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Emigration oder Deportation?
(2010)
Am Morgen des 22. Oktober 1940 wurde mit der gesamten badischen auch die Ihringer jüdische Gemeinde aus ihren Häusern vertrieben und, nur mit geringem Handgepäck versehen, nach Gurs ins französische Pyrenäenvorland deportiert. Die Wohnungen wurden versiegelt, das Inventar unter beschämenden Bedingungen versteigert, Soldaten einquartiert.
Betrachtet man die Geschichte des Breisgau-Geschichtsvereins „Schau-ins-Land" in der NS-Zeit, kommt man nicht umhin, auch die Geschichte der Gesellschaft für Beförderung der
Geschichtskunde - oder kurz Freiburger Geschichtsverein - zu behandeln. Denn traditionell wird
der heutige Verein als die Vereinigung des Breisgauvereins „Schau-ins-Land" mit der Gesellschaft
für Beförderung der Geschichtskunde gesehen. Die Umstände der Fusion lassen sich jedoch,
auch nach Durchsicht aller Unterlagen in den Vereinsnachlässen im Stadtarchiv Freiburg, nicht
vollständig klären. Es ist kein Dokument zu finden, welches den gewollten Zusammenschluss
beider Vereine belegt. So bleiben nur die Aussagen der Zeitzeugen Karl Siegfried Bader und
Berent Schwineköper, die von der Vereinigung berichten. Es steht anhand der Vereinsunterlagen
unzweifelhaft fest, dass sich 1947 zunächst nur der Breisgauverein „Schau-ins-Land" neu gründete. Die frühesten Schriftstücke mit dem heutigen Vereinsnamen Breisgau-Geschichtsverein
„Schau-ins-Land" datieren übrigens erst aus dem Jahr 1953. Unter den Mitgliedern 1947 waren
Namen vertreten, die auch in den Mitgliederlisten des Historischen Vereins zu finden sind, sodass
man von einer personellen Union sprechen kann.
Die Rolle der Polizeien bei ihrer "Gleichschaltung" in den deutschen Ländern der ersten Monate 1933 wurde durch die vorausgegangene Entwicklung in Preußen, dem gewichtigsten deutschen Reichsland mit der Reichshauptstadt Berlin, geprägt. Die Verhältnisse in den anderen
Ländern unterschieden sich jedoch gegenüber Preußen zumindest in der Zeit zwischen der "Machtergreifung" der NSDAP mit Adolf Hitler am 30. Januar und den Reichstagswahlen am 5. März 1933 beträchtlich. Dies wird nachfolgend durch einen Betrag nachbereitet, der am Beispiel der Polizei in Karlsruhe die Entwicklung in Baden näher beleuchtet. Dort war der Gleichschaltungsprozess, im nationalsozialistischen Schrifttum als "Die Deutsche Erhebung in Baden" deklariert, im Zeitraum von nur einer Woche nach dem Wahltag vollzogen.
Der Film "Mädchen in Uniform", nach dem Bühnenstück von Christa Winsloe, entstand 1931 und fand international große Beachtung. In Erinnerung dürfte aber vor allem das Remake des Films von 1958 geblieben sein, vor allem wegen der angedeuteten homoerotischen Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin. Was damals in manchen Kreisen als skandalös empfunden wurde, wird heute, "als Geburtsstunde des lesbischen Films" gewürdigt“. Viele Filmhistoriker gehen davon aus, das aufgrund dieser Thematik nicht weniger skandalträchtige Original von 1931 müsse – auch im Hinblick auf einige Mitwirkende – in der NS-Zeit mit einem Verbot belegt worden sein. Gegen ein Verbot spricht allerdings die Werbung für den Film u.a. in der nationalsozialistischen Tageszeitung "Hakenkreuzbanner" in Mannheim. Was hat es damit auf sich? Der kenntnisreich recherchierte Beitrag von Brigitte Zwerger geht dieser Frage nach – eine spannende Spurensuche mit dem einen oder anderen überraschenden Ergebnis...
Es war ein glücklicher Fund wider das Vergessen: ein Aktenfaszikel aus 147 Blättern, mit einer groben Schnur zusammengeheftet, die Seiten eng beschrieben mit Schreibmaschine und
einer sehr schönen und regelmäßigen, gleichwohl oft nicht
leicht lesbaren altdeutschen Schreibschrift. Über ein halbes
Jahrhundert lang hatte das Bündel im Schrank des katholischen Pfarrhauses in Schutterwald verborgen gelegen, und
nachdem ein neuer Pfarrer eingezogen war, bewahrte es nur
die glückliche Aufmerksamkeit eines Fußgängers vor der Vernichtung und dem endgültigen Vergessen auf einem Haufen
Sperrmüll am Straßenrand. Schließlich waren die Blätter über
einige merkwürdige Umwege auf mich gekommen.
Der im Schwarzwald geborene Erwin Mülhaupt (1905‒1996) hat von seinen mehr als 90 Lebensjahren, von kurzen vorübergehenden Arbeitsaufträgen vorher und nachher abgesehen, nur zehn Jahre, und zwar von 1933 bis 1943, als Pfarrer in einer Gemeinde verbracht: als Pfarrer des Kirchspiels Haag im Kirchenbezirk Neckargemünd mit den drei Filialen Schönbrunn, Moosbrunn und Allemühl und mit drei Kirchen. Mehr als doppelt so lange, nämlich 21 Jahre, von 1949 bis 1970, war Mülhaupt Professor für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Es liegen drei verschieden lange autobiographische Texte von ihm vor: ein kurzer von 1949, verfasst zum Dienstantritt in Wuppertal; ein langer von 1975 als Rückblick auf 50 Jahre theologische Existenz; und ein aus Anlass der Diamantenen Hochzeit geschriebener von 1993.
„Das Weltjudentum ist ein Problem & zwar ein Rassenproblem“, schrieb 1945
Hans Pfitzner, ein mit Richard Strauss, Ferruccio Busoni und Franz Schreker
in den Ehrenausschuss der ersten Donaueschinger Kammermusik-Aufführungen berufener, aber erst 1939 beim Oberrheinischen Musikfest Donaueschingen mit zwei Werken (und später nicht mehr) vertretener „Antisemit und
zweifelhafte Geselle“. Mehr als betrüblich, wie der Antisemitismus noch 1958
durch die Koblenzer Gneisenau-Kaserne geisterte, wo wir Rekruten in gedankenloser Einfalt (und erst später beschämt) „Die Juden zieh’n dahin, daher / Sie
zieh’n durchs Rote Meer / Die Wellen schlagen zu / Die Welt hat Ruh!“ sangen.
Wären das im Walde bei Hammereisenbach stehen gelassene Schlittenhaus und ein
im karpatischen Stil verziertes Waldarbeiterhaus nicht gewesen, wäre man nicht auf
jene Volks- und Berufsgruppe gestoßen, die in der regionalen Geschichte zum Zweiten Weltkrieg bis heute keine Erwähnung gefunden hat und über deren Schicksal
nur wenig in Erfahrung zu bringen ist. Die Rede ist von den ungarischen Waldarbeitern, besser gesagt den ethnischen Ungarn aus den Karpaten des heutigen Rumänien, welche Ende 1942 und nochmals 1943 angeworben wurden und im
badischen Schwarzwald vorwiegend auf dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises zum Einsatz kamen.
Die Synagoge Bruchsal
(2002)
Wer sich zur Aufgabe macht, über ein jüdisches Bauwerk zu recherchieren, das durch nationalsozialistischen Terror zerstört worden war, kann sich nicht nur auf architektonische Beschreibungen des Gebäudes beschränken. Letztlich sind nicht die toten Steine wichtig, sondern die damit verbundenen menschlichen Schicksale. Sucht man Spuren jüdischen Lebens in der lokalen Vergangenheit, steht man vor einer Reihe von Fragen. Gibt es bereits fundierte Publikationen zum Thema? Existieren
noch bisher unveröffentlichte schriftliche Quellen - sei es in Privatbesitz oder in Archiven? Welche noch lebenden Zeitzeugen könnten befragt werden? Wie groß ist die Offenheit und Aufgeschlossenheit für eine Recherche vor Ort? Lokale Geschichtsschreibung sollte nicht die Aufgabe Einzelner sein, sondern als vorrangiges Anliegen jeder Gemeinde aktiv und zielstrebig vorangetrieben werden. Eine systematische Erschließung aller möglichen Quellen steht bislang noch aus. Historische Recherche darf dabei keine Tabus kennen, muss aber gleichzeitig sachlich und umfassend dokumentieren.
„Die Schwarzen sind da, der Krieg ist aus!" Dieses Bild vom Einmarsch dunkelhäutiger marokkanischer Soldaten, die in der französischen Armee dienten, bestimmt die Erinnerung an das Kriegsende in Zell am Harmersbach am 19. April 1945. Schon wenige Wochen vor dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 erlebte die Bevölkerung in Südbaden ihren „Tag der Befreiung", wie ihn Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner weltweit beachteten Rede in der Feierstunde am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag in Bonn zum 50. Jahrestag des Kriegsendes bezeichnete. Die detailgetreue Erinnerung an dieses historische Datum ist als einschneidendes Erlebnis bei Zeitzeugen und in Publikationen noch präsent. Im Tausendjährigen Reich nahmen viele nach der anfänglichen Begeisterung über Hitler die brutale Diktatur erst richtig wahr, als sie durch die Kriegswirren mit Not, Hunger, Angst, Luftschutzkeller, Volkssturm ... für jeden selbst spürbar wurde.