943 Geschichte Deutschlands
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Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Kirchenkampfforschung von vor bereits 30 Jahren ist gewesen, dass eine Darstellung des Kirchenkampfes nicht 1932 oder 1933 einsetzen kann, sondern schon und insbesondere die Vorgeschichte: die Geschichte der Weimarer Republik, zu betrachten ist. Hier, in einer vor allem theologiegeschichtlichen Betrachtung, bedeutet das die Frage der allgemeinen Umbrüche 1918/19 zu konzentrieren auf die spezielle Frage nach theologischen Einstellungen, Prägungen und Mentalitäten. Genauer betrachtet stellt sich hier umgehend ein Problem: nämlich ob die Prägung der Akteure als genus subjectivus oder objectivus zu verstehen sei. Will sagen: Geht es um die Frage, wer in der Weimarer Republik die Theologie geprägt hat, vor allem im Umkreis der Universität Heidelberg, oder geht es um die Frage, wer im kirchlichen Dienst der badischen Landeskirche mit welcher theologischen Prägung agierte? Oder geht es um die Frage, ob und wieweit bei den nun strukturell transformierten Akteuren, nämlich den Kirchenparteien, theologische Strömungen zu erkennen sind, die explizit oder implizit auf theologischen Prägungen beruhen? Mit den Fragen sind erste und vorläufige Antworten schon vorbereitet. In aller Vorläufigkeit – auch hier machen sich schmerzlich Forschungsdesiderate bemerkbar – sind heute alle drei Aspekte zu würdigen. Ich betone die Vorläufigkeit der hier vorgetragenen Beobachtungen.
In politischen Debatten bis zur Gegenwart war und ist es wohlfeil, mit unverkennbar negativer Konnotation vor „Weimarer Verhältnissen“ zu warnen – mit Blick auf die gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Konflikte der Jahre von 1918 bis 1933 und das Scheitern daran, im Rahmen der Institutionen des seinerzeitigen demokratischen Staates dafür sich als dauerhaft tragfähig erweisende Lösungen zu erarbeiten: Aufstände, Putschversuche, wachsende Stimmenanteile für die extremen Parteien auf beiden Flügeln des politischen Spektrums, Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Präsidialregierungen sind Schlagworte, die zur Illustrierung dieser Warnung herangezogen werden und die dann auch in viele Details hinein entfaltet werden können. Und in der Kirchengeschichtsschreibung ist es weithin gängig, den Mainstream des Denkens und das daraus resultierende Handeln in den evangelischen Landeskirchen während der Jahre der Weimarer Republik pauschal mit dem Schlagwort vom „Nationalprotestantismus“ zu charakterisieren – was im Ergebnis dann nicht selten auf eine Art Diskreditierung in genere hinausläuft, als seien diese Jahre letztlich nur als ein „Durchgangsstadium“ hin zum Nationalsozialismus und zu dessen Untiefen und Abgründen zu begreifen und als gelte das wie für die damalige Gesellschaft insgesamt auch, vielleicht sogar gerade für den Protestantismus in Deutschland.
Das Bauland hat in seiner Geschichte immer wieder Bauernunruhen erlebt. So war die Region
sowohl im Bauernkrieg als auch bei den Unruhen zu Beginn der 1848er-Revolution eine Hochburg.
Aber auch später erwies sich die Region als rebellisch. Ausdrückliche Bezugnahmen auf
den Bauernkrieg gab es auch im 20. Jahrhundert, besonders bei Protesten nach dem Ersten
Weltkrieg und im Zuge der Auseinandersetzung um die Daimler-Benz-Teststrecke in Boxberg.
Interniert in Kislau
(2019)
Weder die deutsche Öffentlichkeit noch die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich nach Ende des „Dritten Reiches“ mit dem Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt wurden. Noch weniger bekannt ist, dass sich deren Stigmatisierung und Ausgrenzung nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 begrenzte, sondern bereits im Kaiserreich praktiziert wurde und auch in der Bundesrepublik weiter anhielt. Die Betroffenen – insbesondere Menschen ohne festen Wohnsitz – waren noch Jahrzehnte nach Kriegsende mit Ressentiments und Kriminalitätszuschreibungen konfrontiert. Da sie nicht als Opfer „rassischer Verfolgung“ anerkannt wurden, hatten sie keine Ansprüche auf finanzielle Entschädigung für das erlebte Leid. Die Forschung lenkte ihren Blick erstmals und auch nur vereinzelt in den 1980er-Jahren auf das Schicksal der als „asozial“ Stigmatisierten. Dies geschah im Zuge der generellen Entdeckung sogenannter „vergessener Opfer“, die sich nach Kriegsende nicht in Opferverbänden zusammengeschlossen hatten und daher kaum öffentlich wahrgenommen wurden. Mittlerweile sind viele der „vergessenen Opfer“ anerkannt worden, wie die Homosexuellen, Sinti und Roma, Zwangssterilisierte oder sowjetische Zwangsarbeiter, allerdings fehlen bis heute die „Asozialen“. Als „asozial“ abgestempelte Personen wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager eingewiesen – meist versehen mit dem schwarzen oder grünen Winkel – und dort zu Tausenden ermordet, aber auch in reichsweit existierenden Arbeitshäusern interniert. Darunter befand sich ein badisches Arbeitshaus, das auf dem Gelände des Schlosses Kislau bei Mingolsheim (heute Bad Schönborn) untergebracht war.
Schon seit längerer Zeit ist in der historischen Forschung umstritten, welche Größe und welche Gestalt das einstige Neuenburger Liebfrauenmünster hatte, von dem heute keine geschlossenen Baureste mehr vorhanden sind. Der nachfolgende Beitrag sollte als ein Versuch verstanden werden, einen neuen Zugang zur frühen Stadtgeschichte Neuenburgs zu eröffnen und dadurch zu einer Rekonstruktion des Neuenburger Münsters zu gelangen. Dabei erfolgen sowohl kirchengeschichtliche, wie auch wirtschaftsgeschichtliche Neuinterpretationen des verfügbaren Quellenmaterials und es werden bisher unbekannte Quellen vorgestellt.
In der Weimarer Republik, insbesondere in deren Endphase, wurde die politische Auseinandersetzung in Karlsruhe, wie in anderen deutschen Großstädten auch, durch den Gegensatz von Nationalsozialisten und den Vertretern der anderen
politischen Parteien beherrscht. Neben dem verbalen parlamentarischen Schlagabtausch war es dabei ab 1929 vermehrt auch im öffentlichen Raum zu Handgreiflichkeiten bzw. körperlichen Attacken zwischen beiden Seiten gekommen. Als erster Vorfall dieser „Politik der Straße“ (Ernst Otto Bräunche) ist die sogenannte Hoelz-Schlacht vom 23. April 1929 zu nennen. An diesem Tag sprach Max Hoelz, ein aus Sachsen stammender und 1921 führend an kommunistischen Aufständen in Mitteldeutschland beteiligter Kommunist, in der Karlsruher Festhalle, wobei es am Ende der Veranstaltung zu einer tätlichen Auseinandersetzung
zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten gekommen war, bei der Hoelz selbst verletzt wurde und erheblicher Sachschaden entstand. Ein weiterer Vorfall, der bisher nur wenig bekannt war, stellt die Prügelei zwischen Nationalsozialisten und einer Gruppe internationaler Konferenzteilnehmer im Gasthaus „Darmstädter Hof“ vom 19. Dezember 1929 dar.
Die Ortenau. – 99 (2019)
(2019)
Nachdem bereits 1927 unter Vorsitz des Nazivordenkers Alfred Rosenberg der „Kampfbund für Deutsche Kultur“ gegründet worden war, begann mit dem Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) Anfang der 1930er-Jahre, die Intoleranz gegenüber avantgardistischen Künstlern einen zunehmend repressiven Charakter anzunehmen. Gleich nach der sogenannten „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde der gesamte Kulturbereich zentralisiert und im Interesse der neuen Machthaber durchstrukturiert. Dem im März 1933 eingerichteten Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Leitung von Joseph Goebbels kam dabei eine zentrale Rolle zu. Durch das wenige Wochen später erlassene Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurden zahlreiche jüdische und nicht systemkonforme Lehrende an den Akademien sowie Mitarbeiter von Museen in ganz Deutschland entlassen. Schließlich wurden im Juli auf Erlass des Reichsministeriums alle Künstlervereinigungen und Kunstvereine gleichgeschaltet und in das Reichskartell der bildenden Künste überführt. Wenige Wochen später erfolgte die Gründung der Reichskulturkammer. Sieben Einzelkammern erfassten sämtliche kulturellen Bereiche: Musik, Theater, Schrifttum, Presse, Rundfunk, Film und auch die bildenden Künste. Wer der Reichskulturkammer bis zum 15. Dezember 1933 nicht beitreten wollte oder konnte, hatte fortan keine Möglichkeit mehr, seinen Beruf auszuüben. Voraussetzung für die Aufnahme war die deutsche Staatsangehörigkeit und der Nachweis einer „arischen“ Abstammung, doch auch aus politischen oder anderen Gründen „unerwünschte“ Künstler konnten mit dieser perfiden Maßnahme auf Einfachste ausgegrenzt werden.
Geld: auf seine drei klassischen Funktionen als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertspeicher sind wir dringend angewiesen. Es garantiert uns die Erreichbarkeit von Gütern und Dienstleistungen aller Art und jederzeit. Es sorgt dafür, dass wir messen, abschätzen und (be)werten können. Es gibt uns, ob in Sparguthaben, Wertpapieren oder Immobilien angelegt, das Gefühl von Sicherheit. Geldwertstabilität ist der quantifizierte Ausdruck von Zukunftsfähigkeit. Das Geldgefühl der Deutschen verbindet sich ebenso mit Phasen nachhaltiger Prosperität wie tiefster Verunsicherung. Der „inflationserfahrene“ (Herbert Rittmann) deutsche Mensch will „gutes“ Geld in seinen Händen halten, dem er sein Vertrauen schenken kann und aus dem er seine Motivation zu sparen schöpft. Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut, befand schon 1929 der Ökonom Joseph A. Schumpeter – und konstatierte im Hinblick auf die große Inflation die desorganisierende Wirkung der Währungszerrüttung auf den Volkscharakter, die Moral und auf alle Verästelungen
des Kulturlebens.
Kriegsende in Lahr 1945
(2019)
Der Zweite Weltkrieg endete in Europa erst, nachdem das Deutsche Reich von den Alliierten militärisch besiegt und besetzt worden war. Zwar hatten die Westalliierten bereits seit Herbst 1944 versucht, durch eine Intensivierung des Luftkriegs die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen, das NS-Regime zu destabilisieren und so ein schnelles Kriegsende herbeizuführen, doch kam es in den letzten Kriegsmonaten seitens der Zivilbevölkerung allenfalls zu lokal isolierten Widerstandshandlungen. Diese waren in der Regel nicht politisch motiviert, sondern spontane Aktionen Einzelner oder kleiner Gruppen mit dem Ziel, die (weitere) Zerstörung des persönlichen Lebensumfeldes durch letzte Rückzugsgefechte der Wehrmacht zu verhindern und die eigene (materielle) Existenz zu sichern. Die an einer möglichst langen Fortführung des Krieges interessierte nationalsozialistische Führungselite reagierte auf diese Auflösungserscheinungen innerhalb der ,Heimatfront' mit brutalen Mitteln. Der „Flaggenbefehl“ Himmlers von Anfang April 1945, wonach Angehörige der Polizei und Wehrmacht „[g]egen das Heraushängen weisser Tücher, das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen[ ... ] mit härtesten Massnahmen durchzugreifen“ hatten, war hierfür symptomatisch. Für den Gau Baden sind zahlreiche Fälle belegt, in denen Angehörige der Wehrmacht, der SS, der Polizei und Parteifunktionäre Zivilisten erschossen, die sich nicht bereit gezeigt hatten, ihre Stadt, ihr Dorf oder ihr Haus zu verteidigen.
Stadt werden
(2018)
Ludwigsburg ist eine typisch europäische Stadt. Nach Walter Siebel (Die europäische Stadt, Frankfurt 2014) zeichnen sich europäische Städte durch fünf Merkmale aus, anhand derer ich meinen Vortrag gliedere. Erstens: Präsenz einer vormodernen Geschichte im Alltag der Stadtbewohner/innen. Hier ist die bürgerliche Gesellschaft entstanden und viele Bauten, die häufig unter Denkmalschutz stehen, belegen diese Geschichte. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Ludwigsburg können bezeugen, dass die Stadt mit ihrer ganz besonderen Gestalt, der Residenz, den Anlagen und der Garnisonsgeschichte ihnen ein Gefühl der Identität, der Orientierung, des Wohlbefindens und der Anerkennung gibt. Historische Gebäude vermitteln in ihrer Dauerhaftigkeit und Schönheit das Gefühl, an einem einzigartigen Ort zu leben.
Mitten im Ersten Weltkrieg, im Jahr 1916, pflanzte ein junger Zwangsarbeiter aus der Ukraine bei einem Bauernhof in Nordrach ein kleines Bäumchen. Daraus ist eine stattliche Fichte geworden, deren Entstehungsgeschichte zum 100-jährigen
Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 2018 einer Erinnerung würdig ist. Den im Laufe der Jahrzehnte etwas windschief gewordenen markanten Baum oberhalb des Ortszentrums der Schwarzwaldgemeinde Nordrach haben wohl die meisten Einwohner schon mal unbewusst gesehen, wenn sie etwa beim Gräberbesuch oder bei Beerdigungen auf dem Friedhof nach oben auf die Felder blicken. Auch Besuchern der traditionellen Kilwi immer am letzten Augustwochenende könnte der Baum beim Bummel zwischen den Marktständen rund um die neugotische Pfarrkirche St. Ulrich schon mal aufgefallen sein. Die große Fichte erhebt sich auf einer kleinen Anhöhe neben dem Hermerhansenhof im Dorf. Wind und Wetter haben sie in den
100 Jahren, in denen sie dort steht, etwas zerzaust, die Spitze oben ist von Stürmen gekappt.
Aufbruch in eine neue Zeit
(2018)
2017 feierten die evangelischen Kirchen am 31. Oktober den Tag, an dem nach der Überlieferung vor 500 Jahren der Mönch und Doktor der Theologie Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg 95 Thesen angeschlagen hat, über das Thema
„Buße". Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde der Kirchen der Reformation. Die 500ste Wiederkehr dieses Tages ist über den Raum der Kirche hinaus von so großer Bedeutung, dass er im Jubiläumsjahr ein staatlicher Feiertag war, und dass die Vorbereitungen für dieses Jubiläum schon vor einigen Jahren begonnen hatten.
Der in Mauer lebende Autor arbeitet seit einigen Jahren daran, die über seinen Wohnort vorhandenen Dokumente in lateinische Schrift zu übertragen, um sie den Mitbürgern und anderen Interessenten zugänglich zu machen. Eine große Quelle beherbergt das Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA KA). Für Mauer sind die verfilmten Dokumente in der Abteilung 22_9, Nummern 64414 bis 65534 wichtig. In den Dokumenten lässt sich im Hintergrund vieles über das Leben in Mauer in den vergangenen Jahrhunderten erfahren. In der hier beschriebenen Akte, die weit über 200 Seiten hat, geht es vordergründig um eine Geldstrafe gegen den von Zyllnhardtischen Verwalter. Eigentlich handelt es sich aber um eine Auseinandersetzung zwischen Ortsadel und dem Kurfürstlichen Unteramt Dilsberg über die Rechte in Zivilsachen.
Anlässlich der 64. Jahrestagung 2017 der Kommission für geschichtliche Landeskunde
in Baden-Württemberg in Reutlingen befasste sich eine Arbeitsgruppe
mit der Verbindung von Geschlechter- und Landesgeschichte. Die Anwendung
der Kategorie Geschlecht erfordert zunächst zu klären, worin ihre Erklärungskraft
im Allgemeinen und in der Landesgeschichte im Besonderen besteht. Es
ist der Verdienst der Frauengeschichte, die sich in den 1970er Jahren in den USA
und Europa entfaltete, den zuvor überwiegend männlich besetzten Geschichtsraum
mit Frauen angereichert sowie weibliche Handlungsspielräume und
Sichtweisen überhaupt erst sichtbar gemacht zu haben. Natürlich wurde auch
schon zuvor über einzelne Frauen, vorzugsweise Angehörige der Dynastien, geforscht
und geschrieben. Doch in der Regel waren es männliche Autoren, deren
Frauenbild die Darstellung ihrer Protagonistinnen sichtlich einfärbte. Erkennbar
wurde erst mit der Frauengeschichte, dass das, was man dachte und wie man
handelte, in der Regel nicht alle, sondern eben zumeist auch nur Mann betraf.