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„Im Jahre 1940“, so schrieb die Heidelbergerin Marie Baum (1874-1964) aus dem Rückblick von 1952, „traf die Juden als erste eines größeren Bezirkes die Austreibung in ein unbekanntes Schicksal; sie wurden in das in den Pyrenäen im damals noch unbesetzten Frankreich gelegene Lager Gurs verbracht, einer Unterkunft von übelster Beschaffenheit.'“ „Übelste Beschaffenheit“ - das klingt noch sehr maßvoll, geradezu euphemistisch, wenn man sich die Bedingungen vor Augen führt, in die sich die über 6.500 badischen und pfälzischen Juden, darunter etwa 400 aus Heidelberg und Umgebung, in Gurs einfinden mussten. Das Lager, einige Jahre zuvor zur Internierung republikanischer Kämpfer des spanischen Bürgerkriegs errichtet, bestand aus hunderten von Baracken hinter Stacheldraht und versank im Schlamm, Familien wurden durch die strenge Aufteilung in Frauen und Männer getrennt. Im harten Winter 1940/41 starben bereits viele der aus Baden Kommenden, meistens ältere Menschen: Wer eine Zukunftsperspektive anderswo gesehen hatte, war meist schon vor Oktober 1940 emigriert. Doch trotz der vielen Toten pro Tag in Gurs, trotz der späteren Transporte in die Vernichtung nach Osten: Etwa ein Viertel der badischen Juden hatte die Chance, Gurs zu überleben, durch Flucht, durch Auswanderung noch aus Frankreich in andere Länder. Aber das konnte in Heidelberg am 22. Oktober 1940 niemand wissen, als in den frühen Morgenstunden Polizisten an den Wohnungstüren jüdischer Einwohner klingelten und die Nachricht überbrachten, man habe sich innerhalb einer oder zweier Stunden mit wenig Gepäck am Bahnhof einzufinden. Auch Maximilian (1877-1940) und Zilla Neu, geb. Baruch (1885-1940) wussten es nicht, und zu Illusionen hatten sie keinen Anlass. Sie handelten entschlossen. Wahrscheinlich hatten sie kaum Zeit, auf die eigene Geschichte zurückzublicken.
Zu Beginn der 1980er Jahre bat mich ein befreundeter Antiquar, Reproduktionen von Bildern aus einer Mappe zu machen, die er bei einer Auktion ersteigert hatte. Die Blätter der Mappe wurden anschließend einzeln verkauft. Erst kürzlich stieß ich in meinem Archiv wieder auf diese Dias, die heute der einzige Beleg für den Inhalt der vollständigen Mappe sind. Es handelte sich um 74 kolorierte Bilder von Philibert de Graimberg, dem Sohn des in Heidelberg gut bekannten Kunstsammlers, Zeichners und so genannten ,Retters der Schlossruine‘, Graf Charles de Graimberg-Belleau (1774-1864).
Vater Graimberg war 1810 als französischer Emigrant nach Heidelberg gekommen und hat durch sein Engagement und seine eigenen Bilder verhindert, dass diese Ruine vollends zum Steinbruch verkam. Durch seine zahlreichen Detailzeichnungen, die er vervielfältigte und in seinem am Kornmarkt gelegenen Cabinett ausstellte, trug er zum Ruhme Heidelbergs und der Schlossruine wesentlich bei. Die Romantik tat ein Übriges. Man muss all die Namen derer nicht nennen, die durch Gedichte, Gemälde und Erzählungen Anteil hatten an dieser Strömung. Seltsamerweise gibt es über Philibert de Graimberg kaum Nachrichten. Sein Name ist bekannt, aber man weiß im Allgemeinen wenig über ihn, obwohl er eine große Anzahl Veduten der Stadt und ihrer Umgebung angefertigt hat: Weinheim in malerischen Darstellungen, Reiseberichte aus der Pfalz und dem Neckartal.
Sühne für die Schuld Europas
(2011)
„Die Heidelberger Universität war die erste, auf welche ein Jude (Spinoza) als Professor der Philosophie berufen worden; sie war die erste, auf welcher ein Lehrstuhl für Natur- und Völkerrecht (für Pufendorf) errichtet wurde; möge ihre hochwürdige theologische Fakultät die Erste seyn, welche durch Ertheilung der Doctorwürde an einen, dem in Nordamerika mishandelten und verachteten Menschenstamm Angehörigen, dazu beiträgt, eine, wider Natur- und Völkerrecht an diesem Stamm von Europa verwirkte Schuld zu sühnen!“ Diese Bitte richtete Friedrich Wilhelm Carove, ein freisinniger katholischer Schriftsteller, am 17. November 1849 für James William Charles Pennington an die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg.
Am 1. August 1859 starb Johann (oder Hans) Lorenz Küchler in seinem 51. Lebensjahr in Nidau (Schweiz) an einem Schlaganfall. Der Heidelberger Anwalt war Mitbegründer und Vorstand sowohl der Deutsch katholischen Gemeinde als auch des Turnvereins, des Gewerbevereins und des Kreditvereins in Heidelberg gewesen. Als mutiger Verteidiger von Aufständischen vor dem Mannheimer Standgericht 1849 war er überregional bekannt geworden. Sein Freund Jakob Venedey verfasste sogar eine Biografie, die bald nach Küchlers Tod erschien. Das war eine Würdigung, wie sie keinem anderen Heidelberger jener Zeit zuteil wurde und uns relativ gut über sein Leben informiert. Wie kam es zu diesem Text? Jakob Venedey (1805-1871) war einer der bedeutendsten deutschen demokratischen Politiker und Publizisten seines Jahrhunderts. Küchler könnte ihn schon 1832 beim Hambacher Fest kennen gelernt haben. Fast gleichzeitig gingen sie Ende 1832 bzw. Mitte 1833 ins Exil nach Paris. Dort wurde Küchler Mitglied im „Bund der Geächteten“, den Venedey leitete. Eine enge familiäre Verbundenheit entstand dann, als beide 1856 bis 1858 in Heidelberg wohnten und auch ihre Frauen Freundschaft schlossen.
Ein Platz für Menschen
(2011)
Im vergangenen Jahr (2010) fanden, in Kooperation zwischen der Arbeitsgruppe „Kunst Heidelberg“, der Architektenkammer und dem Stadtplanungsamt, verschiedene Veranstaltungen zum Thema „Kunst im Öffentlichen Raum“ statt, die fortgesetzt werden und über die theoretische Erörterung hinaus möglichst auch zu konkreten, sinnvollen und durchdachten Ergebnissen führen sollen - zweifellos eine begrüßenswerte Initiative. Manche Diskussionsbeiträge konnten freilich so verstanden werden, als hätte Heidelberg auf diesem Gebiet bislang nichts Bemerkenswertes vorzuweisen. Dass dem nicht so ist, zeigen im Bereich der Altstadt etwa Beiträge wie der - im Volksmund so benannte - „Spaghettibrunnen“ des Berliner Künstlerpaares Matschinsky-Denninghoff am Bismarckplatz oder der Sebastian-Münster-Brunnen von Michael Schoenholtz auf dem Karlsplatz. Beides Arbeiten, die durchaus Anspruch auf überregionale Beachtung erheben können, und dies gilt erst recht für die künstlerischen Beiträge im Neuklinikum und im Universitätscampus des Neuenheimer Feldes.
Im Nachlass Domenico Martinellis findet sich eine Skizze des Straßengrundrisses der Heidelberger Kernaltstadt, deren Autor aber nicht der berühmte italienische Architekt (1650-1719) selbst ist. Kurfürst Johann Wilhelm hatte ihm einen Auftrag zur Gestaltung des Wiederaufbaus der Stadt Heidelberg nach den Zerstörungen von 1689 und 1693 in Aussicht gestellt, aber dann doch nicht erteilt. Welchen Zustand Heidelbergs dieser Plan wiedergibt, wurde seit seiner Entdeckung unterschiedlich beurteilt. 1978 deutete Jörg Gamer den Plan als Darstellung eines künftigen, regulierten Straßennetzes; insbesondere an der „gestaffelten Führung“ der Straßenfronten von Haupt- und lngrimstraße meinte er neue Elemente der Stadtgestaltung ausmachen
zu können. Carmen und Thomas Flum haben 2009 in ihrem Katalogbeitrag zur Ausstellung „Heidelberg im Barock“ diese Deutung zurückgewiesen und mit einer Argumentation, die hauptsächlich auf der fehlenden Winkelgenauigkeit der Skizze fußt, begründet, dass die Skizze kein Entwurfsplan ist, sondern „den Zustand Heidelbergs um 1700“ darstellt.
Erich von Baeyer (1909-1990)
(2011)
Am Anfang war ein Bild: Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin (ZKJM), richtete 2010 ein Symposium mit einem Begleitbuch zu seinem 150. Geburtstag aus. Dafür war im Universitätsarchiv Heidelberg (UAH) ein Bild des damals 36-jährigen ersten Direktors Dr. Theodor von Dusch aus mehreren Fotografien ausgesucht worden. Beim Herausgehen aus den hinteren Räumen stießen wir auf die dort aufgehängte Karikatur Ernst Moros (1874-1951), des ersten Ordinarius für Kinderheilkunde in Heidelberg, signiert „v. B. 1932“. Welche Person und Geschichte sich hinter den Initialen verbergen, war im ZKJM, aber nicht im UAH bekannt.
"Die Juden werden abgeholt."
(2011)
Ende Oktober des Kriegsjahres 1940 waren Vorgänge in Baden und in der Pfalz selbst für höchste Repräsentanten des NS-Regimes in Berlin von außergewöhnlichem Interesse. Für den Chef des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich, der später Hauptorganisator der „Endlösung der Judenfrage“, also der systematischen Ermordung der europäischen Juden wurde, war die Verschleppung von 6504 Juden aus dem deutschen Südwesten in die noch unbesetzte Zone Frankreichs ein erster Schritt zu diesem Ziel und Anlass für eine Erfolgsmeldung.
Aufgewachsen in einer aufstiegsorientierten Familie besucht er das altsprachliche Gymnasium einer mittelbadischen Stadt und legt eine hervorragende Abiturprüfung ab. Anschließend studiert er an der Universität Heidelberg Geschichte, Deutsch und Französisch; sein Studium schließt er sowohl mit dem Staatsexamen als auch mit der Promotion ab. Nach der Referendarzeit unterrichtet er als Studienassessor an verschiedenen Schulen und wird Studienrat an einem Mannheimer Gymnasium. In der Folgezeit engagiert er sich in einer bürgerlich-konservativen Partei, wird in seinem Wohnort zum Stadtrat und zum Landtagsabgeordneten gewählt. Seine vielfältigen Aktivitäten helfen ihm dabei, Schulleiter eines neu gegründeten Gymnasiums zu werden. Unermüdlich weist er auf die Raumnot seiner Schule hin, bis die Stadtverwaltung einen Neubau genehmigt. Den Einzug in das neue Gebäude und die folgenden Jahre erlebt er als würdige Krönung seiner Lebensleistung. So könnte ein Lebensweg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlaufen sein. Ganz anders sieht das Schicksal des Mannes aus, dem sich der folgende Aufsatz widmet. 1899 geboren, erlebte er die Kriege und politischen Systemwechsel, die die deutsche Geschichte in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts prägten. Wie wirkten sich Umbrüche und Katastrophen dieser Jahrzehnte auf die berufliche und private Existenz eines „Normalbürgers“ aus? Welche politischen und staatlichen Entscheidungen warfen ihn aus der gewohnten Bahn und stellten ihn vor völlig neue Herausforderungen? Wie reagierte er darauf, welche persönlichen Charaktermerkmale wurden sichtbar? Schließlich: Welche Folgen hatte dies für seine Familie? Diese Fragen - soweit es die Quellenlage erlaubt - aufzuklären und eine individuelle Lebensgeschichte im Kontext der allgemeinen und lokalen Entwicklung darzustellen, ist das Ziel der Studie. Wie bei jeder historischen Biographie wird das dabei gewonnene Bild bis zu einem gewissen Grad fragmentarisch, vielleicht auch widersprüchlich bleiben.
Hunderte von Kindern wurden während der NS-Zeit Opfer verbrecherischer medizinischer Forschung. Am bekanntesten sind in diesem Zusammenhang wohl die Zwillingsversuche Josef Mengeles in Auschwitz. Doch nicht nur in mehr oder weniger abgelegenen Konzentrationslagern wurde an Kindern und Jugendlichen geforscht, sondern auch mitten in der Gesellschaft: Im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Krankenmord an Psychiatriepatientinnen und -patienten und an behinderten Kindern nutzten manche Psychiater und Hirnforscher die „Gunst der Stunde“, um ihren wissenschaftlichen Zielen näher zu kommen. Bekannt in der Öffentlichkeit wurde in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang besonders die 1940 eingerichtete Wiener „Jugendfürsorgeanstalt“ „Am Spiegelgrund“: Noch in der Nachkriegszeit hatte der Psychiater Heinrich Grass an den konservierten Gehirnen ermordeter Kinder geforscht, und erst im Jahr 2002 konnten diese bestattet werden. Doch solche Forschung entsprach nicht etwa einem abseitigen Interesse einzelner fehlgeleiteter Wissenschaftler, Vertretern einer vermeintlichen Pseudowissenschaft: Renommierte Forschungsinstitute, namentlich Kaiser-Wilhelm-Institute, Vorgänger heutiger Max-Planck-Institute, arbeiteten damals mit psychiatrischen Einrichtungen bei der Forschung an „Euthanasie“-Opfern zusammen. Neben der Heil- und Pflegeanstalt Görden in Brandenburg gilt dies auch für eine Universitätsklinik, die Heidelberger Psychiatrisch-Neurologische Klinik, die sich zuvor in ihrer bis 1878 zurück reichenden Geschichte wegen ihrer bekannten Lehrstuhlvertreter und ihrer wissenschaftlichen Aktivität vor allem auf psychopathologischem Gebiet einen überregionalen Ruf erworben hatte. Eine weitere Gemeinsamkeit verband die Gördener Anstalt unter dem Kinderpsychiater Hans Heinze mit der Heidelberger Klinik, geleitet von Ordinarius Carl Schneider, der aus der Anstaltspsychiatrie stammte, später den von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel ärztlich vorgestanden hatte, und dann in die Elite der NS-Psychiatrie aufgestiegen war: An beiden Institutionen wurden 1942 spezielle Forschungsabteilungen eingerichtet, die der Dienststelle der Kanzlei des Führers in der Berliner Tiergartenstraße 4 („T 4“), die die Krankentötungen seit 1939 zentral koordinierte und organisierte, unterstanden. Die beiden Forschungsabteilungen standen auch untereinander in enger Verbindung.
Die Inanspruchnahme und Instrumentalisierung von Schillers literarischem Werk und freiheitlichem Ideengut schritt durch die bürgerliche Emanzipationsbewegung von den Befreiungskriegen der Jahre 1813/15 über Wartburgfest von 1817, den Vormärz mit Hambacher Fest und 1848er Revolution unaufhaltsam fort. Da die Reaktion seit den Jahren um 1830 alle patriotischen Regungen erstickte, gewann zugleich die Ideologisierung Schillers stetig an Boden, zumal seine ästhetische Freiheit in der Restaurationszeit keine politische Heimat gefunden hatte. Die politisch-nationale Deutung des Schillerschen Gedankenguts trieb bisweilen bizarre Blüten, zugleich fanden sich intellektuelle Überformungen von einiger Tragweite. Zu letzterer Kategorie gehören die Arbeiten des in Heidelberg tätigen Gelehrten und Politikers Georg Gottfried Gervinus (1805-1871), der sich maßgeblich mit Schillers Dichtung und ästhetischer Theorie auseinandersetzte.
Die Gründungsgeschichte der lutherischen Gemeinde in Heidelberg nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Bau der Providenzkirche sind untrennbar mit der Person Kurfürst Karl Ludwigs von der Pfalz verknüpft. Obwohl er selbst der reformierten Konfessionsrichtung angehörte, gestattete er die Etablierung einer lutherischen Gemeinschaft in seiner Residenzstadt und förderte sie durch die Bauerlaubnis zu einer eigenen Kirche, zu der er persönlich den Grundstein legte. Diese großzügige und tolerante Geste eines Herrschers des siebzehnten Jahrhunderts gegenüber einer konfessionellen Minderheit war dabei keineswegs die Regel und Zeitgenossen rühmten die für die Epoche ungewöhnliche Einstellung des pfälzischen Kurfürsten. Vor allem die ältere Forschung erklärte die Bauerlaubnis fast ausschließlich aus seinem aufgeschlossenen Charakter und daraus folgend aus seinem Toleranzverständnis. Gerade im Fall der Heidelberger Providenzkirche spielte aber noch eine Reihe von weiteren innenpolitischen und privaten Beweggründen eine wichtige Rolle.
Justus Reuber, aus einer alteingesessenen westfälischen Patrizierfamilie stammend, welche zuletzt auf dem Gut Engar bei Warburg wohnte, ist in seiner Heimat sowie auch in Heidelberg heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Er wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts für fünf Jahre Kanzler der Kurpfalz. Eine überaus verantwortliche Position - denn unser ehemaliges Territorium mit der Hauptstadt Heidelberg war eines der sieben Kurfürstentümer des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Kirchennamen sind weit mehr als Orts- und Flurnamen von programmatischer Bedeutung. In ihnen spiegeln sich neben theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Aspekten stets auch die Kraftlinien territorialer Herrschaft, kultureller Einflüsse und sozialer Schichtung. Da die Kirchenpatrozinien mit der Siedlungsgeschichte eng verzahnt sind und daher weit in Zeiten zurückreichen, für die es nur wenige Quellen
gibt, kann ihre Erforschung wichtige Ergänzungen zur schriftlichen und zur archäologischen Überlieferung beitragen.
100 Jahre Zupfgeigenhansl
(2010)
Anlässlich des Jubiläums des Wandervogelliederbuches „Zupfgeigenhansl“, das vor 100 Jahren in Heidelberg herausgegeben wurde, fand vom 10. Oktober bis zum 23. Dezember 2009 eine kleine Ausstellung statt. Auftraggeber waren der Heidelberger Geschichtsverein e.V. und das Kulturamt der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Pfadfinderbund Nordbaden e.V. und dem Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg, das die Räumlichkeiten am Karlsplatz zur Verfügung stellte. Der Titel lautete: „100 Jahre Zupfgeigenhansl - Hans Breuer und der Wandervogel in Heidelberg“.
Bevor der Gemeinderat am 15. April 2010 einen Antrag auf Zulassung des Projekts Stolpersteine annahm, hatte er am 19. März 2009 zunächst die Verwaltung beauftragt, ein Konzept zur „Allgemeinen Kultur des Erinnerns“ vorzulegen. Ein erster Entwurf des Gutachtens wurde bei einer Anhörung zum Thema „Erinnern“ am 28. September 2009 im Großen Rathaussaal den Vertreter/inne/n von Institutionen, Vereinen und Initiativen, die sich in Heidelberg mit dem Thema befassen, vorgestellt. Das Gutachten wurde auf Grundlage der Ergebnisse der Anhörung überarbeitet und als Verwaltungsvorlage den Gemeinderatsgremien vorgelegt. In die hier abgedruckte Version sind nun auch die Ergebnisse der Beratungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 15. April 2010 eingearbeitet.
Bittbrief an Conze
(2010)
Eine der bemerkenswerten Erscheinungen der 68er Protestbewegung waren die Flugblätter. Schnell geschrieben, mit einfachen technischen Mitteln billig hergestellt und sofort verteilt waren sie ein immer zahlreicher genutztes Medium für eine neue, von den bis dahin wirksamen Instanzen unabhängige Öffentlichkeit. An manchen Tagen wurden an der Mensa gut mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Texte verteilt: Berichte, Kritiken, Polemiken, manchmal Satiren, und sie wurden gelesen. Dabei meldeten sich nicht nur die politischen Gruppen zu Wort. Auch Einzelne nutzten die Chance, gelesen zu werden, wurden zu Autoren von politisch, manchmal auch literarisch auffälligen Texten und verteilten sie eigenhändig.
Kommt man in Heidelberg mit jemandem aus der älteren (oder der mittleren) Generation ins Gespräch, der in der unmittelbaren Nachkriegszeit Kinder großzog bzw. damals selbst noch Kind war, hört man nicht selten den Namen von Frau Dr. Sandels, wenn von Kinderärzten die Rede ist. Oft ist dann der Namen verbunden mit Bruchstücken einer besonderen Geschichte: die Kinderärztin sei Jüdin gewesen und habe während der NS-Diktatur lange Zeit versteckt gelebt. Dass in ihrer Patienten-Klientel entschiedene Hitler-Gegner eine wichtige Rolle spielten und sie weiterempfahlen, ist nicht verwunderlich.
75 Jahre "Gläserner Zug"
(2010)
Die These von der grundsätzlich „industriefeindlichen“ Kommunalpolitik Heidelbergs ist schon vor längerer Zeit widerlegt worden. Die vergleichsweise schlechte Industrialisierung Heidelbergs um 1900 (Heidelberg rangierte unter den badischen Städten mit über 20 000 Einwohnern an vorletzter Stelle) ist weniger einer absichtlich industriefeindlichen Gesinnung zuzuschreiben als vielmehr strukturellen Problemen, die sich aus der geographischen Lage der Stadt und den damit verbundenen jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Verlegung des Bahnhofs ergaben. Aufstrebende Industriebetriebe, wie sie sich Ende des 19. Jahrhunderts auch in Heidelberg entwickelten, verließen die Stadt vor allem deshalb, weil sie anderswo die für ihre Entwicklung zwingend notwendigen Eisenbahnanbindungen fanden. Bestes Beispiel dafür sind die beiden Weltfirmen, die noch heute den Namen Heidelbergs tragen: Heidelberger Zement und Heidelberger Druckmaschinen. Sie fanden südlich von Heidelberg in Leimen bzw. Wiesloch die Infrastruktur und die Möglichkeiten, die sie in Heidelberg vergeblich gesucht hatten, solange hier der stadtnahe Bahnhof am Ausgang des engen Talkessels ihre direkte Anbindung und damit ihre Expansionsbestrebungen verhinderte.
Vor 17 Jahren erbte ich von der Heidelbergerin Hedwig Wolf (1904-1996), mit der ich 1987-1992 in der Theaterstraße 7 wohnte, Briefe und frühe Kompositionen ihres Jugendfreundes Gerhard Frommel (1906-1984) - und drei Fotoalben, in denen viele Fotos schon entnommen waren. Fast 60 Jahre lebte die unverheiratete Ausdruckstänzerin in der Theaterstraße, bis sie 1992 nach Rohrbach in ein Altersheim zog, wo ihre ältere, einzige Schwester Hildegard Wolf wohnte. Aufgrund des dortigen Platzmangels musste sie sich von vielem „alten Kram“, wie sie sagte, schweren Herzens trennen: Sie verkaufte ihren Sechstein-Flügel aus den 1930er-Jahren, den größten Teil ihrer Möbel, Bücher und gedruckten Noten - letztere an den Nachfolger des Antiquariats Kehrle in der Plöck. Wenige Tage vor ihrem Auszug schenkte sie mir eine Schachtel mit Briefen, u. a. von Gerhard Frommel, von dem sie mir oft erzählt hatte, und eine kleine Mappe mit Kompositionen und anderen Dokumenten. Erst 2004 wurde ich durch einen Zeitungsartikel zum 100-jährigen Geburtstag Frommels wieder an diese Hinterlassenschaft erinnert, und ich entschloss mich, diese bisher unbekannten Briefe und Kompositionen zu publizieren.
Marianne von Willemer (20.11.1784-6.12.1860) gehört zu den interessantesten und eindrucksvollsten Frauen der deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Meist wurde ihr ungewöhnlicher Lebensweg durch die „Brille“ der Goethe-Forscher beschrieben, er weckt darüber hinaus Neugier auf diese begabte Frau. Wir wissen wenig darüber, wie sie, insbesondere während ihrer Witwenzeit ab 1839, ihr Leben strukturierte. Zeitlebens stand sie mit Goethe in engstem brieflichem Kontakt. Aber dann werden die Informationen schon recht dürftig; das Interesse an der großen Goethe-Freundin verflüchtigte sich nach dem Tod des Dichters. Immerhin verschaffte ihr diese Freundschaft einen dauerhaften Platz im kulturellen Gedächtnis der Nation. Eine vergleichbare Auszeichnung blieb hingegen Sophie Schlosser (22.12.1786-24.5.1865) versagt. Bis auf einen jüngst erschienenen ausführlichen Beitrag über sie wurde ihre bemerkenswerte Persönlichkeit wenig beachtet.
Als ich im Frühjahr 2006 in Baden-Baden mein neues Hüftgelenk von der Reha-Klinik in die Innenstadt bewegte, führte der Weg entlang des dortigen „Friesenberg". Auf Krücken wurde mir klar, dass Herbert Derweins Herleitung des Heidelberger „Friesenberg" von einem Familiennamen „Fries" revisionsbedürftig ist. Denn wenn Straßennamen an mehreren Orten vorkommen, scheiden lokale Deutungen aus und ist nach topografisch-funktionalen Gegebenheiten zu suchen, die es im Grundsatz überall gab oder gibt. Für unsere Gegenwart wäre es entsprechend absurd, Post- oder Bahnhofstraßen von Familiennamen ableiten zu wollen, auch dann, wenn - wie in Heidelberg - die jeweiligen Einrichtungen nicht mehr an den nach ihnen einst benannten Straßen liegen. (Immerhin ist das Stadttheater an der Theaterstraße geblieben.)
In diesem Beitrag soll kurz auf die Vorgeschichte des Kirchengebäudes eingegangen werden. Dann werden der erste Entwurf von 1905 und das heute noch bestehende, 1910 eingeweihte Kirchengebäude beschrieben. Schließlich folgt ein kurzer Blick auf Leben und Werk des Architekten Hermann Behaghel (1839-1921). Die Geschichte der Schlierbacher evangelischen Gemeinde und die nach der Errichtung des Gebäudes erfolgten baulichen Veränderungen wurden bereits durch Karl Günther und Bernhard Drüssel ausführlich dargestellt, so dass hier auf eine erneute Darstellung verzichtet wird.
An die fünftausendmal bin ich an der Sakristei der Heiliggeistkirche am Fischmarkt vorbeigekommen, bis mir zum ersten Mal eine kleine, vorspringende Ausgusstülle auffiel. Es handelt sich um ein bauliches Detail, das in den Zusammenhang des mittelalterlichen Messritus gehört und sich an vielen alten Kirchen erhalten hat, oft aber auch nicht mehr vorhanden ist. In der einschlägigen Geschichte der Heiliggeistkirche findet sich kein Hinweis auf dieses Detail, kaum auch zur Sakristei insgesamt.
Baugestalt und Baugeschichte der Heidelberger Heiliggeistkirche geben bis heute Rätsel auf. Weder kennt man das genau Datum des Baubeginns noch das der endgültigen Fertigstellung. Sicher scheint nur zu sein, dass der Chor der Vorgängerkirche vor 1399 abgebrochen wurde und man mit dem Bau des neuen, größeren, des heutigen Chores begann. Es handelt sich um einen sogenannten Hallenumgangschor oder Hallenchor. Nur wenige nicht kathedrale spätmittelalterliche Kirchen weisen eine derartige Baugestalt auf, so z.B. St. Sebald und St. Lorenz in Nürnberg oder das Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch Gmünd, dessen Bauidee Vorbild für weitere Anlagen dieser Art wurde. In einer Kathedrale machte sich ein solcher Chor durch den Ritus der Amtseinsetzung des Bischofs notwendig. Ein frühes Beispiel einer nicht kathedralen Kirche mit einem angenäherten Hallenchor findet sich in der Marienkirche in Lübeck. Hier allerdings hatten die kathedralen Bauelemente eine eindeutig politische Motivation in der Auseinandersetzung mit dem Bischof von Lübeck, der Ansprüche auf die Herrschaft über die Stadt erhob.
Denkt man an die „Goldenen Jahre des Kinos", so fallen einem sofort die Fünfziger Jahre ein. Millionenerfolge wie die drei „Sissi-Filme" und „Grün ist die Heide" stehen neben Skandal-Filmen wie „Die Sünderin" (1951), „Das Mädchen Rosemarie" und „Die Halbstarken" (1958). Für das Bewusstsein der jungen Bundesrepublik spielte die Filmproduktion eine große Rolle - sowohl in dem, was sie zeigte, wie in dem, was sie verschwieg. Bereits in „Film ohne Titel" (Rudolf Jugert, 1949) berät ein Drehbuch-Team, wie ein zeitgemäßer Film jenseits der Trümmer-Ästhetik aussehen könnte. Dass in diesem Film-Projekt die junge Hildegard Knef die Hauptrolle spielen sollte, passte, denn das junge, unverbrauchte Gesicht ließ bereits den künftigen Welt-Star ahnen. Tatsächlich prägte sie neben Romy Schneider, Sonja Ziemann, Ruth Leuwerik und Liselotte Pulver als junge Hauptdarstellerin das Bild des deutschen Kinos in den Fünfziger und Sechziger Jahren.
Im Kapitel „Die Geheimlehrer“ in der ersten Auflage von „Geist der Utopie“ schreibt Ernst Bloch 1918 über Stefan George und den Kult um ihn: „Hier sind vor allem diejenigen zu zählen, die die religiöse Farbe der Zeit bestimmen. So zunächst Stefan George, ein gewaltiger Lyriker und dem, der an ihn glaubt, auch Priester. Es wäre oberflächlich, um ihn herum nur eitelstes Mittunwollen, Mittundürfen lebendig zu sehen. Denn dieses gilt nur für die zahlreichen streberischen oder affenhaften Naturen, die nirgends fehlen, wo es um heraushebende Klüngels geht, und die nirgends darüber entscheiden. überall sonst hat der Georgekult zweifellos vieles Gute unter die Jugend gebracht, Demut, verecundia, entsagenden, zeitfremden Sinn fürs Echte, Freude am schönen, am formvollen Gewachsensein, Ablehnung aller frechen Verständigkeit, die die Sprünge nicht ahnt, und der notwendigen Armseligkeit ihres Subjekts dahinter.“
Nachdem die persönlichen Beziehungen Schillers zu Heidelberg und die über die Quellen greifbare Rezeption seines Werks in der Universitätsstadt für die Jahre unmittelbar nach seinem Ableben in Teil I dieser Artikelreihe abgehandelt wurden, beleuchtet Teil II das hierhin reichende Beziehungsgeflecht der engsten Angehörigen Schillers in den Jahren von 1810 bis hinein in das Zeitalter der Restauration. Herausragend ist hierbei der von der Forschung nahezu unberücksichtigte Heidelberg-Aufenthalt seiner Witwe Charlotte von Schiller im Spätsommer 1810 und das Studium beider Dichter-Söhne an der Ruperto-Carola in den Jahren 1810-1813. Eine ganze Reihe bislang unveröffentlichten Quellenmaterials, darunter ein weitgehend unbekanntes Fragment einer 1815 von Charlotte v. Schiller verfassten Reisebeschreibung, setzten hierbei neue Forschungsakzente.
„Lichtfest Tages Arbeit, abends Gäste! Saure Wochen, frohe Feste! So munter war die Nation, als es sie noch nicht gab, damals zu Goethe-Zeiten und lange vor der Reichsgründung. Unmunter, feiermüde, der Selbstbeweihräucherung abhold wurde Deutschland erst später, und obwohl dies tiefere Gründe hatte, um nicht zu sagen, die allerschrecklichsten Ursachen, ist die Klage über unseren Mangel an Festkultur nie ganz verstummt. Die deutsche Unfähigkeit zu feiern ist ein neokonservatives Diskursklischee, doch nun haben die Leipziger Bürger es feierlich außer Kraft gesetzt. Am vergangenen Freitag zogen 100 000 in memoriam revolutionis pacificae über den Innenstadtring, an illuminierten Häusern vorbei: ohne große Parolen und Transparente, ohne demonstrative Ausgelassenheit und Wir-sind-wieder-wer-Gejuchze. Still, aber nicht fromm. Heiter, aber nicht blasiert. So spazierten sie in die Nacht. Es war eine Nationalfeier ohne falschen Nationalstolz.ja beinahe ohne Nation.“ So ein Kommentar in der Wochenzeitung „Die Zeit“ zu der Feier, mit der die Leipziger Bevölkerung am 9. Oktober 2009 das 20-jährige Jubiläum der Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 beging, die über den Fortgang der friedlichen Revolution in der DDR entschied. Um Freiheit und Nation ging es auch fast 200 Jahre zuvor, zur angesprochenen Goethezeit, als viele Deutsche am 18. Oktober 1814 den Jahrestag der „Völkerschlacht" bei Leipzig (16.-19. Oktober 1813) feierten. Diese Schlacht wurde wegen der gewaltigen Zahl von Soldaten und Opfern sowie wegen ihres überraschenden Ausgangs sogleich zum entscheidenden Sieg über Napoleon verklärt, obwohl sie noch keine endgültige Entscheidung oder die Entmachtung Napoleons gebracht hatte. Gefeiert wurde ein Jahr später nicht nur in Leipzig sondern in weiten Teilen Deutschlands, vor allem im Westen und Südwesten, so auch in Heidelberg.
Ruprecht 1410 - 2010
(2010)
Jubiläen sind von Menschen erdacht, Knotenpunkte im Konstrukt der Zeit. Für einen Augenblick gerinnt latentes Wissen zu gezielter Erinnerung. Mit unserer Feierstunde zum 600. Todestag König Ruprechts erfüllen wir mittelalterliche Hoffnungen auf Memoria, anders freilich, als es sich der sterbende Ruprecht 1410 vorgestellt hätte. Die feierliche Rahmung, die Musik, sogar die Rede eines Heidelberger Professors - all das wäre auch im 15. Jahrhundert denkbar gewesen. Das ausgehende Mittelalter hätte das Jahrgedächtnis freilich in einen sakralen Rahmen gebettet, in die kirchliche Messfeier am Grab, welche die Verbundenheit der Lebenden mit den Toten garantierte - Memoria als totales kulturelles Phänomen.
Zum Stadtkreis Heidelberg zählt seit der Eingemeindung Ziegelhausens im Jahr 1975 auch die einzige heute noch bestehende Tochtergründung des ehemaligen karolingischen Königsklosters Lorsch an der Bergstraße, die Benediktinerabtei Neuburg am Neckar. Während man, wie ein Blick in die einschlägige Literatur zeigt, über Neuburgs spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Vergangenheit sowie insbesondere die Zeit zwischen der Auflösung des Klosters um 1562/72 und seiner Neugründung um 1926/29 recht gut unterrichtet zu sein scheint, liegen seine hochmittelalterlichen Anfänge offenbar weitgehend im Dunkel der Geschichte, werden sie doch meist in nur wenigen, immer wieder ähnlich lautenden Sätzen abgehandelt. Das dürfte nicht allein auf die großen Lücken zurückzuführen sein, die in der historischen Überlieferung klaffen, sondern, wie bereits Hermann Schefers von der UNESCO-Welterbestätte Kloster Lorsch für das Mutterkloster feststellte, auch darauf, dass „sich die Forschung bisher lieber den Blütezeiten des Klosters, also der Karolinger- und Ottonenzeit zuwandte, als sich mit der Epoche des ,Niedergangs' zu beschäftigen“. In Letztere, als in salisch-staufischer Zeit die großen Schenkungen ausblieben und die Herrscherbesuche rar wurden, fällt aber die Stiftung der jüngsten Lorscher Filiale.
„Max Weber und Stefan George galten für manche als die geistigen Titanen ihrer Zeit, nicht nur für Heidelberg, sondern für Deutschland überhaupt. Das Verhältnis beider war, wie von Soziologie und George überhaupt, zunächst eher ein Nicht-Verhältnis. Ende der 1890er Jahre versuchte der Philosoph Heinrich Rickert dem Freund Max Weber den Dichter nahe zubringen, aber der frischgebackene Professor der Nationalökonomie verschmähte die Poesie. Doch das änderte sich einige Jahre später. Durch eine langjährige Lebenskrise geläutert, entdeckte der Rekonvaleszent seine poetische Ader (...); er las George und trug Gedichte selbst vor.“ Was Rickert in Freiburg noch nicht gelungen war, kam dann im Jahr 1910 in Heidelberg zustande. Diesmal war es eine Studentin, Dora Jellinek, die den folgenreichen Kontakt zustande brachte. Sie hatte für eine germanistische Seminarveranstaltung einen Vortrag (s.u. Quellenanhang) ausgearbeitet, der wohl durch Vermittlung ihres Vaters Georg Jellinek an das Ehepaar Weber kam und sowohl Marianne Weber („die Arbeit einer begabten Frau“) als auch Max Weber beeindruckte. Max Weber würdigte das Referat in einem ausführlichen Brief an die Studentin und setzte sich dabei auch mit Stefan George, mit seiner Dichtung und mit seinem Freundeskreis auseinander.
Der Philosoph Karl Löwith (1897-1973) war eine der großen akademischen Persönlichkeiten, die den Heidelberger Geisteswissenschaften in der Zeit zwischen der universitären Restituierung nach dem Krieg und der Hochschulkrise um 1968 weite Resonanz verschafften. Wie kaum ein anderer seiner Zeit verkörperte der deutsch-jüdische Gelehrte an der Ruperto Carola den mittlerweile weitgehend verschwundenen Typus des Geistesaristokraten, wobei er - darin seiner Wirkungsstätte am Neckar nicht unähnlich - auf eigentümliche Weise über die Zeitläufte erhaben wirkte.
Wer war der "Kümmelspalter"?
(2009)
An dem Haus Hauptstraße 117 findet sich am zweiten Obergeschoss ein Wirtshausemblem: Ein gnomartiger Mann schwingt ein Beil, um ein Kümmelkorn zu spalten, und eine Inschrift in stilisierter Fraktur lässt keinen Zweifel: „Kümmel-Spalterei“ (Abb. 1). Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung dieses Namens macht, findet nicht eben viel. Karl Christ streift in seiner sonst so elementaren Schrift „Alt-Heidelberger Wirtschaften“ eine Weinschenke Müller, die den Spitznamen „Kümmelspalterei“ habe. Konrad Winkler erzählt 1967/68 von einem Bäcker und Weinwirt namens Müller, der ein Geizkragen war und die Körner für seine Kümmelbrötchen zuvor spaltete. Sowohl Christ als auch Winkler versetzen diese Geschichte an den Anfang des 19. Jahrhunderts. Christ beruft sich auf Wundt, der 1805 für die Vorstadt eine Weinschenke Müller nennt, Winkler beruft sich - ohne Quellenangabe - auf Achim von Arnim, der von seiner Wohnung auf eine Weinwirtschaft Müller geblickt habe.
Der vergessene Dichter Johann Georg Deeg (1814-1846) und die Heidelberger Zeitschrift "Braga"
(2009)
Über den Schriftsteller Johann Georg Deeg ist wohl zum letzten Mal etwas nach seinem frühen Tod in Heidelberg geschrieben worden: Ein erstaunlicher Nekrolog erschien in der Mannheimer Abendzeitung, dem Sprachrohr der radikalen und demokratischen badischen Opposition. Es scheint reizvoll, diesen vergessenen Autor zunächst mit dem eindrucksvollen Text vorzustellen. Der Artikel wurde wie üblich anonym veröffentlicht unter einem Verfasserzeichen. Es war nicht möglich, die Identität dieses wohl in Heidelberg wohnenden Korrespondenten aufzudecken.
Wenn heute in Heidelberg heftig über die „Jahrhundertchance ,Stadt an den Fluss‘“ und „Stadt am Fluss light“ debattiert wird, wenn sich eine Bürgerinitiative aus Gegnern des geplanten Neckarufertunnels bildet, so gewinnt der Kampf einer der frühesten Heidelberger Bürgerinitiativen, des „Ausschusses zum Schutze des Neckartals und der Alten Brücke zu Heidelberg“ neue Aktualität. Und wenn sich auch seit der Mitte der 1920er Jahre vieles in der politischen Kultur verändert hat, sind doch Parallelen zwischen der damaligen und der heutigen Auseinandersetzung und den in ihnen angewandten Argumentations- und Handlungsstrategien unverkennbar.
Der folgende „kleine Beitrag“ fiel mir bei der Vorbereitung zur Ausstellung „Mit Spaten und Feder, Johann Metzger 1789-1852“, die 2008 im Universitätsmuseum in Heidelberg stattfand, in die Hände. Er ist 1852 in der Zeitschrift „Die Natur“ in Halle erschienen und möchte dem Leser einen Ausschnitt aus der wechselvollen Geschichte des heutigen Friedrich-Ebert-Platzes vor Augen führen, den Sachzwänge und Gleichgültigkeit, gepaart mit Ignoranz und Unwissenheit immer weiter zerstört haben: Ein prächtiger Garten ist verschwunden, der mit seinem alten und seltenen Baumbestand einst zu den touristischen Attraktionen Heidelbergs zählte.
Woran erinnern sich Menschen, als Individuen, als Gruppe, als Nation? In welcher Form äußern sie diese Erinnerung? In welchen Jahrestagen und Orten konkretisiert sich die Erinnerung? Wie benutzt das politische System die Erinnerung? Individuelles und kollektives Gedächtnis, Erinnerungskultur, Erinnerungsritual, Gedächtnisort, Geschichtskultur, Geschichtspolitik - diese Begriffe haben seit Mitte der 1990er Jahre Eingang in die Kultur-und Geschichtswissenschaften gefunden. Nicht das erinnerte Ereignis steht im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern seine Interpretation und Bewertung, seine Bedeutung für das politisch-historische Bewusstsein. Dabei erweisen sich die Studien von Aleida Assmann, Ute Frevert, Peter Reichel und Edgar Wolfrum als besonders erhellend.
Ghetto ohne Ghetto
(2009)
Als man die Menschen aus ihren Wohnungen vertrieb, als man sie nach Gesetzen, die Willkür legitimierten, ihres Umfelds beraubte, sie mit ihren Habseligkeiten durch die Stadt ziehen ließ, vor aller Augen demütigte und in Behausungen drängte, die schon übervoll mit Menschen waren, sie dort warten ließ auf den Abtransport, sie erleben ließ, wie es dem einen Mitbewohner gerade noch gelingt, das rettende Visum zu erhalten, wie andere nach und nach „abgeholt“ werden, dann wird sichtbar, dass der Weg in den Holocaust viele Stationen hatte, an denen Entwürdigung, Entrechtung und Zerstörung stattfanden. Stationen, an denen aber auch Solidarität, Courage und Überlebenskraft sichtbar wurden. Davon zeugen die Vorgänge um die „Zusammenfassung“ jüdischer Einwohner in so genannte „Judenhäuser“, ein Vorgang, der in größeren Orten und in Großstädten seit 1939 von staatlichen, städtischen und Parteibehörden vorangetrieben wurde.
Die Enkelin des Philosophen
(2009)
Fragt man heute die Wenigen, die - meist als Kinder - die Heidelberger Ärztin Marie Clauss noch gekannt haben, so fördert ihre Erinnerung ungefähr folgendes Bild: Sie war eine eher kleine, unscheinbare Frau, freundlich und gütig; war immer da, wenn man sie brauchte. Sanft war sie, aber entschieden; still und unerschrocken; immer wieder wird diese Mischung von deutlicher Entschlossenheit und Milde hervorgehoben. Als Ärztin besaß sie eine starke Ausstrahlung, man fasste schnell Zutrauen zu ihr. Sie hatte einen riesigen Patientenkreis, sowohl als Hausärztin vieler Professorenfamilien als auch bei den Armen in den heruntergekommenen Hinterhöfen der Altstadt. „Sie und Dr. Thorspecken waren die Starärzte von Heidelberg“, urteilt eine jüngere Kollegin, die sie noch kannte. Mittellose behandelte Marie Clauss unentgeltlich. Sie lebte bescheiden. Was ihr am entschiedensten Profil gibt, ist, was sich sonst noch herumsprach, ohne dass man damals Genaueres wusste, weil Verschwiegenheit geboten war: Sie setzte sich für die verfemten Juden ein. „lm Grunde war sie eine Kämpfernatur. Dass sie nicht ins KZ kam, war ein Wunder.“
"Sündig und süß"
(2009)
Um das Ende der Stummfilmzeit in Heidelberg zu verstehen, muss man zunächst die Situation in der Stabilisierungsphase nach der Inflation (1923) betrachten: Es gab zwei „Monopol-Filmtheater“ (Erstaufführungskinos mit Monopolstatus), das „Odeon“ (Hauptstr. 37, mit 350 Plätzen) von Friedrich Schulten 1911 als Kinopalast mit Kellerlokal und Konzert-Cafe erbaut und die „Kammer“-Lichtspiele (Hauptstr. 88, 375 PI.) der Gebrüder Bayer. Daneben gab es noch das „Neue Theater“ des Holländers Drukker in der Hauptstr. 42 ( heute „Schloß“-Kino, 250 Pl.) - ein mehr oder weniger schlecht beleumundetes Kintopp minderer Güte, das sich jedoch regen Publikumszuspruchs erfreute. Und es gab- seit Mai 1924 - die „Kulturfilmbühne“ (heute „Gloria“-Kino, 190 PI.), ein gemeinnütziges, ja kommunales Kino, dem der Vorsitzende des örtlichen Zensurausschusses, Dr. Karl Ammann, als Geschäftsführer vorstand. Das Ende der Stummfilmära bescherte Heidelberg jedoch noch einen Knalleffekt, der sozusagen der krönende Abschluss jener Entwicklung bildete und zugleich auf künftige Entwicklungen voraus wies.
Die persönlichen Beziehungen Friedrich Schillers (1759-1805) zu Heidelberg waren marginaler Natur: Nur wenige Male kam er während seiner Mannheimer Jahre zu einem kurzen Besuch herübergereist, ein nennenswerter literarischer Austausch mit hier ansässigen Persönlichkeiten ist über die Quellen nicht dokumentiert. Dennoch ergaben sich wichtige Berührungspunkte, etwa bezüglich Schillers Kontakten zu den Heidelberger Mitgliedern des Illuminaten-Ordens oder einzelnen Vertretern der Studentenschaft. Eine Erweiterung des Betrachtungshorizonts über seine Person hinweg offenbart zudem für die Jahre nach seinem Tod ein durchaus dichtes Beziehungsgefüge zwischen Weimar und Heidelberg, in dessen Mittelpunkt die Familien Schiller und Voss stehen; auch weilten beide Schiller-Söhne in den Jahren um 1810/13 als Studenten an hiesiger Universität. Darüber hinaus hatte mit dem Ableben des Dichters am Neckar und andernorts jene Bewegung an Dynamik gewonnen, die sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts nachgerade zu einem Taumel nationaler Selbstidentifizierung steigern sollte und auf deren imaginärem ideengeschichtlichem Banner Schillers Bildnis als Nationaldichter und Identifikationsfigur wie ein Fanal der Hoffnung prangte. So erscheint es lohnenswert, den Hauptaspekten dieses komplexen literatur- und kulturgeschichtlichen Phänomens in seinen wichtigsten Handlungssträngen erstmals mit monographischem Blick auf das geistesgeschichtliche Milieu der Universitätsstadt und seiner Bewohner nachzugehen, nicht zuletzt um die Beiträge einzelner Protagonisten einer kritischen Revision zu unterziehen: Denn viele Namen seiner einstigen hier lebenden Bezugspersonen sind heute der Vergessenheit anheim gefallen, so dass sich eine Neubewertung auf Grundlage der Primärliteratur und unbekannter Quellen anbietet. Dies ist auch insofern überfällig, als die Schillerrezeption für Mannheim und den Oberrhein als hinreichend dokumentiert zu gelten hat, Heidelberg dort jedoch
nur ganz am Rande berührt wird. Keineswegs soll im Folgenden eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem gut erforschten und spannungsreichen System der Heidelberger Romantik und ihrer Rezeption der Schillerschen Dichtung angestrengt werden. Dieser Komplex wird gleichwohl gestreift und auf seine maßgeblichen Tendenzen hin überprüft. Die nachfolgenden Ausführungen bilden den ersten Teil einer längeren Untersuchung, die sich auf die Jahre bis um 1810 konzentriert. Dem Heidelberg-Besuch der Dichter-Witwe Charlotte v. Schiller (1766-1826) vom August/September 1810 und den Studentenjahren der beiden Schiller-Söhne ist ein zweiter Teil gewidmet, der im nächsten Jahrbuch erscheinen wird. Ein dritter Teil beschließt das Panorama mit einer Betrachtung der Vereinnahmung Schillers durch die liberale Bewegung, dies mit Fokus
auf den Heidelberger Gelehrten Gervinus und die beiden großen Schiller-Feiern der Jahre 1859 und 1905.
Bereits in den 1920er Jahren scharte der Heidelberger Vermessungsingenieur Albert Metzler (1895-1963) eine Reihe Gleichgesinnter aus Stadt und Landkreis Heidelberg um sich, die sich in ihrer Freizeit mit Heimat- und Familienforschung beschäftigten. In den 1950er Jahren wurden aus diesen zwanglosen Treffen regelmäßige Zusammenkünfte mit festen Programmpunkten und der 11. April 1956 so zum offiziellen Gründungstag. 2006 wird nun auf ein halbes Jahrhundert zurückgeblickt, während dessen der Öffentlichkeit im Raum Heidelberg einmal im Monat, also alles in allem 600 Mal, eine Abendveranstaltung zu historischen Themen geboten wurde.
Der Verein "Begegnung"
(2006)
Mehrere Vereinen, Initiativen und Institutionen sind in Heidelberg an der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden, an Gedenken und Erinnern und dem Aufbau stabiler Kontakte aktiv. Zu ihnen zählt die Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit, die sich dem interkonfessionellen Dialog ebenso verpflichtet fühlt wie zeitgeschichtlichen Fragen, das Partnerschaftskomitee mit der israelischen Stadt Rehovot, der Freundeskreis der jüdischen Hochschule und das (kultur) räumliche Angebot der jüdischen Gemeinde. Der Erforschung jüdischer Geschichte ist neben den wissenschaftlich-dokumentierenden Institutionen (der Jüdischen Hochschule und dem Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland) auch der Heidelberger Geschichtsverein verpflichtet. In zahlreichen Stadtführungen verschiedener Organisationen wird seit über einem Jahrzehnt die jüdische Stadtgeschichte „begangen“.
Max Weber, der von manchen Zeitgenossen so genannte „Mythos von Heidelberg“, gehört zu den Lieblingsthemen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung der vergangenen Dekaden. Eine stattliche Reihe dickleibiger und teurer Bände der Max-Weber-Gesamtausgabe, Dutzende von Tagungsbänden über das Thema „Max Weber und ... “, Hunderte von Aufsätzen zu Einzelaspekten von Webers Werk füllen die Bibliotheken der soziologischen, historischen, religionswissenschaftlichen und juristischen Seminare nicht nur der deutschen Universitäten. Doch, so meinte Gregor Schöllgen vor einigen Jahren, eine letzte große „Herausforderung für die Weber-Forschung“ blieb: die „Biographie ihres Helden“. Zwar hat es manche Versuche gegeben, eine wissenschaftliche Weber-Biographie zu schreiben, doch sie führten bislang zu keinem oder jedenfalls keinem befriedigenden Ergebnis. So blieb schließlich jahrzehntelang das berühmte „Lebensbild“ von Webers Witwe Marianne das, wegen der persönlichen Nähe von Biographin und Gegenstand freilich problematische, Standardwerk.
Die Grundstücksakten im Heidelberger Stadtarchiv sind gelegentlich dann von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse, wenn es um die Lokalisierungen von Institutionen oder Wohnungen geht. In diesem Bestand jedoch auf Originalbriefe von Else Jaffé (1874-1973) und Alfred Weber (1868-1958) zu stoßen, ist nur ein Verdienst des Zufalls. Bevor zwei der Briefe im Wortlaut mitgeteilt werden, soll auf die Heidelberger Bauleitplanung der 1920er Jahre, auf die Biografien der handelnden Personen und auf das eigentliche Grundstücksgeschäft näher eingegangen werden.
2007 jährt sich die Auffindung des weltweit bekannten Unterkiefers des Frühmenschen von Mauer zum 100-sten mal. Anthropologen gaben ihm den Namen Homo erectus heidelbergensis. Dieser Homo habilis, der „befähigte Mensch“ durchstreifte als Jäger und Sammler seinen Lebensraum, sah sich den starken Klimaschwankungen des Eiszeitalters ausgesetzt, lernte mit ihnen zu leben und verbesserte in steter Auseinandersetzung mit der Natur seine handwerklichen und sozialen Fähigkeiten. So lernte er die Beherrschung des Feuers, erfand immer bessere Jagdwaffen und Werkzeuge und entwickelte eine differenzierte Sprache.
Seit Schaab und Sillib Urkunden zur Geschichte des Klosters Neuburg zusammengestellt haben, ist bereits rund ein halbes bzw. ein ganzes Jahrhundert vergangen. So erscheint es nicht verwunderlich, dass man immer wieder auf bisher unberücksichtigt gebliebene Dokumente stößt. Die bisher bekannten betreffen fast ausnahmslos rechtsrheinischen Besitz. Lediglich Speyer, es handelt sich um eine Häusergült, Deidesheim und Haßloch bilden die Ausnahmen. Die hier in diesem Text vorgestellten Quellen zeigen Beziehungen zu weiteren linksrheinischen Orten, nämlich Eppstein, Lambsheim und Kloster Seebach (heute Bad Dürkheim) wie auch zu Haßloch und zu rechtsrheinischen Orten.
,Imperium Romanum' war der Titel der erfolgreichen Ausstellung, die der römischen Epoche unserer südwestdeutschen Landesgeschichte gewidmet war. Die Landesausstellung wurde an zwei verschiedenen Orten präsentiert: Während sich das Archäologische Landesmuseum in Stuttgart dem Zeitraum vom Beginn der militärischen Okkupation bis zum Fall des obergermanisch-rätischen Limes widmete, beleuchtete die Schau des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe die wechselhaften Ereignisse während der Spätantike.
Beim Schlendern in der Heidelberger Altstadt, durch die Karl-Ludwig-Straße, gewahrt man plötzlich hinter der Providenz-Kirche einen hohen Baum mit gewaltiger Krone, dem man nicht sofort ansieht, zu welcher Art er gehören mag. Erst beim Näherkommen sieht der Baumfreund, dass es sich um einen Ginkgo biloba handelt. Nicht weit von hier steht ein zweiter Ginkgo, der aber nicht den gewaltigen Umfang seines Artgenossen erreicht hat. Man findet diesen Baum leicht in einem Hof, einem früheren Durchgang von der Plöck zur Hauptstraße, der im Torbogen der Plöck Nr. 63 beginnt. Warum wohl hat man die Ginkgos, die ja nicht zur einheimischen Flora gehören, ausgerechnet zwischen die Häuser der Altstadt gepflanzt? Dazu muss man wissen, wie diese Gegend vor etwas mehr als 200 Jahren aussah!
Als aufmerksamer Spaziergänger sieht man entlang des Schlosswolfsbrunnen-Weges hier und da am Straßenrand Steine gesetzt, die stets die gleiche Größe und Form aufweisen. Sie sind etwa 20 cm breit, oben abgerundet und tragen auf der Vorderseite in einem Kreis ein großes „A“, dessen Querstrich nach unten abgewinkelt ist. Sehr unterschiedlich hoch ragen die Steine aus dem Erdboden heraus, denn viele sind durch den Straßenbelag fast im Erdboden verschwunden und nur noch an der Abrundung der Oberseite zu erkennen.
Der Name „Pfaffengasse“, schrieb Gerhard Ritter 1936, erinnere daran „daß dieses alte Gewinkel, heute ein besonders verwahrlostes und unscheinbares Stadtrevier, ehemals stolzere Zeiten gesehen hat“. Heute ist die Pfaffengasse nicht mehr verwahrlost, aber weiterhin unscheinbar. Trotz Sanierung und Neubauten ist ihr noch anzusehen, dass auf der Ostseite die Rückseite der Markthalle und später des Barockpalais Haspelgasse 12 und auf der Westseite die Rückseite des Seppichschen Fuhrunternehmens eine Geschlossenheit der Bauzeilen
nicht hat aufkommen lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, im Namen des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg, möchte ich Sie begrüßen. Aus Anlass des 50. Jahrestages der Befreiung von der NS-Gewaltherrschaft möchte ich Ihnen einige vorläufige Anmerkungen zur Verfolgungsgeschichte der Heidelberger Sinti und Roma vortragen. Für mich als gebürtige Heidelbergerin ist das zugleich ein Stück unserer allgemeinen deutschen Geschichte, ein Stück Stadtgeschichte und auch ein Stück meiner Familiengeschichte. Unter uns gibt es keine Familie, die nicht einen großen Teil ihrer engsten Angehörigen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern verloren hat. Allein aus meiner Familie wurden 24 Menschen von den Nazis ermordet. Die Überlebenden waren die Ausnahme. Die Völkermordverbrechen an Sinti, Roma und Juden waren nur möglich in einem System, dessen beherrschende Ideologie ein menschenverachtender Rassismus war.
Goebbels in Heidelberg
(2006)
Es gab eine Reihe an Verbindungen des obersten NS-Propagandisten zu Heidelberg, verschiedentlich wird die Stadt in seinen Aufzeichnungen, den „Tagebüchern“ Joseph Goebbels', erwähnt. Einige Vorbehalte gegenüber dieser Publikation sind jedoch angebracht - so formulierte der Berliner Historiker Bernd Sösemann in einer Zwischenbilanz zur Dokumentation der Niederschriften und Diktate von Joseph Goebbels Kritik an der vorliegenden Edition der täglichen Aufzeichnungen. Er stellt fest, dass sie trotz Einführung einiger editionswissenschaftlicher Standards immer noch Mängel zeige, so - im Hinblick auf den textkritischen Apparat - der Text selbst erscheint geglättet, - bezogen auf die Nichtkenntlichmachung der Heterogenität des verwendeten Textmaterials, - die Aufzeichnungen seien von Goebbels „für seine Schriftstellerei, Reden und für Zeitungsbeiträge“, für Denkschriften etc., geschrieben bzw. diktiert worden, das aus Kopien, Hand- und Maschinenschriften, von Goebbels veranlassten Abschriften, Transkriptionen bestehe und Streichungen, Abänderungen etc. von verschiedener Hand enthalte, - schließlich gebe es Kollationierungsversäumnisse.
2006 blickte die Stadtbücherei Heidelberg auf eine hundertjährige Geschichte zurück. Schon 1904 hatte ein großzügiger Spender eine Schenkung in Höhe von 30.000 Goldmark an die Stadt Heidelberg gemacht und damit den finanziellen Grundstein zur Errichtung einer dann allein aus städtischen Mitteln finanzierten Volksbibliothek und Volkslesehalle gelegt. Bald nach dem Schenkungsakt begannen von Seiten der Stadtverwaltung emsige Vorbereitungsarbeiten zum Aufbau einer Volksbibliothek, unter anderem die Suche nach geeigneten Räumen sowie einem geeigneten Bibliothekar für die Einrichtung und spätere Leitung der neuen Institution.
Die Bedeutung Karl Jaspers' für die Psychiatrie des 20. Jahrhunderts, insbesondere für die Psychopathologie, ist unbestritten. Es ist sicherlich nicht übertrieben, wenn man Jaspers' Einfluß auf die Psychiatrie wesentlich höher veranschlagt als auf die Philosophie der Gegenwart. Aber auch seine Auseinandersetzung mit Grundfragen der Psychotherapie aus der Sicht des Psychiaters und Philosophen ist bedeutsam und hatte erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung und Stellung der Psychotherapie in Deutschland nach dem Ende des 2. Weltkriegs.
Eberhard Gothein (1853-1923)
(2006)
Als das badische Kultusministerium Eberhard Gothein 1903 auf den Lehrstuhl von Max Weber (1864-1923) berief, schloss es sich dem Votum der philosophischen Fakultät der Heidelberger Universität an. In den Berufungsverhandlungen hatte Gothein gebeten, die Professur für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft durch einen Lehrauftrag für Kulturgeschichte zu erweitern. Ein Wunsch, dem das Ministerium entsprechen wollte, nicht jedoch bevor es die Meinung der Fakultät eingeholt hätte. Der damalige Dekan, der Kunsthistoriker Henry Thode (1857-1920) gab die Anfrage von oben an seine Kollegen weiter und bat zugleich um deren Zustimmung. Obwohl Max Weber bereits am 1. Oktober 1903 von seinem Lehramt entpflichtet worden war, wurde er um eine Stellungnahme gebeten. In einer Antwort vom 24. November 1903 unterstützte er den Anspruch seines Nachfolgers auf einen kulturgeschichtlichen Lehrauftrag: „Bei der ungewöhnlichen Arbeitskraft Gotheins unterliegt es keinem Zweifel, dass er seinen Verpflichtungen gegenüber der nationalökonomischen Disziplin trotzdem in vollem Umfang gerecht werden wird.“ Im Übrigen sei er (Weber) an dieser Angelegenheit nicht mehr interessiert und „auch zur Abzeichnung nicht legitimiert.“ In der Tat war es ungewöhnlich, einen aus dem Dienst entlassenen Lehrstuhlinhaber über dessen Nachfolger zu befragen und die Stellungnahme in die offiziellen Akten der Fakultät aufzunehmen.
Caroline Rudolphi war Pädagogin und Schriftstellerin. Ihr dichterisches Werk ist zwischen Klassik und Romantik angesiedelt. 1803 gründete sie in Heidelberg die erste private Mädchenschule. Ihr Lebenswerk und auch ihre Person gaben 1807 den Anstoß zum öffentlichen Eklat des Heidelberger Romantikerstreits.
Ein französischer Romantiker - was ist das? Einer gängigen Definition zufolge ist das im Bereich der Literatur und des Geisteslebens ein Schriftsteller oder Denker der Zeit seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, der das „sentiment“, das Gefühl, über die „raison“, die Vernunft, stellt und die „imagination“, d. h. die Phantasie, die Einbildungskraft, über die „analyse critique“, das kritisch-analytische Denken. Dieser weitgefassten Definition steht seit einigen Jahrzehnten bei einer Reihe von französischen Literaturhistorikern eine engere gegenüber, die als die eigentliche Romantik nur solche Autoren in Betracht zieht, die sich an der Elle der deutschen Romantik messen lassen können.
Seit Jahrzehnten wird in zahlreichen Wieblingen betreffenden Zeitungsartikeln, Festschriften u.ä. als Wieblinger „Emblem“ das Gerichtssiegel von 1622 wiedergegeben, wie es erstmals der damalige evangelische Ortspfarrer Dr. Heinrich Neu in seiner 1929 erschienenen Ortsgeschichte auf dem Buchdeckel abgebildet hat (Abb. 1). Auch die Fahnen, die seit 1979 an den örtlichen Festtagen den Stadtteil schmücken (Entwurf: Frau Ruth Perlik), sind nach dieser Abbildung entworfen. Und einige Wieblinger Vereine (Stadtteilverein, Sportverein, Männergesangsverein, Bund der Selbständigen) legten diese Abbildung ihrem Vereinsemblem zugrunde. Auf diesem Siegel sind zwei Wappenschilde übereinander angeordnet: unten einer mit den Wittelsbacher Rauten und oben einer mit einem gleicharmigen Kreuz; darüber erhebt sich eine Person, die durch die Kopfbedeckung, eine Mitra, als Bischof oder Abt zu deuten ist und die in ihrer rechten Hand einen viereckigen Gegenstand, wohl ein Buch, und in der linken einen Vogel hält. Die Umschrift lautete in der bisher üblichen Lesart: „INDEN.GERICHTS.S.WIEBLINGEN“.
„Dieses Haus wurde von einem Glaubensflüchtling aus Frankreich erbaut." „Am rechten Erker unten sehen Sie das Doppelrelief der Kinder des Bauherrn Charles Belier.“ „Das Haus wurde 1693 verschont, weil es der Sitz des französischen Kommandanten war.“ „Hier übernachtete 1838 Victor Hugo.“ Wer sich täglich am Haus zum Ritter, Hauptstraße 178, durch die Besucherpulks zwängt, stört sich nicht mehr an derlei Gästeführungsmythen und ist eher belustigt über den Sach- und Sprachschnitzer vom häuserarmen Heidelberg, mit dem aktuell die Fußballweltmeisterschaft 2006 beworben wird: „Der Ritter ... überlebte als eines der wenigen Häuser Heidelbergs die Zerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg.“ Ganz anders ist das bei einer eigenen Führung: 2004 waren sich Michael Buselmeier und ich bei der Position vor dem ,Ritter‘ über viele Details nicht einig, insbesondere über die Deutung der beiden unteren Reliefs am rechten Erker. Aus der Nacharbeit dazu
ist der folgende Beitrag entstanden.
Seit 1950 gibt es auf dem Heidelberger Bergfriedhof ein Ehrengrab für dort bestattete 27 Personen, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden waren. Ein damals gestalteter Gedenkstein war allerdings anonym formuliert: „Den hier ruhenden Opfern der nationalsozialistischen Justiz zum ehrenden Gedenken“. Nur wer die Akten kannte, wusste, dass hier auch die Asche von Max Karl Prinz zu Hohenlohe-Langenburg ruhte, ein Name, mit dessen Leben und Schicksal in Heidelberg niemand etwas verband. 1968 wurden auf einer ergänzenden Namenstafel die Namen von sieben hingerichteten französischen Widerstandskämpfern genannt, und seit 2001 gibt es eine ergänzende Tafel mit den weiteren bislang nicht genannten Namen von zwei Frauen und 18 Männern. Eine Stele aus schwarzem Granit, nach einem Wettbewerb der Stadt Heidelberg von dem Bildhauer Günter Braun aus Eppelheim gearbeitet, gibt dem Ehrengrab nun die künstlerisch gestaltete Form einer Gedenkstätte. Zeitgleich wurde versucht, die Schicksale der dort begrabenen Widerstandskämpfer aufzuklären.
In dem folgenden Textauszug geht es um eine Kutschfahrt von Mannheim über Heidelberg nach Neckargemünd, danach wird auf ein Schiff umgestiegen. Der Ich-Erzähler benutzt eine
Dienstreise, um das Neckartal bis Neckarelz und den Odenwald zwischen Erbach und Eberbach zu beschreiben. Es dürfte sich um eine der frühesten Reisebeschreibungen des oberen
Neckars und des südlichen Odenwalds handeln. Der Abschnitt ist folgender Veröffentlichung entnommen: J. G. Rieger: Vaterländische Wanderungen. Einige Kapitelchen für meinen Freund. Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publicität, Januar 1824, Nr. 6 und 7. Du wirst Dich noch erinnern, daß Kutscher Schmitts kleiner Josephel wie der Sonnengott mit uns aus der Stadt flog. O, was das für ein bescheidener sanfter Mensch ist! Du magst ihn fragen, was, so oft und so viel Du immer willst, er - spricht nichts. Warum mußte ich doch bei der letzten Stadtdeputirtenwahl gerade den Schnupfen haben!
Einer Arbeit über den mittelalterlichen Hof stellt sich zunächst das Problem einer Definition dieses zentralen, aber schon für die mittelalterlichen Zeitgenossen kaum fassbaren Phänomens. Die vorliegende Arbeit folgt weitgehend dem Ansatz Peter Moraws, der den Hof als „das Medium, durch welches der Herrscher seine Existenz verwirklicht“ bezeichnet. Den Hof bildete demnach diejenige Menschengruppe, die, sei es materiell oder politisch, für die Aufrechterhaltung und Sicherung der fürstlichen Herrschaft zu sorgen hatte. Der Wächter gehörte ihm grundsätzlich genauso an wie der Küchenmeister, der Notar oder auch der adlige Rat.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges standen sich die Konfessionen „als klar und hart geprägte Typen gegenüber. Als Ergebnis des langen Streites, aber auch der erzieherischen Tätigkeit der Obrigkeiten, hatte sich ein geschärftes konfessionelles Bewusstsein entwickelt, ein von Abwehrbereitschaft, Hass, Misstrauen, Verbitterung und Verkennung diktiertes Verhältnis der verschiedenen Kirchengruppen zueinander.“ Der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig passt nicht in dieses Bild. Er war der zweite Sohn des Kurfürsten Friedrich V., des „Winterkönigs“, und seiner Gattin Elisabeth von England und erhielt erst 1648 die Pfalz und „führte in kurzer Zeit das verwaiste Erbe zu neuer Blüte.“ In das entvölkerte Land rief er Einwanderer. „Alle drei christlichen Konfessionen erhielten volle Freiheit, ja, in der Kirche zur ,Heiligen Einheit‘ wurden abwechselnd katholische, calvinistische und lutherische Gottesdienste abgehalten. Auch die wiedereröffnete Universität Heidelberg sollte im Geist der Toleranz arbeiten.“ Hier wurde bei der Restitution der Universität 1652 der jüdische Stadtarzt von Heidelberg Jacob Israel
zum Professor für Physiologie, Anatomie und Chirurgie berufen, jedoch anfangs unter Verzicht auf eine Besoldung. Er fungierte zwischen 1658 und 1673 viermal als Rektor der Universität, bevor er 1674 starb. Im Feb. 1673, Israels letztem Rektorat, erhielt der Heidelberger Theologieprofessor Hans Ludwig Fabritius „von Kurfürsten Karl Ludwig den Auftrag, den niederländischen Philosophen Baruch Spinoza (1632-1677) zur Annahme des Rufes auf den Heidelberger Lehrstuhl für Philosophie zu bewegen.“ Allerdings lehnte Spinoza ab, und als 1685 mit dem Tod des Kurfürsten Karl, Karl Ludwigs Sohn, die Linie Pfalz-Simmern erlosch, versank die Pfalz in den Zerstörungen des Orleanschen Erbfolgekriegs. Sie wurde noch schlimmer verwüstet als im Dreißigjährigen Krieg, und mit den neuen Herren setzte bald auch die Gegenreformation ein. Es dauerte bis 1799, bis durch die Religionsdeklaration des Ministers Montgelas die Toleranz wenigstens für die christlichen Kirchen in der Pfalz wieder eingeführt wurde.
Willy Hellpach war vor allem in der Weimarer Republik ein bekannter Völker-, Arbeits- und Organisationspsychologe, dessen Werke z. T. zahlreiche Auflagen erlebten. Seine Forschungen und seine Person sind im Studium heutiger Psychologiestudenten trotzdem nicht mehr unbedingt Gegenstand, auch wenn die Völkerpsychologie wieder zunehmend das Interesse der Forschung findet. Die wissenschaftliche Arbeit Willy Hellpachs war schon Gegenstand von zwei wissenschaftlichen Untersuchungen. Bisher fehlte jedoch die Würdigung des vielseitigen Intellektuellen in einer wissenschaftlichen Biografie, die auch den wichtigen Teil seines politischen Engagements und seiner politischen Ämter einschließt. Wichtige Stationen seines Lebens führten Hellpach nach Heidelberg, seit 1926 lebte er fast 30 Jahre dort und wurde 1955 auch auf dem Bergfriedhof beigesetzt. Hellpachs wesentliche Leistungen als badischer Kultusminister in der Weimarer Republik sind Gegenstand dieses Beitrags. Zu den vielfältigen Aufgabengebieten seines Amtes gehörten neben der Bildungspolitik auch die drei badischen Hochschulen, also auch die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Nach einem Überblick über Hellpachs Werdegang sollen daher seine Leistungen als Kultusminister zur Sprache kommen. Der Schwerpunkt liegt auf Hellpachs Wirken auf politischer Ebene und seine Vorgehensweise bei Disziplinarfällen mit politischem Bezug. Es zeigen sich hierbei die Anfeindungen, denen die Weimarer Republik vom rechten, aber auch vom linken Spektrum ausgesetzt war, und die Haltung des Kultusministers zu diesen Vorfällen.
Am 9. November 2004 übergab Beate Weber, die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg, im Rahmen einer Feier auf dem Synagogenplatz die an der Nordwand des ehemaligen Rabbinerhauses in der Großen Mantelgasse angebrachten Gedenktafeln an die jüdischen Opfer von Deportation und Ausweisung der Öffentlichkeit. Ein Zitat aus Jesaia 56,5 und ein schlichter Text verweisen darauf, dass die Tafeln die Namen jüdischer Bürger und Bürgerinnen enthalten, die in der NS-Zeit von 1933 bis 1945 ausgewiesen, deportiert und ermordet wurden oder als Reaktion auf Terrormaßnamen des Regimes „in den Tod getrieben“ wurden, d. h. sich selbst das Leben nahmen. Zusammen mit einer Informationstafel zur jüdischen Geschichte Heidelbergs, der farblich abgesetzte Pflastermarkierung des Grundrisses der Synagoge und dem lange Zeit auf dem neuen jüdischen Friedhof aufgestellten Gedenkstein ist ein Gedenkort gestaltet worden, der auf über 200 Jahre religiöses jüdischen Lebens in Heidelberg verweist.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Feinde. Ich danke der Stadt Heidelberg, den Mitgliedern des Gemeinderats und besonders der Oberbürgermeisterin Beate Weber für die Verleihung der Richard-Benz-Medaille. Richard Benz verdanke ich mehr. Um das Jahr 1960, als unwissender, nach Orientierung suchender Student der Germanistik und Schauspiel-Eleve, fielen mir einige seiner Bücher in die Hand, die ich noch immer schätze und die mich entschieden geprägt haben. Auch Benz selbst verehrte ich, ich grüßte ihn, wenn ich ihm auf der Gaisbergstraße begegnete, aber ich wagte es nicht, ihn anzusprechen. Nur einmal haben wir uns - er einen ungebärdigen Spaniel, ich einen Dackel an der Leine - über Hundeprobleme unterhalten. Dabei hätte er mir - ich schrieb um 1960 meine ersten expressionistisch inspirierten Gedichte - zum Beispiel einiges über Alfred Mombert berichten können, den Kosmiker, dessen steile Sprachgesten mir immer unverständlich geblieben sind, ihm jedoch vollkommen vertraut zu sein schienen, wie es mir seine Schrift zum fünften Todestag des Dichters aus dem Jahr 1947 nahe legte. Ich selbst hielt Mombert für einen Wegbereiter des Expressionismus, folglich für einen Anhänger der Moderne und naturgemäß seinen Freund und postumen Laudator ebenso, was ein jugendliches Missverständnis war.
Heidelberg ist an überlieferten Wappen, Handwerkszeichen und Marken so reich, dass sich damit ein ganzes Buch füllen ließ. Allerdings sind Handwerkszeichen der Weißgerber nur selten überliefert, in Heidelberg ein einziges: es ist der Hausstein der Heidelberger Weißgerber Georg Hieronimus Hettebach und Johann Engelhart Hettebach von 1749 im Lapidarium des Kurpfälzischen Museums, dessen Inschrift wie folgt lautet: HAD ... ERBAVT GEORG/ HIERONIMUS HETTEBACH 1719/ RENNOFYRT 1749/ JOHANN ENGELHART HETTEBACH/ MARIA BARBARA HETTEBACHIN/ Alle Großbuchstaben N sind spiegelbildlich gehauen. Unter der Inschrift ist das historische Weißgerberzeichen angeordnet: die beiden sich diagonal kreuzenden Werkzeuge für die Hautbearbeitung auf dem Schabebaum (Abb. 2 und Abb. 8 links unten).
Ach Heidelberg
(2004)
Dieses Rundfunkfeature wurde im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks, Abt. Kultur und Wissenschaft, Redaktion Gerhard Reitschert mit dem SDR und dem SFB aufgenommen und am 23.4.1981 in WDR 3 von 21 bis 22 Uhr gesendet. Der Wiedergabe liegt das Manuskript der Autorin zu Grunde. Bei der Bearbeitung sind die Wechsel der Stimmen gekennzeichnet [Spr.], die Verweise auf Musik, Überblendungen und redaktionelle Hinweise jedoch entfallen, Quellenangaben zu den Zitaten und Originaltoneinblendungen ergänzt. Die Namenskürzel sind wie folgt aufzulösen: MD (Maria Damolin), HB (Helmut P. Brendgens), RPS (Rolf Peter Sieferle), AH (Adolf Holzhüter), AS (Anneliese Seeliger-Zeiß), LM (Ludwig Merz), MB (Michael Buselmeier), HS (Hans-Peter Stichs), KB (Karin Bruns), HL (Hermann Lehmann), CS (Claus Schmidt), CW (Claudia Schmitt).
Wenn ich - weder als Musiker noch als Wissenschaftler - einen spät entdeckten und erkannten Komponisten wachrufe, tue ich dies in erster Linie für meine persönliche Begeisterung vieler seiner Werke; aber auch deswegen, weil sein verhältnismäßig kurzes Leben und seine Zeit nur noch wenigen geläufig ist. Jene, die Max Reger erlebt oder gar gekannt haben, leben nicht mehr. Und so könnte es durchaus aktuell erscheinen, sein Wirken - und gerade in Heidelberg - neu zu beleben und das damalige Musikleben hervorzuheben.
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das ganz offen schreiben würden. Ich garantiere dann für eine schonende Weitergabe“. Hermann Maas, Pfarrer der evangelischen Heilig-Geist-Kirchengemeinde in Heidelberg, bemühte sich im Mai 1946 mit dieser Bitte um Auskunft über den Verbleib eines früheren jüdischen Mitbürgers einmal mehr zu helfen. Er zählte bereits während des Nationalsozialismus zu den wenigen, die tatkräftig versucht hatten, Juden vor der Vernichtung durch das NS-Regime zu bewahren oder ihnen zumindest Unterstützung zu gewähren. So war es sicher nicht zufällig, dass der nach New York emigrierte frühere Direktor der Heidelberger „Herrenmühle“, Moritz Oppenheimer, sein Anliegen nach dem Krieg gerade an Hermann Maas richtete. Ein „besorgter Vater“, so schrieb dieser daraufhin an den Leiter der Anstalt Kork bei Kehl, Pfarrer Adolf Meerwein, habe sich an ihn gewandt. Dem Vater, Moritz Oppenheimer, sei es gelungen, im Anschluss an seine Deportation nach Südfrankreich in die Vereinigten Staaten zu flüchten. Nun gehe es um seinen Sohn B., der jahrelang in Kork untergebracht gewesen sei. Moritz Oppenheimer habe ihn gebeten, in Erfahrung zu bringen, „ob er noch lebt und wenn nicht, wie er gestorben ist“.
"der punker"
(2004)
„Die Punker“ oder „Punks“, wie man sie auch nennt, gehören mittlerweile der Geschichte an und könnten daher durchaus von Interesse sein für einen Geschichtsverein. Man trifft sie noch gelegentlich, vereinzelt auch in Heidelbergs Gassen. Der Stil jedoch ist der gleiche geblieben: Zerrissene, unproportionierte Kleidung, grellbunt gefärbte und gezuckerte Haare, mit Metallketten, Rasierklingen und durch Ohren und Wangen gestochenen Sicherheitsnadeln geschmückt. In ihrer (politischen) Haltung eher indifferent und diffus, mehr links als rechts, auf jeden Fall antibürgerlich. Mit der sogenannten „Punkwelle“, die 1977 in den westlichen Industriegesellschaften als eine Protestbewegung von Jugendlichen gegen Arbeitslosigkeit und Langeweile einsetzte, die ihr Ausdrucksmittel in der oben beschriebenen äußeren Aufmachung und in hektisch aggressiver Rockmusik fand, hat „der punker“ allerdings überhaupt nichts zu tun. Der Ursprung des Vereins „der punker“ liegt in einer Stadtteilzeitung „der punker - Leben in Rohrbach“, die sich als Gegenentwurf zur Rohrbacher Berichterstattung der hiesigen, dominierenden Tageszeitung verstand.
„Glück gibt es nur in Erfüllung eines Kinderwunsches“, schrieb Sigmund Freud 1899 an Wilhelm Fließ. Er sprach von Schliemann, der den Schatz des Priamos finden wollte und fand. So manchen Schatz, wenn auch keinen derart spektakulären, fand Dr. Berndmark Heukemes. Kaum ein Archäologe oder Historiker im Rhein-Neckar-Raum dürfte so populär sein wie der Mann mit Baskenmütze und Pfeife, der am 26. Februar 1924 in Aachen geboren wurde, in Ostbelgien aufwuchs und seit langem in Ladenburg wohnt. Heimatforscher wollte er eigentlich nie werden. Schon als Kind zog es ihn in die Ferne. Ein Buch des Großvaters hatte es ihm angetan: das versunkene Pompeji war darin beschrieben. Lesen war ihm nicht genug, er mußte es mit eigenen Augen sehen. Als 15-Jähriger fuhren er und ein Freund mit dem Rad über die Alpen nach Unteritalien. Ohne Geld, mit wenig Proviant, alle Hindernisse überwindend, schauten sie sich in der verschütteten und wieder freigelegten Stadt um, in der sich der junge Heukemes durch Bücherstudium bereits bestens auskannte. Dass er nach der Heimkehr wegen Überschreiten der Ferienzeit fast von der Schule geflogen wäre, konnte er verschmerzen. Er hatte einen Traum wahrgemacht. Es sollte nicht der letzte bleiben: „Was ich mir vornehme, das führe ich auch durch!“
„Grabe wo du stehst!“ So nannte der Schwede Sven Linqvist sein „Handbuch zur Erforschung der eigenen Geschichte“, und er meinte damit, dass alle Orte voller Geschichten sind über ihre Geschichte, nicht nur die Metropolen und Machtzentren. Weil sie aber flüchtig sind wie die Erinnerung, muss man sie wieder erzählen und festhalten. Solche Geschichten werden in der Handschuhsheimer Geschichtswerkstatt erzählt. Wozu sie gut sind? Die Handschuhsheimer Geschichtswerker meinen: Wer die Geschichte seines Wohnortes, seiner Region nicht kennt, kann dort vielleicht wohnhaft sein, schwerlich aber wird er heimisch. „Grabe, wo du stehst!“ ist die Aufforderung, sich mit der nächsten Umgebung auseinander zu setzen, Fragen zu stellen. Dabei wachsen neue Wurzeln, die für das Zusammenleben wichtig sind.
Wenn das Musizieren von Frauen noch im 16. Jahrhundert als „unschicklich“, „unsittlich“ gilt, so nehmen doch vereinzelt Damen an Bildungsbestrebungen schon seit dem Hochmittelalter Anteil. Zu ihnen gehört die Augsburger Bürgerstochter Clara Dett. Dieser Sängerin und hochgebildeten Frau begegnet 1459 Kurfürst Friedrich I. (1425-1476) am bayerischen Hof in München. Von ihrem Gesang ist er derart fasziniert, dass er sie mit nach Heidelberg nimmt und später mit ihr eine morganatische Ehe eingeht. Die musikalisch gebildete Clara Dett steht dem Kurfürsten beratend zur Seite, als er sich eine leistungsfähige Hofkantorei schafft und den als Sänger berühmten Johann Soest als „sengermeister“ beruft. 1911 widmet ihr Hermann Glaser das Theaterstück „Klara Dett, dramatische Dichtung“.
Das Modell der Heidelberga
(2004)
Die Heidelberger Stadthalle ist im vorigen Jahr 100 Jahre alt geworden. Ohne Beachtung dieses Jubiläums hat sich Hergen Götz aus Oldenburg mit einer Bitte um Aufklärung an das Heidelberger Kulturamt gewandt: Er erinnere sich, als Kind an die Stadthalle geführt worden zu sein, weil über deren Haupteingang ein Portrait seiner Großmutter zu sehen war, anonym allerdings und nur als Modell für die Phantasiefigur „Heidelberga“: „Sie können sich vorstellen, dass zum Besichtigungsprogramm von Heidelberg mit Gästen unserer Familie auch immer die Besichtigung der ,schönen‘ Großmutter an der Stadthalle gehörte - davon habe ich ein schriftliches Zeugnis von 1930. - Wer jedoch das Urteil von der ,schönsten Frau Heidelbergs‘ gefällt hat und wann diese Aussage entstanden ist, habe ich bisher nicht ergründen können. Vielleicht war und ist es den Familienmitgliedern immer etwas ,unangenehm und peinlich‘ gewesen - weil Schönheit in unserer Gesellschaft nicht als Wert gesehen wird, auf die Familien stolz sein könnten - wohl eher das Gegenteil. Was ich aus Erzählungen immer rausgehört habe, ist, dass meine ,Modellgroßmutter‘ eine sehr ungewöhnliche Frau gewesen sein muss.“
"Gegessen und gefaulenzt"
(2004)
2005 ist ein Wunderhornjahr, jedenfalls wenn wir die gedruckte Angabe „1806“ im 1. Band von Des Knaben Wunderhorn ignorieren und von der tatsächlichen Ausgabe zur Michaelismesse 1805 ausgehen. 2005 wird auch ein Andersenjahr sein wird, wie dem Kalender zu entnehmen ist. Dass der dänische Dichter und Autor weltbekannter Kunstmärchen aber in Beziehung zu Heidelberg steht, wäre hier niemand aufgefallen, wenn sich nicht der Kopenhagener Fernsehproduzent Chris Kraft-Christensen mit der Bitte um Erläuterungen, weitere Unterlagen und Abbildungen ans Kulturamt gewandt hätte. Das Ergebnis der Recherche stützt sich hauptsächlich auf die Tagebücher, die mir ohne die Übersetzungen von Kirsten Kalow unverständlich geblieben wären, ergänzt um die Angaben in den „Fremdenlisten“ im Heidelberger Journal. Andere Quellen (wie den Briefwechsel) habe ich nicht ausgewertet, sodass wichtige Fragen offen bleiben, insbesondere die nach Heidelbergbezügen in Andersens Werk.
Am jähen Steig
(2004)
Im Februar 1529 zogen Graf Froben Christoph von Zimmern und sein Diener Melchior Schenk durch den Odenwald nach Heidelberg. Ausgangspunkt der Reise war Aschaffenburg, eine Zwischenstation lag in Erbach im Odenwald. Die zweite Etappe dieses winterlichen Ritts war nach Darstellung der Zimmernschen Chronik vom Weingenuss geprägt: „Als nun der Spaß eine Weile gedauert hatte und sie sich wieder auf den Weg nach Heidelberg begeben wollten, verirrten sie sich und sie kamen zu weit nach rechts. Nach langem wurden sie wieder auf den rechten Weg gewiesen, aber es ging ihnen, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt: wer einmal einen Fehler gemacht hat, kann so leicht nicht mehr aus dem Irrtum kommen, namentlich aber zur Winterszeit und in einem so tiefen Schnee. Kurz, sie kamen bei Nacht auf den Heiligenberg.“ Die Stelle, an der die beiden Reisenden unfreiwillig eine kalte Nacht verbrachten, war der ,Zollstock‘, der Sattel zwischen Heiligenberg und Heidenknörzel, der einen grandiosen Blick aufs Schloss bietet: „Sie sahen die Lichter in der Stadt und im Schloß, hörten auch ganz deutlich die Uhren schlagen, Stunden ausrufen und Trommel schlagen im Schloß bis nach Mitternacht.“
Der Längste im ganzen Reich!
(2004)
Bei Recherchen für eine Geschichte der H. Fuchs Waggonfabrik AG in Heidelberg-Rohrbach, deren Anfänge in der von Heinrich Fuchs 1862 übernommenen Waggonmanufaktur des Heinrich Schäfer bestanden und deren Ende 1957 mit dem Verkauf durch den Letztbetreiber Dillinger Hütte kam, wurden Einkaufsakten und ein bislang unveröffentlichtes Photoalbum des Hofsalonwagens „Karlsruhe 1“ für Großherzog Friedrich II. und Großherzogin Hilda (Abb. 1) gefunden. Die Suche nach weiteren Informationen darüber blieb zunächst ergebnislos bis auf die in der Eisenbahnliteratur erwähnte Tatsache, dass es sich bei dem letzten badischen Hofsalonwagen offenbar um das längste Exemplar dieser Gattung unter den deutschen Länderbahnen handelte. Ganz im Gegensatz zu Kaiser Wilhelm II. war der badische und auch der württembergische Hof unterwegs im Hofsalonwagen jedoch eher photoscheu, denn es sind keine Fotos der Herrscher vor ihren Prestigewaggons gefunden worden. Zum Glück sind jedoch die ungedruckten, 1947 verfassten Erinnerungen des Geheimen Oberbaurats Dr. h. c. Alexander Courtin (1861-1956, Abb. 2) erhalten geblieben, der seinerzeit als Vorstand der Betriebsabteilung der Großherzoglichen Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahnen für die Anschaffung der Lokomotiven, Personen- und Güterwagen zuständig war. Ohne diese Quelle hätte das Folgende nicht geschrieben werden können, das ein erstes Mosaik aus weiteren Informationspartikeln versucht. Im Nachlass des Oberingenieurs und Designers Georg Mechtersheimer (1880-1972) fanden sich
nämlich die noch unveröffentlichten, kompletten Aufrisse und Querschnitte des Wagens in Bleistift. Über die Motive, warum zum vorhandenen Salonwagen gleich noch einer gebaut werden musste, kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich steckte eine Großherzogin dahinter.
In der Karlstraße 16 sind das Praktisch-Theologische Seminar und das Diakoniewissenschaftliche Institut der Universität Heidelberg untergebracht. Auf dem Gelände hinter dem Gebäude befinden wir uns am Fuße des sog. Schlossberges. Die ursprüngliche Hangsituation wurde durch den Einbau zweier Terrassen verändert, die durch drei Stützmauern aus behauenen Sandsteinen abgefangen wurden. Vermutlich hat man diese Terrassierung Ende des 19. Jahrhunderts vorgenommen. Die am weitesten talwärts gelegene Stützmauer stürzte im August 2002 in Teilen zusammen. Zahlreiche Regenfälle verursachten eine Hinterspülung der Mauer genau an der Stelle, wo sich der Hohlraum eines Kanalgewölbes befindet. Hier war die Stützmauer nicht fest genug verankert, was schließlich zu ihrem Einsturz und zur Entdeckung des Stollens führte. Darüber unterrichtete Herr Bauer vom Universitätsbauamt die Archäologische Abteilung des Kurpfälzischen Museums, die anschließend im Auftrag des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg eine archäologische Untersuchung durchführte.
"Gemeinsame Sache"
(2004)
Seit dem Übergang der Pfalz am Rhein an den Wittelsbacher Otto II. (1214-1253) im Jahre 1214 stand sie zusammen mit Bayern unter gemeinsamer Regierung. 1255 wurde unter Ottos II. Söhnen eine Nutzungsteilung der gesamten Besitztümer der Wittelsbacher in einen oberbayerischen und pfälzischen Komplex einerseits und einen niederbayerischen andererseits durchgeführt. Der jüngere, Heinrich XIII. (1253-1290) erhielt Niederbayern; der ältere, 1229 in Heidelberg geborene Ludwig II. (1253-1294) Oberbayern und die Pfalz am Rhein, freilich sollte dies für die Pfalz zunächst ohne Folgen bleiben.
Die als „Heidelberger Schlossstreit“ in die Literatur eingegangene Auseinandersetzung im letzten Drittel des 19. bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts fokussierte sich bekanntlich auf die Frage, wie mit den renaissancistischen Palästen der Schlossanlage zu verfahren sei: Konservierende Restaurierungskonzepte standen gegen das vom Finanzministerium und dem Architekten Carl Schäfer vertretene Konzept einer historisierenden Wiederherstellung. Die Bedeutung dieser Debatte liegt darin, dass sie die Entwicklung derjenigen Leitsätze der Denkmalpflegetheorie und -praxis voranbrachte, die die Grundlegung der modernen Denkmalpflege bilden. Insofern reicht die Wirkungsgeschichte dieses Streits bis in unsere Gegenwart. Sie führte zu richtungsweisenden methodischen Innovationen im Umgang mit dem Denkmal. Auch die Forschung zur Bau- und Ausstattungsgeschichte des Schlosses bekam einen mächtigen Schub: Quellensammlungen und eine Fülle von Publikationen zur politischen Geschichte, zur Bau- und Kunstgeschichte entstanden in diesem Kontext. Sogar ein Periodikum hatte der 1866 gegründete Schlossverein herausgegeben, das sich ausschließlich den Schlossfragen widmete, die „Mitteilungen zur Geschichte des Heidelberger Schlosses“.
Ende des 12. Jahrhunderts wollte der Knabe Eberhard, der zu dieser Zeit auf der pfalzgräflichen Burg zu Heidelberg lebte, entflammt vom „desiderium conversionis“, in ein Kloster eintreten und machte sich heimlich, da er sein Vorhaben vor den Eltern verbergen wollte, von der Burg auf der Heidelberger Molkenkur auf ins nahe Kloster Schönau, das, wie der Autor seiner Vita erwähnt, „ungefähr zwei Meilen von Heidelberg entfernt liegt“. Durch die Abfuhr, die er dort vom Abt erhielt, ließ er sich jedoch nicht entmutigen, sondern versuchte es einige Zeit später gleich noch einmal. Erneut abgewiesen, wurde er vor dem Zorn seiner Eltern bewahrt, indem ihn ein Engel Gottes bis auf den elterlichen Hof bei der Burg Stahleck brachte. Nach einem dritten Versuch blieb ihm aber göttliche Hilfe verwehrt, vielmehr kam nun sein Bruder zornig von Heidelberg her und brachte ihn zurück.
Die Ruine der Burg Fleckenstein liegt im Elsass nur wenige hundert Meter hinter der deutschen Grenze, doch selbst im Zeitalter von Auto und Autobahn immerhin noch gute zwei Fahrstunden von Heidelberg entfernt. Im Mittelalter bedeutete das mindestens eine Zweitagesreise. Die Tatsache dieser Distanz wirft die Frage auf: Wie kam es, dass Töchter der Familie sich ihr Kloster ausgerechnet so weit entfernt von der heimatlichen Burg aussuchten? Martha und Catharina von Fleckenstein waren die einzigen ihrer Familie in Kloster Neuburg. Ihre Namen werden in den Urkundensammlungen zur Klostergeschichte, die Sillib und Schaab herausgaben, nicht erwähnt.
1936 war das Jahr, in dem der entscheidende Vierjahresplan mit den Zielen verstärkter Aufrüstung und weitgehend autarker Rohstoffversorgung erlassen wurde, das Jahr der Olympischen Spiele, die im August stattfanden, und das Jahr, in dem in Heidelberg vom 1. bis 16. Juli ein Lager des Kultur- und Rundfunkamtes der Reichsjugendführung, ein „kulturpolitische[s] Arbeitslager“, abgehalten wurde.
Der Überblick über die Kirchenmusikpflege an Heiliggeist im 20. Jahrhunderts will eine historische Darstellung sein. Er nennt - soweit feststellbar - die bei den Gottesdiensten verwendeten Kirchengesangbücher, gregorianischen Choralbücher und mehrstimmigen Kompositionen, bei den Geistlichen Konzerten und konzertanten Orgelmusiken die Programme, soweit überliefert. Quellen bilden das Verzeichnis von Domorganist Wilhelm Weitzel von 1927, der Nachruf von E.J. Vierneisel von 1962 für die Amtszeit von Otto Bundschuh, die persönlichen Mitteilungen der Stelleninhaber und die gedruckten wöchentlichen Mitteilungen des Pfarramts für die fünf folgenden Kantoren. Diese wöchentlichen Mitteilungen an die Pfarrangehörigen unterrichten manchmal genau, öfter in pauschaler Weise, bieten wiederholt keine vollständigen Programme. Die Informationen über die Choralschola verdankt der Verfasser ehemaligen Mitgliedern dieser Gesangsgruppe, besonders den Herren Eberhard Grießhaber und Helmut Mölls. Beurteilungen der Programmwahl und der Aufführungen werden nicht geboten. Dreimal sind lediglich grundsätzliche Überlegungen dazu eingefügt. Bei den Ausführenden werden die Cappella Palatina und die Gastchöre sowie der jeweilige
Kantor erwähnt (keine Solisten und keine Orchester). Bei konzertanten Orgelmusiken wird der Spieler mitgeteilt. Zeitungsberichte über Gottesdienste, Geistliche Konzerte und konzertante Orgelmusiken sind nicht benützt. Von Nachrichten in Zeitschriften und Jahrbüchern wurden nur die sachlichen Mitteilungen übernommen. Weitere Quellen wie das Erzbischöfliche Archiv Freiburg, das Amtsblatt der Diözese, die Schrift über den Diözesan-Cäcilienverein von Wolfgang Hug, werden jeweils genannt.
Die katholische Gemeinde Heidelbergs benützte im 18. Jahrhundert als Kirchenraum hauptsächlich den Chor der Heiliggeistkirche am Marktplatz als Pfarrkirche. Daneben bestanden mehrere Klosterkirchen. Auf den wiederholten Streit zwischen reformierter und katholischer Gemeinde wegen der Heiliggeistkirche braucht hier nicht eingegangen zu werden. Dieser ist kompetent dargestellt im Buch „800 Jahre Heidelberg. Die Kirchengeschichte“ im Jahr 1996. Im Zusammenhang mit der Säkularisierung am Anfang des 19. Jahrhunderts gingen Kirchen und Klostergebäude der sechs Heidelberger Klöster in Staatsbesitz über und wurden anderer Verwendung zugeführt oder abgerissen. Darüber berichtete Hermann Schmid in der Freiburger historischen Dissertation „Die Säkularisierung der Klöster in Baden 1801-1811“.
Bei Aushubarbeiten zum Bau eines neuen Bürogebäudes wurden die letzten Reste einer jungsteinzeitlichen Grube angeschnitten. Der noch 1,60 m unter heutiger Oberfläche liegende Befund enthielt etwas Keramik und gehörte zu einer größeren Siedlung am südlichen Neckarufer, von der in näherer Umgebung der neuen Fund stelle bereits weitere Gruben entdeckt worden sind.
Die Stadtbücherei Heidelberg sammelt schon seit vielen Jahren alles, was zu unserer Stadt und - in eingeschränktem Rahmen zur Region (ehemalige Kurpfalz) - erscheint. Die Bestände sind mit einem elektronischen Katalog erschlossen, der sowohl vor Ort als auch online über die Homepage der Stadtbücherei zugänglich ist.
1987 wurde in Heidelberg das „Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland“ eingerichtet. Es handelt sich dabei um eine Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland, die möglich wurde, nachdem die Bundesregierung die Finanzierung zugesagt hatte. Inhaltlich gesehen knüpft das Zentralarchiv an die Arbeit des „Gesamtarchivs der deutschen Juden“ an, das bis 1939 in Berlin bestanden hat. Bereits diese wenigen Angaben zur Entstehung werfen Fragen auf, deren Beantwortung auf eine Verortung des Zentralarchivs im Zusammenhang sowohl der jüdischen Zeitgeschichte als auch des akademischen Geschichtsdiskurses hinausläuft. Zunächst verlangen äußere Parameter wie Ort und Zeit nach Erklärung.