. Die nur 26
Jahre währende Geschichte des Instituts konnte sicherlich auch keine Verankerung im
kollektiven Gedächtnis Heiligenbergs bewirken. Außerdem weist nichts mehr auf die
frühere Existenz des Instituts hin, keinerlei Spuren, kein Hinweisschild, nichts. Dennoch
war ich im Moment bestürzt darüber, dass diese für meine Kindheit und frühe Jugend so
bedeutsame vitale Welt des Institutes in Vergessenheit geraten war. So kam ich zu dem
spontanen Entschluss, diese versunkene Welt wenigstens auf dem Papier zu erhalten.
»Im Schatten der mächtigen Twielfestung« – so charakterisierte der Burgenforscher
Arthur Hauptmann die Situation der kleinen, im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Ruine
Staufen bei Hilzingen unweit des Hohentwiel. [1]
Die wenig spektakuläre Lage auf einer
flach ansteigenden Phonolithkuppe, der geringe Umfang der Burg und die nur wenigen
erhaltenen Reste ließen die Burg in der Forschung im Vergleich zu den bekannten Hegauburgen ins Hintertreffen geraten. Hingegen sind von der Burg relativ viele historische
Ansichten bekannt, vor allem als Beiwerk auf Darstellungen des Hohentwiel, so dass für
Rekonstruktionsversuche eine verlockende Quellenbasis besteht. Die Voraussetzung für
jeden Wiederherstellungsversuch ist allerdings ein aussagekräftiger Grundriss, der von
der Burg Staufen bislang, im Unterschied zu fast allen Burgen der Umgebung, nicht existierte. Mit dieser Darstellung wird erstmals ein maßstäblicher Grundriss der Burgruine
vorgelegt und in einem neuen Rekonstruktionsversuch ein verändertes Bild dieser Burg
präsentiert. Dabei zeigt sich, dass die Burg Staufen einst einen deutlich mächtigeren Eindruck erweckt haben muss, als es bisherige Rekonstruktionsversuche nahelegten.
Der Verkehr über die Rätischen Alpen war in den längsten Zeiten seiner Geschichte
überwiegend ein Verkehr von Fußgängern. Diese haben im Bereich der vorgeschichtlichen Urpfade allerdings nur bescheidene Spuren hinterlassen. Das änderte sich nach
dem Entstehen der römischen Provinz Rätien, als schon aus militärischem Interesse auf
sichere Alpenübergänge Wert gelegt wurde. Je häufiger zum Überqueren des Gebirges
Reit- und Saumtiere zum Einsatz kamen, desto höhere Anforderungen waren an die
Wegverhältnisse sowie an geeignete Rast- und Pferdewechselstationen zu stellen.
Solchen Bedürfnissen entsprach zwischen der Via Claudia Augusta durch den Tiroler Alpenraum und dem Großen St. Bernhard lange Zeit vor allem die Septimer/Julier-Verbindung im Übergangsgebiet von Ost- und Westalpen. In diesem zentralen Bereich
des Alpenbogens ließ sich das Gebirge zwischen Mailand und Augsburg auf kürzestem
Wege mit nur einmaligem größerem Auf- und Abstieg überqueren. Zudem ließen sich
gefährliche Schluchtstrecken verhältnismäßig leicht umgehen.
Der heutige Bodensee ist im Zusammenhang mit dem Abschmelzen der Eiszeitgletscher entstanden. Vor 24 000 Jahren, im Maximum der letzten Eiszeit, erfüllte der bis
1200 m mächtige Rhein-Vorlandgletscher den gesamten Bodenseeraum zwischen Isny
und Schaffhausen. Im Bodenseegebiet und im Rheintal schürfte der Gletscher den Felsboden bis unter den Meeresspiegel aus, fortsetzend, was die Eisströme früherer Eiszeiten begonnen hatten.
Während dem ersten bedeutenden Rückschmelz-Stadial von Stein am Rhein vor
19000 Jahren entstand in einem eisfrei gewordenen Zungenbecken bei Hemishofen als
kleiner Zungenbeckensee der Ur-Bodensee. Dem weiter zurückweichenden Rheingletscher folgte in direktem Kontakt der laufend ausgedehnter werdende See. Ein weiterer
bedeutender Rückschmelzhalt stellte sich vor 18000 Jahren bei Konstanz ein. Hier sind
die Frontmoränen und ihr Vorfeld für die Seeteilung in Obersee und Untersee verantwortlich.
Im Obersee und anschliessend im Rheintal erfolgte das Abschmelzen sehr rasch.
Um 16 500 v.h. war das Alpenrheintal bis Reichenau westlich Chur eisfrei und wurde vom
Bodensee eingenommen. Dieser erreichte damit seine grösste Ausdehnung mit mehr als
der doppelten Fläche gegenüber heute.
Von den abtauenden Gletschern hinterlassener Schutt wurde von den Fliessgewässern
in gewaltigen Mengen in den Riesensee verfrachtet, insbesondere weil damals eine
vor Erosion schützende Vegetationsdecke noch weitgehend fehlte. Bereits um 16 000
trennte der Ill-Schuttfächer einen Rheintalsee vom Bodensee ab. Ähnliches vollbrachten
Landquart und Seez kurz danach, sodass sich um 15 000 eine Phase mit vier Seen im
Rheintal-Seezgebiet einstellte: Bodensee, Rheintalsee, Churer See, Walensee. Die Rheintalseen
wurden bis 8000 v.h. vollständig zugeschüttet. Einzig der Walensee überdauerte
dank grosser Tiefe bis heute sowie, nicht zu vergessen, der Bodensee.
Bis zur Römerzeit hatte sich die Rheintalebene bis Rheineck (Ad Rhenum) –
Höchst – Bregenz (Brigantium) vorgeschoben. Seither entstanden zuerst das Rohrspitz-Delta, ab 900 n.Chr. dasjenige des Rheinspitz bei Altenrhein. Der im Jahr 1900 mit dem
Fussacher Durchstich direkt in den Bodensee geleitete Rhein begann umgehend in der
untiefen Bucht ein neues Delta zu bilden. Um die Verlandung zu verhindern, wurden
die Rheindämme um die jüngste Jahrhundertwende bis zum Abfall in das tiefe, zentrale
Seebecken vorgebaut.
Trotzdem geht die Zuschüttung des Bodensees unaufhaltsam weiter. Gemäss
groben Berechnungen dauert es mindestens 40 000 Jahre bis der Obersee bis Konstanz
verfüllt sein wird. Zudem muss parallel zur Aufschüttung das gesamte Rheintal um rund
70 m aufgelandet werden, damit der Rhein bis Konstanz fliessen kann.
Die Schlussgedanken zur Zukunft des Bodensees betreffen zwei gegensätzliche
Visionen:
1. Es geht gemäss der Periodizität der Eiszeiten einer nächsten Grossvergletscherung
entgegen. In diesem Fall wird der Bodensee durch den Rhein-Vorlandgletscher ausgelöscht.
2. Umgekehrt wird bei weiterer Klimaerwärmung um prognostizierte 4 °C keine
Eiszeit mehr eintreten, was dann zur vollständigen Verfüllung des Bodensees führen
wird.
Rund um den Bodensee kennt man Johann Caspar Bodmer (1776–1827) mehr oder
weniger bloß als gescheiterten Vorläufer der erfolgreichen Dampfschiffahrts-Pioniere,
über den sich der Volksmund lustig gemacht habe. Häufig wird er mit seinem Bruder
Johann Georg Bodmer verwechselt, bisweilen wird sogar Johann Caspar Bodmer, der
1827 gestorben ist, ein photographisches Porträt des alten Johann Georg Bodmer zugewiesen. In Wirklichkeit ist von Johann Caspar kein Bild bekannt. Immerhin finden sich
Modelle seines Dampfboots im Rosgarten-Museum Konstanz, im Seemuseum Kreuzlingen und neuerdings auch in Lindau, für ein dort geplantes Eisenbahn- und Schifffahrtsmuseum. Alle weiteren Angaben zu Bodmers Biographie in der einschlägigen, fast nur
populären Literatur und in verschiedenen Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften bleiben vage und unbelegt – am Ende seines Lebens sei er mit einem Eisenbahnprojekt in
Ungarn beschäftigt gewesen, heißt es lediglich.
Gründerjahre
(2017)
Die Geschichte der Universität Konstanz beginnt am 6. September 1959 bei einer
Bauernversammlung in der Nähe von Singen und sie beginnt mit einem Zettel. [1]
Den erhält der damalige Konstanzer Landrat vom damaligen Ministerpräsidenten Kurt Georg
Kiesinger, der auf dem Zettel eine Idee notiert hat: Ich habe vorhin (Stadtrat) den Gedankenfalls neue Universitätsgründungen notwendig werden- Konstanz für unser Land vorgeschlagen. [2]
Eine Idee ist noch keine Geburt. Für das eigentliche Geburtsdatum kommen mehrere Ereignisse in Betracht:
– Im Dezember 1963 werden mit Landtagsbeschluss die Gründungsausschüsse für die
geplanten neue Universität Konstanz und die Medizinische Hochschule Ulm berufen.
– Am 27. Februar 1964 beschließt der Landtag, in Konstanz und Ulm Hochschulen zu
errichten.
– Am 28. Februar 1964 wird Gerhard Hess zum Gründungsrektor ernannt.
– Die ersten sieben Professoren erhalten am 26. März 1966 im Konstanzer Rathaus vom
Ministerpräsidenten ihre Ernennungsurkunden. Es sind dies:
Hans Aebli, Psychologie,
Waldemar Besson, Politische Wissenschaft,
Ralf Dahrendorf, Soziologie,
Hans Robert Jauss, Romanistik,
Franz Georg Maier, Alte Geschichte,
Herbert Nesselhauf, Alte Geschichte,
Wolfgang Preisendanz, Germanistik.
Auch die ersten Studenten kommen 1966. Viel spricht also für dieses Jahr und
letztlich entscheidet sich die Universität für ihr Gründungsdatum für eine steingewordene Manifestation, die alle Zweifel, ob es je zu einer Universität Konstanz kommen
sollte, unwiderruflich beseitigt: die Grundsteinlegung auf dem Gießberg am 21. Juni
1966.
Das Jahr der 600. Wiederkehr des Konstanzer Konzils mit wiederholtem Aufenthalt des Königs Sigismund mit seiner Hofhaltung magyarischer Aristokraten und Hohepriester ist ein willkommener Anlass, die historischen Ereignisse der Hunnen, Awaren
und der Magyaren am Bodensee nachzuzeichnen. Weit in die Urzeiten reichen die Erinnerungen an den großen Hunnenkönig Attila des Hildebrandliedes (in der Nibelungen
Not: Etzel) in Süddeutschland zurück, dessen Reich zeitweilig auch die alemannischen
Gebiete südlich der Donau einschloss [1] (Abb. 1). In den Chroniken des 14. Jahrhunderts
ist die Existenz einer »Etzelburg« für das Römerkastell Schirenhof bei Schwäbisch Hall
nachweisbar. Auch heute noch wird ein Teil des Tunibergs an der oberrheinischen Tiefebene bei Merdingen (im Landkreis Hochschwarzwald) als Attilafelsen bezeichnet. Und
der Sage nach soll sich das Grab des Hunnenkönigs im Überlinger Wald Sigmundshau in
der Nähe des Hofguts Höllwangen befinden, in einem kegelförmigen, mit einem Erdwall
umgebenen, hohl klingenden Berg (Abb. 2), wo Attila in siebenfachem, diamantenem,
goldenem, silbernem, kupfernem, zinnernem, eisernem und eichenem Sarg bestattet worden sein soll. Hier soll früher eine Turmburg gestanden haben. [2] Doch konnte die Königsleiche bei wiederholten Grabungen bisher nicht gefunden werden. [3]
(vgl. Anlage 1).
Der Alpenrhein war bis weit ins Mittelalter hinein ein ungebändigter, alpiner Wildfluss, der sich auf seiner Aufschüttungsebene im Rheintal frei bewegen konnte. Einleitend werden im Text die Mechanismen erläutert, die zu Flussbett-Verfüllungen und zu
Laufänderungen führen.
Die noch heute erkennbaren einstigen Flussläufe und Deltastrukturen reichen bis
in die Römerzeit zurück. Der damalige Küstenverlauf lässt sich anhand von Strassenrelikten und Siedlungsnamen in etwa rekonstruieren. Ab der Römerzeit erfolgte zuerst
der Vorbau des Rohrspitz-Deltas, ausgehend von »Ad Rhenum«, das im Raum Höchst
anzunehmen ist. Die heutige schmale Landzunge des eigentlichen Rohrspitzes stellt das
ehemalige, rechtsseitige Ufer der Flussmündung dar, während die linke Seite im Laufe
der Zeit vom See her zerstört worden ist.
Etwa im 10. Jahrhundert, allerdings nicht genauer bestimmbar, muss der Rhein
bei Höchst/St. Margrethen nach links, das heisst nach Westen, ausgebrochen sein. Das
Rohrspitz-Delta fiel trocken, während nun die Aufschüttung des Altenrhein-Deltas einsetzte.
Belegt durch schriftliche Aufzeichnungen lag Rheineck, damals »Rinisgemünde«,
bis etwa 1200 n. Chr. an der Rheinmündung in den Bodensee. Hernach kam es, verbunden
mit zahlreichen Laufwechseln des Rheins, zum Vorbau des eigentlichen Deltas bis
zum Rheinspitz.
Auffallend sind die bis mehrere Kilometer breiten, untiefen Strandplatten vor
dem Rohrspitz- und dem Altenrhein-Delta. Sie sind als knapp wasserbedeckte, äussere
Delta-Schüttungen zu betrachten. Von hier aus führen tief eingeschnittene Unterwasser-
Cañons in das Hauptbecken des Sees hinunter. Aus ihnen können Hinweise auf die einstigen,
wechselnden Flussmündungen des Alpenrheins abgeleitet werden.
Seit 1900, dem Jahr der Eröffnung des Fussacher Durchstichs, mündet der Rhein
in der Fussacher Bucht, wo umgehend eine neue Delta-Vorschüttung einsetzte. Um eine
völlige Verlandung zu verhindern, wird der Rhein seit den 1980er Jahren durch Damm-Vorbauten über die Rohrspitz-
Strandplatte hinaus bis an den
Rand des tiefen Seebeckens vorgezogen
(Abb. 1).
Die Einrichtung von Spitälern (oder Hospitälern) im mittelalterlichen Europa
fußte im Wesentlichen auf dem christlichen Gebot der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe. Man kann diese Einrichtungen in der Tat als »endgültige Institutionalisierung
der Barmherzigkeit« [1]
begreifen. Die leitende Idee der Versorgung in den mittelalterlichen Hospitälern war die caritas als Dienst am Kranken und an Bedürftigen jeglicher Art. [2]
Eine Institutionalisierung dieser Idee stellte der 1198 von Papst Innozenz III. anerkannte,
nicht-ritterliche Heilig-Geist-Orden dar, der sich »allein der Spitalpflege als Leitidee«
verpflichtet hatte [3]
. Dessen römisches Mutterhaus hospitale S. Spiritus in Saxia stand ab dem
Jahr 1204 unter päpstlichem Schutz. Von Italien aus breitete sich der Orden sehr schnell
in ganz Europa aus.
Siggingertal im Linzgau
(2019)
Das Jahr 764 gilt als Gründungsjahr des südhessischen Klosters Lorsch, das sich
in der Folgezeit zu einem der bedeutendsten Klöster des deutschen Mittelalters entwickelte. Die Abtei erhielt bereits im 8. Jahrhundert eine größere Anzahl an Besitztümern
aus dem ganzen Südwesten, die gläubige Spender für ihr Seelenheil an das Kloster verschenkten. Diese Schenkungsurkunden sind im Lorscher Codex aus dem 12. Jahrhundert erhalten geblieben und bieten für eine Vielzahl von Orten in Südwestdeutschland die
ersten urkundlichen Nachweise. Im Linzgau erwarb das Kloster nur zwei Schenkungen
(Urkundennummer LC [1]
2470 und 2471) mit nur einem namentlich genannten Ort: Heichenstecge (Eichstegen, heute: Eichsteger Hof bei Untersiggingen). Die geringe Zahl ist
der weiten Entfernung und der Existenz anderer Klöster in der Umgebung, darunter St.
Gallen und später Salem, zu verdanken.
Des Weiteren existiert eine dritte Urkunde, die in früherer Zeit mit dem Linzgau in
Verbindung gebracht wurde: die Urkunde LC 2322. Tatsächlich gelang es – trotz einer
langen Forschungsgeschichte – bis heute nicht, die dort beschriebenen Orte zweifelsfrei
zu lokalisieren.
Der Kaiser vor Meersburg
(2005)
Ich uni ze ainem affen werden, als ich ze Merspurg wart. Diese Worte legte Mitte der
1340er Jahre ein anonym er Dichter Ludwig dem Bayern in den Mund und spielte damit
auf die Niederlage des kaiserlichen Heers bei der Belagerung Meersburgs an. Der Wittelsbacher, der nach einer Doppelwahl Albrecht von Hohenberg den Konstanzer Bischofsstuhl verschaffen wollte, hatte im Sommer 1334 drei Monate lang erfolglos die
Stadt berannt, in die sich Anhänger des Gegenkandidaten Albrechts zurückgezogen
hatten. Der längste Aufenthalt des Kaisers im Südwesten des Reichs brachte ihm am Ende nur Spott ein.
Die Forschung zu Ludwig dem Bayern hat diese Belagerung seit Carl Müller im
Jahr 1879, der noch einen Satz dazu verlor, in ihren Darstellungen nicht einmal mehr
erwähnt, auch die Standardwerke zur südwestdeutschen Landesgeschichte gehen nicht
auf diese Ereignisse ein. Die Regionalforschung glaubte, ohne sich eigens mit der
Belagerung zu beschäftigen, bislang im m er den Schilderungen der Chroniken, sie differenzierte nicht zwischen den Überlieferungssträngen und vermischte diese kritiklos.
Dabei kann gerade dieses Ereignis und dessen Wahrnehmung durch die Zeitgenossen
in der Frage nach dem politischen Handlungsspielraum des Wittelsbachers erhellend
wirken.
Das Konstanzer Münster
(2006)
Nach den letzten Grabungen im Konstanzer Münster, die 1975 und 1979 von Peter
Eggenberger und Werner Stöckli in der Krypta durchgeführt wurden, und den Restaurierungsarbeiten zum Konradsmillennium 1975 in der Mauritiusrotunde haben Wolfgang Erdmann und Alfons Zettler die Ergebnisse dieser sowie auch älterer Bauuntersuchungen und Grabungen in einem ausführlichen Aufsatz ausgewertet und am Ende
festgestellt: »Die jüngsten Untersuchungen und Befunde am Konstanzer Münster haben
manches klären können. Beantworten können sie die Hauptfragen der Baugeschichte
an dieses Monument jedoch nicht. Das meiste muss im Dunkeln bleiben, so dass man
nach wie vor von einer geklärten Baugeschichte des Konstanzer Münsters noch recht
weit entfernt ist.« An anderer Stelle schließen sie weitere Erkenntnisse ohne Grabung
aus. 1989 versuchte Albert Knoepfli die »Funkstille«, die das abschließende Statement
von Erdmann/Zettler in der Diskussion um die Baugeschichte des Münsters ausgelöst
hatte, zu beenden. Er versuchte ohne Beibringung von neuem »Tatsachenmaterial«, also
Schriftquellen oder Grabungen, »interpretationskritisch zu prüfen, ob die Fakten nur im
Sinne des bisherigen Forschungsstandes ein Vertrauen erweckendes Bild ergeben, oder
ob mit einer Neuordnung eine vertretbare neue Sicht der Ereignisse und ihrer zeitlichen
Abfolge verbunden werden kann.« Dieser Weg soll auch mit den vorliegenden Überlegungen beschritten werden. Daneben birgt der stehende Bau auch ohne Grabung noch
Überraschungen.
Die Schiffmühlen gehören mit den Brücken- und Ufermühlen zu den Flussmühlen. Die Schiffmühlen sind im weiteren Bodenseeraum wenig bekannt, weshalb sie im
Blick auf den Alpen- und Hochrhein für die Zeitspanne vom 15. bis 19. Jahrhundert
vorgestellt werden. Es gab auf dem Alpenrhein etwa 20 Vertreter und auf dem Hochrhein 8 - möglicherweise noch mehr. Grundsätzlich kann man sich verschiedene Typen vorstellen, doch gelangten auf den erwähnten Flussstrecken nur zweischiffige Anlagen mit einem oder zwei Wasserrädern zum Einsatz. Ihre Zahl war gegenüber jener
der Landmühlen sehr bescheiden, was auf bestimmte Nachteile zurückzuführen ist. Die
letzten Schiffmühlen gingen um 1900 ein.
Vor der großen Industrialisierung spielte der Bodenseeraum als wirtschaftliches
Zentrum und als Durchgangslandschaft für Transport und Verkehr eine wichtige Rolle.
Wie der Genfer See oder die oberitalienischen Seen war auch der Bodensee eine bedeutende Wasserstraße im Verkehrswegenetz über die Alpen. Die wirtschaftliche Blüte
des mittelalterlichen Schwaben und seiner Städte wäre ohne die Anbindung an das verzweigte leistungsfähige Wasserstraßennetz vor den Alpenpässen kaum denkbar gewesen. Während der frühneuzeitliche Handel und die Verkehrswege im Bodenseegebiet
durch wirtschaftsgeschichtliche Arbeiten verhältnismäßig gut erforscht sind, war über
die vorindustrielle Schifffahrt und den Holzschiffbau an diesem Binnengewässer lange
Zeit fast nichts bekannt. Die harte alltägliche Arbeit von Tausenden hat nur wenige direkte Spuren in der historischen Überlieferung hinterlassen. Eine weitgehend schriftlose
Schiffbaupraxis kam ohne Pläne und Risse aus, sie fehlen auch für die letzten hölzernen
Lastsegelschiffe, die kleineren oft als Segner bezeichneten Fahrzeuge des 19. und frühen
20. Jahrhunderts. Die größten Schiffe, die ca. 30 m langen und bis zu 150 t
ladenden Lädinen, waren einigen Zeitgenossen zufolge schon in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts außer Gebrauch gekommen.
In seiner 1992 verfassten Schrift Industrieästhetik zitiert Stanislaus von Moos den
an der Stickmaschine arbeitenden Sticker als anschaulichstes Bild der vom Prinzip der
Imitation und Reproduktion dominierten visuellen Kultur des 19. Jahrhunderts: Der Sticker
sitzt auf seinem Hocker, vor ihm, a u f dem senkrechten Musterbrett aufgeheftet, die Stickvorlage. Mit der Linken führt er den Pantographen über das Blatt hin und bewegt so den riesigen Stickboden in der
Stickmaschine. Wird ein Punkt der Stickvorlage mit dem Pantographen angestochen, fuhren dutzende - wenn nicht Hunderte - von Nadeln die gleiche Bewegung auf dem Stickboden aus. Während der
Sticker seine Vorlage abtastet, entsteht so das gewünschte Motiv gleichzeitig in dutzend-, ja hundertfacher Ausführung... Skrupel hinsichtlich der Tatsache, dass der ganze Aufwand vor allem dazu diente, eine handwerkliche Herstellung vorzutäuschen, gab es keine.
Für von Moos ist das Kopieren älterer und ausländischer Vorbilder sogar ausdrückliches Programm. In der Blütezeit der St. Galler Spitzen der 1880er Jahre sieht er eine nie
gesehene Imitierwut.
Am 22. April 1940 erschien in der »Volksstimme«, der sozialdemokratischen Tageszeitung für die Kantone St. Gallen, Appenzell, Graubünden und Glarus, folgende
kurze Notiz: »Unter dem Druck eines kürzlichen, inzwischen formell erledigten Konfliktes mit der Militärzensur und wegen tiefgehender Meinungsverschiedenheiten mit
den maßgebenden Instanzen über den politischen Kurs der schweizerischen Sozialdemokratie hat sich Genosse Dr. H. Kramer genötigt gesehen, der Sozialdemokratischen
Pressunion seinen Rücktritt als Redaktor der >Volksstimme< zu erklären. Er war seit
1. Mai 1926 an unserem Blatte tätig.»
In der schwäbisch-alemannischen Fasnet ist man seit Jahrzehnten bestrebt, seine
Wurzeln zu finden. Wurden diese Wurzeln seit den 1930er Jahren durch die nationalsozialistische Ideologie in vorchristlicher Zeit definiert, in denen die angeblich germanischen Riten der Winteraustreibung eine zentrale Rolle spielten, so hat erst Dietz-Rüdiger
Moser1 1986 den christlichen Ursprung der Fastnacht au f wissenschaftlicher Grundlage
nachgewiesen. Bei dieser christlichen Auslegung der Fastnacht spielt der Dualismus der
lasterhaften Welt einerseits mit der tugendhaften christlichen Lebensweise in der vorösterlichen Fastenzeit andererseits eine zentrale Rolle. Nachdem Werner Mezger 1991
seine Studien zum Fortleben des mittelalterlichen Fastnachtsbrauchs in der europäischen
Festkultur vorgelegt hat, wird versucht, die überlieferten Figuren in der schwäbisch-alemannischen Fasnet au f das Mittelalter zurückzuführen. Das 18. und das 19. Jahrhundert werden dagegen kaum zur Kenntnis genommen, da man glaubt, die schwäbisch-alemannische Fasnet habe mit dem »Carneval« nichts gemein. Doch gerade im barocken
Karneval des 17. und 18. Jahrhunderts, wie er an den Fürstenhöfen, Adelsresidenzen,
beim städtischen Patriziat und an den Kloster- und Jesuitenschulen zusammen mit den
Zunftbürgern der Städte im Sinne einer Maskerade mit gezielten Anspielungen auf Sitten und
moderne Torheiten3 praktiziert wurde, liegen die gemeinsamen Wurzeln des so genannten
rheinischen Karnevals wie auch der schwäbisch-alemannischen Fasnet.
Das Jahr 1540 ist als das Jahr einer Jahrhundertdürre in die Geschichte eingegangen, es zählt zu den wärmsten Jahren des gesamten Jahrtausends. Mitteleuropa wurde
für zehn bis zwölf Monate in den Subtropengürtel einbezogen. Aber nicht nur Mitteleuropa, auch Ost- und Westeuropa standen im Sommer unter dem Hochdruckeinfluss.
Auch Südamerika, Kalifornien oder Arizona wurden 1540 von einer ungewöhnlichen
Hitze heimgesucht. Schon die Zeitgenossen haben festgestellt, deszglich sumer ist by keinsz
menschen dencken nie ersechen worden. Es ist daher kein Wunder, dass die Hitze des Sommers
1540 das am besten belegte Ereignis im 16. Jahrhundert und damit als ein Jahrtausendereignis angesehen werden kann.
Die Auswirkungen dieses »heißen Sommers« sollen hier für den erweiterten Bodenseeraum untersucht werden. Im Zentrum steht der Bodensee in allen seinen Teilen,
dem Alpenrhein und dem Hochrhein von Chur bis Basel mit einer Entfernung von ca. 50
km landeinwärts. Fallweise richtet sich unser Blick aber auch über diese Grenzen hinaus
ins Obereisass, nach Zürich oder Thun, Ulm oder Schwäbisch Gmünd, um weitere Einzelheiten ans Licht treten zu lassen, die in den Berichten aus der Bodenseeregion nicht
deutlich ausgesprochen werden.
Im Pliozän und im Unterpleistozän (Eiszeitalter) vor 5 - ca . 1 Mio Jahren entwässerte der Alpenrhein auf hohem Niveau nach Norden zur Donau. Ab den Donau-Eiszeiten breitete sich in jedem Glazial der Rheingletscher im Vorland aus, was ab dem
Günz-Eiszeitenkomplex (vor vielleicht 1 Mio Jahren) jeweils zum Hochstau der westlichen Schmelzwasserströme und Zubringerflüsse wie der Thur führte. Wie die Deckenschotterrelikte zeigen, kam es dabei zum Überlauf nach Westen zum tief liegenden
Aare-Oberrhein-System. Gleichzeitig begannen die Eisströme das Bodenseebecken
etappenweise auszuschürfen. Nach dem Abschmelzen des Vorlandgletschers wurde jeweils in den Interglazialen wieder der Abfluss zur Donau frei, wobei sich wahrscheinlich
auch erste hoch spiegelnde Beckenseen gebildet hatten. Mit den jüngsten, den tieferen
Deckenschottern, war schliesslich das Überlaufniveau über dem Untersee au f +600 m
ü M abgesunken und lag damit niedriger als die Schwelle zwischen Bodenseebecken und
Donau im Raum Federsee mit mehr als 600 m ü M.
Der Konstanzer Münsterhügel
(2009)
Konstanz, am Ausfluss des Bodensees in den Seerhein gelegen, verdankt seine reiche Geschichte nicht zuletzt seiner verkehrsgeographisch äußerst günstigen Lage. Für
die Landwege bot sich hier der letzte kurze Übergang über den Rhein, bevor die östlich
sich erstreckende Weite des Obersees sich trennend zwischen die südlichen und nördlichen Regionen des Voralpenlandes schiebt. Auf der anderen Seite bildet der Platz die
westlichste Anlaufstelle des Schiffsverkehrs auf dem See und zugleich Nahtstelle zwischen See- und Flussschifffahrt. Ein von Süden bis an das Ufer des Sees sich erstrecken der Endmoränenzug bot zudem hin durch seinen festen und bis in unmittelbare Wassernähe hochwasserfreien Baugrund bereits in vorgeschichtlichen Zeiten ein günstiges
Siedlungsgelände.
In der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrtausends hatte sich im östlichen Alpenraum als Überrest der ehemaligen römischen Provinz Raetia prima ein historischer Raum
herausgebildet, der nach seinem politischen und kirchlichen Zentrum schon im Frühmittelalter Rhetia Curiensis, also Churrätien, genannt wurde. Das Kloster Pfäfers war seit
seiner Gründung in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts darin eingebunden. So belegt
das einzige frühmittelalterliche Besitzverzeichnis eines churrätischen Klosters, der ins
sogenannte Churrätische Reichsgutsurbar integrierte Pfäferserrodel aus der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts, Klosterbesitz vor allem in Unterrätien, also im St. Galler, Liechtensteiner und Vorarlberger Rheintal, in der Bündner Herrschaft und im Seez- und Walenseetal. Aber auch rheinaufwärts bis in die Foppa und ins Lugnez finden sich Klostergüter, ebenso vereinzelt an der Julier- und an der Splügenroute, Weinberge und anderer
Besitz im ebenfalls churrätischen Vinschgau sowie im ausserrätischen Teil des oberen
Etschtals, aber auch Ferngüter im benachbarten Alemannien bis ins luzernische Weggis
und in den Raum nördlich des Bodensees.
Seit dem Zeitalter des Barock spielte an der Weingartener Klosterschule das Theaterspiel eine bedeutende Rolle. Um den Erfolg der schulischen Arbeit zu demonstrieren, gab es jährlich mehrere, in der Regel lateinische Aufführungen. Die Texte wurden
zunächst handschriftlich festgehalten und gesammelt, zum Teil wurden sie durch Abschreiben weitergegeben und verbreitet1. Für den Zeitraum von 1540 bis 1665 finden
wir vereinzelt Hinweise in Briefen, Büchern und Rechnungen. Im 16. Jahrhundert gab
es noch religiöse Schauspiele, die von fahrenden Komödianten aufgeführt wurden. So
lassen sich zum Beispiel Passionsspiele am Fronleichnamsfest für die Jahre 1540, 1557,
1560 und 1561 nachweisen. Unter Abt Georg Wegelin (1587-1627), einem Schüler der
Jesuiten-Universität in Dillingen, wurde der Konvent durch »jesuitische Inspiration« reformiert. Dabei kam auch das Schultheater der Gesellschaft Jesu nach Weingarten.
Im vorigen Band der Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung stellte Ernst Ziegler das Urkundenbuch des Kantons St. Gallen (Chartularium Sangallense) vor; die Qualität dieser Quellenedition und die Resonanz in der historischen Forschung darauf rechtfertigten es, ihr einen eigenen kleinen Aufsatz zu widmen
und nicht nur eine versteckte Rezension. Neuerdings kann St. Gallen mit einer weiteren
Quellenedition aufwarten, die ebenfalls Maßstäbe setzt und von der es absehbar ist, dass
sie der regionalgeschichtlichen Forschung - und weit darüber hinaus - wichtige Impulse geben wird. Es handelt sich um einen kommentierten Katalog derjenigen Münzen,
die zwischen 1407 und 1797 durch die Stadt St. Gallen geprägt wurden, herausgegeben
durch die Schweizerische Numismatische Gesellschaft und das Münzkabinett der Stadt
Winterthur.
Das unbekannte Gesamte
(2010)
Der Planer schaute aus dem rund geformten Fenster einer Jugendstilvilla hinaus
auf eine Allee, die an das Bodenseeufer führte. Gerne wäre er dort hingegangen am Ende eines für ihn ereignislosen Tages, aber es war noch nicht Feierabend. Also durfte er
nicht. Der Leiter allerdings durfte. Seine untersetzte, massige Figur bewegte sich behände zwischen den Baumreihen auf die glitzernde Wasserfläche der Konstanzer Bucht
zu.
»Wer kennt sie nicht, die internationale Bodenseeregion mit den Anrainern Deutschland,
Schweiz, Liechtenstein und Österreich, die Region mit der unvergleichlich schönen Landschaft, Kultur
und Geschichte. [...] Wer aber kennt den Wirtschaftsstandort Bodensee? Wer denkt an Unternehmen
wie Nycomed, Nestle-Maggi, Alcan, Georg Fischer oder Schiesser, an ZF, MTU, Zeppelin, Dornier
oder EADS, an WoIford, Zumtobel, Hilti oder Arbonia Förster, wenn vom Bodensee die Rede ist?
Die Bodenseeregion hat zwar ein positives, aber auch ein sehr einseitiges Image - das Image der Erholungs-, Freizeit- und Ferienregion.«
Diese Analyse stammt aus der Feder der Initiative Bodensee Standort Marketing
(BSM), einem grenzüberschreitenden Zusammenschluss von Kreisen und Kantonen,
der es sich zum Ziel gemacht hat, ein anderes Image der Bodenseeregion, nämlich das
einer wirtschaftlichen und industriellen Kernregion und eines High-Tech-Standorts, zu
befördern. Aus Sorge um eine einseitige Außenwahrnehmung heraus wurde die Markeninitiative »Bodenseeland - United Innovations« gestartet, in der dem Bild von der malerisch-idyllischen Natur- und Kulturlandschaft das Gegenbild eines leistungsfähigen
Wirtschaftsstandortes mit hoher Industriedichte und Wertschöpfung entgegengestellt
wird.
St. Jodokus Immenstaad
(2011)
»Immenstaad ist keine gewöhnliche Landpfarrei.« Das weiß jeder Einheimische selbst,
und es bedarf für diese Feststellung keineswegs des Freiburger Bistumsarchivars. Dass
Immenstaad keine gewöhnliche Pfarrei ist wird beim Blick zurück von Anfang an offensichtlich: Welche Pfarrei kann schon von sich sagen, sie verdanke ihre Existenz einem
Papst, der in der »offiziellen« Kirchengeschichte gar nicht vorkommt?
Dass die Pfarrei Immenstaad im Jahr 2010 auf 600 Jahre ihres Bestehens zurückblicken kann, ist natürlich zunächst das Verdienst ihrer damaligen Bürger. Diese wollten
einen eigenen Seelsorger im Ort haben und nicht mehr auf den bis dahin zuständigen
Pfarrer im zweieinhalb Stunden entfernten Bermatingen angewiesen sein. Sie wandten sich also im Jahr 1410 an Papst Johannes XXIII. und baten ihn um Hilfe - die ihnen
prompt gewährt wurde. Dieser Papst wurde übrigens wenige Jahre danach vom Konstanzer Konzil abgesetzt und später aus der Reihe der »gültigen« Päpste getilgt. Daher konnte
es fünfeinhalb Jahrhunderte später, als der Name Johannes für Päpste wieder salonfähig
geworden war, noch einmal einen dreiundzwanzigsten Johannes geben. Die Pfarrei Immenstaad aber existiert bis heute, und zwar genau ein Mal - dass Immenstaad von Uneingeweihten immer wieder mit Immenstadt verwechselt wird, ist ein anderes Thema.