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Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (294)
Gehört zur Bibliographie
- nein (294)
Schlagworte
- Ludwigsburg (125)
- Geschichte (106)
- Zeitschrift (89)
- Landkreis Ludwigsburg (83)
- Marbach am Neckar (17)
- Schloss Ludwigsburg 〈Ludwigsburg〉 (15)
- Höfische Kultur (11)
- Sozialgeschichte (8)
- Friedrich I., Württemberg, König 〈1754-1816〉 (7)
- Kurpfalz (7)
Am 13. November 1897 versammelte sich im Ludwigsburger Bahnhotel eine respektable Runde von Honoratioren der Stadt, um den »Historischen Verein für Ludwigsburg und Umgebung« zu gründen. Der neue Verein, der heute »Historischer Verein
für Stadt und Kreis Ludwigsburg« heißt, erhielt natürlich auch eine Satzung. In dieser
Satzung wird als Aufgabe und Zweck des Vereins definiert, »die Geschichte Ludwigsburgs und der Umgebung zu erforschen […] und den Sinn für Altertumskunde zu
wecken und zu pflegen«. Dieses Ziel sollte unter anderem mit öffentlichen Vorträgen
und mit der »Herausgabe einer unter dem Titel ›Ludwigsburger Geschichtsblätter‹ erscheinenden Vereinsschrift« erreicht werden.
Maßgeblicher Initiator und der eigentliche Spiritus rector des neuen Vereins war
Christian Belschner, der dann auch im November 1899 in der Nachfolge von Oberbürgermeister Gustav Hartenstein zum 1. Vorsitzenden des Vereins gewählt wurde.
Christian Belschner war es dann auch, der im Jahre 1900 im Auftrag des Vereins den
ersten Band der »Ludwigsburger Geschichtsblätter« herausgab. Das in der »Kgl. Hofbuchdruckerei Ungeheuer & Ulmer« hergestellte Heft enthält auf 87 Seiten sechs
Beiträge, die sich mit unterschiedlichen Themen aus der Heimatgeschichte befassen.
Drei Beiträge hat Belschner selbst beigesteuert: einen mit dem Titel »Kurze Geschichte
der Entstehung der Stadt Ludwigsburg«, die zwei anderen handeln von der Schulgeschichte Ludwigsburgs und von »Reichsgraf Johann Carl von Zeppelin und sein
Grabmal«. Es ging freilich nicht nur um Ludwigsburger Geschichte. Der Verein nahm
seinen Namenszusatz »für Ludwigsburg und Umgebung« von Anfang an sehr ernst.
Dies verdeutlichen namentlich der Aufsatz von Dr. Karl Weller, der den Lesern des
ersten Ludwigsburger Geschichtsblattes »Die wirtschaftliche Entwicklung der Ludwigsburger Landschaft bis zur Gründung der Stadt« vorstellte, und der Beitrag »Einiges über das Straßenwesen im Herzogtum Wirtemberg und der Bau der Landstraße
Stuttgart–Kornwestheim–Ludwigsburg« von Oberpostsekretär Dr. Friedrich Haaß.
Als König Friedrich von Württemberg (1754–1816) vor 200 Jahren, am 30. Oktober 1816, in Stuttgart verstarb, begann für das Ludwigsburger Schloss eine neue Zeitrechnung. Während Friedrichs Regierungszeit – von 1797 bis 1816 – diente die Schlossanlage mit den weitläufigen Gärten und den nahegelegenen Schlösschen Favorite und Monrepos als herrschaftliche Sommerresidenz und beliebter Aufenthaltsort des württembergischen Hofes in der warmen Jahreszeit. Alljährlich zum Osterfest im Frühjahr zog Friedrich mit seinem Hofstaat von seiner Haupt- und Winterresidenz, dem Neuen Schloss in Stuttgart, nach Ludwigsburg um und blieb meist bis Anfang Oktober, ehe die Kisten und Kutschen erneut gepackt wurden und alle wieder nach Stuttgart zurückreisten. Im Schloss und in der Stadt pulsierte in diesen Monaten geschäftiges Treiben, denn auch die Dienerschaft, der Adel sowie Künstler, Handwerker und Kaufleute hielten sich nun verstärkt in der Ludwigsburger Residenzstadt auf. Immer wieder wurden Botschafter, Gesandte, Familienmitglieder oder auch hochrangige Staatsgäste und Würdenträger empfangen und vereinzelt fanden größere Feste, Hofbälle und Truppenrevuen im Schloss beziehungsweise in der näheren Umgebung statt.
Ludwigsburger Keramik-Maler
(2020)
Es war in der europäischen Startzeit der Porzellanherstellung nicht in allen Manufakturen üblich, dass sie unmittelbar nach
ihrer Gründung sofort mit der Produktion von Porzellan beginnen konnten. In Ludwigsburg war die Verzögerung sogar extrem: Nach der offziellen Gründung im April 1758 kam es zur eigentlichen Produktionsvorbereitung erst, nachdem Joseph Jacob Ringler im Februar 1759 als Leiter der Manufaktur eingetreten war. Im April 1759 erfolgte dann obendrein noch eine Entscheidung zu einem Umzug auf ein Grundstück, auf dem drei gut erhaltene Verwaltungsbauten standen und jetzt zusätzlich die erforderlichen Neubauten von Produktionshallen erstellt wurden. Damit konnte auch erst die Errichtung eines – und bald eines zweiten − funktionierenden Brennofens erfolgen. Bau- und Testzeit haben sicher mehrere Monate benötigt, so dass wohl nicht vor Ende September 1759 – falls nicht sogar erst 1760! − mit einer akzeptablen Produktion begonnen werden konnte.
Louis Bührer hat viel in seinem Leben bewirkt, aber nur wenig Greifbares zu seinem
Leben hinterlassen. Ein persönlicher Nachlass existiert nicht. Erhalten sind lediglich
die amtlichen Nachlassakten von ihm und seiner Frau, Protokolle und amtliche
Schriftstücke aus seiner Tätigkeit als Stadtrat sowie unzählige größere und kleinere
Artikel und Notizen in der Lokalpresse, die mit ihm in direktem oder indirektem
Zusammenhang stehen. Als Silberarbeiter schaltete er keine regelmäßigen Geschäftsanzeigen in der örtlichen Presse, die wenigen Privatanzeigen beschränkten sich hauptsächlich auf die Vermietung von Wohnungen in seinem Haus. Bleibt Louis Bührer
als Mensch weitgehend im Hintergrund, so tritt er umso deutlicher als vielseitig
engagierter Bürger von Ludwigsburg vor unsere Augen.
Wilhelm Ludwig Bührer wurde am 22. Dezember 1803 als zehntes von zwölf
Kindern des Nagelschmieds und Zunft-Obermeisters Christian Friedrich Bührer sr.
in Ludwigsburg geboren. Er besuchte zur selben Zeit wie Eduard Mörike die örtliche
Lateinschule, wurde 1817 konfirmiert und erlernte danach in Esslingen den Beruf
eines Silberarbeiters. Die Neigung zu künstlerischen Berufen lag in der Familie. Sein
älterer, am 1. Dezember 1800 geborener Bruder Christian Friedrich jr. wurde Kupferschmied und gründete 1829 in Ludwigsburg eine Werkstätte für Kupferwaren, die später
in der Firma Hünersdorff aufging. Wilhelm Ludwig Bührer arbeitete nach seiner
Ausbildung als Silberarbeiter in Tuttlingen, München und Paris, wo er vermutlich
auch seinen Rufnamen Ludwig in Louis änderte. Am 22. Juli 1829 heiratete er die
am 20. November 1805 in Paris geborene Léonide Antoinette Mortieau und ließ sich
danach beruflich in Brüssel nieder. Die Ehe blieb kinderlos.
Von den württembergischen Königinnen ist die erste, Königin Charlotte Auguste
Mathilde, die unbekannteste geblieben. Dabei war sie als geborene Prinzessin
von Großbritannien und Irland nach der Rangordnung des europäischen Adels
durchaus mit den späteren Königinnen Katharina und Olga, beide geborene
Großfürstinnen von Russland, zu vergleichen. Ihr Heimatland stieg während
ihrer Lebenszeit zur Weltmacht auf. Sie selbst heiratete 1797 Herzog Friedrich II.
von Württemberg, der 1803 zum Kurfürsten erhoben wurde und 1806 die Königswürde annahm. So war Charlotte Mathilde zwar schließlich Königin in einem
relativ kleinen Land, aber sie war immerhin Königin.
Die geringere Popularität der Monarchin gegenüber ihren Nachfolgerinnen
dürfte zwei Gründe haben. Zum einen war sie mit König Friedrich verheiratet,
der als schwierige Persönlichkeit galt.
In seine Zeit fiel die Säkularisation und
Mediatisierung, aber seine Regierungsjahre waren auch von schweren Krisen,
ausgelöst durch Kriege und eine Reihe von Missernten, bestimmt. Neben dem
willensstarken, autoritären König verblasste die Gemahlin etwas, weil sie sich nicht
direkt in die Politik ihres Ehemannes einmischte. Dabei nahm sie interessiert
Anteil an den politischen Entwicklungen, denn sie war an einem bedeutenden
europäischen Hof aufgewachsen. Als das Herzogtum Württemberg im Zweiten
Koalitionskrieg zwischen Frankreich und Österreich massiv von französischen
Truppen bedroht wurde, bat Charlotte Mathilde ihren Vater König Georg III.,
für Württemberg Partei zu ergreifen und ihren Gemahl zu unterstützen. Außerdem spielte der Umstand eine Rolle, dass König Friedrich bereits aus seiner
ersten Ehe drei Kinder hatte, der Erbprinz bei der zweiten Eheschließung also
bereits geboren war.
»Ohne seine jüdischen Mitbürger ist Ludwigsburg ein Stück ärmer geworden.« Mit diesem Satz endet das Vorwort von Werner Heinrichs in dem von ihm herausgegebenen Buch »Geschichte der jüdischen Gemeinde Ludwigsburg«. Insbesondere vor dem Hintergrund der in letzter Zeit verstärkt auftretenden Relativierungsversuche hinsichtlich des Holocaust und der Zeit des Nationalsozialismus ist es wichtig, die mahnende Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen aufrechtzuhalten und mit objektiven Quellenbelegen aufzuzeigen, dass das Dritte Reich kein weit entferntes Phänomen in Berlin oder München war. Diskriminierung, Demütigung, Verfolgung und Ermordung lassen sich bis auf die kommunale Ebene der Verwaltung zurückverfolgen. Die folgenden Ausführungen sollen einen Eindruck vom jüdischen Leben in
Ludwigsburg geben, bis dieses durch Rassenwahn und Menschenverachtung unwiederbringlich zerstört und vernichtet wurde. Die Zerstörung der Ludwigsburger Synagoge am 10. November 1938 symbolisiert das Ende der jüdischen Gemeinde Ludwigsburg. In der Folge emigrierten viele noch in Ludwigsburg verbliebene jüdische Bürgerinnen und Bürger. Wem dies nicht gelang, der wurde in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Von den mehr als 50 zwischen 1940 und 1944 deportierten Ludwigsburger Juden überlebten lediglich vier Personen die nationalsozialistische Mordmaschinerie.
In jeder Familie gibt es Krach. Und zu den Klassikern gehört, dass sich die älteren
Geschwister beschweren, wenn das Nesthäkchen mal wieder eine Vorzugsbehandlung
bekommt. Noch schlimmer womöglich, wenn das Kleinste noch einen anderen Vater
oder eine andere Mutter als die übrigen Kinder hat. So geht es manchmal auch in
einem Gemeinwesen zu. Denn ausgerechnet der namensgebende Ort der Stadt Ludwigsburg ist ja bei weitem der jüngste gegenüber den anderen, eingemeindeten Orten,
die sämtlich viele Jahrhunderte älter sind.
Eglosheim, Neckarweihingen, Hoheneck, Oßweil, Pflugfelden und Poppenweiler
sind gewachsene Siedlungen aus sehr alten Zeiten, ihre Gründer bleiben unbekannt.
Ludwigsburg dagegen kann sich rühmen, in Eberhard Ludwig von Württemberg
einen Stadtvater im wahrsten Sinne des Wortes zu haben, der zu Lebzeiten die
Ortschaft hegte und pflegte und testamentarisch ihren Fortbestand verfügte. Die
heutigen Ortsteile von Ludwigsburg fühlen sich deshalb mitunter zurückgesetzt. Sie
machen diesen Makel durch ihren eigenen Lokalstolz wett. »Wir sind halt mehr als
doppelt so alt wie Ludwigsburg«, das wurde mir als Neuankömmling schon nach
wenigen Wochen beim Friseur in Oßweil bedeutet. Immerhin bemühten sich frühere
Stadtoberhäupter Ludwigsburgs darum, das hohe Alter der Ortsteile zu würdigen. So
bezeichnete Oberbürgermeister Dr. Elmar Doch Eglosheim im Jahre 1951 als »dreimal so alte Tochter«. Aber dennoch: Wer die Auseinandersetzungen um die Eingemeindungen Ludwigsburgs nachverfolgt oder sich gar an diese erinnert, wird sogar
regelrecht feindliche Einstellungen gegenüber der jüngeren Konkurrenz feststellen,
die alle etablierten Orte so dreist überholt hat. Das ist bei Freudenstadt im Schwarzwald nicht anders, das ebenso wie Ludwigsburg, wenn auch noch ein Jahrhundert
früher, vom württembergischen Herzog gegründet wurde. »In Baiersbronn [dem
älteren Nachbarort, K. N.] ist die Luft in dieser Hinsicht sogar heute noch nicht
gereinigt«, schreibt 1937 der Ortschronist von Freudenstadt. Gewisse feindliche Einstellungen halten sich auch über Jahrhunderte.
In Württemberg regierte seit 1677 (bis 1693 unter Vormundschaft) Herzog Eberhard Ludwig. Der absolutistische Herrscher legte 1704 den Grundstein des Ludwigsburger Schlosses, dem ab 1718 der planmäßige Ausbau der gleichnamigen Stadt folgte. Diese vom Herzog begünstigte Ansiedlung sollte in den Folgejahren zu einem großen Hindernis für die Entwicklung vieler umliegender Orte und zu einer finanziellen Belastung für die angrenzenden Ämter werden.
Durch die Initiative eines privaten Unternehmers wird das Schloss Freudental seit einigen Jahren als Veranstaltungsort für private und betriebliche Feiern genutzt. Man kann die Räume mieten oder im historischen Schlosspark feiern. Damit knüpft der Eigentümer und Betreiber bewusst an die Tradition des 18. und frühen 19. Jahrhunderts an, als Schloss Freudental ein Land- und Jagdschloss der württembergischen Herzöge war. Unter König Friedrich erlebte das Schloss seine letzte Blütezeit als herrschaftliche Residenz. Der Nachfolger König Wilhelm I. gab es auf, weil er seine Hofhaltung einschränkte und andere
Schlösser bevorzugte. Danach erlebte die Anlage eine wechselvolle Geschichte als Wohnhaus der Pensionärinnen des Katharinenstifts Stuttgart, Erholungsheim der Allgemeinen Ortskrankenkasse Stuttgart und schließlich als Altenheim des Landkreises Ludwigsburg. Im Lauf dieser verschiedenen Phasen wurde das Schloss innen stark verändert und umgebaut.
Als das Seniorenheim nicht mehr den Anforderungen der modernen Altenpflege entsprach und aufgegeben werden musste, wusste man längere Zeit nicht, wie man die Immobilie nutzen sollte. Mit der gastronomischen Nutzung ist das Schloss Freudental wieder ein Ort der Feste und Feiern geworden. Wo einst Mitglieder der württembergischen Regentenfamilie residierten, kann man heute die Räume und den Garten für Veranstaltungen mieten.
Das eigene Schloss ist ein alter Traum des Menschen. So fand das »Schloss« als Ausdruck repräsentativer Lebensform seine Konkretisierung im Laufe der Jahrhunderte in unterschiedlichster Form, und dies nicht nur auf fürstlicher Ebene. Zeugnis davon legen die in ganz Europa anzutreffenden Stadtvillen, Herrenhäuser, aber auch Klosteranlagen in ihrer ganzen architektonischen Vielfalt ab. Die Ausgestaltung dieser nicht zuletzt der Selbstdarstellung des Bauherrn dienenden Gebäude hing natürlich zunächst einmal von dessen Geldbeutel ab. Darüber hinaus war aber auch die Vorbildwirkung naher Fürstenresidenzen von Bedeutung, womit der mögliche Zugriff auf hochspezialisierte Bauhandwerker einhergeht. Mein Beitrag beleuchtet eingangs anhand eines Beispiels aus Markgröningen die Formen bürgerlicher Repräsentation in unserem Raum zu Anfang des 18. Jahrhunderts, also noch vor Entfaltung der barocken Pracht des Ludwigsburger Schlosses. Daran schließt sich ein kurzer Blick auf den Architekten und die Baugeschichte des Schlosses an. Besondere Aufmerksamkeit wird den Stuckdecken gewidmet, ohne hierbei allerdings auf kunsthistorische Details einzugehen. Parallel dazu werden Gebäude mit dem vom Schloss entlehnten barocken Schmuck aus Markgröningen und Löchgau vorgestellt.
Schloss und Stadt Ludwigsburg sind ein Gesamtkunstwerk, geschaffen und geprägt von einheimischen und ausländischen Künstlern, Handwerkern und Arbeitern. Menschen aus verschiedenen Kulturräumen – Oberitalien, Adriaregion, Österreich-Ungarn, Böhmen, Frankreich und Württemberg – haben zum Ruhme Herzog Eberhard Ludwigs dieses Gesamtkunstwerk mit seiner Eigenart entstehen lassen. Der Anfang der heutigen Stadt Ludwigsburg war einerseits großartig, denn der Schlossbau Johann Friedrich Nettes war ein singulärer Akt in Württemberg. Erstmals hielt der Barock in seiner ganzen Blüte Einzug im Herzogtum, das bis dahin auf künstlerischem Gebiet nicht besonders in Erscheinung getreten war. Schloss Ludwigsburg war und ist das bedeutendste Barockbauwerk in Württemberg. Es musste seinerzeit wie ein Fremdkörper im Herzogtum gewirkt haben, »denn es war im Stil ein ganz neues, in keiner Weise den hiesigen Traditionen entsprechendes Gebäude, das jedoch eine starke Ausstrahlung auf die weitere Kunstentwicklung des Landes besaß«. Andererseits war der Anfang des Ludwigsburger Gemeinwesens erbärmlich, denn zunächst bestand die Stadt nur aus dem Gasthaus Waldhorn und einer Ansammlung ärmlicher Hütten um die Baustelle herum und im Bereich der heutigen Bauhofstraße. Hier lebten die Steinmetze, Schlosshandwerker, Arbeiter und Tagelöhner. Die der Baustelle am nächsten liegenden menschlichen Behausungen waren zwei Bauernhöfe: der Fuchshof und der Schafhof.
»Aecht Franck«
(2019)
Ein vergessenes und deshalb nicht gefeiertes Jubiläum war der Anlass für diesen Aufsatz. 2018 feierte Ludwigsburg programmreich »300 Jahre Stadt werden«. Ein anderes, für die Stadt und ihre wirtschaftliche Entwicklung wichtiges und
ebenfalls mit einem Jubiläum verbundenes Ereignis – 150 Jahre Industriestandort Ludwigsburg – rückte dabei in den Hintergrund: Ende 1868, Anfang 1869 nahm nämlich die Kaffeemittel-Fabrik von Johann Heinrich Franck aus Vaihingen in den neu errichteten Fabrikhallen westlich des Ludwigsburger Bahnhofs ihre Produktion auf. Die Ansiedlung von Heinrich Franck Söhne, wie die Firma jetzt hieß, war zum einen für Ludwigsburg ein Glücksfall und zum anderen für Franck das Tor zum großen geschäftlichen Erfolg. Um die steigende Nachfrage nach dem beliebten Zichorienkaffee befriedigen zu können, expandierte die Firma und gründete Zweigwerke in ganz Europa. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum in Ludwigsburg im Jahr 1918 verlieh die Stadt den beiden Teilhabern und Geschäftsführern Robert und Richard Franck für ihre Verdienste um die Stadt die Ehrenbürgerrechte.
»Die erste Probefahrt auf der Eisenbahn von Stuttgart nach Ludwigsburg fand gestern [30. September] statt. Früh ½ 8 Uhr verkündete das Pfeifen der Locomotive ihre Ankunft auf dem hiesigen Bahnhof. Die Fahrt auf der ganzen Strecke ging glücklich von statten. Der Locomotive waren angehängt ein Personen- und ein Packwagen. Weitere Probefahrten mit entsprechender Zahl von Personen- und Packwägen finden heute und morgen statt und es soll die Bahn am kommenden Samstag dem Staat zum Betrieb übergeben werden.« Diese bescheidene Notiz im Ludwigsburger Tagblatt vom 1. Oktober 1846 bedeutete das Ende der eher beschaulichen Zeiten für Ludwigsburg; modernere Zeiten kündigten sich mit dem Pfeifen der Lokomotive an. Stuttgart, bisher etwa zwei Postkutschenstunden von Ludwigsburg entfernt, war jetzt viermal am Tag in einer halben Stunde zu erreichen. Diesem historischen Ereignis ging eine landesweit gut zehnjährige Planungsphase voraus, über die in der örtlichen Presse erstaunlicherweise fast gar nicht berichtet wurde.
Höchste Staatstugend im Reiche König Wilhelms 1. war die Sparsamkeit. Folglich trachtete seine Reorganisation des württembergischen Heeres von 1817 zuerst nach dessen Verminderung. Mochte damit auch der militärische Glanz eines
Friedrich I. passe sein: Ludwigsburg blieb nach wie vor das »schwäbische Potsdam«. 7000 Mann stark war jetzt das württembergische Armeekorps, und 3000 davon standen in Ludwigsburg. Alle Waffengattungen waren hier vertreten: Infanterie, Reiterei, die gesamte Artillerie und der Generalquartiermeisterstab mit der Pionierkompanie. Zur Ausbildung des Offiziersnachwuchses gründete König Wilhelm 1820 die Kriegsschule in der Mömpelgardstraße. 1821 ließ er einen Militärschießplatz einrichten, zwischen der Gießhaus- und der Hohenzollernstraße. Und es gab einen Exerzierplatz an der Stuttgarter Straße.
Beschäftigt man sich mit der weitverzweigten Esslinger Malerfamilie Ihle, so drängt
sich eher die Bezeichnung »Dynastie« auf, ist es doch eine auffallend seltene
Erscheinung, dass es eine Familie vom ausgehenden 17. bis in das 19. Jahrhundert
hinein geschafft hat, jeweils vom Vater auf den Sohn wortwörtlich den Malerpinsel
bzw. das Kunsthandwerk weiterzureichen – ja nicht nur weiterzureichen, sondern
auch zu begabten und namhaften Künstlern heranzubilden. Herausgegriffen sei an
erster Stelle der in Nürnberg zu höchstem Ruhm und künstlerischer Anerkennung
gelangte Bildnismaler Johann Eberhard Ihle (1727–1814), der es sogar bis zum
Direktor der dortigen Malerakademie brachte, ebenso Philipp Jakob Ihle (1736–
nach 1790), der zunächst als Porzellan- und Theatermaler in Ludwigsburg wirkte und
dann Hofmaler des Prinzen Friedrich von Württemberg in Mömpelgard wurde, oder
Georg Tobias Ihle (1745–1797), der den Neubau des Stadtarchivs in Heilbronn ausmalte und Mitglied der Nürnberger Malerakademie wurde, aber auch Johann Jakob
Ihle (1702–1774), der als Bildnismaler nicht nur des Esslinger Patriziats erfolgreich
war und mehrere Emporen württembergischer Kirchen durch Bildlegenden versah.
Werke der Ihles befinden sich im Bach-Museum in Eisenach, im Germanischen
Nationalmuseum in Nürnberg, im Bayerischen Nationalmuseum in München, in der
Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, im Deutschen Apothekenmuseum in
Heidelberg, im Nürnberger Stadtmuseum, im Schiller-Nationalmuseum in Marbach/N., in der Tübinger Universität, im Calwer Stadtmuseum, selbstverständlich
im Esslinger Stadtmuseum, unzählige in Privatbesitz und möglicherweise in der
Deutschen Barockgalerie in Augsburg. Die Ihles malten nicht nur Esslinger Patrizier
und Pfarrer, sondern sogar prominente Adelige und hochgestellte Persönlichkeiten
des öffentlichen und geistigen Lebens ihrer Zeit wie z. B. die Herzöge Carl Alexander
und Carl Eugen von Württemberg, Johann Albert Bengel, Friedrich Gottlieb Klopstock, Ladislaus Ignac Bercsenyi. Sogar ein Bildnis Johann Sebastian Bachs wird ohne
Bedenken einem Ihle zugetraut!
Auf heutiger Ludwigsburger Gemarkung befand sich bereits im frühen Mittelalter
eine dauernde Ansiedlung. Verschiedenen Grabfunden aus frühalamannischer Zeit
zufolge reichten ihre Anfange in das 6. oder 7. nachchristliche Jahrhundert zurück.
Ein Ort namens Geisnang wird urkundlich erstmals um 1100 im Zusammenhang
mit einem Gütererwerb seitens des Klosters Hirsau erwähnt. Im Verlauf des 13.Jahrhunderts fiel der Ort dann allmählich an das Zisterzienserkloster Bebenhausen, das
ihn zu einer Grangie ausbaute. Geisnang ging schließlich in dem im 14. Jahrhundert gegründeten Fuchshof auf. Einen Teil der Geisnanger Gemarkung erhielt der
neue Hof»zu Geisnang auf dem Erlach«. Die ältesten Gebäudeteile dieses Hofes, der
seit 1530 Erlachhof hieß, wurden zwischen 1418 und 1431 errichtet. In der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts kam dann noch ein dritter Hof, der Schafhof, hinzu,
der erstmals 1476 als »neuer freier Hof zu Geisnang« urkundlich genannt wird. Die
frühere Geisnanger Gemarkung war also auf drei Höfe aufgeteilt. Im Jahre 1519,
während des Krieges des Schwäbischen Bundes gegen Württemberg, brandschatzten
Soldaten des Franz von Sickingen den Erlachhof.
Den Bau des Ludwigsburger Schlosses verbinden die wenigsten mit der Arbeit
von Sträflingen. Aber bereits im Jahr 1705, ein Jahr nach der Grundsteinlegung des
Schlosses, waren Gefangene in Ludwigsburg dabei, die Fundamente für den Fürstenbau mit Erde auszufüllen und zu planieren.
Der Einsatz von Sträflingen für öffentliche Arbeiten, also beim Bau von Straßen
und Kanälen, von Palästen und Schlössern, war aber keine Erfindung der Herzöge
von Württemberg. Die Wurzeln reichen vielmehr 2000 Jahre weit zurück in die Vergangenheit, in das römische Weltreich rund um das Mittelmeer. Von dort stammt
die lateinische Bezeichnung »opus publicum«, die wörtlich »Öffentliches Werk« oder
»Öffentliche Arbeiten« bedeutet.
»Über ein Theater schweigen ist noch gefährlicher, als zu viel schreiben. Das Letztere kommt in Wahrheit nicht vor, und das Erstere wollen wir verhüten, indem wir ohne Lobhudelei doch dem wahren Verdienste unsere Anerkennung und Ermunterung
aussprechen.« Ein nicht näher bekannter Redakteur des Ludwigsburger Tagblatts schrieb diese Sätze am 10. Juni 1870 als Einleitung zu einem Artikel über einige aktuelle Aufführungen des Ludwigsburger Sommertheaters. Sie können auch heute noch als Motto für den Versuch verstanden werden, etwas über das wechselvolle Theaterleben Ludwigsburgs zu Papier zu bringen.
Ludwigsburg unter Strom
(2014)
Nicht einmal eine Randnotiz war den Redakteuren der Ludwigsburger Zeitung in
den ersten Augusttagen des Jahres 1905 das folgenreiche Ereignis wert, geschweige
denn eine Schlagzeile wie zum Beispiel: »Endlich! Ludwigsburg unter Strom!« Stattdessen brach die neue Ära bescheiden in einigen Haushalten der Unteren Stadt an,
als dort eines Abends die ersten elektrischen Glühbirnen in Ludwigsburg eingeschaltet wurden und damit das bisher gebräuchliche Petroleum- bzw. Gaslicht ersetzten.
Nach der Eröffnung des Gaswerks 1858 und des Wasserwerks 1866 markierte der Start
der Ludwigsburger Stromversorgung im Jahr 1905 einen weiteren, in die Zukunft weisenden Schritt in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt. Dessen ungeachtet
berichtete die Zeitung ausführlich und mit blumigen Worten über den Auftritt einer
Liliputaner-Gruppe oder über den Besuch eines österreichischen Gesangvereins.
Selbst in einem Bericht über die aktuelle Bautätigkeit in der Stadt wurde das Elektrizitätswerk nicht erwähnt, wie auch in einem anderen Bericht über die wirtschaftliche
Situation der städtischen Gewerbeunternehmen versäumt wurde, die Chancen, die
mit der Nutzung der elektrischen Energie verbunden sind, zu erläutern.
Das Stadtarchiv Ludwigsburg erhielt 1998 von den Erben des Ludwigsburger
Architekten Friedrich Hausser dessen nachgelassene Architekturzeichnungen als
Schenkung. Damit besitzt das Stadtarchiv, neben der Sammlung Baumgärtner
und den Unterlagen Otto Eichens, einen dritten, für die Baugeschichte Ludwigsburgs wichtigen Architektennachlass. In der Hinterlassenschaft Friedrich Haussers befinden sich auch einige bemerkenswerte Materialien zu dem von ihm entworfenen Aussichtsturm am Salonwald. Grund genug, im folgenden Aufsatz
näher auf dieses inzwischen vergangene Wahrzeichen Ludwigsburgs einzugehen.
»Mit Sack und Pack«
(2006)
Die Auswanderung prägte das 19. Jahrhundert nachhaltig. Niemals zuvor und niemals danach verließen so viele Menschen in so kurzer Zeit ihre Heimat, um in der Fremde ihr Glück zu suchen. Die Motive, die Durchführung und der Verlauf der Auswanderung sind im Rückblick allerdings längst nicht so einheitlich, wie dies oft dargestellt wird. Im Folgenden wird zunächst die Auswanderung in ihre typischen Phasen eingeteilt, dies besonders durch die Auswertung der so genannten Glatzle-Datenbank, die vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart betreut wird und die Auswanderungsnachweise für Württemberg in elektronischer Form verwaltet. Anschließend werden anhand von Beispielen aus der Stadt Ludwigsburg einige Einzelfälle vorgestellt, die das Auswanderungsgeschehen im 19. Jahrhundert näher beleuchten.
Die Buchhandlung Aigner war über zwei Jahrhunderte eine Institution des Ludwigsburger Kulturlebens. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Eigentümer der Buchhandlung, vor allem aber stellt er die vier prägenden Mitglieder der Familie Aigner vor, die durch ihren Einsatz und ihren Ideenreichtum die Entwicklung der Buchhandlung eng mit der Geschichte der Familie Aigner verwoben haben.
Das Oberamt Ludwigsburg hatte im Jahre 1919 etwas über 71 000 Einwohner und war damit, gemessen an der Einwohnerzahl, das nach den Oberämtern Ulm und Heilbronn drittgrößte Oberamt in Württemberg. Auffallend ist, dass das nur 171 Quadratkilometer große Oberamtsgebiet mit 416 Einwohnern pro Quadratkilometer sehr dicht besiedelt war. Zum Vergleich: Die benachbarten Oberämter Besigheim, Leonberg, Marbach, Vaihingen und Waiblingen hatten zwischen 113 (Vaihingen) und 221 (Waiblingen) Einwohner pro Quadratkilometer. Fast ein Drittel der Einwohner des zwanzig Städte und Gemeinden umfassenden Oberamtsbezirks wohnten in Ludwigsburg, das damals 23 300 Einwohner zählte und die nach Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Esslingen und Reutlingen sechstgrößte Stadt des Landes war. Zu den 52 württembergischen Städten und Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern gehörten von den Ludwigsburger Bezirksorten außerdem noch
Zuffenhausen (14 500 Einwohner) und Kornwestheim (5650 Einwohner). In Ludwigsburg, Zuffenhausen und Kornwestheim lebten insgesamt 43 450 Menschen oder 61 Prozent der Gesamtbevölkerung des Oberamtsgebiets.
»1731 war der erste Ross-Markt« – »Ludwigsburger Pferdemarkt: Tradition seit 1768« – »Stadtgründer Eberhard Ludwig initiierte 1715 zum ersten Mal das bunte Treiben« – »Erster Ludwigsburger Pferdemarkt am 8. und 9. März 1920« – »Ludwigsburger Pferdemarkt geht ins dritte Jahrhundert«. Die inhaltliche Vielfalt einiger exemplarischer Überschriften von Zeitungsartikeln, die alle über dasselbe Thema berichten, mag einen ersten Eindruck von dem vermitteln, was den Chronisten erwartet, der über den Ludwigsburger Pferdemarkt berichten will. Eine bunte Mischung aus historischen Fakten, Fehlinterpretationen, Verwechslungen und Legenden, die aber, einzeln oder alle zusammen, den Erfolg und die Bedeutung des Ludwigsburger Pferdemarkts nicht schmälern können. Der Pferdemarkt wäre sicher nicht beliebter, wenn man 2009 den 300. einer laufenden Zählung hätte feiern können, und er wäre auch nicht weniger wert, wenn es 2009 eben erst der 76. gewesen wäre. Es sei aber trotzdem ein Wort zum Thema Zählung erlaubt: Eine exakte Zählung ist erst seit 1920 möglich, als der erste reine Pferdemarkt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs veranstaltet wurde, was bedeutet, dass – bedingt durch eine Unterbrechung während des Zweiten Weltkriegs und durch Ausfälle wegen Tierseuchen – im Jahr 2008 der 75. moderne Pferdemarkt in Ludwigsburg gefeiert werden konnte. Alles, was vorher war, ist ungewiss und unsicher. Kriege, Hungersnöte, Bevölkerungsrückgang, An- bzw. Abwesenheit des Hofstaats beeinflussten die Marktentwicklung.
Zu Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts trafen für die ehemals wohlhabende Amtsstadt Marbach mehrere Ereignisse zusammen, die zu einem Niedergang
führten, der noch heute Auswirkungen hat: Der Stadtbrand im Jahr 1693 sowie der
Bau von Schloss und Stadt Ludwigsburg.
Seit 1677, bis 1693 unter Vormundschaft, regierte in Württemberg Herzog Eberhard Ludwig. 1697 schenkten ihm Stadt und Amt Marbach 50 Dukaten zur Hochzeit, ohne zu ahnen, was er wenige Jahre später zu ihrem Nachteil ersann. Der absolutistische Herrscher legte 1704 den Grundstein des Ludwigsburger Schlosses, dem
der planmäßige Ausbau der gleichnamigen Siedlung folgte. Diese vom Herzog begünstigte Ansiedlung, die auch auf Kosten von Marbach einen eigenen Amtsbezirk
erhielt, sollte in den Folgejahren zu einem großen Hindernis für die Entwicklung der
1693 abgebrannten Amtsstadt Marbach und zu einer finanziellen Belastung für das
ganze Amt werden. Außer Marbach, das noch an den Folgen der Zerstörung von
1693 litt, waren auch Stuttgart, das um seinen Charakter als Residenzstadt nicht zu
Unrecht fürchtete, und Markgröningen, das seinen jahrhundertealten Amtssitz an
die junge Stadt abtreten musste, betroffen.
Verschwunden – vergessen
(2018)
Sie werden sicher fragen, warum über so unterschiedliche Themen wie öffentliche Toiletten und Kioske in ein und demselben Aufsatz berichtet wird, zu verschieden sind doch die beiden Objekte in ihrer Bedeutung und Nutzung. Gibt es bei solchen Unterschieden überhaupt Gemeinsamkeiten? Öffentliche Toiletten wie auch Kioske sind meist kleine, eher unscheinbare und städtebaulich unbedeutende Gebäude. In einer prächtigen Barockanlage wie der Stadt Ludwigsburg werden sie durch die zahlreichen Palais und die alles dominierenden Schlossbauten in den Hintergrund gedrängt. Obwohl sie wichtige Funktionen zu erfüllen haben, stehen sie, klein wie sie sind, zwangsläufig im Schatten der Großen, man sieht
nur die im Licht, »die im Dunkeln sieht man nicht«. Ganz überraschend ist dieser Effekt des Übersehen-Werdens allerdings nicht. Während die öffentlichen Toiletten wegen einer möglichen Störung des Stadtbildes gar nicht auffallen durften, war dies bei den Kiosken eigentlich umgekehrt. Sie standen dort, wo sie bemerkt werden sollten, an Brennpunkten des
städtischen Lebens. Oft waren sie aber zu unscheinbar, manchmal nur geduldet und deshalb schon nach kurzer Zeit wieder verschwunden. Sie teilten damit das Schicksal der Toiletten, nicht beachtet bzw. vergessen zu werden. Es wundert deshalb auch nicht, dass Motive mit diesen beiden Objekten auf den zahllosen Ansichtskarten von Ludwigsburg nur eher zufällig vorkommen. Darüber hinaus sind die Funde in den Archiven in vielen Fällen eher bescheiden, oft nur Bauakten oder Gemeinderatsprotokolle. Kontakte mit ehemaligen Betreibern von Kiosken waren nur noch in zwei Fällen möglich.
Im frühen 19. Jahrhundert erlebte Ludwigsburg nach dem Regierungsantritt des Herzogs Friedrich II. von Württemberg eine neue Blüte. Der Herrscher erkor die Stadt
mit ihrem weitläufigen Barockschloss zu seiner Sommerresidenz. Er ließ Teile des
Schlosses im Empirestil umgestalten und nutzte auch das Lustschloss Favorite und
das kleine Seeschloss. Während im Favoriteschloss ebenfalls einige Räume modernisiert wurden, musste das unfertig dastehende Schlösschen am Eglosheimer See zuerst ausgebaut und für Wohnzwecke hergerichtet werden. Durch den Bau eines Theater- und Festingebäudes konnte man am Seeschloss Theater- und Opernaufführungen
sowie Bankette abhalten. Auch den Park gestaltete man im englischen Stil um, indem
man das quadratische barocke Bassin abbaute und an seiner Stelle einen unregelmäßigen See mit zwei künstlichen Inseln anlegte. Das Seeschlösschen erschien für eine
repräsentative Hofhaltung besonders attraktiv, denn es war sowohl für größere Veranstaltungen im Grünen als auch als Rückzugsort für eine kleinere Hofgesellschaft
geeignet. Gleichzeitig boten sich in unmittelbarer Nachbarschaft, im riesigen Roten
Tiergarten, ideale Jagdmöglichkeiten. Im Jahr 1804 gab der nunmehr zum Kurfürsten aufgestiegene Friedrich von Württemberg dem Schlösschen den Namen »Monrepos«. Immer wieder zeigte er die Anlage stolz seinen Gästen, oder er zog sich mit
seinem Gefolge einige Tage lang zur Erholung dorthin zurück.
Da bereits einige Arbeiten zur Geschichte des Schlosses Monrepos vorliegen, soll
das Seeschloss selbst im Rahmen dieses Aufsatzes unberücksichtigt bleiben. Im Mittelpunkt steht die Nutzung des Geländes um Monrepos als Tiergarten und als Domäne.
Ernst Leube
(2018)
Betritt man Ludwigsburgs »Alten Friedhof« vom Eingang an der Schorndorfer Straße aus, stößt man 20 Schritte hinter der alten neogotischen Friedhofskapelle – heute Mahnmal für die Toten des Zweiten Weltkriegs – auf eine Familiengruft. Drei Grabsteine stehen in Nord-Süd-Ausrichtung nebeneinander, deren Zusammengehörigkeit durch eine gemeinsame, mit Efeu überwucherte Umfriedung erkennbar ist. Im »Verzeichnis der Begräbnis-Plätze für Erwachsene auf dem Friedhof in Ludwigsburg vom 19.11.1870 an« ist die Lage der Gruft mit »Feld A, Reihe III« bezeichnet. Links auf der Gruft sieht man die von einem antikisierenden Henkelpokal gekrönte Grabstele von Luise Leube, welche die Inschrift »Luise Leube/geb. Dieterich/Witwe des/Oberst Max von Leube/*6. Oct. 1816/† 3. März 1905/in Ulm« trägt. Rechts auf der Gruft steht ein schlichtes, hohes Kreuz auf einem quaderförmigen Unterbau. Auf einer hellen Platte am Sockel liest man: »Marie Leube/geb. den 28. September 1840/gestorben den 12. Juli 1861«. Neben dem Grab Marie Leubes sieht man eine kleine, etwa 50 cm hohe, auf dem Boden liegende, mit Moos überwucherte Steinplatte. Kratzt man das Moos behutsam ab, liest man auf dem Stein den Namen »Adolph« ohne weitere Angaben zum Geburts- oder Todestag.
Allenthalben entstanden zu Ende des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts in Europa auf fürstlichen oder königlichen Wunsch hin neue Schlösser: Versailles, Potsdam,
Bruchsal, Rastatt und Karlsruhe. So war 1704 die Grundsteinlegung zur heutigen
»Ludwigsburg« auch nichts Außergewöhnliches. Der württembergische Herzog Eberhard Ludwig »kümmerte« sich um den benötigten Baugrund - als »summus episcopus« konnte er den ehemals zum Kloster Bebenhausen gehörigen Grund und Boden
leicht an sich ziehen-, und die Untertanen trugen mit Amtsumlagen (Steuern) und
herrschaftlichen Fronen ihren Teil zum Bau des Schlosses und später auch zu dem
der Stadt bei. Diese Frondienste kamen zu den bereits geforderten Arbeitseinsätzen
beim Bau und Unterhalt herrschaftlicher Gebäude, beim Wege- und Straßenbau
sowie bei Jagden hinzu.
Schicksalhaft war für Stadt und Amt Markgröningen die Bildung eines neuen
Amtes für die »Ludwigsburg«, publiziert als fürstliche Resolution am 3. September
1718, verbunden mit deren Erhebung zur Stadt. Dies löste sozusagen ein verwaltungspolitisches Erdbeben aus, dessen Erschütterungen in der weitesten Nord-Süd-Entfernung (Illingen im Nordwesten und Feuerbach im Süden) über eine Strecke von
16,5 km zu spüren waren, von West nach Ost (Illingen bis Endersbach im Osten)
sogar über 36 km. Zwar mussten im Laufe des 18. Jahrhunderts auch andere benachbart gelegene Ämter wie Marbach, Waiblingen und Cannstatt für Ludwigsburg
Federn lassen, und teilweise nicht wenig. Im Fall Markgröningens kam es jedoch zu
einer sich über rund 90 Jahre hinziehenden schrittweisen Ausradierung des kompletten Amtes.
In der südöstlichen Ecke des »Alten Friedhofs« von Ludwigsburg befindet sich das
vom ehemaligen Sanitätsverein gestiftete Denkmal für jene deutschen Soldaten bzw.
in der damaligen Diktion »Krieger«, die den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg
von 1870/71 mit ihrem Leben bezahlten und in der württembergischen Garnisonsstadt unterhalb des Monuments bestattet wurden. Das Denkmal, seine Entstehungsgeschichte, Ikonographie sowie seine Einordnung in den Kontext patriotischer
Erinnerungskultur wurden jüngst in einem Beitrag für die Ludwigsburger Geschichtsblätter ausführlich beschrieben. Darin konnte bereits kurz auf das Schicksal der
auf dem deutschen Denkmal genannten 34 Soldaten eingegangen werden. Aus den
hierfür ausgewerteten preußischen, bayerischen und württembergischen Verlustlisten
ließen sich jedoch nur lückenhafte Informationen gewinnen. Weitere Quellenfunde
im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Stadtarchiv Ludwigsburg sowie die Auswertung des »Sanitäts-Berichts über die Deutschen Heere 1870/71«, der Berichte der
behandelnden Ärzte, zahlreicher zeitgenössischer Regimentsgeschichten, des gedruckten »Kirchen-Registers« der Stadt Ludwigsburg für die Jahre 1870 und 1871 und der
Kriegsausgaben des »Ludwigsburger Tagblatts« erlauben jetzt genauere Angaben zu
den deutschen Soldaten, die in Ludwigsburger Spitälern verstorben, auf dem »Alten
Friedhof« begraben und auf dem dortigen Denkmal verzeichnet worden sind.
Während der Restaurierungen der letzten Jahre wurden immer wieder Fußböden
geöffnet und darunter fand sich eingefülltes Fundgut. Merkwürdiges tauchte in den
Gewölbezwickeln über der Kuppel des Spielpavillons auf: Briefe an Corpora! Harve
Grossman, Verpackungen von Süßriegeln wie Milky Way oder Marshmallows und
Luftschutzschilder. Diese Funde sind der Anlass für den Blick in eine Zeit, die man
so gar nicht mit der Geschichte eines Barockschlosses verbindet: Die Ereignisse im
Ludwigsburger Schloss während des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und
der amerikanischen Besatzungszeit in den Nachkriegsjahren.
Das Seeschloss Monrepos steht am nordöstlichen Ufer des Eglosheimer Sees, einem
Stauweiher, der ehemals in einem waldreichen Jagdgebiet lag. »Die gefällige Umzäunung, die Canäle, Gräben und Thore, die Alleen und Gartenanlagen, der schöne See,
die Inseln und Brücken, die anmuthige Kapelle auf dem immergrünen Tannenhügel,
vor allem aber das niedliche Schloss selber, machen eine unvergleichliche Wirkung
zusammen.« So beschrieb Johann Daniel Georg von Memminger 1817 die »Einfachheit und ruhige Stille« von Monrepos.
Bereits Herzog Eberhard Ludwig ließ hier ein bescheidenes Seehaus mit einer
Bootshalle und einem Fischbehälter errichten. 1714/15 erbaute Zimmermannswerkmeister Johann Georg Buchfink nach Plänen von Johann Friedrich Nette ein fürstliches Jagdhaus, ein Pavillon mit vorspringenden Armen und einem kuppelartigen,
einmal gebrochenen Dach. Der große Mittelsaal hatte eine Galerie und in den Kreuzarmen gab es je ein Kabinett mit französischen Kaminen. Die Innenausstattung war
prächtig: Malereien von Luca Antonio Colomba und eine Stuckdekoration samt
einem Fries mit Jagddarstellungen von Donato Giuseppe Frisoni.
1755 ließ Herzog Carl Eugen den See zu einem Rechteck begradigen und das Seehaus als einfachen Fachwerkbau neu errichten. Der Pavillon des Jagdhauses wurde
wieder zum Gebrauch hergerichtet und mit Tischen und Sesseln aus dem Ludwigsburger Schloss bestückt.
"Was für ein Schweinswal"
(2017)
Erste nachweislich nach lebenden Modellen geschaffene Karikaturen der Neuzeit finden sich im zeichnerischen Werk der Brüder Annibale und Agostino
Carracci, die damit als Begründer der Kunstform der Karikatur und ihrer Theorie gelten. Das Verb »caricare« meint übertreiben. Die »übertriebenen Bildnisse«
(»ritrattini carichi«) des Annibale Carracci (1557–1602) waren Porträts, »in denen
der Künstler vorhandene Missbildungen, Missproportionen, auffällige Züge
eines Gesichts oder auch die Formen eines Körpers übertreibend wiedergibt«.
Die Künstler zeichneten diese Bilder, um ihre Freunde zu amüsieren oder zu
hänseln und griffen dabei vermutlich auf die vermeintliche Wissenschaft der
Physiognomie zurück, die sich mit der Ähnlichkeit menschlicher Typen mit
Tiergestalten befasste.
Die Karikatur findet sich allerdings schon in der Antike und es ist gut
möglich, dass bereits frühere groteske Köpfe der Renaissance lebende Vorbilder
hatten, also eigentlich Karikaturen waren. Gombrich verweist zudem auf
die Tradition der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schandbilder,
die zwar eher rohe Beschimpfung als ein witziger Vergleich sind, aber durchaus
als Vorstufen der Karikatur betrachtet werden können.
Insofern sind die Brüder
Carracci nicht die eigentlichen Erfinder der Karikatur, aber deren Wiederentdecker, Verbreiter und Begründer des Karikaturbegriffs, der im 18. Jahrhundert
fortgeführt wird.
Zu 300 Jahren Ludwigsburger Stadtgeschichte gehören auch die Geschichten ihrer Kirchen. Konfessionen und Religionen gestalten das Leben in einer Stadt wesentlich mit, da Kultus und Kultur zusammenwirken. Dass sie als Kirchen hier gleich zu
Beginn im Plural genannt werden, ist zwar aus heutiger Sicht selbstverständlich, keineswegs jedoch aus den Anfängen der Ludwigsburger Geschichte. Als Schloss und Stadt Ludwigsburg heranwuchsen, war das Herzogtum Württemberg ein evangelisches Gemeinwesen lutherischer Prägung. Dies hatte die Reformation seit 1534 so entwickelt und wurde in der Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 und dem Landtagsabschied von 1565 festgeschrieben, gültig als das Grundgesetz des evangelischen Württemberg bis zum Königreich 1806 und prägend weit darüber hinaus. So hatten seit der Reformation alle Landesbeamten in sämtlichen Dienstbereichen die so genannte Konkordienformel, die in Tübingen entstandene Bekenntniseinigung der Lutheraner, bei Dienstantritt zu unterzeichnen. Eine Trennung von Staat und Kirche gab es nicht, Bürgergemeinde und Kirchengemeinde waren eines, die Kirchenleitung eine herzogliche Behörde und der Herzog das Oberhaupt seiner Landeskirche, die damit die Form einer Staatskirche besaß. Dazu kam, dass Württemberg seit dem Tübinger Vertrag von 1514 eine ständische Verfassung hatte, was den Vertretern der Landstände, zu denen die Ehrbarkeit, die Städte und die Vorsteher der großen Klöster gehörten, eine große Machtstellung in der Landespolitik einräumte. Auch nach der Reformation waren unter den insgesamt 83 Mitgliedern des württembergischen Landtags 14 evangelische Prälaten als Leiter der Klosterschulen. Somit hatte die Landeskirche auf diesem Weg starken Einfluss auf die Landespolitik, notfalls auch gegen den Herzog, obwohl dieser Kirchenoberhaupt war! Ob diese Machtposition dem Auftrag der Kirche Jesu Christi, die das Evangelium frei und unabhängig auszurichten hat, dienlich war, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
Dekan Zilling schreibt 1777 in seinem Ludwigsburger Notabilienbuch: »Zur besonderen Zierde und Verschönerung der Stadt gereichen die breiten und langen Alleen, welche gleich anfangs sowohl innerhalb als außerhalb der Stadt angelegt worden, nachher aber sogar auch bis an die umliegenden Dorfschaften erweitert wurden, so daß die Stadt in der Ferne und bei jedem Anblick einem prächtigen weiten Lustgarten gleicht.« Bevor im Folgenden auf die einzelnen historischen Alleen Ludwigsburgs näher eingegangen wird, soll kurz vorgestellt werden, wie es zur Anlage des Ludwigsburger Alleennetzes gekommen ist und welche Funktion die Alleen hatten.
Auf heutiger Ludwigsburger Gemarkung lag bekanntlich· im Mittelalter das vermutlich im 7. Jahrhundert entstandene Kirchdorf Geisnang. Im 13 . Jahrhundert
gelangte diese Ansiedlung dann in den Besitz des Zisterzienserklosters Bebenhausen, das aus ihr in der Folgezeit eine Grangie, also einen Wirtschaftshof, machte. [1]
Einer der Gründe für das Kloster Bebenhausen, sich hier niederzulassen, dürfte
der vorhandene Wasserreichtum gewesen sein. Wie alle Zisterzienser galten auch
die Bebenhäuser Mönche als Spezialisten für den Wasserbau. Wo immer es möglich war, errichteten sie an Gewässern Mühlen; in den von ihnen angelegten Teichen und Weihern züchteten sie Fische für ihre Fastenspeisen. [2]
Mit dem Tod des Herzogs Friedrich Eugen am 22. Dezember 1797 endete die Zeit der katholischen Herzöge in Württemberg. Diesem war es 1753 gelungen, in das königlich-preußische Haus einzuheiraten. Der Preis zu solch vornehmer Verbindung war allerdings die Zusage, die Kinder evangelisch erziehen zu lassen. Als Herzog Friedrich, ältester Sohn von Friedrich Eugen und Friederike Sophie Dorothea geb. Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, Ende 1797 die Herrschaft in Württemberg übernahm, musste daher auch die Frage der Ausübung des katholischen Glaubens an den Hofgemeinden zu Stuttgart und Ludwigsburg neu geordnet werden.
Freud und Leid
(2018)
In der kleinen Gemeinde Freudental im Stromberg steht am südlichen Dorfrand das Schloss der Gräfin Christina Wilhelmina von Würben, besser bekannt unter ihrem Geburtsnamen von Grävenitz. Als langjährige Mätresse Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg ging sie unter zweifelhaftem Ruf in die Geschichte ein, noch heute als »Landesverderberin« verkannt. Für den Ort Freudental war sie aber als Bauherrin des heutigen Schlosses von großer Bedeutung. Die dreiflügelige Gebäudegruppe umfasst einen schmalen Ehrenhof und steht an der Stelle des ehemaligen Unteren Schlosses. Die Anlage besteht aus dem 1729/31 erbauten neuen Schlossgebäude mit seinem markanten Mansardwalmdach, dem nordwestlich anstoßenden Kavaliersbau und den nordöstlich schräg stehenden Ökonomiebauten. Nach Süden schließt der rechteckige Schlossgarten an, der sich heute überwiegend in Form eines englischen Landschaftsparks präsentiert. Die Strukturen seiner barockzeitlichen Entstehung sind aber noch immer ablesbar. Jenseits des Parks führt eine Allee über Bietigheim nach
Ludwigsburg. Daraus resultiert, dass die Gartenseite und nicht der Ehrenhof als Zufahrt und Haupteingang zum Gebäude angelegt ist.
Genau ein halbes Jahrhundert ist mittlerweile vergangen, seit die Lokalbahn durchs Bottwartal zum letzten Mal Berufspendler und wanderbegeisterte Tagestouristen beförderte. Im Jahr 1965 glaubten etliche Bürger im Bottwartal und manche Eisenbahnfreunde an eine Zukunft der Bahn: Die neue Diesellokomotive war da, an schönen Wochenenden waren die Züge pratzelvoll. Das Tal wurde zunehmend Ziel begeisterter Fahrgäste, Gutachten mahnten zum Erhalt der Verkehrsverbindung. Doch sang- und klanglos verkehrte am 24. September 1966, also vor 50 Jahren, der letzte planmäßige Personenzug auf der Bottwartalbahn. Und keine drei Jahre später lag vom einstigen Stolz des Bottwartals schon kein Meter Gleis mehr.
Die Gründung von Ludwigsburg erfolgte 1709 durch Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg. Dieser ließ hier seit 1704 ein nach ihm benanntes Jagd- und Lustschloss errichten, das damals vor allem aus dem Fürstenbau, dem heutigen Alten Corps de logis, bestand. Mit der Gründung des Ordensbaus war soeben begonnen worden. Außerhalb des Schlosses waren Baracken für die zahlreichen Bauarbeiter und Handwerker errichtet worden. Aus dem Material des wieder abgebrochenen Kavalierbaus wurde 1707 das Gasthaus zum Waldhorn an der Schlossstraße erbaut. Zur Unterbringung der Pferde entstand der Marstall, für die Ludwigsburger Baudeputation das Kanzleigebäude und für die Bedürfnisse der Parforcejagd das Jägerhaus, das später zur Talkaserne umgebaut wurde. In der Bauhofstraße errichteten die Bauarbeiter, Handwerker und Reitknechte einfache Unterkünfte. Die Kolonie wurde Neuweiler oder auch Krawattendörfle genannt.
Hunger, Krieg und Pestilenz
(2012)
Einst hielten die Pfälzer Kurfürsten zu Heidelberg einen Löwen. Doch dann kam der
Winter des Jahres 1607 mit derart grimmiger Kälte, dass der Bodensee vollkommen
mit Eis bedeckt war. Und das stolze Wappentier im Heidelberger Schlossgraben ist
damals jämmerlich erfroren – obgleich es doch »einen schönen Pelz« gehabt hatte.
In eben jenem Jahr 1607 zog auch eine Pestwelle über Württemberg hinweg und
schlug dabei in ungewöhnlicher Heftigkeit zu. Allein in Stuttgart, wo sie volle fünf
Jahre grassiert, tötet sie 2261 Menschen. Das Schlimme an der Geschichte aber ist,
dass solche Katastrophen sich um diese Zeit häufen, und fast immer gehen ihnen
Hungerjahre voraus, verursacht durch Missernten und Teuerung. Diese wiederum
haben ihre Ursache in verregneten, kühlen Sommern.
Freilich, viele Angaben scheinen seltsam widersprüchlich zu sein. Denn immer
wieder folgen auch Jahre mit günstiger Witterung und reichen Erträgen. Während
die 1570er-Jahre mit Ausfällen bei Getreide und Wein beginnen, folgen in den 1580er-Jahren mehrere gute Ernten. 1584 soll es Wein in solchem Überfluss gegeben haben,
dass die Waiblinger Maurer den Mörtel damit anrührten. 1590 indes erfroren in
Neckarrems um Georgi die Reben, während der nachfolgende heiße Sommer fast die
Rems austrocknete. Allzu gern heben solche Nachrichten auf Witterungsanomalien
ab, da diese in der Regel zu existenziellen Krisen führten. Schließlich war die Agrargesellschaft der Vormoderne den Launen der Natur auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Man schätzt das damalige Verhältnis von Aussaat und Ertrag auf eins zu
fünf, so dass es dem Landbewohner kaum möglich war, Vorräte für Mangelernten zu
sammeln.
Als »früheste eindeutige und ausführliche Erwähnung der besonderen Verhältnisse in der Hart« hat bereits Rudolf Kieß eine Urkunde herangezogen, die erstmals Licht auf Struktur und Organisation einer mittelalterlichen »Waldbesitzergemeinschaft« wirft, die von sieben im Umkreis der Murrmündung gelegenen Orten gebildet wurde. Die Orte, die das nordöstlich von Steinheim gelegene Waldgebiet vom Mittelalter bis zu seiner endgültigen Aufteilung im Jahre 1840 in gemeinschaftlichem Grund- und Nutzungsbesitz hatten, sind bekannt: Marbach, Erdmannhausen, Steinheim, Murr, Pleidelsheim, Beihingen und Benningen. Auf die auffällige Tatsache, dass nur einer der genannten Orte, nämlich Steinheim, mit seiner Markung an die Hart angrenzt, alle anderen aber mehr oder weniger weit davon entfernt liegen, Benningen und Beihingen sogar jenseits des Neckars, hingegen unmittelbare Anrainer der Hart wie Rielingshausen oder Kleinaspach hier aber keinen Waldbesitz hatten, wurde bereits mehrfach hingewiesen.
Der Anlass des heutigen Vortrags, ja der ganzen Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen er stattfindet, ist ein vergleichsweise unspektakuläres Schriftstück vom 3. September 1718. Es ist keine feierliche Stadterhebungsurkunde, sondern ein einfaches Reskript, ein nüchterner fürstlicher Befehl, der innerhalb der Landesverwaltung publiziert und an den Geheimen Rat des Herzogtums gerichtet war. Herzog Eberhard Ludwig – »von Gottes Gnaden Herzog zu Württemberg und Teckh, Graf zu Mömpellgard, Herr zu Heydenheimb, der römischen kayserlichen Mayestät, des heyligen römischen Reichs und des löblichen schwäbischen Creyses Generalfeldmarschall, auch Obrister über drey Regimenter zu Roß und Fuß« – gibt darin folgenden Beschluss (»unsere gnädigste resolution«) bekannt: Seiner Residenz Ludwigsburg sollen das bisherigen Amt Gröningen sowie Asperg, Hoheneck, Neckarweihingen, Kornwestheim und weitere Orte »incorporiert und ein Oberamt daraus gemacht« werden. Es folgen weitere Anordnungen über die Verwaltung der bisherigen Ämter und des neuen Oberamtes, der Amtskellerei, der Besteuerung sowie der geistlichen Jurisdiktion. Eberhard Ludwig verfügt weiterhin, dass Ludwigsburg zwei Jahrmärkte, je acht Tage nach der Frankfurter Messe, erhalten soll und dass alle inkorporierten Orte, insbesondere aber auch die Kaufleute aus Stuttgart dort ihre Waren anbieten sollen. Ferner sollen die Handwerkerzünfte aller württembergischen Ämter ihre Zentralen nach Ludwigsburg verlegen. Dann schließlich folgt der für Ludwigsburg wichtigste Satz: »wobei Wir mehrbesagter Unserer Residenzstadt Ludwigsburg noch diese Prägrogatio aus Landesfürstlicher Macht und Hoheit ertheilen, daß selbige die dritte Haubtstatt Unseres Herzogthumbs seyn, bey Unserer treugehorsambsten
Landschaft mit zum engern Ausschuß gezogen werden und das Stattgericht daselbst das Privilegium eines Obergerichts wie Stuttgart und Tübingen dergestalt haben solle, daß auch andern Stätten, außer denen incorporierten, dahin zu appelliren frey stehe«.
Die Versorgung des Hofes
(2008)
Zur Versorgung des Hofes, egal ob im 18. Jahrhundert oder zur Zeit König Friedrichs um 1810, war eine ausgeklügelte »Maschinerie« nötig. Allein der Küchenbau hat gewaltige Ausmaße. Das Gebäude liegt abseits hinter der Ordenskapelle, was mehrere Vorteile bot: Die Herrschaft wurde nicht von Rauch und Essensgerüchen belästigt, auch blieb die Arbeit des Küchenpersonals vor den herrschaftlichen Augen verborgen, und die Anlieferung der Waren konnte reibungslos erfolgen. Küchen wurden vor allem wegen der Brandgefahr abseits in den Erdgeschossräumen oder in Nebengebäuden untergebracht. So befand sich die Konditorei im Erdgeschoss des Festinbaus und im Erdgeschoss des Theaterbaus gab es die Kaffeekammer, in der täglich Kaffee frisch geröstet und gemahlen wurde. Eine stattliche Zahl an Bediensteten sorgte dafür, dass der Hof versorgt wurde. Allein für die Zubereitung der Mahlzeiten und Getränke waren unter König Friedrich 36 Personen angestellt. Das Küchenpersonal wohnte im oberen Stock des Hofküchengebäudes.
Untrennbar mit der frühen Ludwigsburger Stadtgeschichte ist die Gestalt der
Christina Wilhelmina von Grävenitz (1685–1744) verbunden. Sie war 24 Jahre
die Mätresse des Ludwigsburger Stadtgründers Eberhard Ludwig und prägte
dessen Regierungszeit wie kein anderer Mensch.
Mätressen verdankten in der Frühen Neuzeit ihren Aufstieg vor allem ihrem
Aussehen. Und wer könnte das Aussehen der Grävenitz besser beurteilen als ein
Zeitzeuge. Heinrich August Krippendorf hatte als ihr Privatsekretär über viele
Jahre sehr engen Kontakt zu ihr. Er schreibt aus der Retrospektive:
»Es war ... an der Grävenitz
gar nichts Schönes, außer der Busen und Hände. Ihre
Augen, Haar und Taille von der allergemeinsten Sorte, die Zähne die heßlichsten
von der Welt, der Gang negligent. Ihr Angesicht, welches jederzeit mit Farde so
starck übergeschmiert war, als ob sie einem [G]ipser die Arbeit verdungen, gliche
ohne diesem Anstrich einem alten Epitaphio, woraus das Gold gekratzt worden, indem es die Blattern gar grob verderbt hatten. Nechst diesem ist es schier unmöglich
zu glauben, wie Eberhard Ludwig die Grävenitz die letzten 12 Jahre ihres Dominats
über lieben können, denn sie ward durch eine ausgestandene Kranckheit so unförmlich dick, daß es Kunst brauchete, sie einzuschnüren, welches auch sehr selten und
nur bey den vornemsten Hoffestins geschahe.