Die 10 zuletzt veröffentlichten Dokumente
Von Ostpreußen ins Ried
(2005)
Die gewaltsame Vertreibung von Menschen aus einer vertrauten Lebenswelt, die ihnen Identität gibt und die sie über Generationen hinweg als Heimat betrachten, ist ein Verbrechen und wird stets ein Verbrechen bleiben - egal wie die Gründe und Beweggründe dafür auch immer sein mögen. Die Massenvertreibung als systematisch angewandtes Instrument zur Durchsetzung kriegerischer und politischer Ziele ist jedoch eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Hierbei hatte Hitlerdeutschland einen großen Anteil. Denn als mit dem Einbruch sowjetischer Armeen in die deutschen Ostgebiete die Geißel des Zweiten Weltkrieges auf Deutschland zurückschwang, traf sie das Volk, in dessen Namen der Krieg entfesselt worden war. 14 Millionen Frauen, Kinder und alte Mensehen wurden Opfer von Flucht, Verschleppung und Vertreibung. Für sie ging es im Winter 1944/45 ums nackte überleben. Wer in Ostpreußen und Pommern brennende Heimat hinter sich ließ, hoffte, die Hafenstädte Swinemünde, Danzig oder Pillau lebend zu erreichen. Wer das Glück hatte, auf eines der übervollen Schiffe zu gelangen, glaubte sich gerettet. Doch der Leidensweg war damit noch lange nicht zu Ende.
Während des "Dritten Reiches" wurden mehr als 300 Jüdinnen und Juden aus den einstigen jüdischen Gemeinden in den Dörfern und Städten der südlichen Ortenau umgebracht. Sehr viele weitere wurden verschleppt, vertrieben oder in die Emigration gezwungen. Annähernd die Hälfte der Opfer stammte aus den jüdischen Landgemeinden Altdorf, Diersburg, Durbach, Friesenheim, Kippenheim, Nonnenweier, Rust und Schmieheim, die bis zu ihrer Zerschlagung eine fast 250-jährige Geschichte aufzuweisen hatten. Die vollständige Zerstörung der jüdischen Gemeinden der Region hatte unter anderem zur Folge, dass sich nur noch wenige Dokumente privaten Charakters aus jüdischem Besitz erhalten haben, die für die Forschung zur Geschichte des Landjudentums als historische Quellen herangezogen werden können. Die plötzlich erfolgte Deportation der meisten jüdischen Einwohner/innen im Oktober 1940 brachte mit sich, dass viele Familiendokumente zurückgelassen werden mussten, die danach zerstört oder in alle Winde verstreut wurden. Auf diesem Hintergrund wird man insbesondere die Überlieferung fotografischer Quellen zum Ortenauer Landjudentum in jedem Einzelfall als Besonderheit bezeichnen können, handelt es sich bei Fotografien doch um das Erinnerungsmedium schlechthin. Eine diesbezügliche Bestandsaufnahme fällt hier für jedes der früheren Ortenauer "Judendörfer" verschieden aus. Einen außergewöhnlichen Quellenfund konnte man in Diersburg vermelden, wo unlängst zwei erhalten geliehene Fotoalben der Familie Bruchsaler bekannt wurden.
Im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland drei Auswanderungswellen. Die erste große Übersee-Auswanderung fand in den Jahren von 1846 bis 1857 statt, die zweite von 1864 bis 1873 und die dritte von 1880 bis 1893. Wie bereits zur Zeit der ersten beiden Auswanderungswellen waren auch während der dritten die Vereinigten Staaten von Amerika das Hauptziel der Auswanderer. In Baden sind in den Jahren zwischen 1810 und 1900 rund 500.000 Menschen nach den USA ausgewandert. Umgekehrt sind in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert etwa 5 Millionen Deutsche aufgenommen worden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass heute allein 60 Millionen Amerikaner deutscher Abstammung sind. Dies ist rund ein Fünftel aller US-Bürger, nach den Engländern und noch vor den Iren die zweitgrößte ethnische Gruppe in den Vereinigten Staaten. Zu der gewaltigen Auswanderungsbewegung im 19. Jahrhundert trug auch das obere Schuttertal einen im Verhältnis zur Einwohnerzahl beachtlichen Anteil bei. Nicht weniger als rund dreißig Prozent der Bevölkerung von Schuttertal, Dörlinbach und Schweighausen (circa 900 Personen) haben ihre Heimat verlassen, um sich in Nordamerika eine neue Existenz aufzubauen. Welche Ursachen haben nun dazu geführt, dass so viele Schuttertäler ihre Zukunft jenseits des Atlantiks suchten?
Fremde kommen ins Land
(2005)
Als die Römer im Jahr 15 v. Chr. über die Alpen nach Süddeutschland vorstießen, trafen sie eine nur sehr dünn, weitgehend sogar gänzlich unbesiedelte Landschaft an. Von der einst hier blühenden keltischen Zivilisation, die mit großen befestigten Städten (lat. oppida) sowie mit ländlichen Einzelgehöften das Siedlungsbild geprägt hatte, fanden die römischen Soldaten nur noch geringe Überreste vor. Auch das Gebiet der heutigen Ortenau war damals, wie archäologische Forschungen zeigen, nahezu menschenleer. Warum es im Verlauf des 1. Jhs. v. Chr. zu einer massiven Siedlungsausdünnung, ja sogar zur Verödung ganzer Landstriche gekommen war, ist vorläufig noch unbekannt. Mit der Ankunft der römischen Truppen änderte sich jedenfalls das Siedlungsbild im gesamten südwestdeutschen Raum grundlegend: Im Umfeld der Militäranlagen entstanden rasch die ersten zivilen Ansiedlungen und schon bald prägten Städte, Dörfer - und vor allem Tausende von römischen Gutshöfen (lat. villae rusticae) - das landschaftliche Erscheinungsbild. Die schnelle Erschließung und Aufsiedlung des Landes war nur durch eine gewaltige Einwanderungswelle fremder Siedler möglich, von denen offenbar eine größere Anzahl aus Gallien, dem heutigen Frankreich, stammte. Dies überliefert zumindest der römische Geschichtsschreiber Tacitus in seinem berühmten Werk "Germania", wobei er zugleich anmerkt, dass die Neuankömmlinge damals nicht den allerbesten Ruf besassen: die gallischen Einwanderer seien nämlich, so Tacitus, äußerst abenteuerlustige Menschen gewesen, die, von wirtschaftlicher Not angetrieben, den Boden unter recht zweifelhaften Umständen in Besitz genommen hätten. Doch welche Zeugnisse besitzen wir tatsächlich über die geographische Herkunft der ersten römischen Siedler in der Ortenau?
Um 1985 hat das Ausländer- und Staatsangehörigkeitsamt des Ortenaukreises ca. 3.000 ältere Verfahrensakten an das Kreisarchiv Ortenaukreis abgegeben. Die Akten wurden vorwiegend zwischen 1870 und 1939 von den Landratsämtern Lahr und Offenburg geführt und nach der Kreisreform vom Ortenaukreis übernommen. Inhaltlich behandeln sie Vorgänge über die Verleihung (Einbürgerung) bzw. die Aufhebung (Ausbürgerung) der badischen Staatsangehörigkeit. Die Akten sind badisch geheftet und wurden alphabetisch nach den Nachnamen abgelegt. Eine formelle Unterscheidung zwischen Aus- oder Einwandererakten wurde von den Behörden damals nicht vorgenommen. Den größten Teil des Bestands machen die Einzelfallakten über die Aufnahme in den badischen Staatsverband aus. Ein geringerer Teil behandelt auch die Entlassung im Rahmen von Auswanderungen. Daneben bestehen mehrere Sammelakten über die Ausstellung von Heimatscheinen in den Gemeinden der früheren Landkreise Lahr und Offenburg, die für einen Aufenthalt im Ausland bzw. für die dortige Einbürgerung benötigt wurden. Die Akten lagerten zunächst mehrere Jahre unbeachtet in den Archivmagazinen. Erst im Laufe des Jahres 2003 wurden sie im Rahmen eines Verzeichnungsprojektes erschlossen und damit der historischen Forschung zugänglich gemacht. Bereits bei der ersten Sichtung des Archivbestandes wurde dessen bleibender Wert festgestellt. Die historische Bedeutung der Einwandererfälle steht den Auswandererschicksalen in nichts nach. Während die Auswanderer im Ausland ihr Glück versuchten, so haben umgekehrt auch die Einwanderer bei uns ein neues Leben begonnen. Sie haben hier sich beruflich und mitunter auch gesellschaftlich engagiert. Ihre Nachkommen leben heute unter uns und belegen die Integration von Immigranten innerhalb eines Gemeinwesens. Die Einbürgerungsakten enthalten dabei wichtige Informationen über Herkunft, Beruf, Alter und familiäre Verhältnisse dieser Neubürger. Familienforscher können anhand der Einwandererakten die Herkunft bzw. den Weg einer Familie nachvollziehen. Heimatforscher können außerdem die Zuwanderung in den Orten und den Einfluss der Neubürger auf die Entwicklung unserer Städte und Gemeinden untersuchen. Dadurch werden die Staatsangehörigkeitsakten zu wichtigen Quellen zur Orts- und Sozialgeschichte. Der folgende Aufsatz wird dies an Beispielen erläutern und zugleich das Einbürgerungsverfahren beschreiben, wie es vor allem im Kaiserreich und in der Weimarer Republik üblich war.
Migration ist in der Regel ein Moment, das viele entweder mit Auswanderung oder mit der Einwanderung von Ausländern verbinden. Es scheint dementsprechend mit der klassischen Regional- oder Lokalgeschichte nur wenig zu tun zu haben. In zahlreichen Lokalgeschichten taucht es nur am Rande auf, und zwar in der Regel dann, wenn es emotional besetzt ist. Hierzu gehört die Auswanderung im 19. Jahrhundert, besonders nach 1849 oder die Einwanderung und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen nach 1945. Systematische und konkrete Untersuchungen der Wanderungsgeschichte von Städten - angefangen von Zuwanderung in Mittelalter und früher Neuzeit bis hin zu den Gastarbeitern der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts - gibt es weniger und wenn, dann als Spezialuntersuchung, nicht jedoch als selbstverständlichen Bestandteil jeder Stadt- und Ortsgeschichte. Ein wesentlicher Grund dafür scheint bereits der konzeptionelle und mentale Ansatz der sogenannten Heimatgeschichte zu sein. Denn der Grundgedanke der Heimatgeschichte ist die Immobilität. Dies lässt sich schon an der Zentralmetapher des Heimatgedankens zeigen: die Wurzel. Kein Bild, keine Metapher wird so oft bemüht, wenn es um Heimat geht, wie die der Wurzel. Die Entwurzelten, das sind die Heimatlosen, doch die, die fest im Boden der Heimat verwurzelt sind, dort wachsen und gedeihen, das seien die eigentlichen Träger des Gedeihens einer Landschaft, einer Region, eines Ortes.
Seit Jahren leiden die großen christlichen Kirchen unter einem starken Rückgang ihrer Mitgliederzahlen. Die Daten hierzu sind beachtlich. Im Jahre 2021 verließen in Deutschland etwa 360.000 Katholiken und etwa 280.000 Protestanten ihre Kirche. Die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland berichtete am 22. Juni 2022 und nannte es eine historische Zäsur, dass erstmals in der Geschichte der Kirche in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung kein Kirchenmitglied mehr sei. In einer Umfrage von YouGov vom 22. bis 24. März 2021 benannten die Befragten als Hauptgründe für ihren Austritt Kirchensteuer, Missbrauchsvorwürfe, kirchliche Moralvorstellungen und Entfremdung von der Kirche. Diese Entwicklung und ihre Auswirkungen sind bis in die einzelnen Seelsorgeeinheiten und Kirchengemeinden und auch gerade dort zu spüren. Kirchengebäude werden zu groß oder überhaupt nicht mehr gebraucht und aufgegeben. Ihre Unterhaltung wird zur drückenden Belastung der Kirchengemeinde, und notwendige größere Sanierungsmaßnahmen können kaum mehr getragen werden. So scheint es auch in den Kirchengemeinden in Ichenheim zu liegen. Seit einiger Zeit wurden und werden zwischen der Katholischen und der Evangelischen Kirchengemeinde Gespräche geführt. Ihr Hauptziel: die katholische Kirche St. Nikolaus künftig - wieder - als Simultankirche durch beide Konfessionen zu nutzen. Aus dem Gebäude der evangelischen Kirche soll im Gegenzug ein gemeinsames Gemeindezentrum entstehen.
Friesenheim feiert im Jahr 2022 mit seinen fünf Ortschaften Friesenheim, Heiligenzell, Oberschopfheim, Oberweier und Schuttern seinen fünfzigsten Geburtstag. Eigentlich kein Alter für eine Gemeinde. Alle Ortschaften können natürlich auf eine lange historische Vergangenheit zurückblicken. Der Ortsteil Schuttern geht bereits auf das Jahr 603 zurück. Ein Mönch Offo soll der Sage nach das Kloster Schuttern gegründet haben. Für den Ortsteil Oberschopfheim gibt es eine urkundliche Ersterwähnung für das Jahr 762, leider kann die Echtheit dieser Urkunde nicht nachgeprüft werden. Für die Orte Friesenheim und Heiligenzell gibt es eine Ersterwähnung für das Jahr 1016. Beide Ortschaften wurden durch Kaiser Heinrich II. dem Bistum Bamberg geschenkt. Eine urkundliche Ersterwähnung für die Ortschaft Oberweier gibt es für das Jahr 1064; leider wird dieses Datum auch angezweifelt.