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Sprechende Wände
- Zu allen Zeiten haben Menschen - Handwerker, Architekten, Künstler, Schlossbewohner, Personal, Wachsoldaten, Reisende, Touristen, Liebespaare - am und im Schloss ihre Spuren hinterlassen. Sie verewigten sich an den Schlossmauern, den Wänden im Inneren, auf Türen, Fensterscheiben und Figuren. Es finden sich Spuren in einer Bandbreite, die von eingeritzten Monogrammen bis zu komplexen Zeichnungen reicht, über einen Zeitraum von 1704 bis heute. Gegenstände finden sich unter den Fußböden: Briefe, Fragmente von Kleidung, Schuhe, Keramik. So werden die Wände des Gebäudes und seine Fehl- und Zwischenböden zu einem lebendigen Geschichtsarchiv, zu einem gewaltigen steinernen Kalender, der bis in unsere Gegenwart reicht und ständig fortgesetzt wird. Aus der Vielzahl der Spuren werden im Folgenden anlässlich des 300-jährigen Schlossjubiläums die des 18. Jahrhunderts vorgestellt. In allen Schlossgebäuden finden sich bauzeitliche »Menschenspuren«: Inschriften, Abrechnungen, Sprüche, Zeichnungen, Karikaturen und Jahreszahlen. Die Wand als Notiz-oder Skizzenblock, manchmal auch als »Schmierpapier« zu verwenden war keine Ausnahme, sondern die Regel. Bei der Menge an »Menschenspuren« kann die Anbringung keine unerlaubte oder explizit verbotene Handlung gewesen sein. Deshalb trifft der Terminus »Graffiti« auf diese Hinterlassenschaften nur teilweise zu, da dieser die unerlaubte Handlung und das Schreiben, Zeichnen oder Sprayen auf dafür nicht vorgesehene Träger voraussetzt. Die Wandflächen im Rohbau des Ludwigsburger Schlosses waren aber ganz offensichtlich ein üblicher Träger für allerlei Notizen und Späße. Deshalb sehe ich die Hinterlassenschaften der Bauarbeiter, Handwerker und Künstler als »Menschenspuren«. Inschriften und Zeichnungen werden dennoch umgangssprachlich als Graffiti bezeichnet bzw. in wissenschaftlichen Publikationen als »historische Graffiti«. Ich definiere: Graffiti sind Ausdrucks- und Kommunikationsformen - Inschriften oder Zeichnungen - spontaner Art. Sie sind nicht beauftragt und befinden sich auf einem Träger, der nicht Papier ist.
Verfasserangaben: | Daniel SchulzGND |
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DOI: | https://doi.org/10.57962/regionalia-20217 |
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch): | Ludwigsburger Geschichtsblätter |
Untertitel (Deutsch): | Graffiti aus der Bauzeit des Ludwigsburger Schlosses |
Dokumentart: | Wissenschaftlicher Artikel |
Sprache: | Deutsch |
Jahr der Erstveröffentlichung: | 2004 |
GND-Schlagwort: | Schloss Ludwigsburg 〈Ludwigsburg〉; Graffito; Wandmalerei |
Jahrgang: | 58 |
Erste Seite: | 45 |
Letzte Seite: | 70 |
DDC-Sachgruppen: | 700 Künste und Unterhaltung / 750 Malerei / 750 Malerei, Gemälde |
Systematik der Landesbibliographie: | Sprache, Literatur, Kunst und Kultur / Bildende Künste / Architektur |
Sprache, Literatur, Kunst und Kultur / Bildende Künste / Malerei, Grafik und Fotografie | |
Zeitschriften: | Ludwigsburger Geschichtsblätter / 58.2004 |
Lizenz (Deutsch): | Creative Commons - CC BY-SA - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International |