Heft 3
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Es mag kein so ungewöhnliches Gelehrtenschicksal gewesen sein, das dem vor 200 Jahren in Mannheim geborenen Naturwissenschaftler Karl Friedrich Schimper beschieden war, aber schon fast exemplarisch für einen genial begabten Menschen seines Schlages, dessen Herkunft und Zurückhaltung dem Begründer der damals neuen botanischen Morphologie die glänzende akademische Laufbahn versagte. Auch sein um 18 Monate jüngerer Bruder Georg Wilhelm, der sich sein botanisches Wissen als Autodidakt erwarb und dann als Forschungsreisender und als Statthalter des Königs von Tigre in Adua/Abessinien die praktische Seite seiner Begabung auslebte, hat der Wissenschaft nur im Verborgenen gedient.
Die Gartenstadt
(2003)
Im Rahmen des Begleitprogramms zur Landesausstellung „Mythos Jahrhundertwende" des Landesmuseums für Technik und
Arbeit in Mannheim im Millenniumsjahr 2000 hielt Herr Walter Pahl zu dem Themenschwerpunkt „Wohnen und Wohnideen" den Vortrag ,,Die Gartenstadt". Bei dem hier wiedergegebenen Text handelt es sich um eine überarbeitete Fassung des als Aufsatz in Heft 36/2000 der Reihe LTA-Forschung des Landesmuseums für Technik und Arbeit in Mannheim in gekürzter Form wiedergegebenen Vortragsmanuskripts. Walter Pahl, Betriebswirt (VWA), auch langjähriges Mitglied des Stiftungsrates des LTA, war von 194 7 bis 1988 geschäftsführender Direktor und bis 2000 Vorstandsvorsitzender der Gartenstadt- Genossenschaft Mannheim eG. sowie von 1968 bis 1991 Vorstandsmitglied GdW Bundesverband.
Die Lanz-Kapelle und das alte Heinrich-Lanz-Krankenhaus im Stadtteil Lindenhof lagen ursprünglich an der Ecke Meerfeldstraße/Landteilstraße und wurden 1906/07 in historisierendem Stil nach den Plänen des Architekten August Ludwig erbaut. In der nördlichen Hälfte des großen Lanz-Parks wurde am 1. Februar 1906 der Grundstein für das Krankenhaus und die Kapelle gelegt, die feierliche Einweihung unter dem Protektorat der Großherzogin Luise von Baden erfolgte bereits am 17. November 1907.
Die Spiegelmanufaktur (SAINT-GOBAIN GLASS DEUTSCHLAND GMBH) im Mannheimer Stadtteil Waldhof kann in diesem Jahr auf ein 150jähriges Bestehen zurückblicken. Ein Ereignis das aus mehreren Gründen gewürdigt werden soll. Ihre Errichtung auf einem von den Erben des Hofgerichtsrats und Hofbibliothekars Karl Theodor von Traitteur erworbenen Gelände auf dem Luzenberg leitete die Industrialisierung im Norden Mannheims ein. Luzenberg und Waldhof, es waren nur
kleine Ökonomiegüter, gehörten zur Gemarkung Käfertal und lagen weit vor den Toren der Stadt. Bis zu ihren Eingemeindungen 1897 bzw. 1913 lagen die selbständigen Gemeinden Käfertal und Sandhofen zwischen Mannheim
und der Landesgrenze zu Hessen. Die Gemeinde Käfertal hatte eine Gesamtfläche von über 1776 Hektar mit recht unterschiedlichen Bodenqualitäten, aber 1852 bevölkerten nur 1748 Einwohner das große Gebiet. Das sollte sich ab 1853 rasch ändern.
Eine reichliche Stunde dauert die Führung durch dieses neue Museum. Es ist vom Architekturbüro Wilford/Schupp nach dem Masterplan des Star-Architekten James Stirling entworfen und bietet eine Dauerausstellung zur Landesgeschichte der letzten 200 Jahre, die ein kleiner Arbeitsstab seit 1987 vorbereitet hat. Auch historisch versierten Besuchern ist die Teilnahme an einer Führung zu empfehlen, weil ihnen sonst einige Ausstellungsgags entgehen. So meint man z. B. im Raum der Revolution 1848/49 auf reparaturanfälligen Bodenplatten zu stehen, bis einem gesagt wird, dass damit der brüchige Untergrund dieser Zeit angedeutet werden soll. Und noch viel mehr ist von einer der 16 Führungskräfte zu erfahren, akademisch gebildeten Fachleuten, die auch über die Konzeption, die Vorzüge und Mängel des Hauses, über die Reaktionen der Zuhörer und vieles
Wichtiges mehr berichten, wenn man vor allem auch an der Wirkung dieser Institution interessiert ist.
Gegen Ende des Jubiläumsjahres, genau am 12. Dezember, eröffnete der Ministerpräsident das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in dem „Kulturmeile" genannten Abschnitt der Konrad-Adenauer-Straße von Stuttgart. Er sprach von einem „herausragenden Geburtagsgeschenk, das sich das Land und alle Bürgerinnen und Bürger zum 50jährigen Jubiläum macht".
Es ist eine „Heimkehr auf Zeit", wenn im Herbst 2003 eine kostbare Auswahl von Buchschätzen aus der ehemaligen Salemer Klosterbibliothek für einige Wochen an den Bodensee zurückkehrt, auch wenn sie nur eine Ahnung vom einstigen Reichtum an illuminierten Pergamenthandschriften, an Drucken und kostbar gebundenen literarischen und wissenschaftlichen Werken des im Jahre 1824 auf 50 000-60 000 Bände geschätzten Bestandes geben kann.
Auch das zweihundertjährige Jubiläum der Erhebung Mannheims zur Stadt im Jahr 1807 fiel in eine schwierige Zeit. Die fortwährenden Kriege Napoleons gingen einher mit einer Phase des politischen und auch wirtschaftlichen Umbruchs in Europa, in deren Verlauf die alte Welt des Ancien Regime zu Grabe getragen wurde. Diese Entwicklung machte auch nicht vor der ehemaligen kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim halt, die zu einer abgelegenen badischen Provinzstadt degradiert wurde.
Das im Norden der Oberrheinebene gelegene Neckarau - seit der Eingemeindung 1899 zu Mannheim gehörend - besteht als Gemarkung Neckarau aus den beiden Teilen Neckarau und Hermsheim. Von beiden besitzt Neckarau die ältesten Wurzeln, reichen diese doch bis in die Spätantike zurück, wo etwa zwischen 364 und 375 ein römisches Kastell (der Neckarauer Burgus) als strategische Festungsanlage am Rheinufer entstand. Die römischen Anlagen wurden zwischen 1926 und 1936 wiederentdeckt, wissenschaftlich ausgewertet und in Teilen in Museen verbracht, vor allem in das Mannheimer Reiß-Museum.
Am natürlichen Standort haben sich diese Zeugen spätantiken Wirkens in der Kurpfalz nicht erhalten, sie sind dem Siedlungsausbau der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zum Opfer gefallen.
Die Adresse ist im heutigen Mannheim nicht zu finden. Die Menschen, das Haus, sogar die Straße sind verschwunden. Die Hausbewohner fehlen im Adressbuch der Stadt seit 1940. In Archiven dagegen geben schriftliche Dokumente Auskunft. Auch in den Erinnerungen ehemaliger Mannheimer in den USA und in Israel leben das Mietshaus und seine Bewohner in schmerzlicher Erinnerung fort. Einige wenige der früheren Bewohner oder Besucher haben überlebt. Sie, die hier als Kinder oder junge Menschen ein und aus gingen, erinnern sich durchaus. Juden lebten hier bis zum 22. Oktober 1940, dem Tag, an
dem die Reise in die Todeslager begann. Wie konnten über 2000 unschuldige Menschen einer Stadt mit Wissen der
Bevölkerung aus ihren Wohnungen abgeführt, deportiert und später getötet werden? Was war da vorausgegangen, wie sah die psychologische und technische Vorbereitung aus, wie konnte alles mit Wissen, vielleicht sogar mit Billigung der Nachbarn geschehen? Eine gültige Antwort wird es wohl nie geben. Dieser Beitrag ist der Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse in einem Wohnhaus.